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Nr. 112 Ministerrat, Wien, 7. Juli 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 8. 7.), Krauß 10. 7., Bach 10. 7., Gyulai 13. 7., Kulmer 10. 7.; abw. Stadion, Bruck, Thinnfeld.

MRZ. 2251 – KZ. 1867 –

Protokoll der am 7. Juli 1849 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Militärbequartierungspflicht der Hof- und Ärarialgebäude

Der Ministerpräsident brachte eine Note des k.k. Obersthofmeisteramtes zur Sprache, worin dieses bemerkt, daß der Magistrat der Stadt Salzburg die dortigen drei Hofgebäude zu Ärarialzwecken, zur Militärbequartierung auf dem Grunde der Gleichberechtigung der Staatsbürger einbeziehen wolle und sich anfrägt, ob die Gleichstellung der Staatsbürger auf den Landesfürsten ihre Anwendung habe. Eine Folge der Bejahung wäre eine nicht geringe Erhöhung des Hofaufwandes und größere Belastung des Ärars1.

Nach der Ansicht des Ministerrates haben die Hof- und Ärarialgebäude ohne Rücksicht auf die Stellung des Landesfürsten die Lasten wie andere Gebäude als solche zu tragen, indem der Ah. Hof das, was er besitzt, jure privatorum besitzt. In diesem Sinne wird der Minister Dr. Bach diese ihm übergebene Angelegenheit erledigen2.

II. Friedeverhandlungen mit Sardinien und Amnestiefrage

Derselbe Minister teilte einen Bericht des Ritters v. Bruck vom 2. d.M. mit, worin derselbe anzeigt, daß, da die piemontesischen Bevollmächtigten erst heute neue Instruktionen von ihrer Regierung erwarten, er die Verhandlungen morgen fortsetzen werde, welche die Herzogtümer Parma und Modena und die Kriegsentschädigung zum Gegenstande haben werden3.

Ferner brachte der Minister v. Bruck die Frage wegen der Amnestie neuerdings zur Sprache, indem er einen diesfälligen Bericht des bevollmächtigten Kommissärs Grafen Montecuccoli vorlegt4. Graf Montecuccoli bemerkt in seinem Berichte im wesentlichen, daß|| S. 469 PDF || für die Bewohner des lombardisch-venezianischen Königreiches bereits eine ausgedehnte Amnestie bestehe, welche, da darin kein Zeitpunkt zur Rückkehr festgesetzt wurde, noch fortan als wirkend angesehen werden könne. Von dem Proklam vom 30. Dezember 1848 5 haben nur wenige Individuen Gebrauch gemacht, die Feindseligkeiten erneuerten sich, und jene, welche nicht vor Ende Jänner 1849 zurückkehrten, werden als Feinde betrachtet. Rücksichtlich dieser sei eine Amnestie notwendig, wenn sie zurückkehren sollen. Darüber, ob die Rückkehr dieser Individuen auch wünschenswert sei, bemerkt Graf Montecuccoli, daß die Revolution in Italien von den Revolutionen in anderen Provinzen wesentlich verschieden sei und daher auch anders beurteilt werden müsse. In Italien sei nicht der Haß gegen die Aristokratie, nicht das Streben nach Gleichheit und Freiheit, nach freier Presse u. dgl., sondern der Wunsch nach nationaler Einheit und Unabhängigkeit und nach Befreiung von der Fremdherrschaft der Deutschen die Triebfeder der Revolution gewesen. Österreich schien auch diese Länder eine Zeit lang hindurch aufgeben und nur das Venezianische nebst Mantua und Peschiera behalten zu wollen6. Die Amnestie sei ferner die Bedingung des Wohlstandes des Landes, indem davon die Heimkehr vieler reicher Familien abhänge. Die Sache, vom italienischen Standpunkte betrachtet, mache eine nachsichtsvolle Behandlung wünschenswert. Sollten die Zurückgekehrten neuer Vergehen sich schuldig machen, so würden ihre früheren Vergehen als erschwerende Umstände beachtet werden. Mehrere Individuen, die man kennt, verdienen allerdings keine Nachsicht. Diese wären von der Amnestie auszuschließen, oder, wenn sie bereits zurückgekehrt wären, des Landes zu verweisen. Sollte eine nachteilige Rückwirkung aus der Amnestie auf die anderen Provinzen besorgt werden, dann könnte dem Feldmarschall lediglich gestattet werden, die Abwesenden zur Rückkehr aufzufordern, was, solange der Friede nicht abgeschlossen ist, als eine militärische Maßregel niemandem auffallen würde. Diese Aufforderung könnte, meint Graf Montecuccoli, auf zweierlei Weise geschehen: entweder, daß der Feldmarschall sogleich ein Proklam erläßt, sich darin auf jenes vom 30. Dezember 1848 bezieht und dasselbe ausdehnt, oder daß derselbe dieses Proklam erst dann erläßt, wenn der Friede abgeschlossen sein wird. Graf Montecuccoli erklärte sich für die erste Alternative, welche als keine abgedungene Konzession von Piemont angesehen werden könnte. Der Minister Ritter v. Bruck und der Feldmarschall Graf Radetzky erklärten sich mit Montecuccoli für das Auskunftsmittel, daß der Kaiser jetzt nichts direkt erlasse, sondern der Feldmarschall ermächtiget werde, ein neues Proklam, eine Verlängerung des früheren, nicht neue Amnestie, zu erlassen.

