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Nr. 533 Ministerrat, Wien, 28. Juli 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 29. 7.), P. Krauß 30. 7., Bach 30. 7., Thinnfeld, Thun, Csorich, K. Krauß (BdE. fehlt), Baumgartner; abw. Stadion, Kulmer.

MRZ. 2587 – KZ. 2684 –

Protokoll der am 28. Juli 1851 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Aufhebung der Nationalgarde (2. Beratung)

Der Minister des Inneren Dr. Bach las zu Anfange der Sitzung im Nachhange zu der am 14. d. M. stattgefundenen Beratung den Patentsentwurf hinsichtlich der Aufhebung der Nationalgarde vor1. Im Eingange dieses Patents wird bemerkt, daß das in den letzten Wirren entstandne Institut der Nationalgarde, abgesehen von seinen an einigen Orten geleisteten und von Sr. Majestät anerkannten ersprießlichen Diensten zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung, weder nach seinem Zwecke noch nach seiner inneren Organisation entsprochen habe und daß sich Se. Majestät vorbehalten, Bürger- und Schützenkorps, welche Allerhöchstdessen Vorfahren bei vielen Gelegenheiten sehr gute Dienste geleistet haben, an geeigneten Orten wieder ins Leben zu rufen.

Die bei diesem Anlasse von dem Minister des Inneren angeregte Frage, ob in dem Patente der § 119 der Reichsverfassung (welcher lautet: „Die Einrichtung der Bürgerwehr wird durch ein besonderes Gesetz geregelt.“)2 zu berufen sei oder nicht, wurde durch Stimmenmehrheit verneint, weil es sich jetzt nicht um die Reglung der Bürgerkorps, sondern um die Beseitigung des Übelstandes der Nationalgarde handelt, welche je eher je lieber aufgehoben werden müsse, weil eine bewaffnete Macht ohne militärische Disziplin sich stets als gefährlich darstelle. Nur die Minister der Finanzen und der Justiz glaubten mit Beziehung auf aihre in der Sitzung am 14. l. M. a ihre in der Sitzung am 14. l. M. über diesen Gegenstand abgegebene Äußerung bemerken zu sollen, daß, wenn die Bürgerkorps nur infolge von Gnadenbriefen und Privilegien errichtet werden sollen, dadurch der § 119 der Reichsverfassung außer Wirksamkeit gesetzt und aufgehoben würde, was nicht wohl angehen dürfte. Die Bürgerkorps als selbständigesb Mittel zur Aufrechthaltung der Auktorität [sic !]|| S. 129 PDF || der Behörde seien zwar allerdings unbrauchbar, aber nicht als Mittelc der Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und als Stützen für das Militär, wenn dasselbe zur Bekämpfung eines äußeren Feindes ausziehen muß und dgl.

Der obige Patentsentwurf wird nach dem Beschlusse des Ministerrates an den Reichsrat zur Erstattung seines Gutachtens geleitet3.

II. Sichtungsoperat des Pester Kriegsgerichtes über die ungarischen Kompromittierten

Derselbe Minister [des Inneren] brachte hierauf die von dem Pester Kriegsgerichte im Wege des Kommandanten der dritten Armee vorgelegten Sichtungsoperate über die politischen Vergehen der ungarischen Kompromittierten zum Vortrage, welche in die früheren diesfälligen Operate der Ministerialkommission nicht aufgenommen werden konnten, weil damals die bezüglichen Erhebungen noch nicht so weit gediehen waren, um einen zureichenden Anhaltspunkt zur Beurteilung der Straffälligkeit zu gewähren4.

Die Ministerialkommission hat auch bei Überprüfung dieser nachträglich vorgelegten Sichtungs­operate die Ah. genehmigten Grundzüge im Auge behalten5.

Gegen den Antrag des Pester Kriegsgerichtes, hinsichtlich der im Verzeichnisse Nr. I vorkommenden Moses Berde, Samuel Boros de Papi, Sigmund Csuthy, Alexius Dosa, Franz v. Duschek, Michael von Mikó, Emerich Sörös und Gabriel Török das anhängige kriegsrechtliche Verfahren durchzuführen, findet die Ministerialkommission in Anbetracht der von diesen Individuen nach dem 14. April 1849 betätigten hervorragenden Wirksamkeit im Interesse der Umsturzpartei nichts zu erinnern.

