Nr. 403 Ministerrat, Wien, 28. September 1850 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Schwarzenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg 29. 9.), Krauß 14. 10., Bach 30. 9., Schmerling 14. 10., Bruck, Thinnfeld 30. 9., Thun; abw.abwesend Csorich, Stadion, Kulmer.
MRZ. 4012 – KZ. 3488 –
- I. Modifikationen der galizischen Landesverfassung
- II. Organisierung der Konsulate in Spanien
- III. Unterstützung der Witwe nach Sigmund v. Perényi aus ihren Realien
- IV. Verdienstkreuz für Christoph Möser
- V. Rechtsakademie in Zara
- VI. Todesurteile
- VII. Verzeichnis zu amnestierender politischer Verbrecher
- VIII. Generalvikar für das griechisch-nichtunierte Bistum in Arad
- IX. Berufung der griechisch-nichtunierten Bischöfe nach Wien
- X. Sprache der telegraphischen Korrespondenz
Protokoll der Sitzung des Ministerrates gehalten zu Wien am 28. September 1850 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.
I. Modifikationen der galizischen Landesverfassung
Der Minister des Inneren referierte über die im Ministerrate vom 26. d.M. besprochene Tunlichkeit der Verminderung der Abgeordneten zum galizischen Landtage1.
Er glaubte, dies durch die Erhöhung der Ziffer der zum Maßstabe der Vertretung angenommenen Volkszahl in nachstehender Weise bewerkstelligen zu können:
a) bei der Lemberger Kurie, wo nach dem früheren Antrage Landgemeindebezirke von mehr als 65.000 Einwohnern zwei Deputierte zu wählen hatten, wäre die Ziffer von 74.000 Seelen für zwei Deputierte anzunehmen, somit würden für diese Kurie entfallen: Landgemeindedeputierte 28, aus der Klasse der Höchstbesteuerten 11, aus der Klasse der Städte 11, zusammen 50 statt der frühern 60;
b) bei der Krakauer Kurie erhielten die Landgemeindebezirke von mehr als 80.000 Seelen (statt 75.000) zwei Deputierte, somit entfiele die Zahl der Landgemeindeabgeordneten mit 35, die Zahl der Höchstbesteuerten 14, die Zahl der Städteabgeordneten 9, zusammen 58 statt früher 66;
c) bei der Stanislauer Kurie kämen für die Landgemeinden (auf 68.000 statt 65.000 Seelen zwei Deputierte) 24 Abgeordnete, aus den Höchstbesteuerten 10, aus den Städten 8, zusammen 42 statt der frühern 55, mithin im ganzen 150 statt der frühern 181, also um 31 Mitglieder weniger als nach dem früheren Antrage.
Für die Bukowina wären aus der Klasse der Höchstbesteuerten 7, aus der Klasse der Städte 5, aus den Landgemeinden 12 Deputierte, zusammen Mitglieder 24 zu wählen.
Der Ministerrat fand gegen diese Anträge nichts zu erinnern.
Schließlich las der Minister des Inneren den nach der Andeutung des Kultusministers abgeänderten Text des § 71 bezüglich der Wirksamkeit der Kurien bei Anträgen zur Änderung der Landesverfassung, einigte sich aber dann mit dem Finanzminister unter Zustimmung der übrigen Mitglieder in dem Antrage auf Hinweglassung des einschlägigen Passus, weil die diesfällige Bestimmung bereits in den allgemeinen Grundsätzen enthalten ist (§ 82 Reichsverfassung).|| S. 304 PDF ||
Mit diesen Modifikationen wird der Entwurf der galizischen Landesverfassung der Ah. Schlußfassung Sr. Majestät neuerdings unterzogen werden2.
II. Organisierung der Konsulate in Spanien
Der Handelsminister brachte die Reorganisierung der k.k. Konsulate in Spanien in Vortrag.
Seiner Ansicht nach wäre dem Generalkonsul in Barcelona, Victor Gibert, welcher dermalen bloß eine Entschädigung von jährlich 1200 f. bezieht, diese auf 1500 f. zu erhöhen und ein Kanzleipauschale von jährlich 1000 f. zu bewilligen. Die demselben untergeordneten Vizekonsulate in Málaga, Cartagena, Valencia, Tarragona und Palma wären durch Tellez-Ramos, Biagio Cassola, Mariano Royo y Aznar, Domenico Theilig und Louis Gazan zu besetzen.
Dem Generalkonsul in Cádiz, Marius Ritter v. Macchiavelli wäre in Ansehung seiner Verdienste der Franz-Joseph-Orden (Ritterkreuz) zu verleihen, das Konsulat in Gibraltar durch Longlandt Cowell zu besetzen.
