Nr. 128 Ministerrat, Wien, 17., 18., 20. und 26. September 1861 - Retrodigitalisat (PDF)
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- Sammelprotokoll; RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr (17., 20. und 26. 9.), Ransonnet (18. 9.) ; VS.Vorsitz Erzherzog Rainer; BdE.Bestätigung der Einsicht (Erzherzog Rainer 26. 9.), Rechberg, Mecséry, Schmerling, Degenfeld, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, Rizy; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 5. 10.
MRZ. 927 – KZ. 3094 –
Protokoll des zu Wien am 17., 18., 20. und 26. September 1861 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer[Sitzung vom 17. September 1861][anw. Erzherzog Rainer, Rechberg, Mecséry, Schmerling, Degenfeld, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, Quesar, Rizy]
I. Artikel der „Gerichtshalle“ gegen den Staatsrat; Indiskretionen der Journale „Gerichtshalle“ und „Tribüne“
Se. k. k. Hoheit stellten an den Vertreter des Ministers Freiherrn von Pratobevera die Anfrage, ob die beiden Journale „Gerichtshalle“ und „Tribüne“ vom Ministerium subventioniert werden1. Sektionschef Rizy verneinte es.
|| S. 391 PDF || Hierauf las der Staatsratspräsident einen Artikel ader ihm von dem Unterfertigten eingehändigtena „Gerichtshalle“, worin der Staatsrat aus Anlaß der Verhandlungen über das Preßgesetz und die Novelle zum Strafgesetz angegriffen und unter tückischer Vermengung wahrer und falscher Angaben der Verzögerung jener Verhandlungen und der Durchkreuzung der Bestrebungen des Ministeriums beschuldigt wird2. Er zeigte unter Darstellung der ämtlichen Daten, daß der Staatsrat an der Verzögerung jener Verhandlungen nicht Schuld trage und daß ihn der Vorwurf, die Absichten des Ministeriums zu durchkreuzen, nicht treffen könne. Er stellte daher den Antrag, daß, da er selbst gegen jene Zeitung nicht auftreten kann, der gedachte Artikel derselben ebenfalls durch einen Zeitungsartikel widerlegt und berichtigt werde, welcher Antrag allseitig angenommen wurde. Die Berichtigung hätte nach der Ansicht des Polizeiministers in der „Wiener Zeitung“ zu erscheinen, und würde deren Redaktion vom Staatsminister und vom Staatsratspräsidenten vereinbart werden, welcher letztere noch außerdem darauf aufmerksam machte, daß in den mehrgedachten Journalen alle Details der Verhandlungen beim Justizministerium, selbst die vorbereiteten Gesetzesentwürfe, vorzeitig publiziert werden. In letzterer Beziehung bemerkte der Sektionschef Rizy , daß der Redakteur der „Tribüne“ nach einigen Versuchen, sich in den Kanzleien des Justizministeriums Eingang zu verschaffen, von dort weggewiesen und die strengsten Befehle wegen Geheimhaltung der Verhandlungen erteilt worden seien, daß, was die vorbereiteten Gesetzesentwürfe betreffe, die lithographierten Exemplare davon unter seinem eigenen Verschlusse gehalten werden und daß sohin er sowohl als der Minister gegen die Zumutung geschützt sein dürften, als ob von ihrer Seite Mitteilungen an eines oder das andere Journal gemacht würden3.
II. Öffentlichkeit der Verhandlung im Prozeß gegen Regina Schacherl wegen Kindesmords
Se. k. k. Hoheit geruhten zu bemerken, daß es zur Vermeidung des Ärgernisses wünschenswert gewesen wäre, wenn der Prozeß gegen die Schacherl wegen Kindsmordes, der in allen seinen Details durch alle Zeitungen die Runde machte, in geheimer Sitzung wäre verhandelt worden. Sektionschef Rizy bemerkte, daß nach der gegenwärtigen Einrichtung von dem Rechte, die Öffentlichkeit auszuschließen, nur in den seltensten Fällen Gebrauch gemacht werde, daß er sich aber vorbehalte, den Landesgerichtspräsidenten anzuweisen, daß künftig Ähnliches, was zu Skandal Anlaß geben könnte, nicht mehr öffentlich verhandelt werde.
III. Entwurf des Pressegesetzes
Staatsrat Quesar referierte den zwischen dem Justizministerium und dem Staatsrate vereinbarten Entwurfb eines Preßgesetzes4. Hierbei ergaben sich folgende Bemerkungen:
|| S. 392 PDF || Zum § 2 wünschte der Minister des Äußern eine Einschaltung über den Verlust des Rechtes zur Erzeugung etc. von Druckschriften und zum Verkehre mit denselben durch administrative Verfügung. Auf Antrag des Staatsministers aber ward die Beratung hierüber bis zum Schlusse ausgesetzt5.
Zu § 5 beantragte der Minister des Äußern den Zusatz, daß auch der Verfasser eines Artikels seinen Namen unterschreiben soll und daß bei Artikeln, so aus anderen Zeitungen aufgenommen werden, die Quelle angegeben werde. Es ist gegenwärtig, wo der Grundsatz der Öffentlichkeit überall vorangestellt wird, eine Forderung der Gerechtigkeit, daß jeder, der etwas für die Öffentlichkeit schreibt, mit seiner Person dafür einstehe. Dies ist das wirksamste Mittel gegen den Mißbrauch der Presse, es besteht in mehreren Staaten mit gutem Erfolge und wird auch in Österreich nicht verfehlen, mehr Loyalität in die Presse zu bringen. Der Polizeiminister fand dieses Mittel an und für sich zwar gut. Allein es müßte, würde der Antrag angenommen, die Verantwortlichkeit für Zeitungsartikel anders formuliert und überhaupt das ganze System des vorliegenden Gesetzesentwurfs geändert werden. Überdies spricht dagegen die Schwierigkeit, die Identität der Person, welche den Artikel unterschreibt, zu konstatieren. Es werden Strohmänner vorgeschoben werden. Auch ist kaum zu erwarten, daß ein solcher Antrag im Reichsrate werde durchgebracht werden. In ähnlicher Weise sprach sich der Staatsminister aus, und der Vertreter des Justizministeriums fände in dieser Maßregel unter den gegenwärtigen Verhältnissen, wo man nicht gewohnt ist, selbst für die gute Sache öffentlich in Zeitungen als Schriftsteller aufzutreten, eher eine Abschreckung als eine Aufmunterung für loyale Federn, sich an der Journalistik zu beteiligen. Sie wäre ein Hemmschuh für die gute Presse, besonders da, wie der Polizeiminister und Minister v. Lasser bemerkten, heutzutage mehr Mut dazu gehört, öffentlich für als gegen die Regierung || S. 393 PDF || zu schreiben. Die genannten Stimmführer, der Kriegs -, Finanz - und Handelsminister , endlich der Staatsratspräsident erklärten sich daher gegen den Antrag des Ministers des Äußern. Nur der ungrische Hofkanzler und Minister Graf Esterházy erklärten sich für denselben, weil sie darin das Mittel zur Herstellung einer unabhängigen und loyalen Presse erkennen und wenigstens den Vorteil damit erreichen zu können glauben, daß es dann nicht mehr so leicht sein wird, politische Charaktere ungestraft zu verunglimpfen. Die anfängliche Scheu oder Schüchternheit loyal Gesinnter, mit ihren Aufsätzen im eigenen Namen vor die Öffentlichkeit zu treten, wird wohl mit der Zeit verschwinden.
