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Nr. 587 Ministerrat, Wien, 24. November 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg, BdE. fehlt), Bach 26. 11., Thinnfeld 26. 11., Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner 26. 11.; abw. P. Krauß, Stadion, Kulmer.

MRZ. 3977 – KZ. 4267 –

Protokoll der am 24. November 1851 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Wiederherstellung der durch Überschwemmung in Kärnten zerstörten Straßen

Der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten Ritter v. Baumgartner teilte dem Ministerrate ein heute an ihn gelangtes, mit vielen Unterschriften versehenes Gesuch aus Kärnten mit1, worin die durch die letzten Überschwemmungen daselbst angerichteten Verheerungen als außerordentlich groß geschildert werden und um schleunige Hilfe gebeten wird2. Durch die gedachte Katastrophe sind die beiden dortigen Straßen nach Italien etc. unbrauchbar geworden, und es wird in dem Gesuche erwähnt, ob es nicht möglich wäre, daß behufs der Erlangung einer schleunigen Abhilfe das Militär zum Straßenbaue verwendet werden könnte.

Der Minister Ritter v. Baumgartner findet es unerläßlich, daß etwas geschehe und daßa schleunig Hand ans Werk gelegt werde.

Der diesfalls angegangene Kriegsminister wird wegen Beihilfe des Militärs den entsprechenden Auftrag erlassen, wobei er jedoch zu bemerken fand, daß in Kärnten bzuerst nur die viertenb Bataillons liegen und der Mannschaftsstand pro Kompanie nur 60 Individuen ausmacht.

Der Minister v. Baumgartner wird zur Beruhigung der Kärntner diese bevorstehende Hilfe dem Statthalter telegraphisch bekannt machen3.

II. Konkurrenzpflicht zu den Staats- und Bezirksbauten

Bei diesem Anlasse brachte derselbe Minister die, wie ihm scheint, nicht ganz zweckmäßige Abgrenzung der Baukonkurrenz zu den Reichs- und zu den Landes- oder Bezirksbauten zur Sprache. Die Reichsbauten werden aus den Staatsmitteln, die Bezirksbauten aus den Mitteln der Bezirke vorgenommen. Wenn ces sich nicht um einen Reichsbau handle, sind die Mittel dazu erst zu prüfenc, und es werde wegen ihrer Vornahme lange hin- und hergeschrieben, während welcher Zeit, was besonders bei den Flußbauten der Fall ist, das Übel schlimmer und selbst zur Quelle eines noch größeren Übels wird.

Nach der Ansicht des Ministers wäre es bei Flußbauten, auch wenn sie nicht schiffbar sind, in Ansehung der Konkurrenz nicht so ganz strenge zu nehmen. Ist ein Bau dringend notwendig, so müsse er auch an den letzteren Flüssen vorgenommen werden, wenn es auch noch nicht ausgemacht ist, wer zu zahlen haben wird, und die Konkurrenz könne nachträglich ausgemittelt werden.

Der Minister würde diese Frage seinerzeit zur Sprache gebracht haben, allein, der dringende Fall in Kärnten mache es schon jetzt notwendig, in Ansehung desselben von der strengen Regel abzugehen und mit Mitteln aus dem Staatsschatze Vorkehrungen zu treffen.

Dagegen ergab sich für diesen speziellen Fall keine Erinnerung, und der Minister des Inneren glaubte nur bemerken zu sollen, daß es wichtig sei, die bestehenden Grundsätze hinsichtlich der Konkurrenzpflicht für Staats- und Bezirksbauten aufrecht zu erhalten, um zu wissen, wer eigentlich der Zahlungspflichtige ist, und um nicht das Budget durch die Annahme anderer Grundsätze zu beirren4.

III. Militärgerichtsbarkeit (2. Beratung)

Der Kriegsminister Freiherr v. Csorich setzte hierauf den in der früheren Ministerratssitzung begonnenen Vortrag über den Entwurf einer kaiserlichen Verordnung, die Militärgerichtsbarkeit betreffend, und zwar vom § 14 (neu 13) bis zum Ende fort5.