Was die Konsulate an der Nord- und Westküste Spaniens betrifft, so wären dieselben dem Generalkonsulate von Paris zu unterordnen, und es würde das gegenwärtige Vizekonsulat von Coruña zum Konsulate zu erheben, der dortige Funktionär J.F. Zinke zum Konsul zu ernennen und für seine bisherige vorzügliche Verwendung mit dem goldenen Verdienstkreuz mit Krone auszuzeichnen, endlich ein zweites Vizekonsulat in Bilbao zu kreieren und seinerzeit zu besetzen sein.
Der Ministerrat fand hiergegen nichts zu erinnern3.
III. Unterstützung der Witwe nach Sigmund v. Perényi aus ihren Realien
Der Finanzminister referierte über das Gesuch der Witwe des wegen Hochverrats hingerichteten Perényi um Ausfolgung des konfiszierten Vermögens. Perényi hat nämlich bei seiner Verheiratung im Oktober 1848 seiner Frau eine Alaunfabrik mit dem Heimfallsrechte an ihn für den Fall ihres und des Sohnes früheren Todes verschrieben und die Realität ihr auch im Jänner 1849 übergeben. Da nun im Urteile wider Perényi die Konfiskation dessen sämtlichen Vermögens ausgesprochen worden, so hat der Staatsanwalt auch die erwähnte Fabrik mit Sequester belegt. Die Witwe hat nun um Freilassung dieses ihres Eigentums gebeten, worüber die Verhandlung dermal beim Justizministerium im Zuge ist.
Inzwischen aber wurde beantragt, der Bittstellerin bis zur erfolgenden Entscheidung in merito den Genuß des Pachtzinses der Fabrik zum Lebensunterhalte zu lassen, welchen Antrag auch der Finanzminister unterstützen zu können vermeinte, weil die Verschreibung und Übergabe zu einer Zeit geschah, wo die eingetretene Katastrophe nicht vorherzusehen war, mithin kein Grund vorliegt, die Verschreibung für einen Scheinvertrag zu halten.
Der Finanzminister fand sich verpflichtet, diese Angelegenheit in Vortrag zu bringen, weil Fälle ähnlicher Art vielleicht noch vorkommen dürften.|| S. 305 PDF ||
Der Ministerrat fand nichts dagegen zu erinnern4.
IV. Verdienstkreuz für Christoph Möser
Der Unterrichtsminister beantragte die Auszeichnung mit dem silbernen Verdienstkreuze mit der Krone für den Musterlehrer Christoph Möser5, und stellte
V. Rechtsakademie in Zara
die Anfrage, vorzüglich an den Minister des Inneren, ob die Errichtung eines eigenen Rechtsstudiums in Zara als notwendig erkannt werde6. Früher haben nämlich die Dalmatiner ihre Rechtsstudien meist an den lombardisch-venezianischen Universitäten gemacht. Durch die Revolution von 1848 ward ihnen der Besuch derselben versperrt, und es bildete sich in Zara eine Art Privatstudienunternehmung, deren Zeugnissen man sogar Gültigkeit einzuräumen in dem Falle war. Da nun dies nicht länger mehr zugestanden werden kann und es nicht wünschenswert ist, die Dalmatiner wieder an die italienischen Universitäten zu verweisen, so gedächte der Unterrichtsminister mit Rücksicht auf die im Lande selbst laut gewordenen Wünsche und auf das vom Justizministerium hervorgehobene Bedürfnis eines tüchtigen Nachwuchses für den praktischen Staatsdienst, die Errichtung einer Rechtsakademie in Zara nach Art der für Ungern eingeführten, mit einem dreijährigen Lehrkurs und dem Vorbehalte, das vierte Jahr an einer Universität zu vollenden, in Antrag zu bringen, welchem Antrage nicht nur der Minister des Inneren sondern auch die übrigen Stimmen, und zwar der Handelsminister mit dem Beisatze beistimmten, daß zur wirksamen Abhaltung der Küstenlandsbewohner von den Besuche italienischer und zu ihrer Bemüßigung, an deutsche Universitäten zu gehen, mit obiger Maßregel auch die Anordnung Hand in Hand zu gehen hätte, daß nach Verlauf eines bestimmten Zeitraums jeder Bewerber um einen Staatsdienst in Dalmatien und im Küstenlande der drei Sprachen Deutsch, Italienisch und Illyrisch mächtig sein müsse, wornach dann auch in den in Zara zu lehrenden Fächern eine solche Auswahl zu treffen wäre, daß jedenfalls das vierte Jahr an einer deutschen Universität gehört werden müßte7.
