Nr. 366 Ministerrat, Wien, 11. Juli 1850 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Kaiser; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg 13. 7.), Krauß 13. 7., Bach 13. 7., Gyulai 15. 7., Schmerling, Bruck, Thun, Kulmer 13. 7.; abw.abwesend Stadion, Thinnfeld.
MRZ. 2836 – KZ. 2373 –
Protokoll des am 11. Juli 1850 zu Wien in Ah. Anwesenheit Sr. Majestät abgehaltenen Ministerrates.
I. Integrität des dänischen Staates
Der Minister des Äußern referierte, daß mehrere der europäischen Großmächte beabsichtigen, zu London in einem Protokolle ihren Willen auszusprechen, daß die Integrität des dänischen Staates aufrechterhalten werde, und zwar mit Einschluß Schleswigs und Holsteins1.
Fürst Schwarzenberg las den bereits vor längerer Zeit redigierten Entwurf des Protokolls, deutete die nötigen Modifikationen an und bemerkte, daß in demselben jedenfalls auf die Ansprüche Deutschlands auf Holstein und Lauenburg ausdrücklich zu reservieren sein werden. Unter diesem Vorbehalte erbat sich der Ministerpräsident einverständlich mit den anwesenden Ministern die Ah. Ermächtigung, das Protokoll auch im Namen Österreichs mitfertigen zu lassen.
Se. Majestät geruhten diese Ermächtigung zu erteilen2.
II. Gesetzentwurf über die Staatsprüfungen
Se. Majestät der Kaiser geruhten einige Bestimmungen des vorgeschlagenen Gesetzentwurfes für die Staatsprüfungena zur Diskussion zu bringen, und zwar vorerst jene des § 3, wonach die theoretische Staatsprüfung nur in zwei Abteilungen vorgenommen werden soll3. Allerhöchstdieselben sprachen die Besorgnis aus, daß das Zusammendrängen so vieler Materien in zwei Prüfungen dieselben entweder ins Unerschwingliche erschweren oder aber die Prüfungskommissäre zu übergroßer Nachsicht stimmen werde. Ohnehin sei es binnen ein paar Stunden nicht möglich, sich die Gewißheit zu verschaffen, ob ein Studierender das Wesen so vieler und mannigfaltiger Lehrgegenstände gehörig durchdrungen habe, und der Ausschlag der Prüfung hänge daher auch zu viel vom|| S. 143 PDF || Zufalle ab. Diesen Übelständen ließe sich am sichersten dadurch vorbeugen, daß die Zahl der Prüfungen allenfalls auf vier vermehrt würde.
Die Minister Baron Krauß, Dr. Alexander Bach und Baron Kulmer erklärten sich mit Beziehung auf ihre bei den früheren Beratungen des Gegenstandes ausgesprochene Überzeugung gleichfalls für die Gestattung, daß die Staatsprüfung auch in vier Abteilungen abgelegt werde. Der Unterrichtsminister äußerte, er zweifle nicht, daß eine gut zusammengesetzte Prüfungskommission sich bei Abhaltung von auch nur zwei Prüfungen völlig von der Befähigung und allgemein juridisch-politischen Vorbildung eines Kandidaten überzeugen könne; auch besorge er, daß die Vermehrung der Prüfungen den Nachteil wieder herbeiführen werde, daß die Studierenden die generelle Übersicht des Zusammenhanges der verschiedenen Lehrgegenstände, auf welche der neue Studienplan das Hauptaugenmerk richtet, nicht so leicht werden gewinnen können, indessen wolle er sich der für nötig gehaltenen Modifikation als Übergangsmaßregel nicht widersetzen und hiernach seine Anträge abändern. Die vier Prüfungen wären übrigens erst binnen der zwei letzten Studienjahre abzulegen, und es hätte nicht mehr als eine schriftliche Prüfung stattzufinden.
Zum § 37 wurde über eine Ah. Andeutung beschlossen, daß, wenn der einmal Reprobierte bei der wiederholten Prüfung wieder nicht besteht, eine abermalige Prüfung nicht mehr zuzulassen wäre, zumal dem Kandidaten durch die eingeräumte Unterteilung der Materie in vier Prüfungen eine wesentliche Erleichterung zugeht.
Bezüglich der Remuneration für die Prüfungskommissäre wurde beschlossen, den Kommissären dafür Diäten zu bewilligen, welche aus dem von den einfließenden Taxen gebildeten Fonds zu bestreiten sein werden, da man das Ärar hiezu in der Regel nicht in Anspruch zu nehmen hat.
Infolge der von Sr. Majestät gemachten Bemerkung, daß, wenn schon Individuen, welche im Auslande studiert haben, zu Staatsprüfungen zugelassen werden, es doch notwendig scheine, einen gewissen Zeitraum zu bestimmen, welchen die Kandidaten auf inländischen Universitäten jedenfalls zugebracht haben müssen, zumal die Regierung für die zweckmäßige Einrichtung der höheren Lehranstalten so vieles tut und die Kenntnis der positiven österreichischen Gesetzgebung im Auslande kaum erworben werden kann, wurde beschlossen, daß von den vier Universitätsjahren drei auf einer Hochschule des Inlandes erstreckt werden müssen4.
Wien, am 13. Julius 1850. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 19. Juli 1850.