Im § 6 ist das bisherige System einer besonderen Konzessionserteilung für Zeitungen fallengelassen. Der Minister des Äußern beklagte dies sehr, denn die Regierung kann nun jemandem, von dem sie im voraus überzeugt ist, daß er den schlimmsten Gebrauch von der Presse machen wird, die Herausgabe einer Zeitung nicht verwehren, wenn er die im Paragraphe festgesetzten Erfordernisse ausweist. Höchst bedenklich wäre dies gerade unter den gegenwärtigen Verhältnissen, wo die halbe Monarchie im Zustande einer durch auswärtige Mächte noch genährten Gärung sich befindet. Wenn im Venezianischen, in Ungern, in Galizien Agenten der Revolution von dem Rechte dieses Paragraphes Gebrauch machen, wer wird sie daran hindern? Sie werden ihre Zeitungen herausgeben und mit diesem Gesetze und dem Strafgesetze in der Hand ihre Brandschriften so einzurichten wissen, daß ihnen die Gerichte, welche künftig allein über Preßvergehen zu urteilen haben werden, nirgends beikommen können. Sie werden planmäßig und ungestraft die Revolution vorbereiten. Bei dem Aufgeben alles administrativen Einflusses gegen Preßausschreitungen sollte wenigstens das Recht der Regierung gewahrt werden, sich über die Persönlichkeit des Zeitungsunternehmers Sicherheit zu verschaffen. Der Minister des Äußern würde daher vorschlagen, daß zur Herausgabe einer periodischen Druckschrift eine besondere Konzession der Regierung erforderlich sei. Wäre dies nach dem Prinzipe des vorliegenden Gesetzesentwurfs untunlich, so müßte er jetzt wenigstens die Opportunität dieses ganzen Gesetzes bezweifeln. Gäbe die Konzession — entgegnete der Polizeiminister — irgendwelche Garantie für die künftige Haltung eines periodischen Blattes, so wäre damit allerdings ein Vorteil erreicht. Allein dies ist nicht der Fall. Das beste Leumundszeugnis des Unternehmers verbürgt in dieser Beziehung nichts. Die Regierung hat hierin bereits Erfahrungen genug gemacht, und um nur ein Beispiel anzuführen, genügt es, auf die „Gratzer Volksstimme“ hinzuweisen, deren Herausgeber eine polizeilich vollkommen unbeanständete Person war, die aber gegenwärtig eines der radikalsten Blätter geworden ist. Ein Nachteil ist allerdings mit dem Aufgeben der Konzession verbunden: die anfängliche Vervielfältigung der periodischen Druckschriften. Allein diese wird nur vorübergehend sein, denn über ein gewisses Maß hinaus können sie sich nicht erhalten. Der Polizeiminister stimmte daher für die unveränderte Beibehaltung des § 5 um so mehr, als gegenwärtig, wo nun einmal mit einem liberaleren Preßgesetze hervorgetreten werden muß, im Aufgeben der Konzession wohl die geringere Gefahr liegt. Der Staatsminister teilte ganz die Ansicht des Polizeiministers, || S. 394 PDF || indem seiner Überzeugung nach trotz der Forderung einer besonderen Konzession selbst Agenten der Revolution, wenn sie die Gründung eines Blattes in ihrem Sinne beabsichtigten, irgendeine polizeilich unbeanständete Person finden und vorschieben würden, unter deren Firma das Journal erscheinen könnte. Der Staatsratspräsident machte weiter bemerklich, daß, um jemand von der Konzession um eine Zeitschrift ausschließen zu können, gewisse Ausschließungsgründe festgesetzt werden müßten. Solche aber würden, so wie das ganze Konzessionssystem, gewiß auf den lebhaftesten Widerstand stoßen, nachdem die Regierung, die die Unhaltbarkeit des gegenwärtigen Preßgesetzes eingestanden, die Erlassung eines neuen, jede administrative Prävention ausschließenden Preßgesetzes versprochen und wiederholt angekündigt hat. Nachdem auch Sektionschef Rizy sich in ähnlichem Sinne ausgesprochen und erklärt hatte, daß nun, nachdem das neue Gesetz nach den von der Regierung anerkannten und verkündeten Prinzipien entworfen worden, gegen diese Verkündigung und gegen die allgemeine Erwartung eine Rückkehr zur polizeilichen Maßregelung der Presse moralisch unmöglich geworden sei, vereinigten sich der Kriegsminister, Minister v. Lasser , die Minister der Finanzen und für Handel mit der Ansicht des Polizeiministers. Der ungrische Hofkanzler bemerkte: Er finde sich bezüglich Ungerns in einer eigentümlichen Lage. Das vorliegende Gesetz soll nicht für Ungern wirksam sein. Die vor 1848 in Ungern bestandene Präventivzensur ist aufgehoben, das 1848er Preßgesetz6 der Revision vorbehalten. Es bleibt also nur das 1852er Preßgesetz7 in Kraft, welches jedoch bezüglich seiner gerichtlichen Bestimmungen faktisch außer Wirksamkeit getreten ist, weil durch die Judexkurialbeschlüsse die gerichtlichen Behörden und Organe, welche jenes Gesetz voraussetzt, aufgehoben worden sind und die reaktivierten ungrischen Gerichte das Preßgesetz von 1852 nicht anerkennen und darnach nicht urteilen werden. Unter diesen Umständen muß der ungrische Hofkanzler die administrativen Bestimmungen des Preßgesetzes mit aller Strenge zu erhalten und beobachten zu lassen suchen, wenn nicht die ungrische Presse aller Zügel ledig sein soll. Fällt aber der administrative Einfluß auf die Presse in den nichtungrischen Ländern, so kann er auch wohl nicht mehr in Ungern aufrechterhalten bleiben. Ob es möglich sein wird, ohne ihn in Ungern, in Galizien, in Italien, selbst in Böhmen zu regieren, scheint mindestens sehr zweifelhaft zu sein, daher der ungrische Hofkanzler sich der Ansicht des Ministers des Äußern zuneigt, daß es unter den gegenwärtigen politischen Verhältnissen bedenklich sein dürfte, mit einem neuen Preßgesetze, das, wenn es schon erlassen werden soll, möglichst liberal sein muß, hervorzutreten und das bestehende zu verwerfen, welches nicht durch seine Bestimmungen, sondern nur durch die leider fast zum Grundsatze gewordene Nichtanwendung derselben die gegenwärtigen Zustände hervorgerufen hat. Minister Graf Esterházy teilte im Prinzipe ebenfalls die Ansicht des Ministers des Äußern, weil das Aufgeben jedes administrativen Einflusses auf die || S. 395 PDF || Tagespresse überall die größten Schwierigkeiten der Regierung bereiten, in Ungern aber insbesondere unvermeidlich zur Revolution führen wird.