VI. Todesurteile
Der Justizminister referierte über die Todesurteile
a) wider Joseph Gujovits wegen Raubmords mit dem Antrage, dem Gesetze den Lauf zu lassen;|| S. 306 PDF ||
b) wider Juliana Járdán wegen Gattenmords mit dem Antrage auf Nachsicht der Todesstrafe, wogegen nichts erinnert wurde8.
VII. Verzeichnis zu amnestierender politischer Verbrecher
Derselbe Minister brachte
a) ein Verzeichnis von 13 Individuen in Vortrag, gegen welche wegen verschiedener politischer Vergehen, Waffenverheimlichung, Überschreiten der galizischen Grenze und derlei Teilnahme an revolutionären Handlungen die Untersuchung noch anhängig ist, aber teils wegen der Unbedeutendheit des Vergehens und der Person selbst, teils wegen Mangel des Tatbestands aufzulassen der Antrag gemacht wurde. Gegen die Auflassung der Untersuchung der Mehrzahl dieser Individuen fand man nichts zu erinnern. Nur bezüglich des gleich zuerst vorkommenden Grafen Franz Wiesolowski, welcher als ein sehr gefährliches Individuum bekannt ist, sowie bezüglich der im Auslande abwesenden Inquisiten Blecha, Versa und Professor Kollarzik ward auf Einraten des Ministers des Inneren dem Antrage auf Niederschlagung der Untersuchung nicht beigestimmt.
b) Ein Verzeichnis mehrerer wegen Teilnahme an dem Wiener Oktoberaufruhre Verurteilten, welche einen Teil ihrer Strafe ausgestanden haben und für die die Nachsicht des Rests derselben beantragt wird. Auch hier ward dem Antrage des Ministers des Inneren beigestimmt, vorläufig über das Verhalten dieser Individuen im Straforte die betreffenden Verwaltungen zu vernehmen und dann erst das Weitere zu besprechen. Endlich
c) das sowohl von der Spielberger Strafhausverwaltung als vom Statthalter unterstützte Gesuch des wegen Teilnahme am Oktoberaufstande zu zweijährigem schweren Kerker verurteilten ehemaligen Deputierten bei der Fankfurter Nationalversammlung Trampusch um Nachsicht des Restes seiner Strafe, wovon er die Hälfte bereist überstanden hat.
Da der Ministerpräsident mit Rücksicht auf die bisher gemachte Erfahrung sich im allgemeinen gegen die allzu häufige Begnadigung der politischen Verbrecher aussprach und der Minister des Inneren insbesondere auf die bekannte Persönlichkeit des Trampusch und auf den Umstand hindeutete, daß derselbe nicht unmittelbar nach den Oktoberereignissen, sondern erst ein halbes Jahr später, als er in Salzburg agitierte, angehalten worden ist, beschloß der Justizminister auf Anraten des Ministers des Inneren, den Antrag wegen Begnadigung des Bittstellers einstweilen auf drei Monate zu vertagen9.
VIII. Generalvikar für das griechisch-nichtunierte Bistum in Arad
erhielt der Minister des Inneren die Zustimmung des Ministerrates zu dem bei Sr. Majestät zu stellenden Antrage auf Ah. Bestätigung der Wahl des vom Arader|| S. 307 PDF || griechisch-nichtunierten Konsistorium secundo loco proponierten Patriarchen Popeskul zum Generalkapitularvikar des durch den Tod des Bischofs Rácz erledigten Arader griechisch-nichtunierten Bistums10.
IX. Berufung der griechisch-nichtunierten Bischöfe nach Wien
Ebendieser Minister erlangte die Zustimmung des Ministerrates zur definitiven Einberufung der griechisch-nichtunierten Bischöfe auf den 15. Oktober l.J. nach [Wien], um die von Sr. Majestät der schon auf den 18. August d.J. einberufenen, seither durch mancherlei Vorwände von Seite des Patriarchen vereitelten Versammlung zur Vergutachtung zugewiesenen dringenden Verhandlungen ihrem Ende zuzuführen und den Einstreuungen des Patriarchen, der durch sein Vorhaben, die Versammlung in Karlowitz zu halten, eine Art serbischen Nationalkongreß zu beabsichtigen scheint, ein Ziel setzen zu können11.
X. Sprache der telegraphischen Korrespondenz
Über die Mitteilung des Ministers des Inneren, daß heute früh eine telegraphische Depesche an den Banus in kroatischer Sprache eingegangen sei, während doch instruktionsmäßig nur in deutscher Sprache telegraphiert werden soll, behielt sich der Minister für Handel und öffentliche Bauten vor, die geeignete Verfügung zu treffen, daß Ähnliches in Hinkunft nicht mehr stattfinde12.