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Nr. 611 Ministerrat, Wien, 5. Jänner 1852 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg, BdE. fehlt), Bach, Thinnfeld, Thun, Csorich, Krauß, Baumgartner; abw. Stadion, Kulmer. a

MRZ. 56 – KZ. 30/1853 –

Protokoll der am 5. Jänner 1852 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Zollstrafbemessung und Revision des Strafgesetzes über Gefällsübertretungen

Der Minister der Finanzen und des Handels Ritter v. Baumgartner bemerkte, daß der neue österreichische Zolltarif mit dem 1. Februar d. J. in Wirksamkeit zu treten habe1.

In diesem Zolltarife erscheinen die Zollsätze für die meisten Gegenstände (mit Ausnahme jener des Staatsmonopols) gegen früher bedeutend vermindert.

In dem Strafgesetze über Gefällsübertretungen vom 11. Juli 1835 bestehe der Grundsatz, daß die Strafen nach dem Zoll bemessen werden sollen2. Bei Anwendung dieses Grundsatzes auf den neuen Zolltarif würden die Gefällsstrafen außerordentlich gemildert erscheinen.

Um dieser Unzukömmlichkeit zu begegnen, stellte der Minister Ritter v. Baumgartner den Antrag, 1. Se. Majestät zu bitten, daß eine Kommission zusammengesetzt werde, um das Strafgesetz über Gefällsübertretungen vom 11. Juli 1835 zu revidieren und wahrzunehmen, welche Änderungen dieses Gesetzes den jetzigen Verhältnissen angemessen seien, und 2. für den nun bald bevorstehenden Eintritt der Wirksamkeit des neuen Zolltarifs die Bestimmung zu erlassen, daß bei Zollstrafen für gewisse Waren (welche von dem Minister angeführt wurden) nicht der Zollentgang, sondern der Wert derselben als Basis angenommen werde. Es würde nämlich, bemerkte der referierende Minister, bis zur Revision des Strafgesetzes über Gefällsübertretungen so vorgegangen, wie es bis jetzt bei den verbotenen Waren der Fall war, bei welchen gleichfalls der Wert der Ware zum Maßstabe der Strafe angenommen worden ist; dies würde bleiben und nur auf die von dem Minister angeführten Waren ausgedehnt werden.

Mit diesem Antrage des Ministers Ritter v. Baumgartner vereinigte sich die Stimmenmehrheit des Ministerrates, der Minister Dr. Bach insbesondere mit der Bemerkung,|| S. 477 PDF || daß er es aus politischen Gründen nicht angemessen finden würde, in der Zeit des Interims (bis zur Revision des Gefällsstrafgesetzes) bei Bemessung der Strafen auf den alten Zolltarif zurückzugehen.

Nur der Justizminister Ritter v. Krauß war der Ansicht, daß bis zu dem erwähnten Zeitpunkte die Strafen in den von dem Finanzminister angegebenen Fällen nach dem alten Zolltarife und nicht nach dem Werte der Ware, was einen anderen Grundsatz voraussetzen würde, bemessen werden sollten. Dies schiene ihm der natürlichste Maßstab, und die Gefällsübertreter würden hierbei nicht leichter behandelt, als sie nach dem alten Zolltarife und der bisherigen Bemessungsart behandelt worden wären3.

II. Ausdehnung der Rekrutierung auf Dalmatien und auf Triest, Fiume und Buccari

Der Minister des Inneren Dr. Bach brachte zur Kenntnis des Ministerrates, daß Se. Majestät die Rekrutierung auf Dalmatien auszudehnen und Ah. zu genehmigen geruhet haben, die Ragusaner und Katareser aus der Rekrutierung für die Landarmee wegzulassen, weil die Bewohner dieser Kreise, soweit sie dazu tauglich sind, vorzugsweise für den Matrosen- und Marinedienst gewidmet werden sollen4.

Bei diesem Anlasse und da für das Jahr 1852 eine bedeutende Rekrutierung bevorsteht, brachte der Minister des Inneren in Anregung, wie wünschenswert es wäre, die Städte Triest, Fiume und Buccari in die allgemeine Rekrutierung einzubeziehen und ihre diesfälligen Privilegien aufzuheben, gegen welche Ansicht und die diesfalls erforderliche Einleitung sich keine Erinnerung ergab5.

