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Nr. 429 Ministerrat, Wien, 17. Dezember 1863 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Schurda; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 17. 12.), Rechberg, Mecséry, Degenfeld (nur bei I und II anw., keine BdE.), Lasser, Plener, Lichtenfels, Forgách, Burger, Hein (31. 12.); außerdem anw. Reichenstein; abw. Nádasdy, Schmerling, Esterházy; BdR. Erzherzog Rainer 5. 1. 1864.

MRZ. 1233 – KZ. 4075 –

Protokoll des zu Wien am 17. Dezember 1863 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Nachtragskredite

Der Finanzminister machte mit Beziehung auf die in der letzten Konferenz vom 14. Dezember hinsichtlich der Nachtragskredite gepflogenen Beratung1 die Mitteilung, daß er sich wegen der näheren Bezifferung der Post für Schleswig-Holstein mit dem Kriegsminister in das Einvernehmen gesetzt habe, wornach sich herausstelle, daß die Kosten für Mobilmachung, Ausrüstung usw. auf 7,180.000 fl. und die Matrikularumlage etc. auf 5,000.000 fl. veranschlagt werden können2. Durch diese Daten wäre er also für den Fall gerüstet, als im Hause eine Aufklärung verlangt werden würde. Der Finanzminister glaubt aber nach nochmaliger Erwägung der Sache folgende Anträge zu stellen: a) Im Gesetze wäre bloß eine geringere Pauschalsumme zu verlangen und sich also bezüglich Schleswig-Holsteins auf die Summe von acht Millionen zu beschränken, wobei dem Hause zu sagen wäre, daß die eigentliche Berechnung die Kosten viel höher stelle, daß man aber in dem Anbetrachte, daß die Zeit der Verwendung nicht bestimmt ist und man diese Auslage vielleicht nicht für das ganze Jahr haben wird, diese Pauschalsumme || S. 165 PDF || angenommen hat. b) Bei der zweiten Post, nämlich der Forderung für Prästationsvergütungen, wäre sich auf die runde Summe von vier Millionen zu beschränken. Endlich wäre c) die Post wegen Galizien vielleicht doch zu erwähnen. Die Verhältnisse haben sich seither doch etwas geändert3. Privatim habe der Kriegsminister im Abgeordnetenhause ohnehin davon gesprochen, und seit der Zeit sei es auch in allen Zeitungen besprochen worden, daß man mit Nachtragskrediten für Zwecke der Bundesexekution und für die Truppenaufstellungen in Galizien kommen werde, und es werde daher diese Forderung niemanden überraschen. Um jedoch die Sache so viel als möglich zu mildern, würde er nicht das Mehrerfordernis für das ganze Jahr, sondern bloß einen Quotalbetrag in Anspruch nehmen und zwar im Belaufe von einer Million. Dadurch würde wenigstens die Korrektheit erreicht sein, daß man doch eine Bedeckung rücksichtlich Berechtigung zur Ausgabe dieser Gelder hätte, worauf er von seinem Standpunkte aus das Hauptgewicht legen müsse. Im ganzen würden also mit dem Gesetze 13 Millionen angesprochen werden, wovon acht Millionen für Schleswig-Holstein, vier Millionen für Prästationsvergütungen [und] eine Million für Galizien entfielen.

