Nr. 291 Ministerrat, Wien, 1. März 1850 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Schwarzenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg 2. 3.), Krauß 6. 3., Bach 4. 3., Gyulai 6. 3., Schmerling 4. 3., Bruck, Thinnfeld 4. 3., Thun, Kulmer 4. 3.; abw.abwesend Stadion.
MRZ. 846 – KZ. 740 –
- I. Abstellung von Priestern (als Exhonvéds) zum Militär
- II. Organisierung der Militärgrenze
- III. Waffenpässeerteilung in Galizien
- IV. Franz-Joseph-Ordensverleihung
- V. Silbergerät des hingerichteten Ernst Kiss von Ellemér
- VI. Mehrauslage für den landwirtschaftlichen Kongreß in Graz
- VII. Amtssiegel
- VIII. Eingabe der österreichischen Bischöfe
Protokoll der am 1. März 1850 zu Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses etc., etc. Fürsten v. Schwarzenberg.
I. Abstellung von Priestern (als Exhonvéds) zum Militär
Der Ministerpräsident übergab dem Minister des Inneren eine Vorstellung des Primas von Ungarn gegen die Abstellung von drei Priestern als Ex-Honvéds zum Militär, und es wird wegen Zurücknahme dieses Vorganges das Geeignete erlassen werden1.
II. Organisierung der Militärgrenze
Der Ministerpräsident eröffnete, daß Se. Majestät der Kaiser die vorgeschlagene kommissionelle Prüfung der Organisationsvorschläge des Banus für die Militärgrenze Ag. zu genehmigen und die Einberufung der beizuziehenden Stabsoffiziers aus der Grenze bereits zu verfügen geruht haben2. Die vorbereitenden Sitzungen zur Festsetzung der Hauptgrundsätze werden bereits am 5. l.M. unter Beiziehung eines Schriftführers stattfinden3.
III. Waffenpässeerteilung in Galizien
Der Minister des Inneren erhielt die Zustimmung seiner Kollegen zu der dem galizischen Landespräsidenten Grafen Gołuchowski zu erteilenden Ermächtigung, an vollkommen verläßliche Personen in besonders rücksichtswürdigen Fällen im Vernehmen mit dem Kommandierenden Freiherrn v. Hammerstein sogenannte Waffenpässe, d.i. Erlaubnisscheine zum Besitze von Waffen, zu erteilen, da sich die Notwendigkeit hievon, namentlich in der Bukowina, zum Schutz gegen Räuber und Wölfe, herausgestellt hat4.
IV. Franz-Joseph-Ordensverleihung
Der Minister des Inneren eröffnete, daß binnen kurzem eine namhafte Anzahl von Dekorationen des Franz-Joseph-Ordens vollendet sein wird und somit dem Beginne der|| S. 180 PDF || Ah. Verleihungen dieses Ordens bald nichts mehr im Wege stehen werde5. Man vereinigte sich daher zu dem Beschlusse, demnächst die Beratungen über die Wahl jener Individuen zu beginnen, welche Sr. Majestät zu dieser Auszeichnung au. in Vorschlag zu bringen wären. Als Grundsatz dabei wurde angenommen, daß bei dem ersten Verleihungsakte nur eine mäßige Anzahl ausgezeichneter höherer Beamter und Militärs, dann anerkannte Notabilitäten aus dem Kreise der Gelehrten und Künstler zu beteilen sein dürften, um dem Orden gleich bei seinem Erscheinen eine ehrenvolle Stellung in der öffentlichen Meinung zu sichern. Zugleich wurde bemerkt, daß – gleich wie bei der Gründung des Ordens der Eisernen Krone – auch im vorliegenden Falle die erste Ernennung und Ordensverleihung jene des Ordenskanzlers sein dürfte, nachdem die weiteren Verleihungen durch sein Organ den Beteilten bekanntzumachen wären6.
V. Silbergerät des hingerichteten Ernst Kiss von Ellemér
Der Finanzminister referierte über die von dem FZM. Baron Haynau erhobenen Ansprüche auf das Silbergerät des hingerichteten Rebellen Kiss v. Ellemér7.
