Nr. 143 Ministerrat, Wien, 13. August 1849 - Retrodigitalisat (PDF)
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek; VS.Vorsitz Schwarzenberg; anw.anwesend Krauß, Bach, Gyulai, Schmerling, Thinnfeld, Thun, Kulmer; BdE.Bestätigung der Einsicht (Schwarzenberg 14. 8.), Krauß 10. 10., Bach 15. 8., Gyulai 10. 10., Schmerling 15. 8., Thinnfeld 15. 8., Thun, Kulmer 15. 8.; abw.abwesend Stadion, Bruck.
MRZ. 2766 – KZ. 3103 –
- I. Mitteilung von Nachrichten vom ungarischen Kriegsschauplatze an Friedrich Graf Thun-Hohenstein in München
- II. Dotierung des Reichsverwesers Erzherzog Johann
- III. Eingabe mehrerer Häusler des Taborer Kreises
- IV. Eingabe mehrerer Bewohner Galiziens
- V. Anwesenheit der Minister bei der Feier des Geburtstagsfestes des Kaisers
- VI. Überstellung der verurteilten Ludwig Grafen Batthyány und István Graf Károlyi nach Olmütz
- VII. Veröffentlichung der Nachrichten vom Kriegsschauplatze
- VIII. Rekrutierung in Böhmen
- IX. Karl Hönigs Petition an die englische Regierung
- X. Proklamation Ludwig Freiherrn v. Wohlgemuth
- XI. Besprechung mit den kroatischen Vertrauensmännern
- XII. Versorgung der hinterlassenen Kinder des hingerichteten Pastors Stephan Ludwig Roth
Protokoll der am 13. August 1849 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses, Fürsten Felix v. Schwarzenberg.
I. Mitteilung von Nachrichten vom ungarischen Kriegsschauplatze an Friedrich Graf Thun-Hohenstein in München
Der Ministerpräsident eröffnete, daß er dem Ansuchen des k.k. Gesandten in München, Grafen Thun, um Mitteilung authentischer Nachrichten über die Erfolge der kaiserlichen Waffen in Ungarn, welches Ansuchen ihm auch schon von anderen Seiten zugekommen sei, da man sich auf die diesfälligen Zeitungsnachrichten nicht ganz verlassen könne, dadurch entsprechen werde, daß er die betreffenden Berichte des FZM. Baron Haynau wird kopieren und dem erwähnten Gesandten wie auch anderen, welche verläßliche Nachrichten wünschen, wird zukommen lassen1.
II. Dotierung des Reichsverwesers Erzherzog Johann
Teilte der Ministerpräsident den Inhalt eines Briefes Sr. kaiserlichen Hoheit des Herrn Erzherzogs Johann Reichsverweser aus Gastein de dato 5. August mit2. Der Herr Erzherzog bemerkt darin, daß, wenn Österreich es für notwendig erkennt, daß er auf seinem Posten ausharre, er sich dieser Aufgabe für die wahrscheinlich nicht mehr lange Dauer der Zentralgewalt gerne unterziehen werde, hierbei aber ausdrücklich erinnern müsse, daß er sich jeder Teilnahme an der neuen Zentralgewalt enthalten wolle. Sollte er auf seinen Posten wieder zurückkehren, so brauche er die nötigen Mittel dazu, da, wie Se. kaiserliche Hoheit bemerken, die bisher zu diesem Ende flüssig gemachten Mittel nicht zureichten, der Herr Erzherzog im Jahre 1848 ein Anlehen machen mußte, um seine Herrschaft in Steiermark und seine Bergwerksentitäten, welche ihm früher ein namhaftes, die letzteren 30.000 f. jährlich, abwarfen, gegenwärtig nichts eintragen, er|| S. 579 PDF || also auch nichts zusetzen könne. Diese Mittel hätten nach seiner Angabe außer den aus dem Familienfonds bezogenen und abzurechnenden 30.000 f. in monatlichen 7000 f., in Beistellung von Equipagen (die er jedoch von zwölf auf sechs beschränkt) und in der Vergütung der Reisekosten zu bestehen.
