Nr. 163 Ministerrat, Wien, 5. September 1849 - Retrodigitalisat (PDF)
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Schwarzenberg; anw.anwesend Krauß, Gyulai, Schmerling, Bruck, Thinnfeld, Thun; BdE.Bestätigung der Einsicht (Schwarzenberg 6. 9.), Krauß 11. 9., Gyulai 9. 9., Schmerling 9. 9., Bruck, Thinnfeld, Thun 8. 9., Kulmer 8. 9.; abw.abwesend Bach, Stadion.
MRZ. 3114 – KZ. 2776 –
- I. Bericht aus Warschau
- II. Einsendung der den ungarischen Aufständischen abgenommenen k.k. Fahnen
- III. Beschwerde des Franz Camill Gesswald
- IV. Todesurteile
- V. Todesurteile
- VI. Reorganisierung des Postwesens im lombardisch-venezianischen Königreich
- VII. Verwaltungspräliminare des lombardisch-venezianischen Königreichs pro 1850; Militäraufwandsverminderung
- VIII. Errichtung der Realschulen
Protokoll der Sitzung des Ministerrats gehalten zu Wien am 5. September 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses, FML. Fürsten v. Schwarzenberg.
I. Bericht aus Warschau
Der Ministerpräsident teilte den Inhalt eines Berichts aus Warschau mit über die daselbst erfolgte Ankunft des Feldmarschalls Fürsten Paskiewitsch, über den sukzessiven Rückmarsch der kaiserlich russischen Truppen aus Ungern und Galizien und über die Anerkennung, welche die Dienste des Oberlandeskommissärs Grafen Zichy beim Feldmarschall gefunden haben1, dann
II. Einsendung der den ungarischen Aufständischen abgenommenen k.k. Fahnen
über die erfolgte Einsendung der k.k. Fahnen nach Wien, welche von den russischen Truppen den ungrischen Insurgenten abgenommen und von den erstern nach Warschau waren abgesandt worden2.
III. Beschwerde des Franz Camill Gesswald
Übergab der Ministerpräsident dem Justizminister ein bei Sr. Majestät eingebrachtes Gesuch eines gewissen Franz Camill Gesswald, worin derselbe sich wegen verweigerter Genugtuung für die ihm durch Überfahrenwerden von einer Hofkutsche zugegangenen Beschädigungen beschwert, zur Amtshandlung und allfälligen Überwachung dieses aus mehreren Eingaben als einen exaltierten Behelliger sich darstellenden Menschen3.
IV. Todesurteile
Der Justizminister referierte über zwei Todesurteile wegen Mordes wider Michael Spazierer4 und
V. Todesurteile
wider Wenzel Fried mit dem Antrage auf Nachsicht der Todes- und deren Umwandlung in eine zeitliche Strafe, womit der Ministerrat einverstanden war5.
VI. Reorganisierung des Postwesens im lombardisch-venezianischen Königreich
Der Handelsminister erörterte die Grundzüge des an Se. Majestät zu erstattenden Vortrags über die Reorganisation des Postwesens im lombardisch-venezianischen Königreiche. Nach demselben würden die beiden Postgeneraldirektionen zu Mailand und Venedig in eine zu Verona konzentriert und den bisherigen Inspektoraten der beliebtere Titel Direktion gegeben. Belangend die angetragene Erweiterung des Wirkungskreises der Generalpostdirektion bezüglich der Ernennung der Postoffizialen, Aufstellung neuer Stationen, Briefsammlungen, Bestimmung der Distanzen etc. hat der Handelsminister in Anerkennung der dagegen vom Finanzminister erhobenen Bedenken den diesfälligen Antrag zurückgenommen und die erwähnten Amtshandlungen, wie bisher, der Zentralleitung, dem Ministerium, vorbehalten.
Der Ministerrat fand dagegen nichts zu erinnern, und nur, um bei den Postbehörden der anderen Provinzen nicht etwa Berufungen zu provozieren, wünschte der Finanzminister , daß bei Kundmachung dieser neuen Einrichtung gesagt werde, man habe eine Oberpostdirektion in Verona mit dem Titel Direzione superiore etc. einzuführen befunden6.
VII. Verwaltungspräliminare des lombardisch-venezianischen Königreichs pro 1850; Militäraufwandsverminderung
Der Finanzminister referierte über den von Grafen Montecuccoli vorgelegten Voranschlag der Einnahmen und Auslagen der Verwaltung im lombardisch-venezianischen Königreiche für 18507.
Zur Deckung der letztern müssen die erstern auf 44 Millionen gebracht und zu diesem Ende wird nebst Verbesserungen bei der Erwerbsteuer und Ausgleichung einer im vorigen Jahr bei Ermäßigung des Salzpreises eingeschlichenen Irrung in der Lombardie die Einforderung der Grundsteuer im doppelten Ausmaße, und zwar zur Hälfte der ordinären Quote mittelst Zuschlag zu derselben, zur Hälfte aber als Einkommensteuer mittelst besonderer Umlage und Repartition auf die Provinzen in Vorschlag gebracht.
