Nr. 141 Ministerrat, Wien, 10. August 1849 - Retrodigitalisat (PDF)
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek; VS.Vorsitz fehlt; anw.anwesend Krauß, Bach, Gyulai, Schmerling, Thinnfeld, Thun, Kulmer; BdE.Bestätigung der Einsicht (Schwarzenberg 11. 8.), Krauß 15. 8., Bach 15. 8., Gyulai 13. 8., Schmerling 13. 8., Thinnfeld 13. 8., Thun, Kulmer 13. 8.; außerdem anw.anwesend Werner; abw.abwesend Schwarzenberg, Stadion, Bruck.
MRZ. 2724 – KZ. 2351 –
- I. Friedensabschluß mit Sardinien
- II. Ungarische Aufständische in der Walachei
- III. Nachrichten vom Kriegsschauplatze
- IV. Auskünfte über Wenzel Raus
- V. Geburtstagsfest des Kaisers
- VI. Leopoldorden für Anton Jungmann
- VII. Wiener Musikkonservatorium
- VIII. Geschichtshalle der Bildhauer und Maler
- IX. Proklamation an die Venezianer
- X. Adresse des slawischen Vereines in Triest an den russischen Kaiser
- XI. Gestattung einer Wallfahrt nach Mariazell
- XII. Todesurteil gegen Militärs
- XIII. Militärstrafenvollzug an Zivilisten
- XIV. Kroatische Angelegenheiten
Protokoll der am 10. August 1849 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung.
I. Friedensabschluß mit Sardinien
Der Unterstaatssekretär im Ministerium des Äußern Freiherr v. Werner las den vom Minister v. Bruck eingesendeten Friedensvertrag mit Piemont vor, welcher, wie v. Bruck bemerkte, gleichlautend mit dem Entwurfe ist, welcher dem Ministerrate vorgelegt und von demselben bereits gutgeheißen wurde1. Der Minister v. Bruck sprach zugleich den Wunsch aus, die Ratifikation dieses Vertrages möchte sobald als möglich erfolgen, um die Beitrittserklärungen von Modena und Parma bald nachfolgen lassen zu können.
Da der vom Minister v. Bruck zur Ratifikation eingesendete Friedensvertrag mit Piemont den diesfalls vom Ministerrat früher beratenen und genehmigten Bedingungen und Konzessionen entsprechend befunden wurde, mit denen auch der gegenwärtig abwesende Ministerpräsident Fürst v. Schwarzenberg einverstanden war, so wird der Unterstaatssekretär Baron v. Werner mit Genehmigung des Ministerrates dem Minister v. Bruck erwidern, daß dieser Vertrag feststehe und daß die förmliche Ratifikation desselben sogleich nach der Zurückkunft des Ministerpräsidenten erfolgen werde2.
II. Ungarische Aufständische in der Walachei
Ferner bemerkte derselbe Unterstaatssekretär, daß dem österreichischen Agenten in der Walachei v. Timoni hinsichtlich der Auslieferung der aus Siebenbürgen in die Walachei übergetretenen ungarischen Rebellen (den früheren diesfälligen Beschlüssen des|| S. 568 PDF || Ministerrates gemäß) zu bedeuten wäre, er habe auf der Auslieferung sämtlicher übergetretener ungarischer Rebellen (Offiziere und Mannschaft) und darauf zu bestehen, daß österreichischerseits die Verpflegung der Offiziere und Mannschaft erst vom Tage ihrer Übernahme und nicht vom Tage ihres Übertrittes in die Walachei werde bestritten werden3. Der Grund hievon ist, daß die türkische Regierung nach einer Eröffnung des Fuad Effendi die Ungarn als Rebellen erkenne, daß sie nach § 18 des Belgrader Traktates4 solche die Grenze überschreitenden Leute nicht aufzunehmen, sondern zurückzuweisen habe, und daß es traktatenwidrig wäre, wenn die türkische Regierung die den kaiserlichen Missionen vorbehaltene Jurisdiktion über österreichische Untertanen ausüben wollte5.
