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Nr. 372 Ministerrat, Wien, 24. Julius 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 25. 7.), Krauß 27. 7., Bach 27. 7., Schmerling, Bruck, Thinnfeld 27. 7., Thun, Csorich, Kulmer; abw. Stadion.

MRZ. 3028 – KZ. 2596 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates gehalten zu Wien am 24. Julius 1850 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Verteilung der Unterstützungsgelder und zollfreie Einfuhr von Baumaterialien für die Krakauer Brandopfer

Der Ministerpräsident teilte mit den Inhalt eines Berichtes des Zweiten Generaladjutanten Sr. Majestät GM. v. Kellner aus Krakau über die Behufs der Verteilung der den Verunglückten Ah. bewilligten Unterstützung von 30.000 f. getroffenen Einleitungen1, und der Finanzminister knüpfte daran seinen Vortrag über das Einschreiten Ettmayrs um Gestattung der zollfreien Einfuhr von Baumaterialien aus Polen nach Krakau, mit dem Bemerken, daß Ettmayr laut eines eben eingelangten Berichts sich veranlaßt gefunden hat, über von GM. Kellner erhaltene Ermächtigung die zollfreie Einfuhr jener Artikel zu gestatten und hierwegen mit diesem Beisatze den Auftrag an das betreffende Amt zu erlassen2.

Überzeugt, daß die angebliche Ermächtigung nur auf einem Mißverständnisse von Seite Ettmayrs beruhe, in der Sache selbst aber mit der Maßregel einverstanden, war der Finanzminister unter Beistimmung des Ministerrates der Meinung, daß sogleich mittelst eigenen au. Vortrags bei Sr. Majestät um die nachträgliche Ah. Genehmigung der gedachten Ausnahme von den allgemeinen Zollvorschriften zugunsten der Abgebrannten in Krakau zu erbitten wäre3.

II. Auszeichnung für Matthäus Pöschl

Der Ministerpräsident referierte über das Einschreiten für den pensionierten erzherzoglichen Kammerdiener Pöschl um eine Auszeichnung für seine 50jährige Dienstleistung.

Der Ministerrat trat dem Antrage des Ministerpräsidenten auf Verleihung des silbernen Verdienstkeuzes mit Krone an Pöschl bei.

Die Bitte um Erhöhung der Pension desselben von 400 auf 800 f. war bereits vom Finanzminister ablehnend vergutachtet worden4.

III. Austausch der 2½%igen Obligationen in Wiener Währung gegen 3⅓% in Konventionsmünze verzinsliche für öffentliche Fonds und Anstalten

Der Primas von Ungarn hat gebeten, daß die dem ungrischen Religionsfonds gehörigen, mit 21/3% in Wiener Währung verzinslichen, verlosbaren, zur Zeit aber noch nicht gezogenen Obligationen zu Gunsten des in seinen Einkünften sehr herabgekommenen Fonds als bereits verlost behandelt, d.h. auf den durch die Verlosung zu bewirkenden erhöhten Zinsfuß von 5% in Konventionsmünze gesetzt werden möchten5.

In der Form, wie dieses Begehren gestellt ist, erscheint dessen Gewährung dem Finanzminister nicht statthaft. Dagegen erklärte er sich bereit, dem gedachten Fonds, so wie überhaupt allen nicht aus dem Staatsschatze dotierten Fonds und Anstalten, welche im Besitze solcher Obligationen sich befinden, den Austausch dieser gegenwärtig nur 1% in Konventionsmünze abwerfenden Papiere gegen andere 31/2% Konventionsmünze tragende Obligationen schon gegenwärtig zuzugestehen, durch welche Operation nicht nur den betreffenden Fonds sogleich ein höheres Einkommen – gegen Aufgebung der zwar sicher, aber möglicherweise erst im letzten Jahre der noch 16jährigen Verlosungsperiode eintretenden vollen 5%igen Verzinsung verschafft, sondern auch das Ärar in der Sorge für die Einlösung der verlosten Obligationen wesentlich erleichtert wird. Natürlich hätte dabei kein Zwang einzutreten, und der Finanzminister behält sich vor, hierwegen sowohl mit dem Primas als mit dem einschlägigen Ministerien des Inneren und des Kultus in Ansehung der Maßregel im allgemeinen in Verhandlung zu treten6.

