Nr. 394 Ministerrat, Wien, 24. September 1863 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- (Zuerst als Protokoll I v. 24. 9. 1863 bezeichnet); RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Erzherzog Rainer; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Erzherzog Rainer 25. 9.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, Burger, Hein; abw.abwesend Wickenburg; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 12. 10.
MRZ. 1196 – KZ. 3169 –
Protokoll des zu Wien am 24. September 1863 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.
I. Gesetzartikel wegen Gleichberechtigung der rumänischen Nation
Der Präsident des Staatsrates referierte über den Vortrag der siebenbürgischen Hofkanzlei vom 22. d. M., womit darauf angetragen wird, daß dem siebenbürgischen Landtage der von demselben amendierte Gesetzartikel betreffend die Durchführung der Gleichberechtigung der romanischen Nation und ihrer Konfessionena zur Vornahme einiger Änderungen mittels Ah. Reskriptes zurückgestellt werde1. Freiherr v. Lichtenfels motivierte hierauf umständlich das Gutachten des Staatsrates, welches dahin geht, es sei kein hinlänglicher Grund vorhanden, den Gesetzartikel dem Landtage zur Vornahme der bezeichneten Änderungen zurückzustellen, und Se. Majestät dürften Allerhöchstsich bestimmt finden, den vorgelegten, vom juridischen und Regierungsstandpunkte anstandslosen Gesetzartikel die Ah. Genehmigung zu erteilen2. Inwiefern politische Rücksichten die Zurücksendung des Entwurfs rätlich machen, vermöge Freiherr v. Lichtenfels nicht zu beurteilen.
Minister Graf Nádasdy entgegnete, er könne sich durch die vernommenen Gründe nicht bestimmt finden, von dem Antrage der siebenbürgischen Hofkanzlei abzuweichen, da er die von letzterer beantragten Änderungen für zweckmäßig erkennen müsse. Der Ausdruck „Rechtsstellung im Staate“ lasse verschiedene Auslegungen zu und würde, da es sich nur um ein vom siebenbürgischen Landtage für Siebenbürgen erlassenes Gesetz handelt, passend durch „Rechtsstellung im Großfürstentum Siebenbürgen“ ersetzt werden. Die Änderungen im 2. alinea des § 2 seien deswegen notwendig, weil bei den Evangelischen beider Bekenntnisse die Bezeichnung „kirchliche Satzungen“ statt „kanonische“ gewöhnlich ist. Der vom Landtage expliziter textierte § 6 sei dadurch nun unklar geworden und gebe zu Mißdeutungen Anlaß, ohne doch erschöpfend zu sein, indem des Usus darin keine Erwähnung geschieht. So wie der § 6 jetzt lautet, könnte man versuchen, daraus die Aufhebung des Privilegiums Andreanum, ja des Konkordats3, zu folgern. Wenn übrigens die Zurücksendung des Gesetzartikels auch bei einem Teile des siebenbürgischen Landtages || S. 327 PDF || anfänglich einen ungünstigen Eindruck hervorbringen dürfte, wird die darüber zu eröffnende eingehende Diskussion zeigen, daß die von der Regierung gewünschten Änderungen auf triftigen Gründen beruhen. Es wird aber selbst von guter Wirkung sein, wenn man sieht, daß die Regierung sich durch das Drängen der Parteien nicht bestimmen läßt, einen bminder entsprechendenb Gesetzentwurf zu sanktionieren. Eben deswegen ist zu hoffen, daß durch diesen Vorgang die Beschickung des Reichsrates4 nicht gehindert, sondern vielmehr gefördert werden wird. Die Form der Zurückstellung des Gesetzartikels mittels Reskripts endlich sei die bei derlei landtäglichen Verhandlungen altherkömmliche. Der ungarische Hofkanzler äußerte, er vermöge weder einen politischen noch legislativen Grund aufzufinden, warum die Regierung auf den in Rede stehenden Modifikationen bestehen solle. Graf Forgách würde sich wenigstens nicht erlauben, bei Sr. Majestät zu beantragen, daß ein von einem ungarischen Landtag angenommener Gesetzentwurf demselben zur Vornahme so geringfügiger Änderungen wieder zurückgestellt werde. Der Finanzminister schloß sich gleichfalls dem Antrage des Staatsrates an, da er einen großen Wert darauf lege, daß der Gesetzartikel wegen Durchführung der Gleichberechtigung der romanischen Nation schnell und ohne Hindernis von oben zustande komme.
Die übrigen Minister vereinigten sich mit dem Antrage des Ministers Grafen Nádasdy, in dessen Kenntnis der Landtagsverhältnisse und der Stimmung des Landtages sie kompromittiertenc . Minister Ritter v. Lasser fügte bei, daß ihm von allen Änderungen jene zum 2. Absatz § 2 am wichtigsten scheine und er die Distinktion der siebenbürgischen Hofkanzlei als richtig anerkenne müsse. Schließlich erklärte Minister Graf Nádasdy , er werde für den Fall, daß Se. Majestät der Kaiser im Sinn des staatsrätlichen Antrages zu entscheiden geruhen, den Entwurf eines den Gesetzartikel genehmigenden Ah. Reskriptes nachtragen5.
II. Reskript an den siebenbürgischen Landtag wegen Entsendung von Abgeordneten zum Reichsrat
Der Präsident des Staatsrates referierte über den Vortrag der siebenbürgischen Hofkanzlei vom 22. September 1863 mit dem Entwurf eines königlichen Reskriptes an den Landtag, betreffend die Vornahme der Wahl der siebenbürgischen || S. 328 PDF || Abgeordneten zum Reichsrate, und zwar bloß in der gegenwärtigen Session, da es sich um keine endgiltige Regelung der Wahlordnung handelt6. Der Staatsrat findet gegen die Erlassung des königlichen Reskriptes prinzipiell nichts zu erinnern und ist auch mit den Bestimmungen der Wahlordnung einverstanden, wodurch die Berücksichtigung der verschiedenen Nationalitäten allfälligen Velleitäten der romanischen Majorität gegenüber gesichert wird7.
An dem Text des vorgelesenen Reskriptentwurfsd beanstandeten die Minister Ritter v. Lasser und Edler v. Plener , daß unter den Beratungsgegenständen des Reichsrates, wobei die siebenbürgischen Abgeordneten sich zu beteiligen hätten, bloß die Feststellung des Staatshaushalts und die Einbeziehung Siebenbürgens in das Eisenbahnnetz8 bezeichnet werden, während noch manche, für Siebenbürgen ebenfalls interessante Finanzvorlagen bevorstehen. Man einigte sich schließlich, der Aufzählung im Reskripte ihren exklusiven Charakter dadurch zu nehmen, daß bei der fraglichen Stelle statt „hinsichtlich“ gesetzt werde: „namentlich in betreff“9.
Die Fortsetzung der Beratungen des Ministerrates über die Steuerreform erscheint in einem besonderen Protokolle10.
Wien, 25. September 1863. Erzherzog Rainer.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Ischl, am 10. Oktober 1863. Empfangen 12. Oktober 1863. Erzherzog Rainer.