III. Zivilprozeßordnung für Ungarn etc

Der Justizminister Ritter v. Krauß beendete hierauf seinen in der Ministerratssitzung vom 2. d. M. begonnenen Vortrag über die Zivilprozeßordnung für Ungarn und die unter gleichen Verhältnissen mit Ungarn stehenden Kronländer6.

Das 29. Hauptstück hat folgende Überschrift zu erhalten: „Von dem Verfahren in streitigen Ehesachen der evangelischen Glaubensgenossen, insoweit ihre Streitigkeiten den Zivilgerichten zugewiesen sind.“|| S. 478 PDF ||

Der hierauf folgende 1. Absatz des § 636 ist wegzulassen, weil er keine gesetzliche Disposition enthält und leicht zu der Besorgnis Anlaß geben könnte, daß man das Zugestandene wieder entziehen werde.

Der 2. Absatz dieses Paragraphes hat mit folgenden Worten zu beginnen: „Soweit die Streitigkeiten evangelischer Glaubensgenossen über die Scheidung von Tisch und Bett usw.“

Zu § 661 wurde ein Zusatz des Inhalts im wesentlichen genehmigt, daß die Auflösung der Ehe bei Akatholiken nicht sogleich zu bewilligen, sondern, so wie es bei der Trennung der Katholiken vorgeschrieben ist, zu wiederholten Malen die Vereinigung der Gemüter zu versuchen ist.

Bei dem neuerdings zur Sprache gekommenen § 689 (von der Haftung des Staatsschatzes und der Gemeinden) wurde sich nun für die Solidarität der Verantwortung ausgesprochen, weil, wie der Justizminister bemerkte, die Pupillarkommissionen in Ungarn durch die ihnen erteilte Instruktion bereits solidarisch verpflichtet sind.

Der Justizminister wird nun diesen beratenen Entwurf der Zivilprozeßordnung für Ungarn Sr. Majestät vorlegen7.

IV. Wirkungskreis des Gesamtministeriums und allgemeiner Wirkungskreis der einzelnen Ministerien (1. Beratung)

Hierauf wurde auf Anordnung des Ministerpräsidenten A) der Entwurf über den Bereich der Wirksamkeit des Gesamtministeriums und B) der allgemeine Wirkungskreis der k. k. Ministerien (dieser bis zum § 6) zum Vortrage gebracht8.

Ad A) An dem Texte des hier angeschlossenen ersten Entwurfesb wurden nur folgende wenige Änderungen vorgenommen, und zwar: im § 2 soll statt der Worte „allgemein verbindlicher“ das Wort „kaiserlicher“ Verordnungen gesetzt werden, und die darauf folgenden Worte „und deren Abfassung“ sind wegzulassen, ferner soll am Schlusse dieses Paragraphes statt des Wortes „Vorschriften“ der Ausdruck „kaiserlicher Verordnungen“ gebraucht werden.

§ 8 ist statt des Wortes „Erzbischofes“, da die Besetzung der Bistümer überhaupt der Beratung des Ministerrates unterzogen werden soll, der generelle Ausdruck „Bischofes“ zu setzen, und der § 12 hat mit den Worten anzufangen: „Die Beratung über Beschwerden und Vorstellungen usw.“.|| S. 479 PDF ||

Ad B) Zu dem Entwurfe über den allgemeinen Wirkungskreis der k. k. Ministerien wurden folgende Modifikationen angenommen:

§ 1 a) und b) ist vor den Worten „Verordnungen“ das Epitheton „kaiserlicher“ zu setzen.

§ 3, lit. c) wurde der Beschluß vorbehalten, bis über den besondern Wirkungskreis der k. k. Ministerien die Beratung gepflogen sein wird. Lit. l) dieses Paragraphes ist vor dem Worte „Bezuge“ das Wort „bleibenden“ einzuschalten, und die Schlußworte „gegen Beobachtung der Reziprozität von Seite des auswärtigen Staates“ sind ganz wegzulassen.

Ebenso ist lit. q) der Schlußsatz „welche sich über ihre gesunde Leibesbeschaffenheit auszuweisen haben“ als eine legislative, hierher nicht notwendig gehörige Bestimmung zu streichen9.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, 26. Jänner 1853.