Im Laufe der eingehenden Erörterung hierüber, machte vor allem der Kriegsminister bemerklich, daß, nachdem er wiederholt im Ausschusse darauf hingewiesen habe, daß er im Laufe des Jahres sich ergebende, einen bedeutenden Mehraufwand fordernde Ausmärsche und Truppenbewegungen schon öfters aus eigenem ohne Etatüberschreitung gedeckt habe, es auf ihn ein schiefes Licht werfen dürfte, wenn er jetzt für die Truppenverstärkungen in Galizien den geringen Betrag von einer Million fordern würde, indem dieses mit der obigen Anrühmung nicht im Einklange stünde, und Graf Degenfeld würde daher, wenn die Aufnahme dieser einen Million beliebt werden sollte, wünschen, daß man dieses Postulat nur als ein vorläufiges hinstellt, worauf der Finanzminister erinnerte, daß die Motivierung hierüber Aufklärung geben werde, indem da ausdrücklich gesagt wird, daß sich diese Kosten viel höher, nämlich auf drei Millionen, berechnen, daß man aber vorläufig mit einer Million sich begnügen wolle. Der Minister Ritter v. Lasser erklärte sich mit den Propositionen a) und b) umsomehr einverstanden, als er ja immer bezüglich Schleswig-Holsteins auf die Pauschalsumme von acht Millionen eingeraten habe. Was jedoch die Post für Galizien anbelangt, so könnte er auch heute nicht dafür stimmen, daß diese Post im Gesetze aufgenommen werde, denn fürs erste laufe man Gefahr, mit dieser Forderung die ganze Sache zu verderben, wenn nicht gar in dieselbe Stellung zu geraten, wie wir sie in Preußen sehen, und fürs zweite ist ja der Ansatz von einer Million keine Wahrheit, da zur Deckung dieser Kosten das Dreifache erforderlich ist. Zudem dürfte sich der Finanzminister wegen dieser einen Million auch noch zu helfen wissen, und Votant würde daher meinen, daß man mit dem Gesetz im ganzen bloß für zwölf Millionen Kreditbedeckung verlangen solle. Der Finanzminister erklärte, daß es ihm wohl nicht um die eine Million zu tun sei, sondern, daß das Hauptgewicht seines Antrages darin liege, mit der Annahme dieser Post die Berechtigung zur Ausgabe dieser Gelder zu verlangen. Der Polizeiminister , der Kriegsminister , || S. 166 PDF || der Staatsratspräsident und der Marineminister waren ebenfalls für Weglassung dieser Post, weil man mit einer solchen Forderung implizite dem Hause die Gelegenheit geben würde, die Maßregeln bezüglich Galiziens einer Kritik zu unterziehen und überhaupt die ganze polnische Frage von neuem in Diskussion zu ziehen4. Der ungarische Hofkanzler glaubte dagegen, dem Finanzminister nicht entgegentreten zu sollen, sobald derselbe die Rechtfertigung dieser Vorlage auf sich nehmen will. Der Minister Ritter v. Hein und der Minister des Äußern stimmten auch für die Weglassung dieser Post, nur hielten es diese beiden Stimmführer für zweckmäßiger, wenn der Finanzminister dann anstatt der acht Millionen lieber zehn Millionen fordern würde, da es ihnen vorsichtiger scheine, sich für alle Fälle zu decken. Nachdem also der Majoritätsbeschluß auf Weglassung der Post für Galizien entfiel, gab der Kriegsminister noch die Erklärung zu Protokoll, daß, nachdem er für den Mehrbedarf bezüglich Galiziens nicht gedeckt ist und diese Mittel noch fort im stillen gezahlt werden sollen, er die seinerzeitige Rechtfertigung nicht allein auf sich nehmen könne, vielmehr die Konferenz für ihren Beschluß einzustehen haben werde5.

II. Offizielle Dementierung der Gerüchte über Ministerkrisis und Politikwechsel

In dem Anbetrachte, daß in Folge der in allen Zeitungen anhaltend verbreiteten Gerüchte über eine Ministerkrisis und ein Umkehren in der äußeren Politik die Börse in eine förmliche Deroute gebracht ist und diese trübe Stimmung äußerst nachteilig auf die Finanzoperationen6 einwirkt, glaubte der Finanzminister der Erwägung der Konferenz anheimstellen zu sollen, ob es nicht zweckmäßig wäre, hierwegen einen beruhigenden Artikel in einem offiziellen Blatte, allenfalls in der Wiener Abendpost7, einrücken zu lassen.