Punkt 2 dieses Paragraphes, 2. Alinea, 4. Zeile, ist statt „jenes Zivilgericht“ „das sonst gewöhnliche Zivilgericht“ zu setzen, und die weiteren Worte „welches im Patente vom 18. Juni 1850 hiezu berufen ist“ sind ganz wegzulassen, weil das bezogene Patent nur für einige Länder erlassen worden ist, daher in einer Verordnung, welche für alle Kronländer zu gelten haben wird, nicht wohl bezogen werden kann und die oberwähnte allgemeine Bestimmung vollkommen ausreicht.|| S. 362 PDF ||

Punkt 4 hat in folgender Art zu lauten: „Die Amortisierung von Urkunden, insofern der zur Ansuchung derselben Berechtigte eine Militärperson ist. Doch bleibt die Amortisierung öffentlicher oder denselben gleichgehaltener Kreditspapiere und der Wechsel jedenfalls dem Zivilgerichte vorbehalten.“

Für den § 16 (neu 15) wurde folgende Textierung in Antrag gebracht und genehmigt: „Die Mitglieder des Kaiserhauses sowie die Personen, welchen das Recht der Exterritorialität oder der Gerichtsstand des Obersthofmarschallamtes zusteht, wenn sie gleich eine Stelle im Kriegsheere bekleiden, bleiben von der Militärgerichtsbarkeit ausgeschlossen.“ Diesen 15 Paragraphen der Verordnung werden noch folgende drei neue Paragraphe angereiht, nämlich:

§ 16. „Alle zur Zeit der beginnenden Wirksamkeit dieses Gesetzes bereits anhängigen Straf- und Zivilrechtsangelegenheiten sind von der Behörde, bei welcher sie in Verhandlung stehen, zu Ende zu führen. Nur die Vormundschafts- und Kuratelsachen sind dem nach diesem Gesetz berufenen Gerichte abzutreten.“

§ 17. „Durch dieses Gesetz werden die damit nicht übereinstimmenden gesetzlichen Verfügungen aufgehoben, und es sind hiernach alle bisher im Zuge schwebenden Kompetenzkonflikte zu behandeln.“

§ 18. „Mit der Vollziehung dieser Verordnung und der Erlassung der diesfälligen Instruktionen beauftrage Ich Meine Minister des Kriegswesens und der Justiz, welche sich hierüber ins Einvernehmen zu setzen haben.“6

IV. Ausübung des Straf- und Begnadigungsrechtes für jene Länder und Städte, wo der Ausnahmszustand besteht

Der Kriegsminister las hierauf dem Ministerrate die Ah. Entschließung vor, welche Se. Majestät wegen Ausübung des Straf- und Begnadigungsrechtes für jene Länder und Städte zu erlassen geruhet haben, wo der Ausnahmszustand besteht7.

Da sich über den wahren Sinn und die zweifellose Deutung dieser Ah. Entschließung dohneacht der gegebenen Aufklärung, doch nochd einige Zweifel ergaben, so behielt sich der Kriegsminister vor, die näheren Aufschlüsse darüber b. m. von Sr. Majestät zu erbitten8.

V. Statuten der Jellačićstiftung

Derselbe Minister bemerkte, daß vor längerer Zeit der Minister des Inneren die Frage gestellt habe, wie es sich denn eigentlich mit der Verwaltung der Militärstiftungsfonds|| S. 363 PDF || (des Welden-, Haynau-, Radetzky- und Jellačić-Fonds etc.) verhalte9. Bis auf den Jellačić-Fonds sei hierüber die gewünschte Aufklärung gegeben worden. Was diesen Fonds betrifft, habe der Kriegsminister den FZM. Freiherrn v. Jellačić selbst um die nötigen Aufklärungen angegangen und von demselben die Statuten dieses Stiftungsfonds erhalten10. Da aus diesen Akten hervorgeht, daß dieser Fonds eigentlich ein Provinzialfonds ist und bisher ohne Ah. Genehmigung besteht (beim Kriegsministerium kommt nichts vor, was andeuten würde, daß die Statuten dieses Fonds Sr. Majestät zur Ah. Sanktion wären vorgelegt worden), so wird der Kriegsminister diese Angelegenheit an den Minister des Inneren zu dem Ende abtreten, damit von diesem die noch fehlende Ah. Genehmigung der Statuten bei Sr. Majestät eingeholt werde, wogegen sich keine Erinnerung ergab11.

