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Nr. 565 Ministerrat, Wien, 3. Oktober 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 4. 10.), P. Krauß 6. 10., Bach 6. 10., Thinnfeld 6. 10., Csorich, K. Krauß, Baumgartner 8. 10.; abw. Thun, Kulmer, Stadion.

MRZ. 3401 – KZ. 3605 –

Protokoll der am 3. Oktober 1851 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Stellung des Erzherzogs Albrecht zu den Ministerien

Der Ministerpräsident brachte ein an ihn gelangtes Ah. Kabinettschreiben zur Kenntnis des Ministerrates, womit Se. Majestät den Auftrag zu erteilen geruhen, in kürzester Frist in allgemeinen Umrissen einen Antrag über die Stellung des Herrn Erzherzogs Albrecht zu den Ministerien Allerhöchstdemselben vorzulegen, bis zur Erstattung dieser Anträge aber alle Organisierungen und alle Ernennungen von Beamten für Ungarn zu sistieren1.

Der Minister des Inneren Dr. Bach bemerkte, daß mehrere analoge Fälle vorhanden seien (des Erzherzogs Joseph Palatinus von Ungarn, des Erzherzogs Rainer im lombardisch-venezianischen Königreiche, des Erzherzogs Ferdinand in Galizien und des Erzherzogs Stephan in Böhmen2), welche Anhaltspunkte gewähren dürften, wie die Stellung des Herrn Erzherzogs Albrecht gegen die Minister, dann gegen die Behörden des Landes zu normieren sei. Der Minister Dr. Bach wird die erwähnten Verhandlungen zu Rate ziehen und daraus die erforderlichen Daten über den dem Erzherzog einzuräumenden Wirkungskreis zusammenstellen und diese Arbeit demnächst im Ministerrate vorbringen3.

II. Waffen der Bürger- und Schützenkorps

Der Kriegsminister Freiherr v. Csorich brachte aus Anlaß des Antrages des Festungskommandos in Königgrätz, daß, nachdem durch das Ah. Patent vom 22. August 1851 die Aufhebung und Entwaffnung der Nationalgarde ausgesprochen wurde, auch die dortigen Schützen ihre Waffen abzugeben hätten, die allgemeine Frage zur Sprache, ob in Königgrätz und überhaupt dort, wo Bürger- und Schützenkorps bestehen, dieselben nach Aufhebung der Nationalgarde nicht auch die Waffen abzuliefern haben4.|| S. 261 PDF ||

Das böhmische Landesmilitärkommando sprach sich dahin aus, daß den Bürger- und Schützenkorps bis zur Regulierung derselben die Waffen abgenommen werden sollten, wofür es vorzüglich den Umstand geltend machte, daß in Prag während der ganzen für die Ablieferung der Waffen bestimmten Zeit nur einige über 200 Gewehre abgegeben worden sind.

Der Statthalter von Böhmen, Baron Mecséry, meinte dagegen, daß den besagten Korps die Waffen zu belassen wären, weil der Art. II des Ah. Patentes vom 22. August 1851 ausdrücklich bestimme, daß in jenen Orten, an welchen zufolge besonderer Bewilligungen oder Statuten Bürger- oder Schützenkorps bestehen, diese Korps, vorbehaltlich einer entsprechenden Revision ihrer Statuten auch fernerhin fortzubestehen haben5.

Der Ministerrat teilte einstimmig diese Ansicht des Statthalters, weil die Waffenablieferung von Seite der bestehenden Bürger- und Schützenkorps gegen das erwähnte Ah. Patent wäre und dadurch unnötigerweise eine große Aufregung erzeugt würde.

Was den schlechten Fortgang der Waffenablieferung in Prag anbelangt, bemerkte der Minister Dr. Bach, daß der Grund davon in der unangemessenen Vergütung liege, welche das Militär für diese Waffen gewährt, indem es die für den Militärgebrauch nicht verwendbaren Gewehre etc. nur als Materiale, als Eisen vergütet, was bei dem oft viel größeren Werte der Waffen eine große Mißstimmung verursacht. Da es sich hier um eine Expropriation aus öffentlichen Rücksichten handelt, wurde allgemein der Wunsch ausgesprochen, daß hierbei mit der möglichsten Schonung vorzugehen und, was das Militär nicht brauchen kann, angemessen zu vergüten und auf irgend eine Art, etwa durch den Verkauf im Auslande, zu verwerten wäre6.

