Nr. 92 Ministerkonferenz, Wien, 10. Jänner 1860 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Rechberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Rechberg 10. 1.), Thun 16. 1., Bruck 16. 1., Nádasdy 16. 1., Gołuchowski 16. 1., Thierry 18. 1., Schmerling 20. 1.
MRZ. – KZ. 337 –
Protokoll der zu Wien am 10. Jänner 1860 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.
I. Verwendung des Generalkommandogebäudes in Wien
FML. Ritter v. Schmerling beantwortete die in der Konferenz vom 3. d.M. sub III. vom Finanzminister gestellte Anfrage wegen Überlassung des Generalkommandogebäudes an der Ecke der Teinfaltstraße an die Direktion der Staatstelegrafen dahin, daß das Armeeoberkommando bedaure, hierauf nicht eingehen zu können, weil auf Ah. Befehl Sr. Majestät die Gendarmeriegeneralinspektion in jenes Gebäude zu übersiedeln hat, für ihre eigenen Amtslokalitäten, abgesehen von einer Wohnung für den Generalinspektor, das ganze Erdgeschoß und zweite Stockwerk benötigt, mithin nur der zur Unterbringung des Telegrafen ohnehin unzulängliche erste Stock mit 24 Zimmern erübrigen würde, welcher jedoch bei der bevorstehenden Kündigung der Amtslokalitäten des Militärlandes- und Appellationsgerichtes im Liguorianergebäude1 für die genannten Gerichte reserviert werden muß.
Unter diesen Verhältnissen erübrigt dem Finanzminister nichts, als die Nachforschungen zur Ermittlung eines geeigneten Hauses für die Telegrafendirektion fortzusetzen.
II. Ausdehnung der Dienstpragmatik für die politischen Beamten auf andere
Im Ah. Auftrage Sr. Majestät stellte der Ministerpräsident die Anfrage, ob das in der Konferenz vom 12. November 1859 ad I. beratene Gesetz über die Disziplinarbehandlung der dem Ministerium des Inneren unterstehenden Beamten nicht auch auf alle übrigen, mit Ausnahme der Justizbeamten, auszudehnen sei2. Er seinesorts würde keinen Anstand nehmen, sich für die Bejahung der Frage rücksichtlich der zu seinem Ressort gehörigen Beamten auszusprechen.
Ebenso erklärte der Finanzminister dieses Gesetz auf die Finanzbeamten, die Finanzwache ausgenommen, für anwendbar. Der Polizeiminister behielt sich die Abgabe seiner Äußerung nach näherer Prüfung des Entwurfs und Erwägung der Modalitäten vor, unter denen das Gesetz nach der eigentümlichen Einrichtung der Polizeibehörden auf deren Beamten in Anwendung gebracht werden könnte. Der Minister für Kultus und Unterricht war zwar schon bei der Beratung vom 12. November v. J. gegen den Grundsatz der völligen Aufgebung des Schutzes durch die Justizräte. Wenn jedoch Se. Majestät jenen Grundsatz bezüglich der politischen Beamten zu genehmigen geruhen, so können wohl die dem Kultus- und Unterrichtsminister unterstehenden || S. 366 PDF || Verwaltungsbeamten nicht ausgenommen werden. Indessen würde sich dann das neue Gesetz lediglich auf die Beamten dieses Ministeriums selbst zu beschränken haben, indem adieses Ministerium keine in disziplinärer Beziehung von ihm abhängigen Beamten in den Kronländern habe. Auf das Lehrpersonale aber es anzuwenden, könne er nicht befürworten. Es habe sich kein Bedürfnis einer Änderung der bestehenden Vorschriften geltend gemacht. Wolle man gleichwohl auch in dieser Beziehung wieder etwas Neues einführen, so müßten mit Rücksicht auf die verschiedenen Kategorien der Schulen und Unterrichtsanstalten besondere Vorschläge erstattet werden.a
Nach dieser Abstimmung glaubte der Minister des Inneren , daß dem eingangs erwähnten Ah. Befehle am besten dadurch entsprochen werden könnte, wenn unter Offenhaltung der Frage rücksichtlich des Lehrkörpers der in Rede stehende Entwurf den Ministerien des Äußern, Kultus- und Unterrichts, der Finanzen und Polizei, dann der Obersten Rechnungskontrollbehörde zur Einsicht mitgeteilt und nach Ausarbeitung der erforderlich scheinenden besonderen Bestimmungen in einer aus Abgeordneten der genannten Zentralstellen beim Ministerium des Inneren zusammengesetzten Kommission beraten würde.
Nachdem die Konferenz sich hiermit einverstanden erklärt hatte, behielt sich der Minister des Inneren vor, hierwegen das Weitere einzuleiten3.
III. Überweisung von Fachschulen an die Leitung des Unterrichtsministeriums
Der Finanzminister brachte die bei der Budgetkommission4 zur Sprache gekommene Proposition in Vortrag, sämtliche Schulen und wissenschaftliche Institute, von denen verschiedene dermal verschiedenen Ministerien unterstehen, unter die einheitliche Leitung des Unterrichtsministeriums zu stellen. Es kamen dabei die Akademie der Wissenschaften, die geologische Reichsanstalt, die blandwirtschaftlichen und Ackerbauschulen,b die Forstlehranstalt und Bergakademien zur Erwähnung.