Der Ministerpräsident las den Entwurf des hierüber zu erstattenden au. Vortrages vor, worin dargestellt wird, daß höhere politische Rücksichten es erheischen, daß der Herr Erzherzog so lange auf seinem Posten verbleibe, bis die neue Zentralgewalt gebildet sein wird. Was die erwähnten Subsidien anbelangt, so ist der Anspruch so billig, daß der Ministerpräsident meint, der Herr Erzherzog werde damit nicht auslangen können. Nach der Ansicht des Ministerpräsidenten wären dem Herrn Erzherzoge vom 1. d.M. und für die Dauer der Zentralgewalt nebst der Equipage und Vergütung der Reiseauslagen 10.000 f. monatlich zu gewähren.
In diesem Sinne würde der Ministerpräsident den au. Vortrag erstatten, dessen Erstattung jedoch einstweilen aufgeschoben wurde, weil der Finanzminister Freiherr v. Krauß sich vorbehielt, über die Erträgnisse der montanistischen Entitäten Sr. kaiserlichen Hoheit nächstens nähere Aufschlüsse zu geben3.
III. Eingabe mehrerer Häusler des Taborer Kreises
Die von dem Ministerpräsidenten zur Sprache gebrachte, an das Ministerium gerichtete Eingabe mehrerer Häusler und Inleute des Taborer Kreises in Böhmen, die Pfarr-, Stifts-, Kloster- und Gemeindegründe möchten zur Verbesserung der Lage der Häusler und der armen Inleute unter sie verteilt werden4, wurde ebenso wie
IV. Eingabe mehrerer Bewohner Galiziens
eine Eingabe mehrerer Bewohner Galiziens um Aufhebung der Gubernialaufforderung wegen Leistung der Sommeraushilfstage bei Einbringung der Ernte der ehemaligen Grundherrschaften als bereits erledigt zu keiner weiteren Verfügunga geeignet erkannt5.
V. Anwesenheit der Minister bei der Feier des Geburtstagsfestes des Kaisers
Der Kriegsminister Graf Gyulai teilte mit eine Anfrage des Zivil- und Militärgouverneurs hinsichtlich des Erscheinens der Minister bei der am 18. d.M. statthabenden Geburtsfeier Sr. Majestät und ob die Feierlichkeit eine militärische oder bürgerliche sei6.
Der Minister des Inneren bemerkte, daß diese Feierlichkeit früher immer eine bürgerliche war. Wenn der Gemeinderat ein kirchliches Amt veranstaltet und, wie nicht zu zweifeln, offizielle Einladung hierzu macht, so sei es angedeutet, daß die Minister vom|| S. 580 PDF || Zivile (jedoch einzeln) in der Domkirche erscheinen. Der Kriegsminister wird über offizielle Einladung bei der Militärmesse auf dem Glacis erscheinen7.
VI. Überstellung der verurteilten Ludwig Grafen Batthyány und István Graf Károlyi nach Olmütz
Derselbe Minister eröffnete, daß die beiden verurteilten Grafen Batthyány und Károlyi bereits auf die Festung Olmütz abgeführt worden seien8. Ferner,
VII. Veröffentlichung der Nachrichten vom Kriegsschauplatze
daß der General Graf Thurn die Art und Weise, wie dessen Relationen über die Begebenheiten vor Venedig zur öffentlichen Kenntnis gebracht worden, nicht entsprechend finde. Es erscheine in den Blättern zu viel über die Stellung der Armee usw9. Der Kriegsminister bemerkte, daß er die diesfälligen Berichte dem FZM. Baron Welden zur Bekanntmachung des Nötigen mitgeteilt habe, und daß es künftig nötig sein werde, den zur Aufnahme in die Blätter fertigen Aufsatz dahin zu senden.