Der Polizeiminister war des Erachtens, daß eine klare und offene Darstellung über den gegenwärtigen Standpunkt der äußeren Politik geradezu eine Unmöglichkeit sein dürfte, eine halbe Erklärung aber von keinem Nutzen sein könnte. Was aber die Ministerkrisis betrifft, || S. 167 PDF || so würde er auch nicht dafür sein, etwas mehr zu sagen, als daß die umlaufenden Gerüchte unbegründet sind. Der Minister Ritter v. Lasser glaubte, daß man gegenüber solchen Gerüchten, wie sie seit längerer Zeit schon in der ausgedehntesten Weise kursieren, mit einer bloßen Erklärung nicht ausreicht und denselben nur dann wirksam entgegentreten kann, wenn man alles und jedes in Abrede zu stellen in der Lage ist, was ihm übrigens nicht bekannt ist. Der Minister des Äußern könnte wohl die Erklärung abgeben, daß alle die Gerüchte über Systemwechsel in der auswärtigen Politik jeden Grundes entbehren, und auch sagen, daß wir heute in demselben, ja vielleicht intimeren Verhältnisse zu England stehen als im vorigen Jahre, kurz, daß kein Systemwechsel da ist und wir überhaupt in unserer Politik fortfahren. Eine solche Äußerung, meinte Graf Forgách , würde jedenfalls nicht schaden, sondern eher nützen. Was jedoch die Ministerkrisis betrifft, bezüglich deren Bestande oder Nichtbestande er keine Kenntnis habe, so würde er es nicht für ratsam halten, sich darüber in offizielle Aufklärungen einzulassen, und es daher vorziehen, über diesen Punkt ganz zu schweigen. Der Staatsratspräsident hält eine Äußerung, die eine juridische Bestimmtheit hat, bezüglich der äußeren Politik für unmöglich. Das Gerücht bezüglich der Ministerkrisis abetreffend habe er keine Kenntnis, ob eine solche Krisis bestehe oder nicht und vermöge sich daher darüber auch nicht zu äußerna . Nachdem sich im weiteren Verlaufe der Beratung immer mehr die Schwierigkeit einer solchen offiziellen Erklärung darstellte, glaubte der Finanzminister seinen Antrag dahin beschränken zu sollen, daß gegen diese Gerüchte also nicht streng offiziell, sondern durch entsprechende, einen offiziösen Charakter an sich tragende Artikel in der Generalkorrespondenz und etwa in der Abendpost aufzutreten wäre. Als aber hierüber der Polizeiminister erinnerte, daß man ja auch in einem solchen Artikel mit vollkommener Gewißheit sprechen muß, heute aber der Staatsminister, dessen Person hauptsächlich dabei im Spiele sei, nicht anwesend ist, daher es sich vor allem notwendig zeige, die Sache entweder zu vertagen oder wenigstens seine Zustimmung zu einem solchen Artikel einzuholen, fanden sich Se. kaiserliche Hoheit zu dem Ausspruche veranlaßt, daß diese Angelegenheit heute nicht zur Entscheidung kommen könne8. b

III. Metropolie für die Rumänen der griechisch-orientalischen Religion

Der Hofvizekanzler Baron Reichenstein referierte den vom Minister Grafen Nádasdy in betreff der zu errichtenden Metropolie für die Romanen der griechisch-orientalischen Religion erstatteten au. Vortrag vom 31. Oktober l. J., Z. 9869. Mit der Ah. Entschließung vom 25. Juni l. J. hätten Se. Majestät die Ah. Absicht zur Errichtung dieser Metropolie auszusprechen, || S. 168 PDF || vor der Ah. Entscheidung hierüber aber noch den Grafen Nádasdy Ah. zu beauftragen geruht, erst noch den Bischof Schaguna aufzufordern, darüber Gutachten zu erstatten, ob diese Metropolie vorderhand bloß auf das Großfürstentum Siebenbürgen zu beschränken, oder ob dieselbe gleich jetzt auf die Romanen griechisch-nichtunierten Ritus’ in Ungarn auszudehnen wäre, wobei Se. Majestät die Fragen ausdrücklich zu bestimmen fanden, welche Bischof Schaguna in beiden Richtungen zu beantworten haben würde10. Bischof Schaguna habe diesem Auftrage jedoch insoferne nicht vollständig entsprochen, als er sich nur mit der Beantwortung der für die zweite Ah. Alternative gestellten Fragen befaßt habe. Der Abgang dieses Gutachtens wäre nun nach der Ansicht des Grafen Nádasdy dadurch zu beheben, daß man in dieser Sache die demnächst aus Anlaß des mittlerweile Ah. sanktionierten Gesetzartikels über die Durchführung der Gleichberechtigung der rumänischen Nation und ihrer Konfessionen11 abzuhaltende Synode vernehme, rücksichtlich den Schaguna auffordere, die Ansicht dieser Versammlung darüber, ob die selbständige Metropolie für sämtliche Romanen vorderhand nicht auf Siebenbürgen zu beschränken wäre, einzuholen und das in dieser Richtung Ah. anbefohlene Gutachten zu erstatten. Referent könne diesen Antrage des Grafen Nádasdy nur befürworten, denn es scheine ihm dies der geeignetste Weg zu sein, auf welchem dem Ah. ausgesprochenen Willen vor der Ah. Entscheidung dieser wichtigen Frage in allen Richtungen das erforderliche Materiale vorliegen zu haben, nachgekommen werden kann.

