Nr. 248 Ministerrat, Wien, 7. Jänner 1850 - Retrodigitalisat (PDF)
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Schwarzenberg; anw.anwesend Krauß, Bach, Gyulai, Schmerling, Bruck, Thinnfeld, Thun, Kulmer; BdE.Bestätigung der Einsicht (Schwarzenberg 8. 1.), Krauß 11. 1., Bach 9. 1., Gyulai 11. 1., Schmerling 8. 1., Bruck, Thinnfeld 8. 1., Thun, Kulmer 8. 1.; abw.abwesend Stadion.
MRZ. 84 – KZ. 23 –
Protokoll der Sitzung des Ministerrates gehalten zu Wien am 7. Jänner 1850 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.
I. Bankaktiendividende
Der Ministerpräsident eröffnete, daß der Bankgouverneur apersönlich und im Namen dera Abgeordneten des Bankausschusses wiederholt um Zurücknahme des Beschlusses des Ministerrates gebeten habe, wodurch die Bankdividende für das abgelaufene Semester auf 35 f. per Aktie limitiert worden ist1. Da keine neuen Umstände eingetreten sind, welche eine Änderung des unterm 5. gefaßten und unterm 6. d. bekräftigten Beschlusses zu begründen vermöchten, so erklärte der Ministerrat einstimmig, daß es bei dem gedachten Beschlusse sein Verbleiben haben solle2.
II. Bericht aus Orsowa über Nikolaus Ströbl
Im Nachhange zu den am 4. Jänner 1850 sub I. mitgeteilten Notizen aus Orsowa las der Kriegsminister einen weiteren Bericht des dortigen Militärkommandanten vor, worin die Hoffnung ausgesprochen wird, der von Kossuth dem Pfarrer Ströbl zur Verbergung übergebenen Kiste sowie der im Garten desselben vergraben sein sollenden ungrischen Reichskrone habhaft werden zu können. Zugleich wird gemeldet, daß der Pfarrer Ströbl jedenfalls schwer kompromittiert erscheine und unter Aufsicht gestellt worden sei, was den Kriegsminister zu der Anfrage veranlaßte, ob nicht dessen Verhaftung anzuordnen sei3. Der Justizminister bemerkte hierauf, daß eine solche Anordnung nicht vom Ministerium ausgehen könne, sondern daß es die Sache der Lokalautoritäten sei, die wider Ströbl vorkommenden Inzichten zu sammeln und zu würdigen, und sodann nach dem Gesetze vorzugehen4.
III. Neues Tax- und Stempelgesetz
Kam der Entwurf des neuen Tax- und Stempelgesetzes zur Beratung5.
Der Finanzminister entwickelte in einem umständlichen Vortrage die Grundzüge des neuen Gesetzes und setzte auseinander, wie darin die dem bisher bestandenen Stempel- und Taxgesetze mit Recht vorgeworfenen Mängel und Unvollkommenheiten beseitigt|| S. 976 PDF || worden seien. Er erklärte weiters, daß er sich infolge der bereits mit den einschlägigen Ministerien gepflogenen Vorverhandlungen nach deren Wunsche dazu verstanden habe, statt der ursprünglich angetragenen drei Skalen zur Stempelbemessung nur zwei Skalen, und zwar die eine für Wechsel mit 1/20, die andere für die übrigen Geld und Rechtsgeschäfte etc. mit ein Viertel Perzent des Werts oder Betrags festzusetzen.
Mit Vorbehalt der über die einzelnen Paragraphen des neuen Gesetzes bei der Detailberatung zu machenden Bemerkungen wurden heute nur einige allgemeine Erinnerungen vorgebracht, und zwar vom Minister des Inneren wurde die Frage gestellt, ob das neue Gesetz für den gesamten Umfang des Reichs zugleich in Wirksamkeit zu treten haben werde.
Der Finanzminister erinnerte hierauf, daß bgleich jetztb die Einführung desselben in den deutschen und italienischen Kronländern beabsichtigt werde, cin Ungern, Siebenbürgen, Kroatien und Slawonien aber die Abfassung des Gesetzes noch vorläufig mit der in diesen Ländern bestehenden Gesetzgebung und überhaupt den dortigen Einrichtungen in Einklang zu setzenc .
Dies gab dem Minister Baron Kulmer Anlaß zu der Bemerkung, daß er es keinesfalls angemessen fände, Kroatien nach den vielen Opfern, die es bisher gebracht, mit einer derlei neuen, früher nie gekannten Steuerlast zu belegen, bevor nicht wenigstens etwas zur Verbesserung seiner materiellen Wohlfahrt durch Aufhebung der Zwischenzollinie und Gewährung der Urbarialentschädigung getan worden ist.