III. Nachrichten vom Kriegsschauplatze
Von dem Kriegsschauplatze vor Venedig, Ungarn und Siebenbürgen brachte der Kriegsminister zur Kenntnis des Ministerrates, a) daß ein gestern abends eingelangter Kurier die Nachricht überbrachte, die venezianische Flotte sei ausgelaufen6. Bei dem Abgange des Kuriers standen sich die beiderseitigen Flotten entgegen, die Dampfer umkreuzten sie, und es ist sonach stündlich Nachricht von einem gelieferten Treffen zu erwarten; vielleicht hat die venezianische Flotte die Absicht, sich und die Häupter der Revolution nach Korfu zu retten; b) daß General Csorich Verstärkungen und den Auftrag erhalten habe, Raab zu nehmen und die Kommunikation mit Pest wieder herzustellen7; c) daß bei Schäßburg ein für die Insurgenten nachteiliges Treffen vorgefallen ist, und daß General Lüders in Siebenbürgen seine Verbindung mit dem Grotenhjelm bereits bewerkstelliget habe8; d) die Anzeige des Generals Legeditsch, daß die in Kaschau und Eperies Arretierten, welche der Feldmarschall Paskiewitsch samt und sonders nach Krakau gesendet habe, daselbst angekommen seien, und daß er nicht wisse, was mit Ausnahme der Honveds mit diesen Leuten, meistens Handwerkern, anzufangen sei, wird als eine den Minister des Inneren zunächst betreffende Angelegenheit an denselben geleitet werden9; e) aus Anlaß der vom Platzkommandanten in Eperies erhobenen Klagen, daß die Zips nicht besetzt und allem Unwesen preisgegeben sei, bemerkte der Kriegsminister, daß der General Bordolo am 6. über die Grenze gegangen sei, um die Bergstädte|| S. 569 PDF || Schemnitz und Kremnitz etc. zu besetzen, und daß das slowakische Freikorps den Auftrag erhielt, gleichfalls hinzuziehen10.
IV. Auskünfte über Wenzel Raus
Über die von dem Kriegsminister Grafen v. Gyulai gestellte Anfrage, von welcher Beschaffenheit der österreichische Deputierte bei dem Frankfurter Reichstage W. Raus, der sich nun um eine Oberarztesstelle in österreichisch-kaiserlichen Diensten bewerbe, gewesen sei, wurde demselben von dem nunmehrigen Justizminister Ritter v. Schmerling die Aufklärung zuteil, daß Raus in Frankfurt zwar immer auf der Linken gesessen, aber keine vorragende Persönlichkeit sei, welcher Umstand seiner Bewerbung um eine Anstellung nicht hindernd in den Weg treten dürfte11.
V. Geburtstagsfest des Kaisers
Schließlich bemerkte der Kriegsminister über das Protokoll vom 5. August 1849 zu III. die Frage des Ah. Geburtsfestes Sr. Majestät betreffend, daß das Militär allenthalben gemeinschaftlich mit der Bürgerwehr und nur in denjenigen Orten, wo die durch Umstände gebotene Entwaffnung der Bürgerwehr noch fortdauert, allein zu paradieren habe, während aus dem Protokolle hervorgehe, daß an den Orten, wo die Bürgerwehr bestehe, diese allein auszurücken habe, wornach das gedachte Protokoll in diesem Sinne zu berichtigen wäre.
aDer geh.[orsamst] Gefertigte erlaubt sich hierüber zu erinnern, daß, nachdem der Entwurf der Ah. Entschließung über den Vortrag des Obersthofmeisters, KZ. 282, in der Sitzung vom 5. August 1849 durch den Herrn Minister des Inneren vorgelesen und mit Ausnahme einer bezüglich der Feier in Wien notwendig befundenen Modifikation vom Ministerrate nicht beanständet worden ist, der Gefertigte als Protokollsführer sich bei Aufzeichnung des damaligen Ratsbeschlusses nur an dem Inhalt des fraglichen, hier beigeschlossenen Originalentwurfes halten konnte. 13. 8. 1849, Ransonneta .12
VI. Leopoldorden für Anton Jungmann
Der Minister des Kultus und des Unterrichtes Graf Leo Thun brachte die schon früher einmal besprochene, von dem Lehrkörper der medizinisch-chirurgischen Studien in Prag und von der böhmischen Landesstelle unterstützte Erwirkung der Verleihung des k.k. Leopoldordens für den k.k. Rat und Professor Dr. Anton Jungmann mit dem Beisatze neuerdings in Anregung, daß er bei der langen und belobten Dienstleistung und Verdienstlichkeit des gedachten Professors gegen die angetragene Ordensverleihung nichts einzuwenden hätte13.
