Nr. 604 Ministerrat, Wien, 23. Dezember 1851 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend: Schwarzenberg keine BdE.
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Schwarzenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg, BdE.Bestätigung der Einsicht fehlt), P. Krauß (bei I und II abw.abwesend), Bach 24. 12., Thinnfeld 24. 12., Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner 24. 12.; abw.abwesend Stadion, Kulmer.
MRZ. 4317 – KZ. 4622 –
Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten zu Wien am 23. Dezember 1851 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.
I. Kundmachung zweier Bestimmungen des Preßgesetzes
Der Minister des Inneren erbat und erhielt die Zustimmung des Ministerrates zur Beantragung einer neuen kaiserlichen Verordnung in Betreff der Aktivierung zweier dringender Bestimmungen des der Ah. Schlußfassung unterzogenen Preßgesetzes1. Diese Bestimmungen sind: die Vorlegung eines Abdrucks jeder Schrift vor der Ausgabe an die Sicherheitsbehörde des Ausgabsorts und die Ablieferung der Pflichtexemplare an die öffentlichen Bibliotheken. Beide Bestimmungen erscheinen in mannigfacher Beziehung dringend, und da die Ah. Entscheidung über das ganze Preßgesetz vielleicht nicht so bald erfolgen dürfte, so wäre wenigstens die Aktivierung jener Anordnungen mit 1. Jänner 1852 wünschenswert2.
II. Militärjurisdiktionsnorm
Der Kriegsminister brachte die Ah. Entschließung Sr. Majestät zur Kenntnis des Ministerrats, wodurch die neue Militärjurisdiktionsnorm mit dem Vorbehalte die Ah. Genehmigung erhielt, über die Frage, ob Militärpersonen, welche, ohne Mitglieder des Ah. Kaiserhauses [zu sein] oder das Recht der Exterritorialität zu genießen, dem Obersthofmarschallamte unterstehen, von der Militärjurisdiktion ausgenommen seien, im Einvernehmen mit dem Justizminister ein Gutachten zu erstatten sei3. Der letztere erbat sich zu diesem Behufe die − sofort vom Kriegsminister zugesagte − Mitteilung der Akten4.a
III. Verfassungsrevision (5. Beratung)
Fortsetzung der Beratung über die nachweisende Zusammenstellung der Hauptergebnisse der Beratungen der zum Behufe der Verfassungsrevision aufgestellten Kommission5.
ad d (Seite 8) bemerkte der Justizminister, daß den Bezirksämtern die Benennung a potiori, also Bezirks„gerichte“, erteilt werde sollte,
ad e, daß die Kreisämter als bloß delegierte Überwachungsorgane der Landesstelle anzusehen seien. Damit war der Ministerrat nicht einverstanden. Vielmehr beantragte der Minister des Inneren , daß ihnen, nach dem Muster der Prov[inzial]-Delegationen im lombardisch-venezianischen Königreiche, ein eigentlicher entscheidender Wirkungskreis in politicis Iae instantiae zugemessen, und die Bezirksämter oder -gerichte eben nur in politicis als delegierte Vollziehungsorgane der Kreisämter angesehen werden sollten. Auch kann von einer Wiederherstellung der Kreisämter nicht die Rede sein, da sie in Galizien unverändert, in den anderen deutschen Kronländern unter veränderter Form bestehen. Man einigte sich also dahin, den Absatz e also zu stilisieren:
„In zweiter Linie der politischen Verwaltung wären Kreisämter (Komitate in Ungern etc.) zu bestellen oder, wo sie noch bestehen, beizubehalten, wobei eine veränderte Begrenzung oder Vereinigung der früheren Kreise oder Komitate etc. nicht ausgeschlossen ist. Diese Behörden hätten mit möglichster Beachtung der Prov[inzial]-Delegationen des lombardisch-venezianischen Königreichs nach ihnen vorzuzeichnenden bestimmten Wirkungskreisen als exekutive und überwachende Organe das Amt zu handeln und vorzüglich die Bezirksämter (Gerichte) in deren politischen Funktionen zu leiten.“
Der folgende Absatz „Im Königreiche Ungern etc.“ hat, nach dem, was in der Sitzung vom 20. [d. M.] ad bb beschlossen worden, zu entfallen6.
ad f. Gegen die Wiedereinführung der Kollegialverfassung in dem Sinne, daß der Statthalter an die Majoritätsbeschlüsse gebunden wäre, erklärte sich der Minister des Inneren aus Erfahrungsgründen mit aller Entschiedenheit. Als beratend mögen die Kollegien einwirken, und hätte der Wirkungskreis die Bestimmungen zu enthalten, in welchen Angelegenheiten eine solche Beratung stattfinden soll. Dieser Andeutung gemäß wurde der 1. Satz der littera f anders stilisiert.
Hier kam auch die in der Zusammenstellung übergangene Beratung in Ansehung Galiziens zur Sprache.
Der Ministerrat vereinigte sich ganz mit dem Antrage der Kommission, Krakau mit Galizien ungeteilt zu erhalten, in Krakau jedoch aus Rücksicht für seine politische Bedeutung und Lage einen mit der Zentralregierung in unmittelbarem Verkehr stehenden, in Angelegenheiten der hohen Polizei, des Klerus und anderer Zentrallandesgeschäfte in einer Art Abhängigkeit von dem Statthalter in Lemberg stehenden Landeschef zu bestellen.
Der Minister des Inneren fände diesen Nexus am besten dadurch bewirkt, wenn Galizien unter die Oberleitung eines Generalgouverneurs mit zwei Statthaltern gestellt würde.|| S. 443 PDF ||
In Ansehung der Bukowina erklärte man sich einhellig für die Erhaltung derselben als besonderes Kronland mit eigener Landesadministration, indem der Finanzminister hiefür wichtige nationale Rücksichten geltend machte.
ad 2. d teilte der Kultusminister die Ansicht des Reichsrats v. Purkhart, daß den kleineren Grundbesitzern gestattet werde, sich einem größeren anzuschließen, wodurch eine Art von Schutzverhältnis zwischen ihnen so wie überhaupt zwischen den auf dem Besitztume des großen Besitzers befindlichen Personen zu dem Letzteren geschaffen wird, welches durch besondere Vorschriften näher bezeichnet werden müßte.
Auch der Justizminister hält eine Bezeichnung der von einem solchen Besitzer zu übernehmenden Verpflichtungen sowie eine Bestimmung des Jurisdiktionsverhältnisses der auf einem derlei Besitztum befindlichen Personen für nötig7.
Wien, am 23. Dezember 1851.
Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 25. Dezember 1851.