Der Justizminister Dr. Bach , zunächst um seine Meinung hierüber angegangen, erklärte sich, seinen früheren diesfälligen Ansichten konform, gegen jede Bewilligung einer Amnestie unter den gegenwärtigen Umständen. Die Argumente des Grafen Montecuccoli seien nicht stichhältig. Die neu ausgebrochenen Feindseligkeiten haben die|| S. 470 PDF || früheren Konzessionen aufgehoben, somit auch die Einberufung vom Dezember 1848 aufgelöst. An diese, die ohnedies ein großer politischer Fehler war, eine neue Amnestie anzuknüpfen, könnte er durchaus nicht raten, es wäre mit der Würde der österreichischen Regierung unvereinbar und würde als eine von Piemont abgedrungene Konzession angesehen; und wer garantiert es, daß der Friede deshalb leichter abgeschlossen wird, und käme er nicht zustande, so wäre die Regierung prostituiert. Eine Amnestie für Italien würde den strengen Vorgang der Regierung gegen die Revolutionäre der anderen Provinzen nicht länger zulässig machen. Wir kämen in den Besitz aller Flüchtlinge und beherbergten im Lande viele Feinde noch bevor der Friede abgeschlossen ist. Der Minister Dr. Bach würde im Falle der Bewilligung einer Amnestie für Italien das Ministerium nicht haltbar erkennen. Wir haben Alexandria geräumt und in der Geldfrage nachgegeben, ohne im geringsten den davon erwarteten Zweck zu erreichen, und so, meint Dr. Bach, würde die Bewilligung einer Amnestie dem Frieden eher hinderlich als förderlich sein.

Die übrigen Minister erklärten sich gleichfalls gegen die Erlassung einer Amnestie jetzt, weil damit keine Bürgschaft für den Abschluß der Friedens gegeben würde. Der Ministerpräsident wird sonach dem Minister v. Bruck schreiben, daß der Ministerrat sich durchaus nicht mit der Erlassung der Amnestie in der vorgeschlagenen Form vereinigen könne, und daß dieser Gegenstand erst nach Abschluß des Friedens neuerdings wieder in Anregung gebracht werden möge7.

III. Armeebefehl wegen Aufrechthaltung der Disziplin

Der Kriegsminister FML. Graf v. Gyulai las einen gedruckten Armeebefehl des FZM. Freiherrn v. Haynau vor, worin dieser den Generälen und Offizieren die Aufrechthaltung der strengsten Disziplin bei der Armee, die, wie er durch mehrere aufgezählte grelle Fälle beweiset, sehr gelockert sei, anbefiehlt8.

Der Ministerrat fand die vom Baron Haynau gewählte Form, nämlich den Weg des Druckes, wenngleich die Wahrheit der angeführten Mängel nicht bezweifelt werden könne, nicht angemessen, weil dadurch die Generäle und die Armee in der öffentlichen Achtung herabgesetzt werden, und es zweckmäßiger gewesen wäre, wenn er den Generälen mündlich oder auch schriftlich die entsprechenden Befehle erteilt hätte.

IV. Nachrichten vom Kriegsschauplatz

Ferner eröffnete dieser Minister, a) daß nach den ihm zugekommenen Nachrichten General Görgey wirklich in der Schulter blessiert sein soll, b) daß die Brücke bei Lowad schon geschlagen sei und der Brückenkopf nächstens fertig sein werde, c) daß der Feldmarschall Paskiewitsch Streifkorps bereits bis Waitzen entsende9.