Bei diesem Anlasse wurde auch das heute erschienene, zur Wiener Zeitung vom 13. August gehörige Extrablatt als unzweckmäßig abgefaßt einer strengen Kritik unterzogen.
VIII. Rekrutierung in Böhmen
Der Minister des Inneren Dr. Bach brachte hierauf einen Bericht des böhmischen Guberniums, die Rekrutierung betreffend, zum Vortrage10.
Das Gubernium weiset nämlich nach, mehr als 19.000 Mann abgestellt und von dem Rückstande einen namhaften Teil abgetragen zu haben. Zu diesem günstigen Resultate der Rekrutierung haben, wie das Gubernium bemerkt, zwei Umstände wesentlich beigetragen, nämlich die Herabsetzung des Maßes auf 11 Zoll und daß die Paßlosen auf Rechnung jener Gemeinden geschrieben werden konnten, wo sie gestellt worden sind11. Das Gubernium bemerkt aber weiter, daß es mit dem noch zu stellenden Kontingente von mehr als 6000 Mann kaum aufkommen werde, wenn nicht noch andere neue Begünstigungen bei der Assentierung gestattet werden. Diese wären, a) daß Individuen mit kleineren Fehlern, solchen nämlich, welche, wenn sie ihnen im Dienste zustoßen, ihre Entlassung vom Militär nicht herbeiführen, assentiert werden können, b) daß man auch Leute vom Jahre 1830, also 19jährige, abstellen dürfe, und c) (was nur provinziell ist) daß die Rückstände aus dem Gebürge auf das ganze Land verteilt werden dürfen.
Gegen die Bewilligung der Begünstigung ad a) ergaben sich Schwierigkeiten. Man müßte nämlich solche nicht zu beachtende kleine Gebrechen benennen und aufzählen, weil sonst der Militärarzt, wenn der Abgestellte im weiteren Zuge untauglich befunden würde, die Kosten ersetzen müßte. Doch erkannte man es für notwendig, daß der|| S. 581 PDF || Kriegsminister an die Rekrutierungskommissionen in der Richtung eine Weisung erlasse, daß man zwar auf die Beobachtung der Gesetze zu halten, aber keine übermäßigen Schwierigkeiten wegen geringerer Gebrechen bei Abstellung der Rekruten zu machen habe. Dagegen ergab sich gegen die Zugestehung der Begünstigungen ad b) und c) kein Anstand, weil es sich gegenwärtig um die Ergänzung der Reserven handelt, und die Gebürgsgegenden, welche meistens stark bevölkert sind und nach der Population viele Rekruten stellen sollen, meistens schlecht wehrfähige Mannschaft haben, daher es billig erscheint, daß sie bei dieser allgemeinen Landespflicht etwas erleichtert werden12.
IX. Karl Hönigs Petition an die englische Regierung
Derselbe Minister brachte zur Kenntnis des Ministerrates, daß nach einem Berichte des böhmischen Landeschefs ein gewisser Karl Hönig daselbst eine Petition an die englische Regierung vorbereite, worin er gegen die österreichfeindliche Haltung der englischen Regierung in Absicht auf die Intervention Rußlands protestiert13.
Obgleich dieses Unternehmen sehr loyal erscheint, so dürfte die österreichische Regierung dasselbe doch nicht positiv unterstützen, und das beste wäre, es ganz zu ignorieren.
X. Proklamation Ludwig Freiherrn v. Wohlgemuth
Ferner bemerkte dieser Minister, daß ihm Proklamationen zugekommen sind, die der FML. Baron Wohlgemuth in Siebenbürgen wegen der Kossuthschen Geldnoten und der allgemeinen Entwaffnung des Landes erlassen hat14, und
XI. Besprechung mit den kroatischen Vertrauensmännern
daß er heute die erste Besprechung mit den kroatischen Vertrauensmännern gepflogen habe15. Hierbei sei festgestellt worden, daß es sich lediglich um ihr Gutachten über die Landtagsbeschlüsse vom vorigen Jahre und nicht um neue Anträge handle16. Findet die Regierung Modifikationen in Antrage zu bringen, so werden die einzelnen Punkte besprochen und ihr Gutachten darüber vernommen. Die kroatischen Vertrauensmänner haben bei diesem Anlasse die baldige Erledigung der Sache der Grenze ans Herz gelegt, und es war aus ihren Äußerungen zu entnehmen, daß ihnen die Konstitution recht wäre, wenn ihnen die Grenze einverleibt würde.
