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Nr. 119 Ministerrat, Wien, 14. Juli 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 15. 7.), Krauß 8. 8., Bach 8. 8., Gyulai 8. 8., Kulmer 8. 8.; abw. Stadion, Bruck, Thinnfeld.

MRZ. 2359 – KZ. 2290 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrats gehalten zu Wien am 14. Julius 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Rechtfertigung Radetzkys für Bruck hinsichtlich der Friedensverhandlungen mit Sardinien

Der Minister v. Bruck hat vom Feldmarschall Grafen Radetzky ein Schreiben empfangen, worin er den ersteren gegen die Angriffe des Journals „Die Presse“ in Schutz nimmt und das Verfahren dieses Ministers bei den Friedensunterhandlungen mit Sardinien rechtfertigt. Der Minister hat dieses Schreiben dem gefertigten Conseilspräsidenten mit dem Ersuchen eingesandt, dessen Aufnahme in „Die Presse“ zu veranlassen1.

Ohne den Wert des gedachten Schreibens zu verkennen, wurden von Seite des Ministers Bach wesentliche Bedenken gegen dieses Ansinnen erhoben. Einmal könnte „Die Presse“ nicht verhalten werden, das Schreiben wider ihren Willen in ihr Blatt aufzunehmen, dann scheint es überhaupt nicht angemessen zu sein, daß ein Mitglied des Kabinetts gegen Angriffe der Presse wegen seiner diplomatischen Unterhandlungen, die noch im Zuge sind, sich selbst oder durch das Kabinett im Wege der Presse verteidige. Noch mißlicher aber wäre es für den Feldmarschall, sich mit einem obskuren Journalisten, der jenes Schreiben wegen einiger darin vorkommender starker Ausdrücke schwerlich unbeantwortet ließe, in einen Federkrieg einzulassen und so die hohe Stellung preiszugeben, die er gegenwärtig behauptet. Der Erfolg der diplomatischen Mission des Ministers v. Bruck würde die kräftigste Widerlegung aller diesfälligen Rekriminationen sein, und es dürfte nach dem Erachten des Finanzministers vorderhand das Schreiben des Ministers v. Bruck unbeantwortet bleiben, bis dessen Äußerung über das infolge Ministerratsbeschlusses vom 9. Juli, Prot. Nr. VII, an ihn über das Begehren einer ämtlichen Widerlegung der Angriffe der Presse erlassene Schreiben eingelangt sein wird2.

Bei diesem Anlasse machte der Finanzminister auf die Stipulation des Art. 6 des österreichischen Friedenstraktatsentwurfs aufmerksam, wornach die Bezahlung der ersten Rate der Kriegsentschädigung und die bare Einlösung der sardinischen Schuldverschreibungen|| S. 494 PDF || in Wien zu erfolgen hat3. Diese Stipulation hätte zur Folge, daß, da in Wien der Zwangskurs der Banknoten besteht, die Regierung die Zahlung in Banknoten annehmen müßte und dadurch die Kursdifferenz verlieren würde, was nicht der Fall wäre, wenn die Zahlung loco Mailand stipuliert worden wäre. Der Finanzminister erbat sich die nähere Einsicht in den gedachten Entwurf mit dem Vorbehalte, hierwegen die angemessene Erinnerung in Antrag zu bringen4.

II. Nachrichten über die russischen Kriegsoperationen

Ein Bericht des Grafen Buol aus Warschau vom 12., dann andere Nachrichten über die Operationen der russischen Hilfsarmee in Ungern, endlich die Meldung, daß der dem Feldmarschall Fürsten von Warschau zu erkennen gegebene Wunsch, es möchte die Zersplitterung der österreichischen Korps bei den Operationen möglichst vermieden werden, von demselben übel aufgenommen worden sei, gaben zu keiner Erinnerung Anlaß5.

III. Detailberichte vom k.k. Hauptquartier in Ungarn

Die an den Ministerpräsidenten gelangten Detailrelationen aus dem k.k. Hauptquartier in Ungern wurden vom Kriegsminister durchgesehen und nach vorläufiger Vornahme einiger stilistischer Änderungen zur Bekanntmachung durch den Druck für geeignet erklärt6.