Ebenso erachtet die Kommission dem Antrage des Pester Kriegsgerichtes auf die unmittelbare Einstellung des kriegsrechtlichen Verfahrens rücksichtlich der im Verzeichnisse Nr. II enthaltenen Stephan Cserky, Gabriel Danyi, Johann Fejös, Franz Fodor, Gustav Hatos, Paul Karman, Stephan Katits, Michael Koros, Augustin von Kovats, Ludwig Baron Vay und Wolfgang Weer, die sämtlich zu den Mindergravierten gehören, beizustimmen, in Ansehung welcher Se. Majestät daher zu bitten wären, Ag. zu gestatten, das das diesfällige kriegsrechtliche Verfahren aufgelassen werde.

Hinsichtlich der in demselben Verzeichnisse II aufgeführten Leopold Hering, Johann Gulyás, Josef Ringeis und Georg Cohén ist die Ministerialkommission mit dem Antrage des Kriegsgerichtes nicht einverstanden. Sie meint, daß gegen Leopold Hering, einen katholischen Priester, der das Volk in Kanzelreden zum Aufstande reizte, selbst die Waffen ergriff, die Ah. Dynastie beschimpfte und in jeder Beziehung einen anstößigen Lebenswandel führte, die kriegsrechtliche Untersuchung schon deshalb durchzuführen wäre und ihn auf dem Grunde des zu fällenden kriegsrechtlichen Urteils von der Seelsorge für immer zu entfernen. Bezüglich der drei andern, die auf der Puszta Tete im|| S. 130 PDF || Pester Komitate einen k. k. Grenzsoldaten, der als Nachzügler von den Insurgentenhusaren schwer verwundet auf der Puszta im hilflosen Zustande zurückgelassen wurde, mit beispielloser Rohheit und Grausamkeit so mißhandelten, daß er bald darauf verschied, glaubt die Ministerialkommission, daß sie als gemeine Verbrecher anzusehen und aus ihrer jetzigen Haft dem Zivilkriminalgerichte zur angemessenen Amtshandlung zu übergeben seien.

Mit den ferneren Anträgen des Pester Kriegsgerichtes, welche sich auf die Verzeichnisse III und IV beziehen und wornach gegen Nikolaus Katona, Stephan Kováts, Cäsar Baron Mednyánszky, Franz Pulszky und Hiazinth Rónay der Ediktalprozeß einzuleiten ist, dagegen hinsichtlich der ebenfalls abwesenden Mindergravierten Paul Sambor, Emerich Liptsey, Johann Markus und Samuel Graf Vass jedes weitere Verfahren einzustellen wäre, erklärte sich die Ministerialkommission einverstanden.

Die Minister des Inneren und der Justiz finden die Anträge der Ministerialkommission durchgehends vollkommen begründet und erachten einverständlich mit dem Ministerrate, daß dieselben nachträglich zu dem früheren au. Vortrage zur Ah. Genehmigung Sr. Majestät vorzulegen wären6.

III. Ernennung des Agramer Bürgermeisters Johann Kamauf zum Oberlandesgerichtsrat

Der Minister Dr. Bach bemerkte weiter, daß der zum Agramer Bürgermeister gewählte frühere dortige Bürgermeister Kamauf dieses Amt unter der Bedingung annehmen wolle, wenn er nach Vollendung seiner Mission bei der Justiz angestellt werde7. Die Minister des Inneren und der Justiz haben sich einverstanden erklärt, daß dem Kamauf die eventuelle Zusicherung gegeben werde, daß auf ihn seinerzeit bei der gewünschten Anstellung werde Rücksicht genommen werden. Kamauf wünscht aber eine etwas bindendere Zusicherung in der gedachten Beziehung zu erhalten, und der Ministerrat ist in Anbetracht der Würdigkeit des gedachten Bürgermeisters in dem Beschlusse übereingekommen, Se. Majestät zu bitten, den Kamauf zum Oberlandesgerichtsrate extra statum und ohne Gehalt zu ernennen, welchen Posten er nach Beendigung seiner Mission mit dem Range vom Tage der Ah. Ernennung einzunehmen hätte8.

IV. Geschworenenlisten für 1852

Gegen den von dem Justizminister vorgelesenen Entwurf einer kaiserlichen Verordnung hinsichtlich der Bildung der Geschwornenlisten für das Jahr 1852 ergab sich keine Erinnerung9.