Da dieser Gegenstand schon einmal im Ministerrate vorkam und damals beschlosssen wurde, diesen Antrag einstweilen auf sich beruhen zu lassen, so wird der Minister Graf|| S. 570 PDF || Thun das diesfällige, ihm nicht bekannte Sitzungsprotokoll einsehen und darüber weiter referieren14.
VII. Wiener Musikkonservatorium
Ein weiterer Gegenstand des Vortrages dieses Ministers war die Stellung des hiesigen Musikkonservatoriums15. Diese Privatanstalt hat im Jahre 1843 von den Finanzen eine jährliche Unterstützung von 3000 fr. auf drei Jahre erhalten, welche Unterstützung bei fortdauernden mißlichen Vermögensumständen der Anstalt bis zum Jahre 1848 fortgesetzt wurde. In diesem Jahre versiegten die Finanzquellen dieser Anstalt gänzlich, und der Lehrkörper derselben tat alles, um die Anstalt im Gange zu erhalten16. Gegenwärtig bitten der Direktor der Anstalt, Kapellmeister Preyer, und der Präsident derselben, Graf Fürstenberg, die Anstalt als eine Staatsanstalt zu erklären, und die niederösterreichische Regierung unterstützt diese Bitte17.
Der Minister Graf Thun könnte im Grundsatze diese Anstalt nicht als eine Sache des Staates erklären. Sie entstand und bestand als Privatanstalt und möge als solche, wie z.B. das böhmische Musikkonservatorium, sich fortan erhalten. Die Bedürfnisse des Unterrichtes in allen Zweigen seien so groß, daß er für die Abweisung des Gesuches und selbst für die Einstellung der Unterstützung sich erklären müßte. Dagegen erinnerte der Finanzminister Freiherr v. Krauß , daß man sich nicht jeder Teilnahme an dieser Anstalt ängstlich zu entschlagen hätte. Das Musikkonservatorium dürfte auf ein anderes Feld als bisher gestellt werden und künftig nicht bloß eine Anstalt zur Ausbildung des Musiktalentes, sondern auch zur Ausbildung der Lehrer für die bVolksschulen undb Kirche sein. Zu berücksichtigen sei auch, daß die Musik stets als ein Mittel zur Erzielung milderer Sitten betrachtet wurde. Nach seiner Ansicht dürfte diese Anstalt noch ferner zu unterstützen, aber nicht darauf einzugehen sein, ob sie als eine Staatsanstalt bestehen solle. Dieser Meinung schloß sich der Minister des Inneren Dr. Bach mit der Bemerkung an, daß derlei Institute wohl durch Privateinkünfte zu erhalten seien, daß man aber nicht zulassen solle, daß sie durch die außerordentlichen Verhältnisse der Zeit zugrunde gehen. Für die Dauer dieser außerordentlichen Verhältnisse wäre daher dem hiesigen Konservatorium, welches wirklich Gutes geleistet und nicht bloß Sänger gebildet, sondern auch Geschmack überhaupt und die Kirchenmusik gefördert hat, eine Subvention (wie sie auch die Theater genießen) zu bewilligen.
|| S. 571 PDF || Hiernach hat der Ministerrat beschlossen, die gedachte Anstalt nicht als eine Staatsanstalt anzusehen, daß aber durch Erhebung des Standes der Vermögensverhältnisse derselben ein Anhaltspunkt zu gewinnen und auf dessen Grunde in Überlegung zu nehmen wäre, welche Unterstützung dieser Anstalt auf eine bestimmte Zeit zu bewilligen sein dürfte18.
VIII. Geschichtshalle der Bildhauer und Maler
Das Gesuch des Direktors der hiesigen Akademie der bildenden Künste, behufs der Gründung einer Geschichtshalle den Bildhauern, Malern etc. eine jährliche namhafte Unterstützung zu gewähren, wird der Minister Graf Thun ablehnen19.