Der Staatsratspräsident erklärte sich mit diesem Antrage vollkommen einverstanden, da derselbe nur die Vervollständigung der Ah. Entschließung vom 25. Juni12 bezielt. In der diesbezüglichen, unter dem Ah. Vorsitze abgehaltenen Ministerkonferenz seien die Meinungen in dieser Frage geteilt gewesen und Se. Majestät [haben] einen Mittelweg gewählt und den Schaguna zu dem erwähnten Gutachten auffordern lassen13. Da nun dieser dem erhaltenen Auftrage nicht vollständig entsprochen hat, so sei es doch ganz korrekt, daß das Fehlende nur noch nachgetragen werde. Der ungarische Hofkanzler glaubte sich unter Berufung auf seine frühere und heute noch festhaltende Meinung entschieden dagegen aussprechen zu sollen, daß die Frage, ob die selbständige Metropolie bloß in Siebenbürgen zu errichten wäre, in einer öffentlichen Synode entschieden werde. Se. Majestät hätten dem Bischof Schaguna Ag. gestattet, || S. 169 PDF || daß er sich im engsten Vertrauen über die gestellten Fragen äußere und allenfalls im vertraulichen Wege auch die Ansichten einiger Vertrauensmänner einhole. Hiernach könne es nicht in der Ah. Absicht gelegen sein, diese wichtige Sache in öffentliche Diskussion zu ziehen, was doch geschieht, wenn es in einer Synode zur Verhandlung gebracht wird. Korrekt scheine es ihm also zu sein, wenn zunächst Bischof Schaguna aufgefordert werden würde, sich auch, wie es in der Ah. Entschließung anbefohlen werde, in der zweiten Richtung zu äußern, wobei auch noch das Gutachten von Vertrauensmännern romanischer Nationalität eingeholt werden könnte. Die Entscheidung hierüber könne aber nur aus eigener Machtvollkommenheit Ah. getroffen werden. Freiherr v. Reichenstein erinnerte, daß die Synode nicht zu diesem Zwecke einberufen, sondern, weil eine solche Versammlung demnächst tagen wird, diese Gelegenheit benützt werden soll, das Gutachten, welches Schaguna schuldig geblieben ist, auf diesem Wege nachzuholen. Darüber, ob und wo die Metropolie errichtet werden soll, werde der Synode nie eine Entscheidung eingeräumt, sondern dieselbe soll nur, wenn sich Se. Majestät entscheiden, daß zuerst mit der Metropolie in Siebenbürgen begonnen werde, die in dieser Richtung gestellten fünf Fragen beantworten14. Was also Graf Nádasdy beabsichtigt, sei ja eben nur die Durchführung der mehrerwähnten Ah. Entschließung, denn, da nach dem Wortlaute derselben Schaguna nicht verpflichtet werden kann, sich in beiden Richtungen zu äußern, so handle es sich darum, in anderer zweckmäßiger Weise das abgängige Gutachten zu erlangen. Der ungarische Hofkanzler kann sich nicht überzeugen, daß diese Frage, wenn sie auf dieses Terrain hingeführt werde, zufriedenstellend gelöst werden kann, vielmehr dünke es ihm, daß eine Synodaldiskussion die Sache äußerst erschweren würde. Er glaubte daher, auf seinem obigen Antrage, nämlich den Wortlaut der Ah. Entschließung aufrechtzuhalten und den Schaguna aufzufordern, sich auch in der zweiten Richtung zu äußern, beharren zu sollen. Der Polizeiminister konnte keinen rechten Grund auffinden, warum man den Schwerpunkt der ganzen Sache in eine öffentliche Versammlung legen will. Es wäre dies eine Art Pression auf die Entscheidung dieser Frage, was doch gegenüber Sr. Majestät durchaus nicht angezeigt ist, und er glaube sich daher der Meinung des ungarischen Hofkanzlers anschließen zu sollen.

Minister Ritter v. Lasser und Ritter v. Hein glaubten sich in dieser Sache dem Urteile des Grafen Nádasdy unterwerfen, mithin seinem Antrage zustimmen zu sollen. Alle übrigen Stimmführer traten der Meinung des ungarischen Hofkanzlers bei, wofür sich also die Stimmenmehrheit der Konferenz ergab15.

IV. Vertagung der Reichsratssitzungen über die Feiertage

Gegen den Antrag des Finanzministers , daß gegen die von dem Abgeordnetenhause anläßlich der Weihnachtsfeiertage beabsichtigte Vertagung der Session bis 11. Jänner 1864 von Seite der Regierung nichts einzuwenden wäre, ergab sich der Konferenz keine Erinnerung16.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 4. Jänner 1864. Empfangen 5. Jänner 1864. Erzherzog Rainer.