Nr. 117 Ministerrat, Wien, 12. Juli 1849 - Retrodigitalisat (PDF)
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek; VS.Vorsitz Schwarzenberg; anw.anwesend Krauß, Bach, Gyulai, Kulmer; BdE.Bestätigung der Einsicht (Schwarzenberg 13. 7.), Krauß 14. 7., Bach 14. 7., Gyulai 14. 7., Kulmer 14. 7.; abw.abwesend Stadion, Bruck, Thinnfeld.
MRZ. 2336 – KZ. 2021 –
- I. Nachrichten aus Ungarn, Italien und Deutschland
- II. Behandlung des Primas Johann Hám und der Bischöfe Joseph Lonovics v. Kriwina, Michael Horváth und Vinzenz Jekelfalusy
- III. Rekrutierungslisten in Krakau
- IV. Einschreiten des in Vorarlberg konzentrierten Truppenkorps
- V. Verbindung zwischen Wien und Raab
- VI. Ernennung Jovan Stojčević’ zum Kommissär für das Syrmier Komitat
Protokoll der am 12. Juli 1849 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.
I. Nachrichten aus Ungarn, Italien und Deutschland
Der Ministerpräsident hat dem Ministerrate nachstehende Mitteilungen gemacht: a) Nach der ihm zugekommenen Pester Zeitung sei Görgey vom Kommando abgesetzt und Dembiński zum Oberbefehlshaber der Truppen ernannt worden. Bei Gelegenheit der Bekanntmachung dieser Änderungen wird dem Görgey zur Last gelegt, daß er denselben Fehler begangen habe wie Fürst Windischgrätz, nämlich zu lange müßig gewesen zu sein1. b) Nach eingelangten offiziellen Berichten seien die Franzosen am 3. d.M. wirklich in Rom eingerückt. Bei dem Einmarsche sollen sie in dem teilweise in den Straßen geführten Kampfe noch mehrere hundert Mann verloren haben. Die Stimmung in Rom sei sehr gegen die Franzosen. Mehrere tausend Römer und andere Individuen seien mit bereits vorbereiteten nordamerikanischen, englischen und sardinischen Pässen nach Genua abgezogen2. c) Die Preußen sollen die Absicht haben, Neuenburg (Neuchâtel) in der Schweiz, wo sich eine ihnen günstige Partei befindet, zu besetzen3.
II. Behandlung des Primas Johann Hám und der Bischöfe Joseph Lonovics v. Kriwina, Michael Horváth und Vinzenz Jekelfalusy
Nachdem der Erzbischof von Erlau Lonovics und die Bischöfe von Csanád und der Zips Horváth und Jekelfalusy sich an letzten hochverräterischen Umtrieben in Ungarn beteiligt und Se. Majestät deshalb mit Ah. Entschließung vom 10. d.M. das Erzbistum von Erlau sowie die Bistümer von Csanád und der Zips als erledigt und die Ernennungen des Lonovics zum Erzbischofe und des Horváth und Jekelfalusy zu Bischöfen als|| S. 488 PDF || nicht geschehen zu erklären geruhet haben4, so wurde nach dem Antrage des Ministers Dr. Bach beschlossen, diese Ah. Verfügung durch einen Aufsatz in der Zeitung, jedoch als offiziell, in der Art kundzumachen, unter dem vorigen ungarischen Ministerium seien jene Männer zwar zu Bischöfen ernannt worden, nachdem sie sich jedoch an den hochverräterischen Umtrieben in Ungarn beteiligt haben, ihre Ernennung auch nicht zur Ausführung gekommen ist, weil sie vom Papste nicht präkonisiert worden sind, so hätten Se. Majestät ihre Bischofsitze als erledigt zu erklären befunden5.
Lonovics, Horváth und Jekelfalusy sind von den Kriegsgerichten, denen ihre hochverräterische Handlungsweise anheimfällt, zu untersuchen6. Da Lonovics sich derzeit hier befindet, so wird der Minister Dr. Bach demselben den erwähnten Ah. Beschluß mitteilen und ihn anweisen, sich vor das Kriegsgericht zu stellen und seine allenfällige Rechtfertigung im vorgeschriebenen Wege vorzubringen7.
Was den Primas von Ungarn, Hám, anbelangt, welcher mehr aus Charakterschwäche als aus böser Absicht sich an jenen Umtrieben beteiligt hat, wird der Minister Bach dem Ah. genehmigten Antrage des Ministerrates zufolge denselben kategorisch auffordern, die Primaswürde Sr. Majestät zu Füßen zu legen. Sollte er nicht resignieren wollen, so würde er, da er mit Lonovics, Horváth und Jekelfalusy in dieselbe Kategorie gehört, abgesetzt werden müssen8.
III. Rekrutierungslisten in Krakau
Der Minister Dr. Bach erwähnte eines aus Krakau erhaltenen Schreibens, worin angezeigt wird, daß die Rekrutierungslisten daselbst unordentlich geführt werden. Es werden nämlich Leute darin, die nach Ungarn gingen und wahrscheinlich in den Reihen der Insurgenten dienen, als zeitlich befreit behandelt und für selbe als Militärpflichtige Leute auf der Gasse aufgeklaubt. Der Minister wird eine Revision dieser Rekrutierungslisten vornehmen lassen9.
IV. Einschreiten des in Vorarlberg konzentrierten Truppenkorps
Der Kriegsminister Graf Gyulai teilte einen Bericht des FML. Carl Fürsten v. Schwarzenberg vom 8. d.M. mit, worin dieser unter anderem meldet, daß der königlich baierische General Flotow ihn in Bregenz besucht und den Antrag gemacht habe, die beiderseitigen Truppen möchten in ein freundnachbarliches Verhältnis treten und gemeinschaftlich zur Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung wirken10.
|| S. 489 PDF || Darüber fand der Ministerpräsident zu bemerken, daß Österreich auf die Einladung Bayerns nicht einschreiten könne. Würden wir von Baden oder von der Zentralgewalt aufgefordert, dann könnten wir marschieren lassen. Es sei genau bestimmt, auf welche Requisition ein Einschreiten stattzufinden habe11.
V. Verbindung zwischen Wien und Raab
Derselbe Minister [Gyulai] eröffnete weiter, daß nach einer ihm zugekommenen Anzeige der Stadtkommandatur die Verbindung zwischen Wien und Raab bereits hergestellt sei, was zur Kenntnis genommen wurde12.
VI. Ernennung Jovan Stojčević’ zum Kommissär für das Syrmier Komitat
Der Minister Freiherr v. Kulmer hat dem Minister Dr. Bach ein Schreiben des Ban Jellačić übergeben, worin dieser meldet, daß der Patriarch Rajačić einen gewissen Stojčević, ein ungeeignetes Individuum, als Kommissär für das Syrmier Komitat ernannt habe. Der Ban selbst habe bereits einen Kommissär eingesetzt und dem Vizegespan verboten, die Ernennung des Stojčević zu publizieren, bis Se. Majestät entschieden haben würden13.
Wien, den 13. Juli 1849. Schwarzenberg.
Ah. E. Der Inhalt dieses Protokolls dient zur Wissenschaft. Franz Joseph. Schönbrunn, den 19. Juli 1849.