Nr. 218 Ministerkonferenz, Wien, 6. Oktober 1860 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Rechberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Rechberg 6./15. 10.), Thun 11. 10., Nádasdy 10. 10., Gołuchowski 11. 10., Thierry 12. 10., Plener 12. 10., Franck.
MRZ. – KZ. 3406 –
- I. Zollherabsetzung auf Hadern, eventuell auf Holz
- II. Elektrischer Telegraf zwischen Lissa und Spalato
- III. Maßregeln zur Verminderung des Silberbedarfs für die k.k. Armee
- IV. Berichtigung einiger Positionen im Staatsvoranschlage pro 1861
- V. Belassung der Landeshauptkassen in Laibach und Klagenfurt
Protokoll der zu Wien am 6. Oktober 1860 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.
I. Zollherabsetzung auf Hadern, eventuell auf Holz
Mit Beziehung auf die Konferenzberatungen vom 23., 26. und 30. Juni 1860 (MCZ. 535, 539, 546)1 erklärte der Leiter des Finanzministeriums amit Hinblick auf die seitherigen günstigen Erfolge der von der Staatsdruckerei eingeleiteten Versuche von Papiererzeugung aus Maisstroh, worüber er Muster vorlegta,2 seine Zustimmung, daß die von der englischen Regierung gewünschte Herabsetzung des Ausfuhrzolles für Hadern (von 3 auf 2 fr. über die trockene Grenze, dann von 4 auf 3 fr. übers Meer) gegen dem zugestanden werde, daß die englische Regierung ihrerseits einige Zollbegünstigungen, namentlich für österreichische Weine, gewähre. Auch wäre er geneigt, unter ähnlicher Bedingung den Ausfuhrzoll auf Bauholz, dessen in Slawonien Überfluß ist, herabzusetzen.
Der Minister des Äußern wird den Entwurf der Konvention, die diesfalls mit England abzuschließen wäre, dem Leiter des Finanzministeriums mitteilen und sich darin einstweilen auf den Hadernzoll gegen Zugestehung derjenigen Begünstigungen, die England seither der französischen Regierung gewährt, beschränken, die Verhandlung wegen des Zolls auf Bauholz aber einem späteren Zeitpunkte vorbehalten, wo dann vielleicht die Herabsetzung des sehr hohen englischen Einfuhrzolls auf Maschinen etc. als Gegenleistung bedungen werden könnte. Dem Leiter des Finanzministeriums bleibe es übrigens vorbehalten, seine Anträge über weiter zu verlangende Konzessionen speziell zu formulieren3.
II. Elektrischer Telegraf zwischen Lissa und Spalato
Aus einer Anzeige des Telegrafendirektors hat der Leiter des Finanzministeriums entnommen, daß ersterer infolge einer Ah. Entschließung vom Marineoberkommando den Auftrag erhalten habe, unverweilt die Legung eines elektrischen Telegrafen von Lissa nach Spalato zu besorgen und daß er das dazu nötige Kabel bei einem || S. 457 PDF || Kölner Hause bereits bestellt habe4. Nachdem in der Konferenz vom 10. v.M.5 mit überwiegender Stimmenmehrheit der Antrag auf Herstellung dieses Telegrafen abgelehnt worden ist, so glaubte der Leiter des Finanzministeriums obige Bestellung einstweilen sistieren und die Sache dem Ministerpräsidenten anzeigen und in der Konferenz zum Vortrage bringen zu sollen, weil er von der Ah. Entschließung nicht im ordentlichen Wege in Kenntnis gesetzt worden, also jedenfalls ein Formfehler unterlaufen ist, dann weil er sich im Interesse der schwer bedrängten Finanzen verpflichtet fand, dieselben vor einer nicht vorgesehenen bedeutenden Auslage (etwa 120.000 fr., da das Kabel allein auf 60.000 fr. in Silber angeschlagen ist) wo möglich zu bewahren. Zu diesem Ende schien ihm die abermalige genaue Erwägung der Frage in merito, ob die Legung des Kabels gegenwärtig noch unerläßlich sei, notwendig zu sein.