VI. Holzbedarf des Militärs aus den Waldungen Oberösterreichs und Salzburgs

Ebenso wird der Kriegsminister die Angelegenheit wegen des aus den Waldungen von Oberösterreich und Salzburg für das Verpflegsmagazin und das Militär abzugebenden Holzes an den Minister der Landeskultur, Edlen v. Thinnfeld, leiten. Er bemerkte, daß für heuer 1500 Klafter harten und weichen Holzes zugesagt worden seien und die Salinendirektion nun erkläre, nur 600 Klafter liefern zu können, während, wie erhoben vorliege, die Direktion 3500 Klafter an verschiedene Privatparteien ablasse, da doch die ärarischen und kaiserlichen Zwecke den Vorzug haben sollten12.

VII. Revision des Vereinsgesetzes von 1849

Der Ministerpräsident las ein (dem Minister des Inneren bereits mitgeteiltes) Ah. Kabinettschreiben vor, womit Se. Majestät den Auftrag zu erlassen geruhen, das Vereinsgesetz vom Jahre 1849 einer baldigen Revision zu unterziehen13, da die den jetzigen Verhältnissen wenig entsprechende Beschaffenheit dieses Gesetzes und die darin vorkommende Bestimmung über die politischen Vereine etc. eine solche Revision zur Notwendigkeit machen.|| S. 364 PDF ||

Der Minister des Inneren wird mit dieser Arbeit Ah. beauftragt, welche dann der Beratung im Ministerrate zu unterziehen und Sr. Majestät zur Ah. Schlußfassung vorzulegen sein wird.

Der Minister des Inneren Dr. Bach bemerkte zur Aufklärung, daß bei Erlassung des Vereinsgesetzes vom Jahre 1849 von dem Grundsatze ausgegangen worden sei, daß drei Kategorien von Vereinen bestehen, nämlich:

a) Allgemeine Gesellschaften zu gewerblichen und industriellen Zwecken. Für diese bestehe die Norm vom Jahre 1843, welche aber unvollkommen ist und einer Revision zu unterziehen gewesen wäre, was aber noch nicht geschehen ist.

b) Wohltätigkeitsvereine, für deren Bestand es genüge, eine bloße Anzeige an die Behörde zu machen, eine Bewilligung der Behörde aber nicht als Bedingung ihrer Existenz anzusehen ist, und

c) politische Vereine, zu deren Bestehen nicht bloß die Anzeige an die Behörde, sondern auch die Bewilligung dieser letzteren notwendig ist. Haben sich die Behörden über die Bewilligung nicht ausgesprochen, so sollte es als Bewilligung gelten.

Eine Art der Vereine sind auch die Volksversammlungen. Das Gesetz vom Jahre 1849 enthalte Strafbestimmungen gegen die Kontravenienten, sei aber nicht zur Ausführung gekommen, weil wir keine politischen Vereine, noch weniger Volksversammlungen haben und solche Vereine, welche bestanden haben, schon früher aufgehoben worden sind.

In Absicht auf den Gesichtspunkt, von welchem bei Erfüllung des Ah. Auftrages auszugehen wäre, fand der Minister Dr. Bach folgendes zu bemerken: In dem neuen Strafgesetze komme keine Bestimmung über die geheimen Gesellschaften vor14. Nach seiner Ansicht wären jene Vereinsbestimmungen, welche in das Strafgesetz gehören, in dasselbe wie früher wieder aufzunehmen und zu diesem Ende nachträglich an den Reichsrat, bei welchem sich das neue Strafgesetz gegenwärtig befindet, zu leiten15. Der Minister beabsichtiget dabei, das Vereinsgesetz, wie es gegenwärtig besteht, ganz zu eliminieren, und es wäre von den politischen Vereinen gar nicht mehr zu reden. Strafbestimmungen, welche den Mißbrauch von Vereinigungen zu treffen haben, wären, wie gesagt, an einem anderen Orte, nämlich in dem Strafgesetze selbst aufzunehmen. Hierauf wären die Bestimmungen über die Vereine vom Jahre 1843 in einer gemischten Kommission einer Revision zu unterziehen und das Resultat zur Ah. Schlußfassung Sr. Majestät vorzulegen.