III. Gnadengabe für Maria Weyde

Der Minister des Inneren Dr. Bach referierte hierauf über eine Differenz zwischen seinem und dem Finanzministerium hinsichtlich der Behandlung der Kreiskanzlistenwaise Weyde in Galizien.

Die Mutter derselben genoß eine Gnadengabe von 60 f., und ihre in der Rede stehende Tochter von 40 f. Nachdem nun die Mutter gestorben ist, bittet die Tochter, ihr die Gnadengabe in dem agleichen Betrage wiea der Mutter zu bewilligen.

Das Finanzministerium erklärte sich der Folgerungen wegen gegen diese Bewilligung, weil, wenn vorrückendes Alter und zunehmende Gebrechlichkeit als zureichender Grund für die Erhöhung von Gnadengaben angesehen würden, in wenigen Jahren alle Gnadengaben erhöht werden müßten, was den Finanzen eine zu große Last aufbürden würde.|| S. 262 PDF ||

Der Ministerrat einigte sich in dem Beschlusse, das Ansuchen der Kanzlistenwaise Weyde abzulehnen7.

IV. Bezirksarztstellen für Veglia und Aquileia

Bei der Systemisierung der Distriktsarztstellen für Istrien und Görz wurden zehn Posten bewilliget. Bald darauf zeigte es sich, daß noch zwei Bezirksärzte (für Veglia und Aquileia) als dringendes Bedürfnis erscheinen. Zur Besetzung dieser Stellen, deren eine (die zu Veglia) dem bei der ersten Besetzung überschüssig gewordenen Arzte verliehen werden könnte, hat der Ministerrat dem Minister des Inneren seine Zustimmung erteilt8.

V. Standesvermehrung des 3. Gendarmerieregiments

Ebenso hat der Ministerrat dem von dem Minister des Inneren unterstützten Antrage des mährischen Landeschefs und des Gendarmeriegeneralinspektors auf eine als unabweisliches Bedürfnis dargestellte Vermehrung der Mannschaft und Chargen des für Mähren und Schlesien bestimmten 3. Gendarmerieregiments, woraus sich eine jährliche Mehrauslage von 49.000 f. ergeben würde, beigestimmt9.

VI. Pension des Peter Ritter v. Ziegler

Der Minister des Inneren brachte hierauf die Behandlung des ehemaligen Brucker Kreishauptmannes v. Ziegler und die diesfalls obwaltende Meinungsverschiedenheit des Finanzministeriums zum Vortrage.

Ziegler war Kreishauptmann in Bruck vom Jahre 1815 bis 1823. Bei der dortigen Kreiskassa ergab sich infolge der schlechten Kassagebarung, an welcher hauptsächlich der Kreiskassier die Schuld trug und dem Kreishauptmann nur Mangel an Aufsicht zur Last fiel, ein Abgang von 95.100 f. Wiener Währung. Ziegler wurde deshalb quiesziert und in Untersuchung gezogen. Se. Majestät der Kaiser Franz haben ihn, da das Strafgericht keinen Grund zu einem Vorgange gegen denselben fand, zum Gubernialsekretär mit dem geringsten Gehalte von 1200 f. ernannt, in dessen Genusse Ziegler seit mehr als 20 Jahren als Quieszent sich fortan befindet.

Der wegen seiner Behandlung erstattete au. Vortrag wurde im Jahre 1848 mit vielen anderen Vorträgen unerledigt zurückgestellt10. Da es notwendig ist, den Ziegler nun aus dem Quieszenz- in den Pensionsstand zu versetzen, so glaubte der Minister des Inneren, daß ihm die seit 20 Jahren genossenen 1200 f. als Pension umso mehr zu belassen wären, als er bereits 75 Jahre alt und gebrechlich ist und für eine zahlreiche Familie zu sorgen hat.|| S. 263 PDF ||

Der Finanzminister war dagegen der Meinung, daß von jenen 1200 f., da Ziegler für den erwähnten Abgang fortan haftend erscheint, die Hälfte zur teilweisen Abtragung der Schuld einzuziehen und ihm nur die andere Hälfte ad personam zu belassen wäre. Er auf seinem Standpunkte könne keine Gelegenheit unbenützt vorübergehen lassen, ohne dem Ärar wenigstens einigen Ersatz zu verschaffen.