Man vereinigte sich zu dem Beschlusse, daß diese Ansprüche abzulehnen wären, indem nicht abzusehen sei, warum dieses Silber als Privatbeute des Freiherrn v. Haynau zu behandeln käme8.
VI. Mehrauslage für den landwirtschaftlichen Kongreß in Graz
Der Minister für Landeskultur berichtete über eine noch in suspenso schwebende Mehrauslage von 7000 fl., welche sich aus Anlaß der Bewirtung des landwirtschaftlichen Kongresses in Gratz vor vier Jahren ergab. Allerhöchstenorts waren für diesen Gegenstand nur 10.000 fl. bewilligt worden; allein, infolge der von dem damaligen Gouverneur Grafen Wickenburg angeordneten großartigen Festbauten stiegen die Auslagen auf 17.000 fl. Die Landesbehörden trugen auf Nachsicht dieser Überschreitung an, und auch Minister Ritter v. Thinnfeld würde geneigt gewesen sein, sich hiezu die Ah. Genehmigung zu erbitten; der Ministerrat beschloß jedoch über Vorschlag des Finanzministers, noch vorläufig den Grafen Wickenburg über diesen Gegenstand zur Verantwortung zu ziehen9.
VII. Amtssiegel
Der Justizminister brachte die Frage in Anregung, ob über die Sprache, in welcher die Umschriften der Amtssiegel in den einzelnen Kronländern zu fassen wären,|| S. 181 PDF || und über die darin zu führenden Wappen nicht ein allgemeiner Beschluß zur Richtschnur für alle Zweige der öffentlichen Verwaltung zu fassen, dazu die Ah. Sanktion zu erbitten und die diesfällige Vorschrift durch das Gesetzblatt zu veröffentlichen wäre.
Der Finanzminister bemerkte, es sei geraten, über diesen Gegenstand kein förmliches Gesetz zu erlassen, welches bei den gegenwärtig sich vielfach kreuzenden Ansprüchen auf Gleichberechtigung (ja selbst auf Suprematie) unter den Nationalitäten wahrscheinlich nach manchen Seiten verletzen würde und dann nicht wohl mehr zurückgenommen werden könnte. Diese Angelegenheit lasse sich vorderhand unbedenklich durch Verordnungen der Ministerien an die unterstehenden Behörden regeln und könne, wenn einmal ein unbeanständeter Usus besteht, durch ein Gesetz definitiv festgestellt werden.
Der Minister des Inneren machte darauf aufmerksam, daß die Frage wegen der Amtssiegel mit der noch im Zuge befindlichen Verhandlung wegen Regulierung des kaiserlichen Titels und Wappens im Zusammenhange stehe10. Übrigens glaube er, daß es am angemessensten sein dürfte, den Landesbehörden zum Amtssiegel einen kaiserlichen Adler vorzuschreiben, der das Landeswappen vereinigt mit dem habsburgischen Hauswappen trägt11.
VIII. Eingabe der österreichischen Bischöfe
Hierauf wurde die Beratung über die Wünsche der österreichischen Bischöfe fortgesetzt12.a
Geistliche Gerichtsbarkeit. Antrag des Kultusministers:
§ 6: „Wird ein Geistlicher von den weltlichen Gerichten wegen Verbrechen oder Vergehen verurteilt, so ist hievon dem Bischofe des Verurteilten die Anzeige zu machen und sind dem Bischofe auf sein Verlangen die Verhandlungen insoweit mitzuteilen, daß derselbe sich von dem Tatbestande und den gegen den Verurteilten vorliegenden Beweisen überzeugen und eine angemessene Kirchenstrafe aussprechen könne. Auch ist auf Begehren des Bischofs die Einleitung zu treffen, daß der Verurteilte von ihm oder dem von ihm dazu Beauftragen vernommen werden könne. Zugleich wären die Bischöfe aufzufordern, die nötigen Einleitungen wegen Reglung des geistlichen Instanzenzugs und des Verfahrens vor den geistlichen Gerichten zu treffen und deren Ergebnis seinerzeit mitzuteilen, und es wäre beim Papste dahin zu wirken, daß die geistliche Gerichtsbarkeit in oberster Instanz in Österreich nur von Personen ausgeübt werde, die im Lande ihren Wohnsitz haben und den inländischen Gerichtsbehörden unterstehen.“
Über Vorschlag des Justizministers einigte man sich zur Einschaltung eines Satzes, wonach dem Bischofe von dem gegen einen Geistlichen gefällten Strafurteile, noch bevor dasselbe in Vollzug gesetzt wird, die Mitteilung zu machen ist.