Die §§ 12, 13 und 16, welche nicht genau nach dem zwischen dem Justizministerium und dem Staatsrate vereinbarten Texte abgedruckt sind, wurden diesen entsprechend im vorliegenden Entwurfe korrigiert. Im § 14 wurde statt der Worte „Statthalter des Kronlandes“ über Antrag des Sektionschefs Rizy und Ministers v. Lasser gesetzt „Chef des Verwaltungsgebietes“, und im § 19 wurde der, wie es scheint, ebenfalls aus Versehen nicht aufgenommene Text, daß die Verjährungsfrist mit sechs Monaten, falls das Strafgesetz keine kürzere bestimmt, festzusetzen sei, der Vereinbarung zwischen dem Staatsrate und dem Justizministerium gemäß unter Zustimmung des Vertreters des letzteren allseitig angenommen.
Am Schlusse dieses II. Hauptstücks beantragte die Majorität des Staatsrates die Aufnahme des § 23 des bestehenden Preßgesetzes8, wornach die Oberste Polizeibehörde ausländische Druckschriften für den ganzen Umfang des Reichs verbieten und verbotenen Druckschriften der Postdebit9 entzogen werden kann. Der Minister des Äußern war damit einverstanden, weil er gleiches Maß für alle Druckschriften, in- und ausländische, und keine Begünstigung für letztere gegen erstere will. Dies wäre aber der Fall, weil gegen den ausländischen Verfasser, Verleger oder Drucker die Strafbestimmungen des Preßgesetzes nicht wirksam sein können, mithin wohl nichts als eine Art Präventivmaßregel erübrigt, um sich gegen das Einbringen revolutionärer Schriften vom Auslande her zu schützen. Warten, bis die gerichtliche Verurteilung, das gerichtliche Verbot einer solchen Schrift erfolgt, hieße das Übel um sich greifen lassen und es erst dann unterdrücken wollen, wenn es seine Wirkung bereits geäußert hat. Der Staatsratspräsident erklärte sich gegen den Antrag, weil es nicht möglich ist, sich gegen das Ausland so ganz abzuschließen, weil die Strafbestimmungen des Preßgesetzes zwar nicht den ausländischen Verleger etc., wohl aber den Verbreiter der Druckschrift im Inlande treffen, sobald das Verbot, das durch vorläufige Beschlagnahme derselben eingeleitet und vor Gericht justifiziert werden muß, vom Gerichte ausgesprochen ist. Was die Entziehung des Postdebits anbelangt, so hängt es von dem Belieben der Verwaltung ab, Pränumeration und Versendung durch die k. k. Postämter zuzulassen oder zu verweigern, es bedarf daher keiner besonderen Bestimmung im Gesetze. Letztere Ansicht teilte auch der Staatsminister . Der Polizeiminister fand die Aufrechthaltung der Bestimmung über das polizeiliche Verbot einer ausländischen Druckschrift ebenfalls entbehrlich, weil dessen Wirkung keine andere ist als jene des gerichtlichen Verbots. Auch die Polizei kann ein im Ausland gedrucktes Werk nicht a priori verbieten, sie muß es eher lesen, ehe sie sich zu einem Verbote bestimmen läßt. Findet sie nun ein ausländisches || S. 396 PDF || Werk gefährlich, so wird sie cnach dem neuen Gesetzec dessen Beschlagnahme sogleich veranlassen und letztere bei Gericht justifizieren, so daß der ganze Unterschied zwischen den Bestimmungen des alten und neuen Gesetzes bloß darin besteht, daß der Ausspruch des Verbots nicht von der Polizei-, sondern von der Gerichtsbehörde erfolgt. Die mittlerweilige Beschlagnahme bleibt in dem einen wie in dem anderen Falle aufrecht. Belangend den Debit von Druckschriften durch die k. k. Postämter, so liegt es allerdings in der Natur der Sache, daß die Staatsverwaltung ihre eigenen Organe nicht zu Werkzeugen der Verbreitung ihr gefährlicher Druckschriften machen kann, und insofern bedürfte es wohl keiner besondern Vorschrift darüber, daß der Debit schlechter Schriften durch die Postämter eingestellt werden könne. Gleichwohl würde der Polizeiminister die Aufnahme einer diesfälligen Bestimmung wenigstens bezüglich der periodischen Druckschriften in das neue Gesetz für wünschenswert halten, weil er es nicht darauf ankommen lassen möchte, daß man, falls darüber im Gesetze nichts vorkommt, die Entziehung des Postdebits als gesetzwidrig anfechte. Auch ist es möglich, daß in Beziehung auf den Verkehr mit Druckschriften Postkonventionen mit anderen Staaten bestehen, die beobachtet werden müssen. Und nachdem auch Minister v. Lasser die Frage aufgeworfen hatte, ob der Postanstalt das Recht zustehe, eine von auswärts an eine bestimmte Adresse einlangende Sendung eigenmächtig zurückzuhalten, erbot sich der Finanzminister , die Frage wegen Entziehung des Postdebits nach genauer Prüfung der hierwegen bestehenden Vorschriften in der nächsten Sitzung zur Beratung zu bringen.