Der Minister des Inneren war bereit, die geologische Reichsanstalt an das Unterrichtsministerium abzutreten, behielt sich jedoch die landwirtschaftlichen Schulen vor, teils wegen ihrer innigen Beziehung zu dem gesamten, seinem Ressort untergebenen Landwirtschaftswesen, teils darum, weil sie nicht aus Staatsmitteln, sondern von dem betreffenden Landesfonds dotiert werden, deren Gebarung ebenfalls vom Minister des Inneren überwacht wird. Hierüber erklärte der Unterrichtsminister : Bei der Beurteilung der Frage über die Oberleitung bestimmter Fachschulen und Institute kommt es vornehmlich darauf an, den Hauptzweck, die didaktische Einrichtung und Leitung derselben, ins Auge zu fassen. In dieser Hinsicht wäre er für die Unterordnung der landwirtschaftlichen Schulen unter sein Ministerium auch aus dem Grunde, weil sie sich den || S. 367 PDF || Volks- und Realschulen zunächst anschließen. Solange aber noch cdie Gründung und Erhaltung dieser Schulen hauptsächlich davon abhänge, daß Beiträge dazu von dem Minister des Inneren aus den Landesfonds bewilligt werden, hätte er nichts dagegen, sie unter dem Ministerium des Inneren zu lassen. Wenn seinerzeit, wie vorauszusehen, die Landtage diese Angelegenheit in die Hand nehmen werden, und infolgedessen der Einfluß der Regierung auf didaktische Fragen und Interessen beschränkt sein wird, so werde wohl allgemein anerkannt werden, daß diese Angelegenheiten dem Unterrichtsministerium zuzufallen haben.c Forst- und Montanschulen bleiben dagegen jedenfalls besser unter ihrer dermaligen Leitung als unter jener des Unterrichtsministeriums, weil dem letzteren die für diese speziellen Fächer vorgebildeten Organe nicht zu Gebote stehen, welche die ersprießliche Leitung jener Schulen erfordert. Gegen die Überweisung der geologischen Reichsanstalt und der Akademie der Wissenschaften aber legte der Unterrichtsminister Verwahrung ein, dbezüglich der ersteren, weil es scheine, daß deren Bestand in Frage gestellt werde und das offenbar nicht der Augenblick sei, um eine Änderung bezüglich der Leitung eintreten zu lassen, die Wirksamkeit der letzteren aber sei eine zu selbständiged, um bei irgendeinem Ministerium anders als bloßer Budgetposten zu figurieren5.
IV. Verordnung zur weitern Durchführung der evangelischen Kirchenverfassung in Ungarn
Der Kultusminister , durchdrungen von der Notwendigkeit, den evangelischen Gemeinden Ungerns etc., welche das Ah. Patent vom 1. September 1859 über die Kirchenverfassung und die Ministerialverordnung vom 2. n. M. dankbar angenommen haben, zu dessen Durchführung die nötige Unterstützung zu gewähren, den Renitierenden dagegen jede Aussicht auf einen Erfolg ihrer Bestrebungen zu benehmen, andererseits aber den Weg zur Umkehr offen zu lassen, hat sich mit Sr. k. k. Hoheit dem Herrn Erzherzog Generalgouverneur von Ungern über den Entwurf folgender Erlässe geeinigt6:
1. einer Ministerialverordnung, zu publizieren im gesetzlichen Wege und von der Kanzel herab in den Kronländern, für welche das Patent vom 1. September 1859 gültig ist, wornach die nach diesem Patente bereits koordinierten evangelischen Lokalgemeinden sofort zur Koordinierung der Seniorate und Superintendenzen zu schreiten, die andern aber ihre Koordinierung ohne Aufschub durchzuführen und, daß es geschehen, bis Ende März 1860 anzuzeigen haben, widrigens sie nach diesem Termine nicht für gesetzlich || S. 368 PDF || geordnet und ihrer korporativen Rechte unter Aufrechthaltung ihrer Verpflichtungen für verlustig anzusehen sind; wornach ferner die Anzeige über die patentmäßig zu berufenden Senioralkonvente bis 15. April 1860 gewärtigt, die Abstimmung der Vertreter nicht koordinierter Gemeinden auf denselben untersagt, jeder Beschluß eines nicht patentmäßig koordinierten Konvents für nichtig und das Amt der Inspektoren und Kuratoren, welche in der Gemeinde etc., für die sie gewählt waren, ihren Wohnsitz nicht haben oder nicht koordinierten Gemeinden oder Senioraten angehören, für erloschen erklärt, endlich zur weiteren gesetzlichen Koordinierung der Superintendentialkonvente und zur Zusammentretung der Generalkonferenz eingeladen wird;
2. einer Weisung an die Superintendenten etc. wegen unverzüglicher Versendung der ihnen mitgeteilten Exemplare obiger Verordnung an die Kirchengemeinden;
3. einer Weisung an die Präsidien der betreffenden Landesstellen wegen Durchführung der Verordnung, Nichtzulassung gesetzwidriger Vorgänge, Gewährung des angesuchten Schutzes für gesetzmäßig vorgehende Gemeinden, dann wegen derjenigen Maßregeln, welche von den Behörden gegen Gemeinden etc. zu ergreifen sind, die sich der Übertretung der Vorschriften, des Ungehorsams gegen Verbote und Anordnungen oder der Aufforderung anderer zum Ungehorsam etc. schuldig machen.
Die dem vollen Inhalte nach vorgelesenen, aus den Beilagen ersichtlichen Entwürfee erhielten die Zustimmung der Konferenz7.
Wien, am 10. Jänner 1860. Rechberg.
Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 1. Februar 1860.