Der Justizminister referierte

IV. Todesurteile

über die Todesurteile a) wider Michael Hager, b) wider Franz und Kassian Steiner und Martin Kolbinger, c) wider Michael Mayer und Anna Putzer wegen Nachmachung öffentlich als Münze geltender Kreditspapiere, endlich d) wider Andreas Dsurinyi wegen|| S. 171 PDF || Raubmordes, sämtlich mit dem Antrage auf Nachsicht der Todesstrafe, wogegen nichts erinnert wurde7.

V. Gesetz über den Kassations- und Obersten Gerichtshofs

Der Justizminister brachte noch einmal die Frage wegen des Veroneser Senats zur Sprache, und zwar über ausdrückliche Anordnung des Ministerpräsidenten8.

Er hatte sich nämlich verpflichtet gefühlt, den letzteren aufmerksam zu machen, daß der Oberste Gerichtshof bei lokal getrennten Senaten weder als Reichsgericht, noch als Kassationshof, noch als Disziplinargericht fungieren könne sowie daß Konsequenzen des Belassens eines Senats in Verona sich bereits ergeben. Die Hofräte aus Ungern haben für diesen Fall ihren Austritt erklärt, und nach Berichten aus Agram spricht man dort bereits von einem eigenen Gerichtshofe für Kroatien.

Dieses alles bestimmte den Justizminister umso mehr bei seinem Antrage zu beharren, was er hiermit unumwunden erklärte. Allein, da ihm bemerkt worden: es werde die Italiener unangenehm berühren, wenn man damit beginnt, ihnen den Obersten Gerichtshof zu entziehen, bevor sie das Statuto, Gemeindegesetz, die politische und Gerichtsorganisation erhalten, so erklärte er sich über die Zusicherung, daß diese Gesetze in nächster Zeit zur Beratung gebracht und dann der Ah. Sanktion unterlegt werden würden, bereit, die Vorlegung des Gesetzes über den Obersten Gerichtshof vorläufig auf sich beruhen zu lassen und sie erst dann auszuführen, wenn die anderen oben erwähnten Gesetze Sr. Majestät unterbreitet werden.

Dagegen erklärte er, sich die Ermächtigung erbitten zu müssen, einige Bestimmungen aus dem Gesetzesentwurfe, nämlich jene über die Funktion des Obersten Gerichtshofs als Kassationshof, dann über die Bildung der Senate im Verordnungswege zu erlassen, ferner die administrative Justiz von dem Veroneser Senate in das Justizministerium zu ziehen, Verfügungen, über die sich bei der Beratung im Ministerrate ohnehin keine Meinungsverschiedenheit ergeben hat.

Ferner wäre es dringend notwendig, einige Männer für die Bearbeitung der Rechtssachen aus Kroatien und Siebenbürgen Sr. Majestät zur Ernennung als Räte des Obersten Gerichtshofes vorzuschlagen, da diese Kronländer seit zwei Jahren eines Obersten Gerichtshofes entbehren und Massen von Geschäftsstücken sich aufgehäuft haben.

Der Ministerrat erklärte sich mit diesen Anträgen des Justizministers einverstanden. Dieser wird daher vorläufig das Gesetz über den Obersten Gerichtshof Sr. Majestät nicht vorlegen, die sonst nötigen Verfügungen aber einstweilen selbst treffen und die Ah. Genehmigung sich erbitten9.

VI. Pauschaleerhöhung für Nikolaus Negrus

Der Handelsminister unterstützte den von den Unterbehörden befürworteten Antrag, das dem unbesoldeten k.k. Vizekonsul in Beltsch, Negruß, mit jährlich 800 f.|| S. 172 PDF || bemessene, außer allem Verhältnisse zu seiner Mühwaltung und seinen Auslagen stehende Pauschale auf jährlich 1200 f. zu erhöhen, wogegen nach Zustimmung des Finanzministers nichts erinnert wurde10.