Es wurde ferner beschlossen, in der zu erlassenden Vorschrift der gleichzeitigen Verhängung einer Kirchenstrafe neben der vom weltlichen Gerichte auszusprechenden Kriminalstrafe|| S. 182 PDF || keine Erwähnung zu machen, damit dies ganz der geistlichen Gerichtsbarkeit anheimgegeben werde.
Insofern der Schlußsatz „Zugleich bis unterstehen“ den Weg bezeichnet, der bei Regulierung des Instanzenzuges der geistlichen Gerichte einzuschlagen wäre, bemerkte der Minister des Inneren , mit welchem sich auch die Minister Baron Krauß und Ritter v. Thinnfeld vereinigten, man müsse sich dagegen verwahren, daß die Bischöfe durch die Aufforderung, den Instanzenzug zu regeln, sich nicht etwa ermächtigt halten, diese Regulierung für sich allein definitiv vorzunehmen. Der Rekurs an die Staatsregierung und das Inspektionsrecht des Staates müßten vorbehalten werden.
§ 4. Geistliche Orden. „Den geistlichen Ordensgemeinden wird es freigestellt, mit ihren Ordensgeneralen zu verkehren und die Generalkapitel zu beschicken, unter der Bedingung, daß die Ordensgenerale und überhaupt alle Ordensvorsteher, welche außerhalb Österreichs sich aufhalten, die ihnen zustehenden Rechte nur durch Stellvertreter üben, welche inländische Ordensglieder sind und ihren Wohnsitz im Inlande haben. Zugleich wäre die ausdrückliche Genehmigung dieser Bestimmung hinsichtlich der ausländischen Ordensgenerale beim Papste nachzusuchen.“
Der Minister des Inneren und mit ihm die Minister der Landeskultur, der Justiz, des Handels, des Krieges, der Finanzen und Baron Kulmer erklärten sich gegen die vorgeschlagene Wiederanknüpfung des seit einem Jahrhundert gelösten Verbandes der österreichischen Klöster mit den Ordensgeneralen in Rom. Die Erfahrung beweise, daß der Einfluß der Ordensgenerale auf die Klöster und die damit verbundene Immunität der Klostergeistlichkeit von der Gerichtsbarkeit der Bischöfe für die Kirchenzucht nachteilig sei. Was läßt sich auch von den Anordnungen eines so weit entfernten, mit den personal-, lokalpolitischen und nationalen Verhältnissen sowie mit den Bedürfnissen der Bevölkerung fast ganz unbekannten Ordensgeneralen oder seines Visitators erwarten. Andererseits würde doch in die Hände der Generale eine durch das Gelübde des Gehorsams disziplinierte Macht gelegt, die zu politischen oder anderen mißliebigen Zwecken gegen die Regierung gebraucht werden kann. Die Opposition der jetzigen jüngeren Geistlichkeit gegen das Episkopat würde in den Klöstern ihr sicheres Asyl finden. Aus allem dem ergebe sich die natürliche Frage, daß die Unterordnung der geistlichen Orden unter ihre Generale in Rom weder der Kirchenzucht noch dem Staate noch selbst dem Episkopate frommen werde.
Graf Thun entgegnete in letzterer Beziehung, daß, nachdem die Bischöfe selbst darum gebeten haben, man sich wohl über das Episkopat beruhigen könne, zumal die Immunität der Klöster keineswegs eine volle sein würde. Andererseits glaube er den Einfluß der ausländischen Ordensgenerale dadurch, daß sie sich inländischer Stellvertreter zu bedienen hätten, wesentlich beschränkt13.
Wien, 2. März 1850. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Wien, den 8. März 1850.