Fortsetzung den 18. September 1861.
Gegenwärtige wie im Ministerrate am 17. September 1861 mit Ausnahme des Kriegsministers.
Über eine Anfrage des Handelsministers , ob nach dem gegenwärtigen Gesetzesentwurfe der Redakteur eines Journals verpflichtet sein würde, die Berichtigung einer unwahren Angabe seines Blattes über Ansuchen der Partei aufzunehmen, antwortete Staatsrat Quesar , daß diese Verpflichtung sich aus dem § 15 des Entwurfes deutlich ergebe. Wollte aber der Redakteur diesem Ansuchen der Partei keine Folge geben, so könne er hiezu durch den Staatsanwalt verhalten werden.
Hierauf wurde der III. Abschnitt des Entwurfes seinem ganzen Inhalte nach vorgelesen und vom Präsidenten Baron Lichtenfels wie auch vom Staatsrate Quesar mit den Erläuterungen begleitet. Erinnerungen ergaben sich dabei im wesentlichen nur bei folgenden Paragraphen:
Im § 21 wurde das Wort „jedoch“ am Anfang des zweiten Satzes als überflüssig gestrichen.
|| S. 397 PDF || § 23. Der Polizeiminister machte aufmerksam, daß nach den Bestimmungen dieses Paragraphes die durch eine Druckschrift unternommene Mitteilung von militärischen Operationen etc. nur dann ein Vergehen begründet, wenn dadurch die Interessen des Staates gefährdet werden. Dieses scheine eine zu enge Begrenzung, da man den Beweis einer wirklich stattgefundenen Gefährdung der Staatsinteressen in vielen Fällen gar nicht oder nur sehr spät werde führen können, so daß dieses Verbot nicht wirksam genug sein würde. Baron Mecséry beantragte hiernach, statt „gefährdet werden“ zu setzen „gefährdet werden könnten“, womit man allseitig einverstanden war. Nachdem der Kriegsminister dem heutigen Ministerrate nicht beiwohnte, behielten sich Se. k. k. Hoheit vor, diesen Minister über den amendierten Text des § 23 zu vernehmend .
§ 24. Staatsrat Quesar referierte, daß der vom Staatsrate zu diesem Paragraphe beantragte Zusatz: „Überdies ist bei periodischen Druckschriften, wofür eine Kaution bestellt wurde, auf den Verfall derselben nach den im § 28 und bzw. im § 251 des allgemeinen Strafgesetzbuches festgesetzten Ausmaße zu erkennen“ sich durch die vom Justizminister vorgenommene neue Textierung des § 25 behebe. Da ferner im § 25 gegenwärtig auch ein Minimum der Kautionsquote ausgesprochen erscheint, unter das beim Strafausmaße nicht herabgegangen werden darf, so findet Staatsrat Quesar gegen den Text dieses Paragraphes nichts mehr zu erinnern. Sektionschef Rizy bemerkte, der Leiter des Justizministeriums habe den § 25 in seiner gegenwärtigen Form unter der Voraussetzung textiert, daß nach der von ihm beantragten Novelle zum Strafgesetze einige dermal als Verbrechen und Vergehen qualifizierte Handlungen in Zukunft als Vergehen und Übertretungen, somit weniger streng, bestraft werden würden, und der Minister habe daher zu einer Art Ausgleichung im § 25 mit jenen Handlungen einen höheren Kautionsverlust verbinden wollen. Für den Fall aber es von jener Novelle ganz oder größtenteils das Abkommen erhalten und mithin die obige Voraussetzung sich nicht verwirklichen sollte, habe Baron Pratobevera die im gedruckten Entwurfe juxta erscheinende Textierung des § 25 eventuell beantragt, damit nicht durch das neue Preßgesetz eine Verschärfung eintrete, wodurch das Verhältnis der Straffunktionen alteriert würde. Je nachdem daher die Beschlüsse des hohen Ministerrates für oder gegen die Erlassung der Novelle ausfallen, müsse sich der Sektionschef vorbehalten, auf die Textierung des § 25 zurückzukommen. Nachdem der Präsident des Staatsrates erklärt hatte, daß er mit dem dermaligen ersten Texte des § 25 einverstanden sei und auch gegen die eventuelle Alternative im wesentlichen nichts zu erinnern finde, konkludierten Se. k. k. Hoheit der durchlauchtigste Vorsitzende für den ersten Text, wonach die eventuelle Alternative für dermal zu entfallen hate .
§ 26. Der Finanzminister referierte im Nachhange zur Beratung am 17. d. M. über die hierlandes in bezug auf die Entziehung des Postdebits ausländischer Journale bestehenden Verhältnisse. Der Postdebit ist eine wesentliche Erleichterung des Bezugs der ausländischen Blätter durch die Vermittlung der Bestellung und || S. 398 PDF || durch das geringere Porto. Die Versendung der Journale gehört zum Postregal und ist somit ein Reservatrecht des Staates — jedoch ohne daß damit auch eine Verpflichtung zur Übernahme des Debits verbunden wäre. Im Postgesetze10 geschieht allerdings der Entziehung des Postdebits keine Erwähnung, allein die gesetzliche Zulässigkeit dieser Entziehung scheint auch ohne ausdrücklichen Vorbehalt derselben unzweifelhaft. Dafür spricht auch der Umstand, daß das Recht zur Entziehung des Postdebits in mehreren Postverträgen mit dem Auslande (Frankreich, Rußland, Preußen etc.)11 wechselseitig förmlich stipuliert worden ist. fIm Postvereinsvertrage wird im Art. 56 die Zulässigkeit des Verbietens von Zeitschriften vorausgesetzt, indem derselbe Bestimmungen enthält, welche diesfalls wegen Rückstellung der Abonnements- und Speditionsgebühr zu beobachten sindf Im Postvereinsvertrage12 wird im Art. 56 die Zulässigkeit des Verbietens von Zeitschriften