Auch gegen dessen folgende Anträge:

VII. Verdienstkreuz für den Postmeister Angelo Piccoli in Rovigno

auf Verleihung des silbernen Verdienstkreuzes mit der Krone an den Postmeister Piccoli in Rovigno wegen seiner im Jahre 1848 den k.k. Truppen geleisteten Dienste11,

VIII. Verdienstkreuz für Johann Posch

des goldenen Verdienstkreuzes für den sehr verdienten Postkontrollor Posch in Ofen12, und

IX. Verdienstkreuz für Joseph Neumann

der gleichen Auszeichnung für den nach 44 Dienstjahren in Pension tretenden Postkontrollor Neumann in Triest, ergab sich keine Erinnerung13, ebenso wenig

X. Verdienstkreuz für Josef Paupie und Franz Flechschurz

gegen den Antrag des Unterrichtsministers auf Verleihung des silbernen Verdienstkreuzes mit der Krone an die Schullehrer Joseph Paupie und Franz Flechschurz14, endlich

XI. Verdienstkreuz für Joseph Brenner Ritter v. Felsach

gegen jenen des Ministers des Inneren auf Verleihung des goldenen Verdienstkreuzes mit Krone für den Bade- und Salinenarzt in Ischl Dr. v. Brenner, für welchen von den Landesbehörden sogar auf den Franz-Joseph-Orden angetragen worden war15.

Bei diesem Anlasse machte

XII. Form der Veröffentlichung von Gnadenakten

der Ministerpräsident die übrigen Minister aufmerksam, daß bei Kundmachung von Auszeichnungen, Ordens- oder Verdienstkreuzverleihungen nicht mehr, wie zuweilen geschehen, die Klausel „über Antrag des Ministers N oder des Ministerrates“ aufgenommen und dieses auch bei Verlautbarung Ah. Begnadigungsakte beobachtet werde, weil Ordensverleihungen etc. sowie das Begnadigungsrecht Sr. Majestät verfassungsmäßig vorbehalten sind16.

XIII. Entgegnung Ludwig Freiherr v. Weldens auf die Zeitungsartikel des Franz Schönpflug

Über die vom Gouverneur Baron Welden nebst der Einrückung einer Entgegnung auf die vom Advokaten Dr. Schönpflug veröffentlichte Verhandlung in betreff seiner Verhaftung und Freilassung wegen des Besitzes einiger Blätter des für Wien verbotenen|| S. 173 PDF || Journals „Die Presse“ in die Zeitung noch weiters beabsichtigten gerichtlichen Schritte übernahm es der Justizminister, auf Einladung des Ministerpräsidenten, den Gouverneur mündlich von der Erfolglosigkeit eines solchen Vorgangs, der diese bereits vergessene oder nicht beachtete Angelegenheit wieder der öffentlichen Aufmerksamkeit zuführen würde, zu überzeugen und ihn von diesem Vorhaben wieder abzubringen17.

Bei dieser Gelegenheit kam die Notwendigkeit zur Sprache, gegen die schlechte Presse etwas zu tun, in welcher Beziehung der Justizminister sich vorbehielt, den Generalprokurator in Mähren namentlich zur sogleichen gerichtlichen Verfolgung des Journals „Die Presse“ anzuweisen, wenn es sich eines Preßvergehens schuldig macht, der Minister des Inneren aber, von der Unwirksamkeit aller Maßregeln gegen die Presse überzeugt, wenn nicht der Regierung die Befugnis eingeräumt wird, ein Journal auch außer dem Ausnahmszustande zu unterdrücken, seine Absicht dahin aussprach, nächstens den Entwurf einer Ergänzungsverordnung in Preßsachen vorlegen zu wollen18.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 31. Juli 1850.