Was die gleichfalls zur Sprache gebrachte Forderung der steirischen Stände per 25.000 f. Wiener Währung an Ziegler für an die Kreiskasse abgeführte Vorspannsgelder anbelangt, welche die Stände von ihrer Schuld an das Ärar in Abrechnung bringen wollen, bemerkte der Finanzminister, daß diese Forderung der Stände das Ärar nichts angehe und daß es in seinen Konsequenzen ein gefährlicher Grundsatz wäre, auszusprechen, daß das Ärar für die Amtshandlungen der Beamten einstehe.

Nach längerer Besprechung über diesen Gegenstand wurde durch Stimmenmehrheit der Beschluß gefaßt, bei Sr. Majestät den au. Antrag zu stellen, daß dem gewesenen Kreishauptmann Ziegler die bisher als Gubernialsekretär bezogenen 1200 f. fortan als Pension ohne einen Abzug aus Ah. Gnade belassen werden11.

VII. Remuneration für Ignaz Kubasta

Der Finanzminister referierte über einen Antrag des Justizministers, dem Ratsdiener bei dem niederösterreichischen Oberlandesgerichte Ignaz Kubasta eine Remuneration jährlicher 100 f. zu bewilligen.

Kubasta hat in seinem der Ah. Bezeichnung gewürdigten Gesuche angeführt, daß er über 20 Jahre im Militär zur vollen Zufriedenheit gedient, die Feldzüge von 1809, 1813, 1814 und 1815 mitgemacht hat und in der Schlacht bei Wagram verwundet worden ist. Seit dem Jahre 1829 diene er im Zivile, jetzt als Ratsdiener mit 500 f. Gehalt und 30 f. Quartiergeld, zusammen 42 Jahre.

Das niederösterreichische Oberlandesgericht schilderte die Dienstleistung des Kubasta als ausgezeichnet und trug auf eine Personalzulage von 100 f. für denselben an, mit welchem Antrage sich der Justizminister in der Form einer Remuneration jährlicher 100 f. vereinigte.

Der Finanzminister ist dagegen der Meinung, daß von der bisher beobachteten Regel, wornach die Beteilung der Dienerschaft mit Personalzulagen nicht stattfand, umso weniger abgegangen werden dürfte, als Kubasta in seinen Verhältnissen mit 500 f. Gehalt und 30 f. Quartiergeld recht wohl auskommen kann.

Nachdem jedoch seine Dienstleistung gelobt wird und er auch als Soldat sein Blut für das Vaterland vergossen hat, so glaubt der Finanzminister, daß für ihn ein- für allemal eine Remuneration von 150–200 f. von der Gnade Sr. Majestät zu erbitten wäre, womit sich der Ministerrat einverstanden erklärte12.

VIII. Strafmilderung für Jakob Schröder und Nikolaus Kajdán

Der Justizminister Ritter v. Krauß brachte mit Beziehung auf den Ministerratsbeschluß vom 29. September d. J., Nr. I, welchem zufolge für die Pester Bürger|| S. 264 PDF || Schröder und Kajdán die Abkürzung ihrer Strafdauer auf zwei Jahre, worauf der Justizminister angetragen hatte, bei Sr. Majestät nicht zu befürworten ist, zur Kenntnis des Ministerrates, daß nach den erhaltenen näheren Auskünften über diese Männer beide als sehr ruhige und brave Bürger geachtet und bekannt waren, welche ihrer guten Eigenschaften wegen zur Teilnahme an dem Blutgerichte und zur Zustimmung zu dem Todesurteile durch den damals bestandenen Terrorismus gezwungen worden sind, und wiederholte seinen Antrag, daß denselben ebenso wie anderen im gleichen Falle Befindlichen von Sr. Majestät die Abkürzung ihrer Strafdauer von vier Jahren auf zwei Jahre zu erbitten wäre, womit sich bei der nun vorhandenen Aufklärung auch die übrigen Stimmführer des Ministerrates vereinigten13.