vorausgesetzt, indem derselbe Bestimmungen enthält, welche diesfalls wegen Rückstellung der Abonnements- und Speditionsgebühr zu beobachten sind, 13. Wenn es sich aber um die Frage handelt, in welchen Fällen der Staat von seinem Entziehungsrechte Gebrauch machen solle, müsse der Minister dafür stimmen, daß dieses nur dann geschehe, wenn die Regierung sich auf ein gerichtliches Urteil stützen kann. Edler v. Plener stimme daher für den Text des Entwurfes. Nachdem die Minister des Äußern und der Polizei ihre bei der Beratung am 17. d. M. laut Protokoll dargelegten Meinungen nochmals entwickelt und insbesondere gezeigt hatten, daß durchaus kein Grund vorhanden sei, sich den ausländischen Journalen gegenüber, welche hier sehr viel schaden, aber durch diesseitige Straferkenntnisse fast nie fühlbar getroffen werden können, dergestalt die Hände zu binden, daß man von der nötigen Abwehr ihrer Angriffe und böswilligen Insinuationen nur in sehr seltenen Fällen wird Gebrauch machen können, erklärte sich der Staatsminister nicht nur mit diesen zwei Stimmführern einverstanden, sondern bezeichnete es ferner als wünschenswert, daß die Entziehung des Postdebits auch auf inländische Journale ausgedehnt werden könne. Bis jetzt sei dies allerdings nicht geschehen, allein als Koerzitivmittel einem besonders schädlichen Blatt gegenüber dürfte es gute Dienste tun. Man könne billigerweise nicht fordern, daß die Regierung die Diatriben ihrer inländischen Gegner durch die kaiserliche Postanstalt selbst und sogar mit Portobegünstigung im ganzen Reich verbreite. Es ergab sich hierüber eine längere Erörterung, wobei insbesondere auch die Frage diskutiert wurde, ob es nicht besser wäre, den fraglichen Vorbehalt der Debitentziehung den ausländischen Blättern gegenüber als selbstverständlich in diesem Gesetze ganz zu übergehen, um nicht eine Debatte von zweifelhaftem Ausgang im Abgeordnetenhause hervorzurufen. Die mehreren Stimmen entschieden sich jedoch für einen unumwundenen Ausspruch über diesen Gegenstand, der als Zankapfel jedenfalls auftauchen würde. Zu diesem Ausspruche wäre aber statt § 26 der § 29 als der geeignetere Ort zu wählen und am Eingange desselben zu sagen: „Bezüglich der || S. 399 PDF || Entziehung des Postdebits ausländischer Journale entscheidet die dazu berufene oberste Verwaltungsbehörde.“ Hiemit entfiele auch die Notwendigkeit gerichtlicher Erkenntnisse und wäre das 4. Alinea des § 26 zu streichen. Für den Fall aber der Zusatz zu § 29 verworfen würde, wären wenigstens die Bestimmungen des 4. Alineas festzuhalteng .
Der hierauf vorgelesene IV. und letzte Abschnitt des Gesetzesentwurfes gab zu folgenden Erinnerungen Anlaß:
Vor § 40 beantragt der Staatsrat die Einschaltung eines Paragraphes folgenden Inhaltes: „Wird von dem Gerichte in dem Inhalte der Druckschrift der Tatbestand einer strafbaren Handlung erkannt, der Angeklagte aber aus anderen Gründen losgesprochen, so hat dasselbe doch nach Maßgabe der Gesetze die gänzliche oder teilweise Vernichtung der für strafbar erklärten Druckschrift zu verfügen und das Verbot der weiteren Verbreitung derselben auszusprechen.“ Am Schlusse des § 40 aber beantragt der Staatsrat den nachfolgenden Zusatz: „Wird in dem später eingeleiteten Strafverfahren der Angeklagte losgesprochen, in dem Inhalte der Druckschrift aber der Tatbestand eines Verbrechens oder Vergehens erkannt, so bleibt das in letzterer Beziehung bereits früher gefällte Erkenntnis aufrecht.“ Staatsrat Quesar motivierte diese Anträge und zeigte, daß wohl nur durch eine solche Ergänzung des Entwurfes die verschiedenen möglichen Fälle von divergierenden gleichzeitigen und sukzessiven Urteilen über den objektiven und subjektiven Tatbestand erschöpfend normiert werden würden. Es müsse insbesondere auch die Eventualität ins Auge gefaßt werden, daß bei einem späteren Verfahren der Angeklagte subjektiv losgesprochen, aber das Erkenntnis über das Objekt — die Druckschrift — nicht alteriert wird. Sektionschef Rizy erwiderte, es scheine ihm selbstverständlich, daß durch die aus subjektiven Gründen erfolgte Freisprechung des Angeklagten das Erkenntnis über den objektiven Tatbestand in seinen rechtlichen Folgen nicht geändert werde. Minister Ritter v. Lasser, Präsident Baron Lichtenfels und die mehreren Stimmen traten dieser Meinung bei und stimmten für die Weglassung des beantragten Zusatzes zu § 40.
Schließlich referierte Sektionschef Rizy über die bei der ersten Beratung in suspenso gebliebene Textierung des § 2 und las den von ihm mit tunlicher Berücksichtigung der damals vorgebrachten gegenteiligen Ansichten verfaßten Entwurfh eines Zusatzes zum ersten Alinea dieses Paragraphes. i Da jedoch im Laufe der hierüber gepflogenen längeren Erörterung von Seite des Handelsministers und des Staatsratspräsidenten gegen diese Textierung mancherlei Einwendungen erhoben wurden, übernahm es der Sektionschef, diesen Entwurf einer Umarbeitung zu unterziehen, welche bei der nächsten Sitzung in Beratung gezogen werden wird.
Wien, 22. September 1861. j
|| S. 400 PDF || Fortsetzung am 20. September 1861.
Vorsitz und Gegenwärtige wie am 17. September.