IV. Berichte des Obersten Franz Dorsner v. Dorminthal

Das in einer Relation des Obersten Dorsner über seine Verfügungen in Siebenbürgen enthaltene Begehren um Anweisung der erforderlichen Geldmittel wird nach Antrag des Finanzministers von diesem im Einvernehmen mit dem Kriegsminister erledigt werden7. Die aus dieser Relation zu entnehmende Absicht des genannten Obersten, in Siebenbürgen die Dinge wieder auf den alten Fuß einzurichten, gaben dem Vertreter des Ministers des Inneren Anlaß zu der Bemerkung, daß ein derlei Mißverstehen der jenem Kommissär gestellten Aufgabe die Enthebung desselben von deren Durchführung zur Folge haben dürfte8.

V. Resignation des Erzbischofs Johann Hám

Derselbe Minister zeigte an, daß der Primaserzbischof von Gran Hám resigniert habe9. Weiters erklärte er,

VI. Neue Rekrutierung

mit dem ihm mitgeteilten Vortrage des Kriegsministers wegen Ausschreibung einer neuen Rekrutierung in Summe von 30.000 Mann (25.000 neu, 5000 an Rest von der letzten Aushebung mittelst Nachstellung) von seinem Standpunkte aus einverstanden zu sein, nachdem dieselbe durch die Aufstellung und Ergänzung der 5. Bataillone gerechtfertigt erscheint.

Dagegen bemerkte der Finanzminister , daß ihm die Aufstellung der 5. Bataillone selbst jetzt nicht mehr nötig zu sein scheine, da man der Pazifikation Italiens entgegensieht und da die Teile Ungerns nach Maßgabe ihrer Okkupation der Rekrutierung unterworfen werden können. Jedenfalls muß er sich aber gegen jede Erhöhung, ja gegen die Fortdauer des fast das ganze ordentliche Staatseinkommen verschlingenden Aufwandes für ein ohnehin mit 780.000 Mann angegebenes Heer verwahren, über dessen wahren Bestand und Verteilung der so oft verlangte nähere Nachweis noch immer nicht geliefert worden ist.

Der Minister Bach und der Ministerpräsident entgegneten jedoch bezüglich des bei der neuen Rekrutierung hervorgehobenen Kostenpunkts, daß die Kosten nicht wesentlich und unnötig vermehrt werden würden, indem die neu rekrutierte Mannschaft für den Fall, daß man ihrer augenblicklich nicht bedürfte, sogleich beurlaubt werden könnte10.

VII. Instruktion für FML. Carl Fürst Schwarzenberg wegen der Intervention in Baden

Der Ministerpräsident las die von ihm dem FML. Fürsten Schwarzenberg auf dessen Anfrage wegen des Einrückens des k.k. Truppenkorps in Vorarlberg nach Baden unter einem erteilte Instruktion, worin derselbe zu diesem Einrücken und zur Kooperation mit den königlich bairischen Truppen dem Wunsche der königlich bairischen Regierung gemäß angewiesen wird. In einer geheimen Instruktion wird dem genannten Feldmarschalleutnant die Weisung erteilt, sich mit seinen Truppen bei einer etwa von den Preußen erfolgenden Operation gegen Neuchâtel nicht zu beteiligen11.

Der Ministerrat war mit diesen Instruktionen vollkommen einverstanden.

VIII. Vorstellung des Vizegespans des Syrmier Komitats Ivan Dubravaj

Eine an den Ministerpräsidenten gelangte Vorstellung des provisorischen Vizegespans des Syrmier Komitats Dubravaj in betreff der gegenwärtigen Landesadministration ward vom Vertreter des Ministers des Inneren behufs der geeigneten Verfügung und Berücksichtigung bei den Organisierungsanträgen übernommen12.

IX. Ansuchen um Auslieferung Karl Tausenaus

Auf die Mitteilung des Justizministers , daß das hiesige Kriminalgericht angefragt habe, ob nicht die Auslieferung des berüchtigten Dr. Tausenau behufs dessen krimineller Untersuchung von der französischen Regierung begehrt werden könne, erwiderte der Ministerpräsident , daß eine förmliche Requisition hierwegen itzt, nachdem Tausenau seither Paris wieder verlassen hat, zwar ohne Erfolg sein würde, daß er jedoch bei der Geneigtheit der gegenwärtigen französischen Regierung, sich solcher Subjekte zu entledigen, einstweilen den k.k. Geschäftsträger in Paris anweisen werde, den Aufenthalt Tausenaus ausforschen zu lassen und sofort die geeigneten Schritte einzuleiten13.

Am 15. Julius 1849. Schwarzenberg. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 23. August 1849.