Die bisher gewonnenen Erfahrungen bei dem Institute der Geschwornen dund der Umstand, daßd die Bezirksgemeinden noch nicht ins Leben getreten sind, machen es auch in der Rücksicht, daß die Regierung einen größeren Einfluß auf dieses Institut gewinne, notwendig, daß in allen Kronländern, wo die neue Strafprozeßordnung in Wirksamkeit || S. 131 PDF || besteht, einige Modifikationen der bezüglichen Bestimmungen der Strafprozeßordnung vorgenommen werden, welches der Zweck der erwähnten kaiserlichen Verordnung ist.

Der Entwurf dieser kaiserlichen Verordnung, welche zum Teil eine Änderung des diesfalls bestehenden Gesetzes involviert, wird nun dem Beschlusse des Ministerrates gemäß an den Reichsrat zur Begutachtung geleitet werden10.

V. Auszeichnung für Theodor Andreas Müllner

Theodor Andreas Müllner, Sekretär beim niederösterreichischen Oberlandesgerichte und Expeditor, ist bei Sr. Majestät um eine Auszeichnung oder um eine Personalzulage eingeschritten, und Se. Majestät haben dieses Gesuch der Ah. Bezeichnung zu würdigen geruhet. Derselbe hat als Offizier beim Militär gedient, die Feldzüge von den Jahren 1809, 1812, 1813 und 1814 mitgemacht, wurde im Jahre 1819 wegen körperlicher Gebrechen pensioniert, gleich darauf aber beim Oberlandesgerichte als Kanzlist angestellt, wo er es seiner ausgezeichneten Dienstleistung wegen bis zum Sekretär und Expeditor mit 1600 f. Gehalt und 100 f. Quartiergeld brachte.

Das Oberlandesgericht unterstützt seine Bitte mit dem Beifügen, daß demselben eine Personalzulage von 300 f. mehr zusagen dürfte.

Der Justizminister teilte diese Ansicht und trägt für den Fall, daß gegen die Bewilligung einer Personalzulage Anstände erhoben werden sollten (was von Seite des Finanzministers eingetreten ist), auf die Auszeichnung des bereits 43 Jahre dienenden Müllner mit dem goldenen Verdienstkreuze mit der Krone an, mit welchem letzteren Antrage sich der Ministerrat vereinigte11.

VI. Beamtenuniform in Kroatien

Der Justizminister Ritter v. Krauß brachte hierauf noch die ihm zugekommene konfidentielle Anfrage des Oberlandesgerichtsvizepräsidenten Ruznow zu Agram, welche Uniform, ob die allgemeine österreichisch-kaiserliche oder die kroatische Nationaluniform, er zu tragen habe, zur Sprache12. Er bemerkte, daß Ruznow eals Ministerialkommissär zur Einführung der Gerichts­behörden in Kroatiene die kaiserliche Uniform getragen habe. Als Senatspräsident gehöre er zum Oberlandesgerichte zu Agram und würde, da die dortigen juridischen und politischen Beamten alle ein Nationalkostüm tragen, bei feierlichen Anlässen der einzige unter ihnen sein, der in der kaiserlichen Uniform erscheinen würde.|| S. 132 PDF ||

Der Ministerrat hat beschlossen, die Anfrage des Ruznow dahin erledigen zu lassen, daß das Reichsgesetz- und Verordnungsblatt die Quelle ist, aus welcher die Gesetze entnommen werden13.

Die Uniformierungsvorschrift, welche ohne Ausnahme für alle kaiserlichen Beamten gilt, sei durch das Reichsgesetzblatt, folglich auf die vorgeschriebene Art kundgemacht worden, fund in derselben sei weder für einzelne Beamte, noch für die in Kroatien dienenden k. k. Beamten eine Ausnahme enthaltenf .14

VII. Waisenkassen

Der Ministerpräsident Fürst v. Schwarzenberg besprach nun eine Eingabe des Zentralausschusses der niederösterreichischen Landwirtschaftsgesellschaft an den Ministerrat, worin gebeten wird, daß die mit der Aufhebung bedrohten kumulativen Waisenkassen auf dem flachen Lande in der Form von kaiserlichen Bezirkswaisenämtern noch fortan beibehalten werden mögen, damit der Landmann nicht einer notwendigen Geldquelle zur Verbesserung seiner Wirtschaft beraubt werde und in seiner Ökonomie ein Rückgang dadurch eintrete15.