Der Finanzminister bemerkte hierauf, die Aufhebung der Zwischenzollinie werde mit dem Augenblicke erfolgen, wenn die Grundsteuer in Kroatien werde umgelegt sein, zu welchem Behufe aber eben erst itzt vom Banus die dErrichtung einer eigenen Direktiond verlangt worden, da in Kroatien niemand ehierzu geeignet seie . Die Anweisung der Urbarialentschädigungen sei dagegen mit den wichtigsten finanziellen Fragen so innig verwoben, daß selbe vereinzelt nicht behandelt werden können. Der Finanzminister behielt sich vor, hierwegen demnächst eine Vorlage zu machen6.
Weiters äußerte der Minister des Inneren den Wunsch, daß im Interesse der kleinen Besitzer und der ärmeren Volksklasse die Befreiung von Entrichtung der Gebühren von Verlassenschaften im Reinbetrage von 25 fr. auf 100 oder doch wenigstens auf 50 fr. ausgedehnt werde, so daß also Verlassenschaften, deren Betrag nach Abzug der Lasten nicht wenigstens 50 fr. rein ausmacht, von der Abgabe nicht getroffen werden sollten, indem nicht sowohl diese selbst, als vielmehr die mit der dadurch bedingten Notwendigkeit einer förmlichen Abhandlung verbundenen Umständlichkeit und Kostspieligkeit das Lästige und Drückende der Sache ausmache.|| S. 977 PDF ||
Der Finanzminister trug Bedenken, einer solchen Erweiterung der Gebührenbefreiung zuzustimmen, weil gerade in der großen Masse des geringeren Besitztums der ausgiebigste Ertrag der Auflage begründet ist. Indessen behielt er sich vor, auf diesen Gegenstand noch einmal zurückzukommen.
Über einen weiters vom Minister des Inneren ausgesprochenen Wunsch, die bei den die Klasse von 20 fr. übersteigenden Stempelgebühren vorgeschriebene Mitbringung der zur Gebührenentrichtung bestimmten Urkunde in das Stempelamt, wenn schon die Anschaffung mehrerer Stempelzeichen nicht tunlich ist, doch wenigstens in der Art zu erleichtern, daß der Verpflichtete, um nicht sein Rechtsgeschäft oder Einsichtnahme Unberufener preiszugeben, befugt sein soll, einen leeren Bogen mitzubringen und sich auf demselben die Entrichtung der Stempelgebühr bestätigen zu lassen, erklärte der Finanzminister sich bereit, diese Erleichterung eintreten zu lassen.
Der Justizminister machte auf die Härte aufmerksam, welche, besonders für die gegenwärtigen Besitzer ehemalig landtäflicher Güter in der Bestimmung des Gesetzes liege, daß die Registertaxe, Gebühr bei Besitzveränderungen unbeweglicher Güter, ohne Abzug der auf der Realität haftenden Schulden von dem ganzen Werte derselben entrichtet werden muß. Er würde sonach vorgeschlagen haben, daß in derlei Veränderungsfällen die Gebühr nur vom reinen Gutswerte entrichtet, dafür aber auch bei Löschung der intabulierten Schulden und Lasten von dem Betrage der letztern die Taxe eingehoben werde.
Nachdem jedoch sowohl der Finanzminister als auch der Minister des Inneren umständlich auseinandergesetzt hatten, daß eine solche Modifikation dem Prinzip der Veränderungsgebühren widerstreiten und bezüglich der vorausgesetzten Gebührenentrichtung bei der Löschung intabulierter Schulden zur Eludierung des Gesetzes Anlaß bieten würde, nachdem ferner, über einen vermittelnden Vorschlag des Ministers Grafen Thun, der Finanzminister fbemerkte, daß, wenn manf den gegenwärtigen Besitzern solcher Güter, womit die nunmehr aufgehobenen Urbarial- und Zehntenrechte verbunden waren, welche sich gegenwärtig allerdings in einer ungünstigen Lage befinden, eine Erleichterung gzu gewähren fände, solche in keinem Falleg durch die vorgeschlagene Gestattung der Abnahme der Gebühr nur von dem reinen Gutswerte bei der ersten Übertragung im Gesetze, sondern mittelst besonderer Verfügung und nach vorausgegangener hVerhandlung zugestanden werden könneh, zog der Justizminister seinen Antrag zurück7.
Wien, am 8. Jänner 1850. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph, Wien, den 12. Jänner 1850.