Der Kriegsminister beantragte zum § 23, wornach jede durch Druckschriften unternommene Mitteilung über den Plan und die Richtung militärischer Operationen etc., wenn dadurch die Interessen des Staats gefährdet werden oder ein besonderes Verbot solcher Mitteilungen erlassen worden ist, ein Vergehen begründet, den Einschub der Worte „nach Befund der Militärbehörde“ zwischen den Worten „Wenn dadurch“ und „die Interessen des Staats gefährdet werden“. Er begründete diesen Antrag damit, daß nicht das Gericht, sondern nur die Militärbehörde kompetent zur Beurteilung sein könne, ob die Mitteilung einer militärischen Operation etc. das Interesse des Staats gefährde. Wollte man diesen Beisatz nicht, so würde es von dem Belieben des Staatsanwalts und bzw. des Zivilrichters abhängen, über die Staatsgefährlichkeit einer solchen Mitteilung zu entscheiden, und dies würde das Kriegsministerium in die Notwendigkeit versetzen, jeden Augenblick mit einem Verbote solcher Mitteilungen aufzutreten, um gegen die Folgen von Indiskretionen gesichert zu sein. Der Staatsratspräsident und der Staatsminister hielten einen solchen Beisatz nicht für notwendig. Sie gingen nämlich von der Voraussetzung aus, daß in der Regel die Militärbehörde selbst die Staatsgefährlichkeit einer solchen Mitteilung denunzieren werde. In diesem Falle würde der Staatsanwalt sein Amt handeln und gegen den Urheber der Mitteilung gerichtlich einschreiten, außerdem aber, wenn er auf anderem Wege von einer solchen Verlautbarung Kenntnis erhält, wird er sich zur Konstatierung der Tatsache, ob die Mitteilung das Staatsinteresse gefährdete, selbst an die kompetente Militärbehörde wenden. Praktische Wichtigkeit, setzte der Staatsminister hinzu, haben die Bestimmungen des § 23 überhaupt kaum. Denn wem daran gelegen ist, über Truppenmärsche etc. etwas zu erfahren, wartet nicht auf die Zeitungen, sondern findet andere Quellen, seine Wißbegierde zu befriedigen. Dem Finanzminister schien es nicht zulässig zu sein, den Richter bei der Beurteilung eines solchen durch § 23 vorgesehenen Falles so unbedingt, wie etwa an einen Kunstbefund, an den Ausspruch oder Befund der Militärbehörde zu binden, und der Polizeiminister führte diese Idee weiter aus, indem er bemerkte: Wenn das Gesetz eine staatsgefährliche Mitteilung militärischer Operationen etc. für eine strafbare Handlung erklärt, so muß sie als solche dem Richter schon nach dem gemeinen Menschenverstande erkennbar sein und es darf die Entscheidung über die Strafbarkeit der Handlung, hier also die Staatsgefährlichkeit der Mitteilung, in keine andere Hand als die des Richters gelegt werden. Höchstens könnte man zugeben, daß der Richter nach vorläufig eingeholtem Gutachten der Militärbehörde über den Fall zu erkennen habe. Mit diesem letzteren Zusatze erklärte sich der Kriegsminister befriedigt, und auch der Minister des Äußern war mit dem Polizeiminister einverstanden. Allein selbst einen solchen Zusatz im Gesetze hielt der Minister v. Lasser für entbehrlich, ja für bedenklich, weil der Richter an das Gutachten der Militärbehörde nicht gebunden sein soll, mithin sie kompromittieren würde, wenn er gegen || S. 401 PDF || ihren Befund entschiede. Sofort erklärten sich alle Stimmen für den Paragraph ohne Zusatz.
Nachdem beim Erscheinen des Preßgesetzes von 1852 eine eigene Adaptierungsvorschrift für die Armee und die Militärgrenze mit einigen durch die besonderen Verhältnisse derselben gebotenen Modifikationen dieses Gesetzes hinausgegeben worden ist und das gleiche auch bezüglich des neuen Preßgesetzes wird geschehen müssen, so glaubte der Kriegsminister , daß sich hierwegen gleich itzt vereinbart werden sollte, um nicht mit einer doppelten Vorlage des Gesetzes für das Zivile und für die Armee etc. vor den Reichsrat treten zu müssen. Er teilte zu diesem Ende die obgedachte Adaptierungsvorschrift dem Referenten, Staatsrat Quesar , mit. Dieser glaubte, daß bezüglich der Militärgrenze eine Vorlage an den Reichsrat entfalle, und auch der ungrische Hofkanzler bemerkte, daß das neue Preßgesetz auf die Militärgrenze als einen integrierenden Bestandteil der Königreiche Kroatien und Slawonien in keinem Falle Anwendung finden könne. Was aber die speziellen Vorschriften für die Armee betrifft, so schienen sie dem genannten Staatsrate von der Art zu sein, daß sie als bloße Vollzugsbestimmungen keiner Verhandlung im Reichsrate bedürfen. Nachdem jedoch der Staatsratspräsident geäußert hatte, es sei doch notwendig, die besonderen Bestimmungen für die Armee zu kennen und zu prüfen, so wurde sich dahin geeinigt, daß hierwegen eine gemeinsame Beratung zwischen dem Militärjustizreferenten, dem Staatsrate und dem Vertreter des Justizministeriums gepflogen und das Resultat dem Ministerrate angezeigt werdek .
Nachträglich zu der Erörterung der Frage, ob am Schlusse des Hauptstückes II ein Paragraph einzuschalten sei in betreff der Entziehung des Postdebits ausländischer Zeitungen, machte der Staatsratspräsident auf die Art. 41 und 51 des Staatsvertrags mit den deutschen Bundesstaaten14 aufmerksam, wornach die Postämter verpflichtet sind, Pränumerationen auf die in den Bundesstaaten erscheinenden Zeitungen anzunehmen, und der Postdebit derselben nur dann entzogen werden kann, wenn die Zeitung entweder selbst eingeht oder verboten wird. Da nun nach dem neuen Gesetze ein administratives Verbot nicht mehr stattfinden wird, so fände der Staatsratspräsident in obigen Traktatsbestimmungen ein neues Motiv, von der Erwähnung über Entziehung des Postdebits im Gesetzesentwurfe Umgang zu nehmen.
Es wurde sofort zur vorbehaltenen Erörterung der Frage über die Konzessionsentziehung nach dem Entwurfe ad § 2 (Beilage 2l) geschritten. Zu demselben liegen zwei Amendementsentwürfe vor (Beilagen 3 und 4l ), der erste (3) vom Justizministerium, der letzte (4) vom Handelsminister. Da dieser wesentliche Abweichungen von den vorstehenden enthält und die Frage selbst prinzipiell auf das Gewerbsgesetz reflektiert, so wurde dieser Entwurf vor allem in Beratung genommen.