Im Einvernehmen mit dem Justizminister wären gleichzeitig jene Bestimmungen zur Vorlage an Se. Majestät zu verabreden, welche über die nicht gesetzlichen Vereine in das neue Strafgesetz aufgenommen werden sollten.

Das neue Vereinsgesetz werde auch auf Ungarn, Kroatien, Slawonien, die Woiwodina, das Temescher Banat und Siebenbürgen auszudehnen und auch dort in Anwendung zu bringen sein.|| S. 365 PDF ||

Bis zur Erscheinung dieses Gesetzes müsse das gegenwärtige Vereinsgesetz in Wirksamkeit bleiben, weil man sonst aller Strafen für nicht erlaubte Vereine entbehren würde.

In dieser Richtung, meint der Minister Dr. Bach, wäre bei Vollziehung des Ah. Auftrages Sr. Majestät vorzugehen, und erbat sich die sofort erteilte Ermächtigung des Ministerrates, die von ihm zu entwerfenden Direktiven in einer Kommission der einschlägigen Ministerien (des Handels, der Finanzen, des Kultus, der Landeskultur etc.) prüfen zu lassen und zur Vorlage an den Ministerrat vorzubereiten, ferner die in das Strafgesetzbuch aufzunehmenden Bestimmungen über die Vereine mit dem Justizminister zu beraten.

Das Erscheinen des neuen Strafgesetzbuches müßte dadurch eben nicht verzögert werden, da diese letzteren Bestimmungen erforderlichenfalls allenfalls auch in Form einer Nachtragsverordnung zu dem Strafgesetze erlassen werden könnten16.

VIII. Organisierung der Militärpolizeiwache für Laibach

Gegen die von dem Minister des Inneren vorgetragene Organisierung der Militärpolizeiwache für Laibach, welche nebst einem jährlichen Beitrage der Gemeinde einen Aufwand von 8600 f. aus dem Staatsärar erfordern würde17, dann

IX. Organisierung der Militärpolizeiwache für Linz

gegen eine gleiche Organisierung der Militärpolizeiwache für Linz mit einem jährlichen Kostenaufwande von 11000 f., wozu die Gemeinde ungefähr 5000 f. beitragen würde, ergab sich keine Erinnerung, da, wie der Minister des Inneren versicherte, beide Anträge nach dem strengsten Bedarfe bemessen worden sind18.

X. Auszeichnung für Joseph Lizier

Der Justizminister Ritter v. Krauß brachte schließlich die von dem Vorsteher des Venediger Kriminalgerichtes angetragene, von dem dortigen Appellationspräsidenten B[aron] Schrott und von dem Feldmarschall Grafen Radetzky mit vieler Wärme unterstützte Auszeichnung des Einreichungsprotokollisten bei dem Venediger Kriminalgerichte namens Lizier mit dem goldenen Verdienstkreuze zum Vortrage.

Der Justizminister und einverständlich mit demselben der Ministerrat vereinigte sich mit diesem Antrage, weil Lizier bereits 44 Jahre mit Auszeichnung dient, mehrere in Unordnung befindliche Hilfsämter, dem erhaltenen Auftrage gemäß, aufs beste eingerichtet hat, die Hilfsämter bei dem Venediger Kriminalgerichte, obgleich sich viele schlechte Elemente bei denselben befinden, in der strengsten Ordnung erhält und der österreichischen Regierung mit Innigkeit anhängt19.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 27. November 1851.