Der Ministerpräsident äußerte zwar, daß gegenwärtig nach dem Falle Anconas6 Lissa die in der Konferenz vom 10. v. M. vom Vertreter des Marineoberkommandos geltend gemachte Bedeutung verloren haben, also ein anderer Platz, etwa Lussin, zum Sammelpunkte der Marine gewählt werden dürfte; und auch FML. Ritter v. Franck legte, wie früher FML. Ritter v. Schmerling, kein Gewicht auf den in militärischer Hinsicht nicht bedeutenden Platz von Lissa. Nachdem jedoch Se. Majestät auf die diesfalls vom Ministerpräsidenten Allerhöchstdenselben mündlich gemachte au. Vorstellung zu erklären geruht haben, daß es „zu spät“ sei, indem der Ah. Befehl bereits gegeben, so erübrigt nach dem Erachten des Ministerpräsidenten nichts, als daß von Seite des Leiters des Finanzministeriums vereint mit dem Marineoberst Breisach die endgültige Ah. Entscheidung in einer zu erbittenden Audienz unverzüglich eingeholt werde, wozu die Einleitung sogleich getroffen wurde7.
III. Maßregeln zur Verminderung des Silberbedarfs für die k.k. Armee
Zur Deckung des Bedarfs an Silbermünzen für die k. k. Armee in Italien und für die Marine in den nächsten zwei Monaten hat sich der Leiter des Finanzministeriums nach Erschöpfung der vorhandenen Barvorräte und bei der Unmöglichkeit, zum Barfonds der Nationalbank oder zu einem Silberanleihen seine Zuflucht zu nehmen, genötigt gesehen, beim Hause Rothschild zehn Millionen Francs gegen Deponierung von neun Millionen Gulden des im Jahre 1859 in England versuchten Anleihens, dann gegen 6½%ige Verzinsung und 1% Provision, also unter sehr lästigen Bedingungen, zu entlehnen8. Für Jänner 1861, wo überdies die Zinsenzahlung des Nationalanleihens mit zehn Millionen in Silber bevorsteht, ist hiermit nicht gesorgt. In der Absicht also, die Silberzahlungen auf das äußerste zu beschränken, würde er in einer unter dem Ah. Vorsitze abzuhaltenden Konferenz den Vorschlag machen, 1. für die k.k. Truppen in Italien mit Ausnahme der Gagen und Löhnungen, die natürlich dort in Silber gezahlt werden müssen, alle sonstigen Anschaffungen an Materiale, Proviant und Fourage etc. außerhalb des lombardisch-venezianischen Königreichs zu bewirken und Forderungen aus dort abgeschlossenen Kontrakten in Banknoten mit Aufzahlung des Agio zu befriedigen, 2. die österreichische Besatzung in Mainz (welche 2½ Millionen in Silber erfordert) abzuberufen oder doch möglichst zu beschränken.
Gegen das Vorhaben, diese Vorschläge unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät zu erörtern, wurde nichts erinnert, vorläufig aber bemerkt, daß nach dem Erachten des FML. Ritter v. Franck die Ausführung des Vorschlags ad 1. zum Teile sich werde bewirken lassen und daß ad 2. die Entscheidung möglichst bald erfolgen müsse, indem eben der Garnisonwechsel eingeleitet wird, daß jedoch nach der Ansicht des Ministerpräsidenten die Abberufung der Mainzer Besatzung ohne Verletzung der Bundespflicht gar nicht, eine Verminderung derselben aber nur insoferne tunlich wäre, als hierdurch den übrigen Bundestruppen keine größere Diensteslast aufgebürdet würde. Dagegen könnte vielleicht, was auch der Minister des Inneren befürwortete, die Konzentrierung größerer Truppenmassen statt im lombardisch-venezianischen Königreiche an dessen Grenzen einstweilen stattfinden. Auch die Emission von Papiergeld mit Zwangskurs im Königreiche wurde vom Polizeiminister angedeutet9.
IV. Berichtigung einiger Positionen im Staatsvoranschlage pro 1861
Um dem Staatsvoranschlag für 1861 mit Rücksicht auf die Ergebnisse der Beratungen des verstärkten Reichsrates definitiv richtig zu stellen10, erbat sich der Leiter des Finanzministeriums einige Erläuterungen, und zwar:
1. bezüglich der vom Minister des Inneren in Aussicht gestellten Ersparungen von 1,243.000 f. überhaupt und von 400.000 f. bei Neubauten insbesondere, ob diese Ziffern im Präliminare definitiv in Abrechnung gebracht werden können.
Der Minister des Inneren erklärte, daß dieselbe seiner Überzeugung nach ohne Anstand erfolgen könne, gegen dem, daß ihm vorbehalten bleibe, mögliche Abgänge bei den einzelnen Posten infolge unvorgesehener Bedürfnisse aus den Ersparnissen bei anderen || S. 459 PDF || Rubriken decken zu dürfen, was der Leiter des Finanzministeriums mit Rücksicht auf die beabsichtigte Pauschaldotierung für zulässig erklärte.