|| S. 402 PDF || § 138 der Gewerbeordnung15 sagt: „Die Entziehung der Gewerbsberechtigung hat Platz zu greifen : in Vollziehung der Straferkenntnisse, mit welchen diesselbe wegen einer durch die allgemeinen Straf- oder Steuergesetze verpönten Handlung von der betreffenden Behörde ausgesprochen wurde. Sie ist aber auch selbständig von der Gewerbsbehörde für eine bestimmte Zeit oder auf immer zu verfügen: a) wenn der Gewerbetreibende wegen einer der im § 7 erwähnten Handlungen (wegen eines Verbrechens, wegen eines Vergehens oder einer Übertretung aus Gewinnsucht oder gegen die öffentliche Sittlichkeit, wegen Schleichhandels, wegen schwerer Gefällsübertretung oder wegen schuldbaren Konkurses) verurteilt worden ist und unter den gegebenen Umständen vom Fortbetriebe des Gewerbes Mißbrauch zu besorgen wäre; b) wenn vorausgegangene wiederholte Bestrafungen wegen Nichtbeachtung der auf die Ausübung seines Gewerbes bezüglichen Vorschriften sich als fruchtlos erwiesen haben; c) bei konzessionierten Gewerben insbesondere, wenn der Gewerbetreibende nach wiederholter schriftlicher Warnung sich Handlungen zuschulden kommen läßt, durch welche das gesetzliche Erfordernis der Verläßlichkeit beeinträchtigt erscheint.“ Indem nun der Handelsminister in seinem Entwurfe einerseits zugesteht, daß lit. c des § 138 der Gewerbeordnung, m als durch die näheren Bestimmungen des Preßgesetzes entfallen16, auf Buchdrucker etc. keine Anwendung zu finden habe, glaubt er, die Anwendbarkeit der lit. a und b dieses Paragraphes auf sie aufrechthalten zu müssen, weil es nicht angeht, sie anders zu behandeln als alle übrigen Gewerbsinhaber, wenn sie sich, als Gewerbsinhaber überhaupt, etwas zuschulden kommen lassen, was in diesen Bestimmungen a und b enthalten ist. Sie fehlen dann aber nicht gegen das Preß-, sondern gegen das Gewerbsgesetz, und eine Ausnahme von den Bestimmungen des letzteren würde eine Novelle zu demselben sein, aber nicht im Preßgesetze ihren Platz finden. Was nun weiters die Vergehungen betrifft, welche Buchdrucker, Buchhändler etc. durch die Presse selbst begehen können, so schien es dem Handelsminister notwendig zu sein, in dem vorliegenden Gesetze auszusprechen, wer aus Anlaß dieser Vergehungen den Gewerbsverlust auszusprechen habe, und die diesfällige Kompetenz hierüber nicht den administrativen, sondern den Gerichtsbehörden zuzuweisen. Nachdem einmal der Grundsatz angenommen worden, daß über alle Preßvergehen nur die Gerichte zu entscheiden haben, so sollen diese auch den Ausspruch über die Entziehung der Konzession haben. Es ist dies eine notwendige Konsequenz jenes Grundsatzes und geeignet, die Parteien über die Besorgnis zu beruhigen, daß sie in einer so wichtigen Sache je der Willkür der Verwaltungsbehörden anheimfallen könnten.
Bezüglich der Kompetenz zur Gewerbsentziehung aus Anlaß der Erzeugung etc. von Druckschriften erklärten sich die mehreren Stimmen gegen den Antrag des Handelsministers, den Ausspruch darüber den Gerichten zu überlassen. Denn, bemerkte der Staatsratspräsident , die Gewerbsentziehung kann in diesem || S. 403 PDF || Falle ohnehin nur dann ausgesprochen werden, wenn der Verleger oder Drucker etc. wegen des Inhalts einer Druckschrift eines Vergehens etc. schuldig, also schon vom Gerichte verurteilt worden ist. Wenn nun in einem Falle, wo der Gewerbsverlust nicht schon im Strafgesetz selbst verhängt ist, die Gewerbsentziehung im Sinne des Entwurfs Beilage 3 und 4 ausgesprochen werden müßte, so würde das Gericht, das schon einmal über das Vergehen selbst geurteilt hat, jedoch nach dem Strafgesetze den Gewerbsverlust nicht verhängen konnte, wegen dieses letzteren noch einmal zu erkennen haben, was doch inkonvenient erscheint. Liegt einmal der richterliche Spruch vor, daß durch den Inhalt einer Druckschrift ein Vergehen etc. begangen worden, so kann die Entscheidung über die Gewerbseinstellung von der Administrativbehörde mit voller Beruhigung und ohne Besorgnis ausgehen, daß sie sich dadurch dem Vorwurfe einer Willkürlichkeit aussetze. Dagegen erschiene es dem Staatsratspräsidenten allerdings zulässig, daß in den Entwurf 3 nebst der Bestimmung b, welche der lit. a des § 138 der Gewerbeordnung entspricht, auch noch der Absatz b des § 138 aufgenommen werde, wornach wegen wiederholter Bestrafungen der Nichtbeachtung der auf die Gewerbsausübung bezüglichen Vorschriften überhaupt die Gewerbseinstellung erfolgen kann, weil kein Grund besteht, Buchdrucker und Buchhändler von der genauen Befolgung der Gewerbsvorschriften überhaupt zu eximieren und deren Verletzung straflos oder doch mit mehr Nachsicht als bei anderen Gewerbsleuten hingehen zu lassen, und weil die Übergehung der lit. b des § 138 in dem vorliegenden Preßgesetze, nachdem man darin die lit. a desselben Paragraphes ausdrücklich aufzunehmen befunden hat, leicht so ausgelegt werden könnte, als wären die Buchdrucker und Händler überhaupt gar nicht durch diese Vorschrift getroffen. Der Minister des Äußern teilte diese Ansicht, weil er keinen Grund findet, die Preßgewerbsleute vor anderen Gewerbsleuten zu privilegieren. Wenn dem Apotheker, der Gift verkauft, das Gewerbe entzogen werden kann, warum sollten jene, die moralisches Gift verkaufen, günstiger behandelt werden? Nach der Ansicht des Polizei - und des Staatsministers sowie des Vertreters des Justizministeriums handelt es sich aber hier um ein anderes Prinzip. Man will ein liberaleres als das bestehende Preßgesetz erlassen, man will insbesondere die Regierung von dem Vorwurfe einer willkürlichen Behandlung der Preßgewerbe durch die Administrativbehörde bewahren. Ließe man ihnen bezüglich der Gewerbsentziehung so ganz freie Hand, wie dies nach lit. b des § 138 der Fall ist, so wäre jene Absicht vereitelt. Denn jede — wenn auch noch so gerechte — Entziehung des Gewerbes wegen der in lit. b des § 138 vorgesehenen Handlungen oder Unterlassungen würde im Publikum als eine tendenziöse Verfolgung der Presse angesehen werden, und des Geschreis darüber wäre kein Ende, nja, es würde im Abgeordnetenhause daraus Anlaß genommen werden, die Gewerbeordnung selbst anzugreifenn . Je mehr also die Gewerbsentziehung im Sinne der lit. b § 138 dem Belieben, der Willkür der Gewerbsbehörde anheimgestellt ist, desto mehr tut es not, dieselbe hinsichtlich der Preßgewerbe einzuschränken. Ja, es erscheint geraten, letztere vor anderen Gewerben in dieser Beziehung || S. 404 PDF || zu privilegieren, damit bei dem Zusammenhange, der zwischen den geistigen und materiellen Organen der Presse besteht, eine möglichst gleichförmige Behandlung der einen wie der andern stattfinde. Sektionschef Rizy, der Polizei- und der Staatsminister beharrten daher bei dem Entwurfe nach Beilage 3. Minister v. Lasser war der Meinung, daß, wenn es nicht tunlich ist, im Preßgesetze alle Bestimmungen des § 138 beizubehalten oder alle zu annullieren, der zweckmäßigste Ausweg zur Hintanhaltung administrativer Willkür darin gefunden werden dürfte, der Bestimmung der lit. c jenes Paragraphes einen bestimmten Ausdruck im Preßgesetze zu geben, welcher Meinung sofort die noch übrigen Stimmführer beitraten.