Diese Eingabe wird an das Ministerium des Inneren gzur Berücksichtigung bei der über diesen Gegenstand bereits anhängigen Verhandlung geleitetg .16

VIII. Organisierung der Militärgrenzverwaltungsbehörden

Ferner brachte der Ministerpräsident zur Kenntnis des Ministerrates, daß Se. Majestät mit Ah. Handschreiben vom 23. d. M. ihm eine Abschrift desjenigen mitzuteilen geruhet haben, was Allerhöchstdieselben unter einem über die Organisierung der Militärgrenzverwaltungsbehörden an den Kriegsminister zu erlassen geruhet haben17.

Die Hauptbestimmung dieses Ah. Erlasses geht dahin, daß in allen jenen Fällen, wo Einführungen anderer Ministerien auch für die Militärgrenze in Anwendung kommen sollen, die notwendigen adaptierenden Verfügungen stets vom Kriegsministerium im Einvernehmen mit den betreffenden anderen Ministerien zu erlassen sind18.

IX. Vorschrift über den Vorspann (1. Beratung)

Der Minister Dr. Bach referierte schließlich über den Entwurf einer kaiserlichen Verordnung (welche vom 1. November d. J. an in Wirksamkeit zu treten hätte) und womit eine Vorschrift über die [sic!] Vorspann für alle Kronländer mit Ausnahme der Militärgrenze erlassen werden soll19.

Zum Eingange dieser Verordnung wurde bemerkt, daß der Minister des Inneren, von dem diese Verordnung entworfen wurde und dessen Ressort sie zunächst betrifft, allein mit dem Vollzuge derselben beauftragt werden dürfte.

Bei der Besprechung der einzelnen Paragraphe (von § 1 bis § 46) wurde unter anderem die Bemerkung gemacht, daß als eine Hauptbestimmung derselben am geeigneten Platze auch diese aufzunehmen wäre, daß die Vorspann nur für allgemeine Staatszwecke, als Militärbewegungen (Truppen und ihre Bedürfnisse) und die öffentliche Sicherheit im ganzen Umfange (z. B. Transportierung der Schüblinge etc.), in Anspruch genommen werden dürfe, wenn die eigenen Mittel diese Zwecke zu erreichen nicht eben vorhanden sind.

Über die Vorspann zum unmittelbaren Nutzen der Gemeinde oder des Bezirkes zu verfügen, bleibt der Gemeinde und dem Bezirke vorbehalten.

Ferner wurde der Wunsch ausgesprochen, daß die Bewilligungen, Scheine oder Anweisungen auf Vorspann wie bisher von den politischen Behörden, den Bezirkshauptmannschaften, auszugehen hätten, damit nicht ein Unberufener die Vorspann begehren könne und diese dadurch zur Plage des Landes werde; ferner, daß, da die Staatsbeamten bisher auf Dienstreisen nicht allgemein zum Anspruche der Vorspann berechtiget waren, sondern nur politische Beamte wie Kreiskommissäre etc., es hierbei auch für die Zukunft zu verbleiben hätte, damit nicht durch Ausdehnung dieses Rechtes z. B. auf Finanzbeamte, Baubeamte etc. diese Last dem Lande zu beschwerlich gemacht werde.

Zu § 6, welcher aussagt, daß jede Gemeinde das zur Vorspann benötigte Zug- und Tragvieh samt Fuhrwerk und Nebenerfordernissen nach Maßgabe dieser Vorschrift beizustellen habe, wurde der Beisatz beliebt „und kann nötigenfalls durch angemessene Zwangsmittel dazu verhalten werden“.

§ 16. Aus diesem Paragraphe sind (Zeile 7, 8 und 9) die Worte „mit Rücksicht auf die Mittags- und Nachtstationen der Militärmärsche“ als sich von selbst verstehend und aus dem

§ 25 die Worte „der nach diesem Gesetze verfügbaren“ wegzulassen.

Die diesen und ähnlichen Bemerkungen entsprechende nähere Textierung [ist] aus dem hier von dem Minister des Inneren angeschlossenen, modifizierten Entwurfe dieser kaiserlichen Verordnung zu entnehmen20.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 31. Juli 1851.