Im allgemeinen hiermit einverstanden würde der Finanzminister bezüglich der Erwerbsteuer den Grafen Montecuccoli auffordern, die Verbesserungen näher zu bezeichnen, welche er dabei beabsichtigt; dann hoffte er von der Einführung des für die andern Provinzen vorbereiteten neuen Tax- und Stempelgesetzes8 im lombardisch-venezianischen Königreiche sowie durch Einbeziehung Venedigs in die Besteuerung, welches zur Zeit des Vorschlags noch außer Anschlag geblieben ist, eine nicht unerhebliche Erhöhung der Einnahmen; endlich glaubt er, daß die Einkommensteuer in der Art, wie sie bei den Ministerberatungen vom 6. und 9. Jänner 1849 9 und im Vortrage des Finanzministers|| S. 668 PDF || vom 13. n.M. in Antrag gebracht worden war10, im lombardisch-venezianischen Königreiche eingeführt und Graf Montecuccoli unter Mitteilung der diesfälligen Bestimmungen aufgefordert werden sollte, hierwegen schleunigst seine Vorschläge zu erstatten. In betreff eines gleichzeitig vorgelegten Entwurfs einer Notifikation hierwegen, welche außerdem noch drei wichtige Punkte enthält, nämlich 1. Aufforderung zur Liquidierung der Kriegsschäden von 1848 und 1849, 2. Aufhebung der Requisitionen und 3. der sogenannten „multe“, fand der Finanzminister nur den ersten Punkt als viel zu umfassend zu beanständen und schlug statt dessen eine andere Fassung in der Art vor, daß die Zusicherung einer Vergütung nur für jene Eigentumsbeschädigungen gewährt werde, welche durch militärische Operationen verursacht worden sind.
Der Ministerrat war mit diesen Anträgen einverstanden11.
Bei diesem Anlasse kam der Finanzminister auf seine schon mehrmals geäußerte Ansicht über die Notwendigkeit einer Einschränkung des Aufwands für die Armee in Italien12 mit dem Bemerken zurück, daß gegenwärtig, nach hergestelltem Frieden, der Zeitpunkt dazu eingetreten, die Ausführung aber sowohl 1. durch Herabsetzung der Gebühren als auch 2. durch Verminderung des Truppenstands bewerkstelligt werden dürfte. In ersterer Beziehung ward von ihm hervorgehoben, daß insbesondere die Etappengelder, welche sonst nur im Feindesland bezahlt zu werden pflegen, noch immer gefordert werden, und bei den Offizieren mit dem Naturalrelutum die Gagen, bei der Mannschaft aber Löhnung und Feldbeitrag übersteigen. Da nach Versicherung des Ministers v. Bruck der Feldmarschall Graf Radetzky selbst nicht abgeneigt ist, bei den Gebühren Reduktionen eintreten zu lassen, und nur Anstand nimmt, hierwegen selbst die Initiative zu ergreifen, so würde es sich hiernach nur um einen Ah. Auftrag Sr. Majestät an ihn handeln; es wurde daher dem Finanzminister überlassen, hierwegen im Namen des Ministerrates, der die Notwendigkeit solcher Einschränkungen anerkannte, Vortrag an Se. Majestät zu erstatten.
Bezüglich der Verminderung des Truppenstandes selbst liegt nach Angabe des Kriegsministers die Zusicherung des Feldmarschalls vor, daß er 20.000 Mann werde entbehren können13.
VIII. Errichtung der Realschulen
Der Unterrichtsminister besprach die Hauptgrundzüge, nach welchen die Realschulen eingerichtet werden sollen14. Sie würden nach Analogie der Gymnasien in Unter- und Oberrealschulen eingeteilt und ihren Besuchern teils die Kombinierung mit|| S. 669 PDF || Gymnasialstudien, teils bezüglich des Übertritts minder bemittelter Kandidaten des Gewerbsstandes in die technischen Schulen einige Erleichterungen zugestanden. In Ansehung der Unterrichtssprache würde sich an diejenigen Bestimmungen gehalten, welche in den Ministerberatungen vom 11. und 25. August 1849 sub IX. besprochen worden sind, in welcher Hinsicht insbesondere der Finanzminister sich auf das dort Angeführte bezog.
Der Minister für Landeskultur würde die Bestellung von Oberrealschulen nicht für notwendig halten, weil in denselben die nämlichen Gegenstände wie in den Unterrealschulen, freilich in höherem Grade, gelehrt werden, der Schüler nach zurückgelegtem unteren Kurse mithin schon hinlänglich vorbereitet ist, um eine technische Lehranstalt zu besuchen; weil ferner nur wenige die Mittel besitzen, um die Kosten für einen länger dauernden Unterricht zu bestreiten, und die meisten die zur Abkürzung des Kurses dargebotenen Erleichterungen ergreifen werden.
Da es sich indessen, nach der Bemerkung des Unterrichtsministers , bei Bestellung von Oberrealschulen nicht bloß um die Vorbereitung zum technischen Studium, sondern überhaupt darum handelt, jungen Leuten, welche die Gymnasien nicht besuchen, Gelegenheit zur höheren allgemeinen Bildung zu verschaffen, so fand der Ministerrat gegen die Anträge des Unterrichtsministers nichts zu erinnern, nur glaubte der Minister für Landeskultur jedenfalls anraten zu sollen, daß mit Errichtung von Oberrealschulen nicht zu schnell vorgegangen und daß deren nicht viele errichtet werden mögen15.
Wien, am 6. September 1849. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 16. September 1849.