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Nr. 9 Ministerkonferenz, Wien, 8. Mai 1852 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 8. 5.), Bach 15. 5., Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner 15. 4. [sic!]; abw. Thinnfeld, Stadion.

MRZ. – KZ. 1687 – (Prot. Nr. 8/1852) –

Protokoll der am 8. Mai 1852 zu Wien abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Errichtung einer Obersten Polizeibehörde

Der Minister des Inneren brachte mit Beziehung auf die Ah. Entschließung vom 25. v. M., womit die Trennung der Polizeiverwaltung vom Ministerium des Inneren und die Kreierung einer eigenen Obersten Polizeibehörde verfügt, zugleich der Generalgensdarmerieinspektor v. Kempen zum Chef der neuen Behörde ernannt wurde1, zur Kenntnis der Ministerkonferenz, daß er auf Ah. Befehl einvernehmlich mit dem genannten Chef den Wirkungskreis der Polizeioberbehörde auszuarbeiten und wegen Ausmittlung eines Lokals für dieselbe das Nötige zu veranstalten habe und daß nach erfolgter Ah. Genehmigung des Wirkungskreises die Übergabe der Geschäfte etc. erfolgen werde2.

II. Befreiung der Kreise Cattaro und Ragusa von der Rekrutierung

teilte derselbe Minister zur Notiz mit, daß Se. Majestät die Bevölkerung des Raguser und Cattaroer Kreises in Dalmatien für heuer von der Rekrutierung loszuzählen geruht haben3.a

III. Orden für den Appellationsgerichtspräsidenten Josef Eder

Der Justizminister brachte für den galizischen Appellationsvizepräsidenten Eder, welcher 44 Jahre dient, dieses Appellationsgericht, das größte der Monarchie, || S. 57 PDF || seit vier Jahren leitet und sich besonders im Jahre 1848 durch seine treue und feste Haltung verdient gemacht hat, die Erwirkung der Auszeichnung mit dem Orden der Eisernen Krone 11. Klasse in Antrag, wogegen sich keine Einwendung ergab, insofern, wie der Vorsitzende bemerkte, derlei Anträge noch vor der Ah. Entscheidung über die im Konferenzprotokolle vom 24. April 1852/1 gegen die Ah. Weisung vom 21. dieses nämlichen M.4 gemachte au. Vorstellung hier vorgetragen werden können5.

IV. Pension für den Lehrer Jakob Mayer

Der Unterrichtsminister referierte über die in seinem au. Vortrag vom 2. d. M.6 vorkommende Meinungsdifferenz in Ansehung der Pensionsbehandlung des Lehrers Jakob Mayer an der Linzer Normalhauptschule. Derselbe hat 381/12 Jahre gedient und wird vom Minister zur Beteilung mit dem ganzen Gehalte per 500 fr. als Pension beantragt, während das Finanzministerium nur für ⅔ dieses Gehaltes gestimmt hat. Da Mayer 18 Jahre als Gymnasialprofessor gedient hat, die Gymnasialprofessoren schon nach 30 Jahren Anspruch auf das volle Gehalt als Pension haben, so dürfte nach dem Erachten des Kultus- und Unterrichtsministers diese Begünstigung bei Mayer wenigstens in der Art wirksam gemacht werden, daß ihm die zu 40 Dienstjahren noch abgängige Zeit von 111/12 Jahren nachgesehen würde, womit sich dann auch der Finanzminister gleichwie die übrigen Stimmen einverstanden erklärten.

V. Mehrausgabe für das Taubstummeninstitut

Im Ministerrat vom 23. Hornung d. J. (Protokoll post VII) hatte der Finanzminister seine Bereitwilligkeit zur Verwilligung einer Mehrauslage von jährlich 400 fr. behufs einiger Verbesserungen im hiesigen Taubstummeninstitut gegen dem erklärt, daß hierwegen das Weitere im schriftlichen Wege ihm mitgeteilt werde. Diesem Wunsche hat der Unterrichtsminister entsprochen, demungeachtet aber vom Finanzministerium unter der Fertigung eines Sektionschefs eine ablehnende Antwort erhalten. Er erneuerte also heute den damals gemachten Antrag, da dessen Ausführung zur Herstellung der gehörigen Ordnung im Institute notwendig und der Institutsfonds, auf welchen vom Finanzministerium hingedeutet worden war, nur für die Stiftungsplätze bestimmt ist, die bGehälter derb Lehrer aber immer aus dem Ärar bestritten wurden. Der Finanzminister gab nunmehr seine Beistimmung zu dem in Rede stehenden Antrage, der nur aus Versehen bei der schriftlichen Verhandlung seiner Revision nicht unterzogen worden ist7