2. Ob, nachdem der verstärkte Reichsrat um die Sistierung der Einziehung der Landesstellen der kleinern Kronländer11, dann der Unterordnung der geologischen Reichsanstalt unter die Akademie12 gebeten hat, nicht vielleicht die aus dem Titel dieser Reduktionen in Ersparung kommenden Summen dennoch in dem Voranschlag aufgenommen beziehungsweise beibehalten werden sollten, falls es Sr. Majestät gefiele, den Bitten des Reichsrates Folge zu geben.
Der Minister des Inneren hielt diese Frage durch die bestimmten diesfälligen Ah. Entschließungen für so vollständig entschieden, daß er in pflichtschuldiger Vollziehung derselben die erwähnten Summen, wenn sie auch im Voranschlage blieben, jedenfalls in Ersparung bringen werde.
Der Justizminister gab dagegen zu bedenken, daß die definitive Ausscheidung der fraglichen Summen die verneinende Antwort auf die diesfälligen Anträge des verstärkten Reichsrates, und zwar die erste Antwort sein würde, und ob es rätlich sei, in der ersten Erledigung über die reichsrätlichen Petita gleich mit einem abschlägigen Bescheide hervorzutreten. Er hielte diese Frage für wert, in einer unter dem Ah. Vorsitze abzuhaltenden Konferenz reiflich zu erörtern und zu erwägen, was auch von Seite des Ministerpräsidenten mit dem Beisatze angenommen wurde, daß überhaupt alle Angelegenheiten, die Gegenstand eines reichsrätlichen Begehrens gewesen, in der Konferenz zum Vortrage zu bringen sein werden13.
V. Belassung der Landeshauptkassen in Laibach und Klagenfurt
Infolge der Ah. angeordneten Einziehung der selbständigen Länderstellen von Krain und Kärnten14 sollten auch die Landeshauptkassen zu Laibach und Klagenfurt diesen ihren Charakter verlieren und nach dem auch heute behaupteten Antrage des Ministers des Inneren zu „Sammlungskassen“ werden. Es ist dies seiner Ansicht nach eine Folge des Aufhörens der administrativen Selbständigkeit dieser Kronländer, indem nur dort, wo selbständige Landesstellen bestehen, Landeshauptkassen systemmäßig zu bestehen haben. Wie in Salzburg und Schlesien, so müßten auch in Krain und Kärnten die bisherigen Landeshauptkassen in Sammlungskassen umgestaltet werden15; es liege im System, sei wohlfeiler, und persönliche Rücksichten für die Beamten, denen übrigens ihre erworbenen Rechte in keiner Weise geschmälert würden, müßten hier außer Anschlag bleiben.
|| S. 460 PDF || Der Leiter des Finanzministeriums glaubte dagegen die Belassung der genannten Landeshauptkassen als solche bei Sr. Majestät befürworten zu sollen, weil ihre Geschäfte, ihre Abfuhrrayons und Termine dieselben wie früher bleiben, ihre Umänderung in Sammlungskassen viel Arbeit und Schreiberei veranlaßt und kein erhebliches Resultat als eine Ersparung von circa 900 f., und zwar vornehmlich auf Kosten der minderen Beamten und Diener, deren Lage eher einer Aufbesserung bedürfte, zur Folge hat, weil endlich der Vergleich mit Salzburg und Troppau hier nicht wohl paßt, indem die dortigen Kassen ohne Vergleich von viel geringerem Belange sind als die hier in Frage stehenden.
Der Kultusminister stimmte diesem Antrage bei, weil er jedenfalls für Klagenfurt und Laibach nach dem Aufhören der Funktion der politischen Landesstelle den Eintritt einer Behörde voraussetzt, die mit einem weiteren Wirkungskreise begabt ist als die übrigen Bezirksämter. Der Justizminister war endlich der Meinung, daß, bis Se. Majestät über das Schicksal der politischen Landesstellen in Krain und Kärnten werden entschieden haben, auch die Kassen in Statu quo zu bleiben, nach definitiver Aufhebung der ersteren aber die Umstaltung der letzteren in Sammlungskassen sukzessiv in der Art zu erfolgen hätte, daß neue Besetzungen nach dem Status für Sammlungskassen stattfänden16.
Wien, am 6./15. Oktober 1860. Rechberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 18. Oktober 1860.