IX. Seesanitätsreglement

Der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten Ritter v. Baumgartner fand hinsichtlich des zu erlassenden Seesanitätsreglements, welches nach einer früher ausgesprochenen Meinung des Ministerrates lediglich im Verordnungswege von Seite des Handelsministers kundzumachen wäre14, nachträglich zu bemerken, daß die ersten diesfälligen Vorschriften von Ihrer Majestät der Kaiserin Maria Theresia durch ein Patent bekannt gemacht worden sind15, welches seiner Ansicht nach auch mit den jetzt revidierten Seesanitätsvorschriften schon der Gleichartigkeit wegen zu geschehen hätte, wogegen sich von Seite des Ministerrates keine Erinnerung ergab.

Ferner fand sich der Handelsminister bestimmt, abgesehen von den eigentlich technischen Gegenständen des Reglements, hinsichtlich welcher der Ministerrat in die diesfälligen Anträge der Kommission kompromittierte, zwei Gegenstände, welche nicht technischer Natur sind und wobei es auf die prinzipielle Behandlung derselben ankommt, zum Vortrage zu bringen, nämlich a) die Sanitätsübertretungen und ihre Bestrafung, und b) die Mittel zur Deckung der Quarantäneauslagen.

Ad a) bemerkte Ritter v. Baumgartner, daß sich in den Sanitätsvorschriften hinsichtlich der Strafen in der Regel auf die bestehenden Gesetze berufen werde und daß bei den Disziplinarsanitäts­übertretungen, für welche gewisse Geldstrafen, dann Arreststrafen von zwei bis zu dreißig Tagen angedroht werden, die Bestimmung vorkomme, daß, wenn ein Übertreter unvermögend ist, die Geldstrafe zu bezahlen, für je 3 f. ein Arresttag zu rechnen sei, während in unserem allgemeinen Strafgesetze für je 5 f. ein Arresttag angenommen wird. Es entstehe sonach die Frage, ob es bei den von der Kommission angetragenen 3 f. für einen Arresttag zu verbleiben habe, oder ob dafür 5 f. anzunehmen seien. Der Handelsminister meinte, daß es bei den angetragenen 3 f. zu bewenden hätte, weil dieser Antrag von der mit allen Verhältnissen genau bekannten Kommission gestellt wird und weil die Bestimmung, ob 3 f. oder 5 f. zu gelten haben, zuletzt ein diskretionärer Ausspruch ist und er keinen Grund fände, sich von dem Antrage der Kommission zu trennen.|| S. 265 PDF ||

Mit dieser Ansicht vereinigte sich die Mehrzahl der Stimmführer des Ministerrates. Nur die Minister der Justiz und der Finanzen meinten, daß bei der in der Rede stehenden Strafbestimmung schon der Gleichförmigkeit wegen die in dem Strafgesetze für einen Arresttag angenommenen 5 f. gleichfalls zu gelten hätten.

Ad b) brachte der Handelsminister vorläufig nur den Hauptgrundsatz der Tarifierung (um die Tarifsätze handelt es sich gegenwärtig noch nicht) in der Absicht zum Vortrage, damit die Kommission für ihre weitern Arbeiten festen Anhaltspunkt erhalte.

Bisher mußte jedes Schiff, welches eingelangt oder abgegangen ist, also zweimal, zahlen. Dieses will man abschaffen und sich lediglich auf die Bestimmung beschränken, daß nur alle abgehenden, dann die nicht mit Patente libera einlangenden Schiffe, kurz alle Schiffe, welche Kontumaz halten müssen, zahlen.

Über diesen Antrag des Handelsministers wurde kein definitiver Beschluß gefaßt, weil, wie der Finanzminister bemerkte, es schwer sei, solange man nicht weiß, wie die Tarifgebühren eingerichtet sein werden, sich darüber auszusprechen.

Der Ministerrat einigte sich vorläufig dahin, daß bdie Bestimmungen über die Sanitätsgebühren aus dem vorliegenden Entwurfe ausgeschieden werden und daßb der Kommission aufzutragen wäre, die Grundsätze für die Tarifierung selbst mit Rücksichtnahme auf die in dem allgemeinen österreichischen Zolltarife angenommenen Grundsätze vorzuschlagen, worauf dann der definitive Beschluß über den hier angeregten Gegenstand erfolgen wird16.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Lemberg, den 19. Oktober 1851.