IX. Proklamation an die Venezianer
Der Minister des Inneren Dr. Bach las den Entwurf einer von dem Feldmarschall Grafen Radetzky unter den gegenwärtigen Verhältnissen an die Venezianer zu erlassenden Proklamation vor, deren Sinn dahin geht, daß, nachdem nun mit Piemont Friede geschlossen wurde und in dem übrigen Italien auch nach und nach Ruhe zurückkehrt, die Venezianer von dieser Seite keine Unterstützung zu erwarten haben20. Unter diesen Umständen erhebe Graf Radetzky noch einmal seine Stimme und erkläre bereit zu sein, die Bedingungen seiner Proklamation vom 4. Mai d.J. zu gewähren21, und werde (welchen Beisatz Se. Majestät aufgenommen zu sehen wünschen) gerne die Soldaten und Unteroffiziere, wenn sie sich unterwerfen, der Gnade Sr. Majestät des Kaisers empfehlen22.
Gegen diesen Proklamationsentwurf ergab sich keine Erinnerung. Das Detail der neuen Bedingungen für Venedig wird nach der Zurückkunft des Ministerpräsidenten besprochen werden23.
X. Adresse des slawischen Vereines in Triest an den russischen Kaiser
Derselbe Minister teilte dem Ministerrate mit, daß der slawische Verein in Triest eine Adresse an den Kaiser von Rußland gesendet habe, welcher Schritt, wenn auch nicht als verboten, doch als unzukömmlich betrachtet werden müsse. In dieser Adresse erwähnt der Verein, daß er kein Opfer zur Aufrechthaltung der Ruhe und zur Bekämpfung der Ruhestörer gescheut habe, preist die Großmut und Menschenliebe des Kaisers,|| S. 572 PDF || spricht den Wunsch für lange Erhaltung des Romanowthrones aus und empfiehlt sich der Gnade des Zaren24.
XI. Gestattung einer Wallfahrt nach Mariazell
Die von dem Regierungskommissär Rohonczy gestellte Anfrage, ob einer Gesellschaft in Güns die Wallfahrt nach Mariazell zu gestatten sei, wird der Minister Dr. Bach unter den jetzigen Verhältnissen, und da mit den Wallfahrern gefährliche Individuen sich einschleichen könnten, ablehnend erledigen25.
XII. Todesurteil gegen Militärs
Derselbe Minister bemerkte, daß der Umstand, wo neuerlich hier vier Unter- und Oberoffiziere zum Tode verurteilt wurden, von denen zwei begnadigt (auf acht und zehn Jahre Arrest), zwei aber gerichtet werden sollen, ihn zu dem Ansuchen um Mitteilung der Akten bewogen habe, um beurteilen zu können, ob nicht höhere politische Rücksichten die gedachten Hinrichtungen unzulässig machen. Er fände es schwierig, gegen einige mit so harter Strafe vorzugehen, während Móga milder behandelt wurde26, eine Amnestie für Italien erlassen werden soll27 u. dgl. Es würde hierdurch Aufregung erzeugt, auch sei die Gegenwart des Kaisers zu berücksichtigen28.
XIII. Militärstrafenvollzug an Zivilisten
Bei diesem Anlasse erwähnte der Justizminister Ritter v. Schmerling der Wahrnehmung, daß alle bei den Militärbehörden in Untersuchung befindlichen Zivilisten mit Militärstrafen (30, 40 Stockstreichen usw.) belegt werden. Dies sei im Widerspruche mit unserer Legislation, welche die körperlichen Strafen beim Zivile aufgehoben und bei dem Militär selbst beschränkt hat29. Er habe diesfalls Notizen gesammelt und werde diesen Gegenstand nächstens im Ministerrate vorbringen30.
XIV. Kroatische Angelegenheiten
Der Minister Baron Kulmer brachte schließlich zur Kenntnis des Ministerrates, daß die kroatischen Vertrauensmänner zu der mit ihnen vorzunehmenden Beratung in Landesangelegenheiten nun alle bis auf Bužan und Novak da sind. Der letztere werde auch ankommen, und statt des ersteren könnte der gewesene Vizekanzler Baron Bedekovich den Beratungen beigezogen werden; es könnte ihm das Präsidium bei den Beratungen übertragen werden; nimmt er es nicht an, so erscheint er durch diesen Antrag wenigstens zufriedengestellt31.
|| S. 573 PDF || Wien, den 11. August 1849. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 24. August 1849.