Der Minister meint, daß die Einverleibung der Grenze bin das Provinziale auf keinen Fall zugestanden werden könne, da das Militärinstitut daselbst aufrechterhalten werden muß. Dagegen versteht es sich von selbst, daß das Gebiet der ostslawischen Grenze eigentlich einen Bestandteil der Königreiche Kroatien und Slawonien bilden und eventuell, wenn ja diese Grenze aufgehoben werden sollte, wieder mit diesen Kronländern zu vereinigen wäre. Es könnte daher höchstens die eventuelle Pertinenzeigenschaftb in das Provinziale auf keinen Fall zugestanden werden könne, da das Militärinstitut daselbst aufrechterhalten werden muß. Dagegen versteht es sich von selbst, daß das Gebiet der ostslawischen Grenze eigentlich einen Bestandteil der Königreiche Kroatien und Slawonien bilden und eventuell,|| S. 582 PDF || wenn ja diese Grenze aufgehoben werden sollte, wieder mit diesen Kronländern zu vereinigen wäre. Es könnte daher höchstens die eventuelle Pertinenzeigenschaft mit Beibehaltung militärischer Einrichtungen und Zugestehung der schon versprochenen materiellen Erleichterungen für die Grenzbewohner in Aussicht gestellt werden. Diese Zusicherungen würde man bevorworten können. Nach der Bemerkung des Ministers Baron Kulmer sind besonders gute Gemeindeordnung und materielle Konzessionen für die Grenze, namentlich für jene Gemeinden der Grenze notwendig, welche dem Militär nicht unterstehen. Von daher komme gegenwärtig die meiste Unzufriedenheit17.
XII. Versorgung der hinterlassenen Kinder des hingerichteten Pastors Stephan Ludwig Roth
Mit Beziehung auf den von dem Minister des Inneren in einer früheren Ministerratssitzung18 gemachten Vorschlag wegen Versorgung der hinterbliebenen Kinder des von den Rebellen in Siebenbürgen wegen seiner Treue und Anhänglichkeit an die kaiserliche Regierung hingerichteten Pastors Roth bemerkte der Finanzminister Freiherr v. Krauß, daß er diesfalls mit dem Grafen der sächsischen Nation Grafen Salmen gesprochen und in Erfahrung gebracht habe, daß Roth ein ansehnliches Einkommen von 3–4000 f. gehabt, welches aber seit Aufhebung der Zehenten sich bedeutend vermindert habe. Roth habe fünf Kinder zurückgelassen, eine an einen Pfarrer verheiratete Tochter und vier noch unter dem Normalalter stehende Kinder. Graf Salmen meinte, daß, wenn jedes Kind 100 f. jährlich bekäme, sie vollkommen zufriedengestellt sein würden. Der Finanzminister meint dagegen, daß man in diesem Falle großmütig sein und jedem unter dem Normalalter stehenden Kinde 200 f. jährlich, somit zusammen 800 f. bewilligen dürfte. Ob dieser Betrag als Erziehungsbeitrag (bis zur Erreichung des Normalalters) oder bis zur Erlangung der Großjährigkeit (was eine weitere Gnade wäre) zu bewilligen sei, werde von der Ah. Bestimmung Sr. Majestät abhängen.
Der Minister des Inneren wird mit Beistimmung des Ministerrates in diesem Sinne den au. Vortrag erstatten19.
Wien, den 14. August 1849. Schwarzenberg.
Ah. E. Der Inhalt dieses Protokolles dient zur Wissenschaft. Franz Joseph. Schönbrunn, 15. Oktober 1849.