V. Bezahlung der Requisitionen für die russischen Truppen in Siebenbürgen

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß brachte eine zwischen den Ministerien des Inneren und des Kriegswesens gepflogene, nun auch ihm mitgeteilte Verhandlung|| S. 471 PDF || (die Bezahlung der Requisitionen für die russischen Truppen in Siebenbürgen betreffend) zur Sprache. Die erwähnten Ministerien halten dafür, daß die Sachsen und Romänen in Siebenbürgen bei den vielen Opfern, die sie bereits der guten Sache gebracht haben, nicht mit den Ungarn diesfalls gleichgehalten werden sollten, und daß ihnen alles, was sie leisten, nach den kursierenden Preisen bar und nicht in Anweisungen auf die Landeseinkünfte zu bezahlen wäre10.

Der Finanzminister bemerkte, daß es nicht wohl angehe auszusprechen, die Anweisungen haben hier einen Wert, dort keinen. Die Finanzverwaltung würde sich dadurch das Mittel nehmen, aus den Anweisungen den möglichen Nutzen zu ziehen. Er fände es dringend notwendig, daß auch in anderen Ländern, für welche Fürst Windischgrätz die Verfügung wegen Annahme der Anweisungen nicht getroffen haben dürfte, dieses nun nachträglich geschehe. Bedeus hätte hiernach in Siebenbürgen die Zahlungen nicht bloß in Banknoten, sondern auch in Anweisungen auf die Landeseinkünfte Ungarns zu leisten.

Der Finanzminister wird hiernach mit Zustimmung des Ministerrates die oberwähnten Ministerien angehen, wegen Annahme der Anweisungen dort, wo es noch nicht geschehen sein sollte, das Nötige zu verfügen11.

VI. Schafwollerequisition in Ungarn

Derselbe Minister bemerkte in Ansehung des an ihn gelangten Antrages des Kriegsministeriums, 40.000 Zentner Schafwolle in Ungarn im Wege der Requisition zu 48 f. den Zentner wegzunehmen und dieselbe in der Art zur Verarbeitung zu bringen, daß die sich darum Meldenden eine bestimmte Quantität Tuch an die Monturskommission zu billigen Preisen liefern, nicht einverstanden sein zu können12. Die Requisition von Rohstoffen, deren die Truppen nicht unmittelbar bedürfen, würde Gehässigkeiten erzeugen, eine kostspielige Regie nötig machen und die Verluste aus diesem Unternehmen würden dessen Vorteile bei weitem übersteigen. Man würde den Wollbesitzern das Mittel benehmen, die Ausländer zu bezahlen. Bei der Erwerbung der notwendigen Artikel für die Armee soll man dem natürlichen Gange nicht entgegentreten, und wenn auch das Tuch zeitweilig teuerer bezahlt werden müßte. Für die requirierte und mit Anweisungen auf die Landeseinkünfte bezahlte Wolle müßten Magazine in Ungarn angelegt werden. Die Wolle müßte zuerst sortiert, dann gesponnen und das Gespünst endlich dem Tuchmacher übergeben werden. Ist der Preis (48 f. per Zentner) der Ware angemessen, so ist|| S. 472 PDF || es nicht notwendig, sie mit Gewalt zu fordern. Ist der Preis nicht angemessen, so erscheint die Maßregel hart und ungerecht13.

Der Ministerrat erklärte sich mit Baron Krauß einverstanden, daß in den oberwähnten Antrag nicht einzugehen wäre14.

VII. Ärarialvorschuß für Leo Graf v. Festetics

Schließlich brachte der Finanzminister Freiherr v. Krauß ein an ihn gelangtes Gesuch des Leo Grafen v. Festetics um einen Ärarialvorschuß von 2000 f. zum Vortrage. Der Bittsteller, Besitzer einer bedeutenden Herrschaft, wurde von den Insurgenten vertrieben, seine politische Haltung wird als korrekt und er einer Berücksichtigung würdig erklärt. Eine pupillarmäßige Sicherheit vermag derselbe unter den gegenwärtigen Verhältnissen zwar nicht nachzuweisen, doch dürften bekannte Tatsachen jetzt mehr als Formalitäten entscheiden.

Der Ministerrat hat beschlossen, daß dem Bittsteller ein Vorschuß von 1000 f. angewiesen werde15.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 15. Juli 1849.