[Sitzung vom 26. September 1861]
Als jedoch in der Sitzung am 26. September 1861, bei welcher der Handelsminister und der ungrische Hofkanzler fehlten, der Kriegsminister durch FML. Ritter v. Schmerling vertreten war und der Finanzminister später erschien, der Staatsratspräsident diesen Gegenstand wieder in Anregung brachte, erklärte Ritter v. Lasser , daß er zwar in erster Linie bei seinem früheren Antrage, den auch der Finanzminister, eventuell der Minister des Äußern teilten, beharre, daß er jedoch, wenn vom Polizei- und vom Staatsminister, dann vom Vertreter des Justizministeriums ein Wert auf die Beibehaltung der in den Entwurf 3 aufgenommenen Bestimmungen gelegt wird, auch diesem Entwurfe nicht entgegentreten wolle. Es ergab sich sohin die Majorität für denselben.
Hieran knüpfte der Polizeiminister einige Bemerkungen über den Organismus der Staatsanwaltschaft. Da künftig das ganze Gewicht der Maßregeln gegen die Presse in die Hand der Gerichte gelegt ist, so wird es der ganzen Tätigkeit der Staatsanwaltschaften bedürfen, damit alle Preßübertretungen verfolgt werden. Es wird eine Vermehrung der Arbeitskräfte bei denselben eintreten müssen, um der Aufgabe gewachsen zu sein. Der Staatsratspräsident erkannte die Richtigkeit dieser Bemerkung und gab zu, daß die Stellung der Staatsanwaltschaften anders werden müsse.
Sektionschef Rizy kam auf § 25 des Preßgesetzes zurück und empfahl die Annahme des zur Seite stehenden eventuellen Antrags des Justizministeriums, weil die eigentliche Absicht, die den Bestimmungen des ersten Textes des Paragraphes zum Grunde lag, nämlich eine Reihe von politischen Verbrechen so zu normieren, daß sie als Vergehen eingestellt würden, aufgegeben worden ist und hiermit die Notwendigkeit strengerer Bestimmungen über den Kautionsverfall entfällt, dann weil eine neunjährige Erfahrung gezeigt hat, wie gering die Wirksamkeit der Gerichte bisher in diesem Punkte gewesen, indem in diesem Zeitraum von 327 angezeigten Preßfällen nur 19 gerichtlich abgeurteilt und im Durchschnitte mit fünf Tagen Arrest, 23 f. Geldstrafe und 8 f. Kautionsverfall geahndet worden sind. Nachdem der Staatsratspräsident erklärt hatte, er lege keinen Wert auf hohe Strafsätze, sei also nicht gegen den Antrag des Sektionschefs Rizy, wurde derselbe von allen übrigen Stimmen angenommen.
|| S. 405 PDF || Der Staatsratspräsident gab ferner Nachricht von dem Erfolge der Beratung mit dem Militärjustizreferenten in betreff der Wirksamkeit des Preßgesetzes für die Militärgrenze und die Armee. Bezüglich der Militärgrenze kann es aus den bereits in der Sitzung vom 20. d. M. angeführten Gründen nicht Gegenstand der Beratung im gegenwärtig versammelten Reichsrate sein. Es bleibt dem Kriegsministerium vorbehalten, dessen Gültigkeit für die Grenze zu veranlassen. Wohl aber omüssen, um die für Militärpersonen in den hiesigen Ländern notwendigen Ausnahmen in Beziehung auf die Disziplinarvorschriften, den Gerichtsstand und damit in Verbindung bezüglich des Verfahrens aufrechtzuerhalten, diese Ausnahmen in den Entwurf aufgenommen werdeno . Es wurde sich daher zwischen dem Staatsratspräsidenten und dem Militärjustizreferenten dahin geeiniget, zwischen [die] §§ 42 und 43 folgenden Paragraph einzuschalten: „Die Bestimmungen dieses Preßgesetzes finden auch auf die unter der Militärgerichtsbarkeit stehenden Personen Anwendung, unbeschadet jedoch der besonderen Vorschriften, welche für dieselben in Ansehung der Disziplin und des Gerichtsstandes bestehen.“ Schließlich würde im § 43 unter die mit dem Vollzug des Gesetzes beauftragten Ministerien auch das Kriegsministerium aufzunehmen sein. Diese Anträge wurden allseitig angenommen und in einen vom Finanzminister erhobenen Zweifel, ob für die Armee als Ganzes ein Gesetz vom engeren Reichsrate votiert werden könne und wie dasselbe, ob nach der Dislokation oder nach der Nationalität der Regimenter, wirksam sein solle, wurde nicht weiter eingegangen, nachdem bemerkt worden war, daß der Gerichtsstand für die Militärpersonen in der ganzen Armee der gleiche sei, sie also nicht wohl nach verschiedenen Gesetzen behandelt werden können17.
Zum Schlusse brachte der Minister des Äußern noch das Bedenken zur Sprache, ob das beantragte Gesetz überhaupt erlassen werden könne, nachdem ein Bundespreßgesetz besteht, welches in den zum Deutschen Bunde gehörigen Ländern des Reiches, solang das Bundesverhältnis rechtlich besteht, zur Ausführung gelangen sollte. Es wurde jedoch auch auf dieses Bedenken nicht eingegangen, nachdem andere deutsche Bundesstaaten sich bereits darüber hinweggesetzt haben18.
Wien, am 26. September 1861. Erzherzog Rainer.
[Ah. E.] Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, 3. Oktober 1861. Empfangen 5. Oktober 1861. Erzherzog Rainer.