VI. Stipendien an der protestantisch-theologischen Lehranstalt in Wien

An der hiesigen protestantisch-theologischen Lehranstalt bestehen 30 Stipendien a 100, 80 und 50 fr. für die Schüler. Diese Zahl hat sich als weit unter dem Bedürfnis stehend erwiesen, namentlich in Beziehung auf die Absicht, || S. 58 PDF || auch Studierende aus Ungern zum Besuche der hiesigen Lehranstalt anzureizen. Der Unterrichtsminister gedächte daher eine Vermehrung der Stipendien um 5 à 80 fr. und 6 à 50 fr. zu beantragen, was eine Gesamtmehrauslage von jährlich 700 fr. verursachen würde. Das Finanzministerium hatte sich dagegen erklärt, und auch heute noch teilte der Finanzminister diese Ansicht, weil seines Erachtens weniger durch Stipendien als durch gute Professoren für die Hebung und Frequenz der Lehranstalt gewirkt werden kann.

Die übrigen, also mehreren Stimmen waren jedoch mit dem Antrage des Unterrichtsministers einverstanden, teils aus der von diesem bereits geltend gemachten nationalpolitischen Rücksicht, teils weil sie erwogen, daß die Mehrzahl der zum theologischen Studium sich wendenden Jünglinge den unbemittelten Klassen angehöre.

VII. Dotation für die Lehrkanzel der pathologischen Anatomie in Krakau

Gegen die vom Unterrichtsminister beabsichtigte, gleichfalls vom Finanzministerium beanständete Erteilung einer besonderen Dotation von 200 fr. für die Lehrkanzel der pathologischen Anatomie in Krakau erklärte der Finanzminister keine Einwendung erheben zu wollen, da es sich um einen wichtigen Unterrichtszweck handelt8.

VIII. Kundmachungspatent zum ABGB. für Ungarn

Fortsetzung der Beratung über den Entwurf des Kundmachungspatents zum ABGB. für Ungern, Kroatien, Slawonien und die Woiwodina9. Es wurde mit Absatz 3, § VII, begonnen und bis inklusive § XIII beraten.

Zum Absatz 3, § VII, ergab sich nach Darstellung der wegen der bäuerlichen Erbfolge bestehenden Gesetze weiter keine Einwendung als daß, wie der Minister des Inneren hervorhob, die darin vorkommende Außeranwendungsetzung des § 761 ABGB. mit der unmittelbar darauffolgenden Bestimmung wegen Beobachtung der besonderen Vorschriften über die Grenzen der Teilbarkeit der Güter nicht harmoniere, warnach der Justizminister die Verschmelzung beider Sätze in einen, etwa in nachstehender Weise beantragte: „In Beziehung auf die im § 761 ABGB. erwähnte Erbfolge in Bauerngütern sind die darüber sowohl als über die Grenzen der Teilbarkeit derselben bestehenden besonderen Vorschriften zu beobachten.“

§ X hielt es der Minister des Inneren für bedenklich, die für Ungern in Ansehung des gesetzlichen Zinsfußes mit 6 Perzent bei Darlehen mit Pfandrecht noch bestehende Ausnahme durch die Bestimmung dieses Paragraphes fortan zu perpetuieren. Der Justizminister glaubte zwar den Fortbestand dieser Ausnahme dadurch rechtfertigen zu können, daß ein Land, wo wenig Kapitalien und Kredit zu finden, eines höheren Zinsfußes bedürfe und daß selbst für Triest eine gleiche Ausnahme bestehe. Allein Triest, entgegnete man, kann als großer Handelsplatz || S. 59 PDF || hier nicht als maßgebend angesehen werden. Und was den Mangel an Kredit anbelangt, so wird dieser sich von selbst mit den Kapitalien finden, sobald mit der Einführung unserer Gesetze und Einrichtungen in Ungern die Unsicherheit verschwunden sein wird, welche als die alleinige Ursache des Zurückhaltens der Geldgeber und des hiermit notwendig gesteigerten Zinsfußes angesehen werden muß. Der Minister des Inneren beantragte daher die Hinweglassung dieses Paragraphes, welchem Antrage sofort auch die übrigen Votanten beitraten. Zweifel über die bis zur Einführung des ABGB. in jenen Landen eingegangenen Verbindlichkeiten können nicht entstehen, da das Gesetz nicht zurückwirkt, ältere Verbindlichkeiten also nach den früheren Gesetzen zu beurteilen sind.

Die §§ XI und XIII wurden vom Justizminister selbst einer präziseren Textierung vorbehalten.

Zum § XI erklärte übrigens der Kultusminister , ob es nicht angemessen wäre, das Wiederkaufs- und Rückverkaufsrecht im allgemeinen, also auch in den deutsch-österreichischen Landen aufzuheben, wogegen der Justizminister bemerkte, daß es vorderhand nicht angezeigt erscheinen dürfte, eine wenn auch nur einzelne Änderung der Bestimmungen des ABGB. in den übrigen Kronländern aus dem gegenwärtigen Anlasse eintreten zu lassen.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 16. Mai 1852.