MRP-1-2-01-0-18490620-P-0101.xml

|

Nr. 101 Ministerrat, Wien, 20. Juni 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 21. 6.), Krauß 23. 6., Bach 23. 6., Gyulay 23. 6., Thinnfeld 23. 6., Kulmer 23. 6.; abw. Stadion, Bruck.

MRZ. 2036 – KZ. 1805 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrats gehalten zu Wien am 20. Juni 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses, Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Friedensunterhandlungen mit Sardinien und Venedig

Der gefertigte Ministerpräsident teilte mit den Inhalt eines Schreibens des Ministers v. Bruck vom 15. d. [M.]1, wornach von Seite Sardiniens 70 Millionen Franken an Kriegskosten angeboten werden und die Friedensunterhandlungen sogleich wieder werden eröffnet werden, sobald Alessandria von unseren Truppen geräumt sein wird, wozu Feldmarschall Graf Radetzky, wie der Minister meinet, sich verstehen dürfte.

In Ansehung Venedigs enthält der Bericht außer einigen Details über die finanziellen Verhältnisse der Stadt noch die Meldung, daß die dem venezianischen Unterhändler vom Minister letzthin erteilte Antwort der Assamblea vorgelegt worden sei und deren Entscheidung hierüber werde mitgeteilt werden2. V. Bruck versichert, bei der Unterhandlung keine der Würde des Kaisers abträgliche Bedingung zugestehen zu wollen3.

II. Polizei in Krakau

Der Vertreter des Ministers des Inneren las ein Schreiben des infolge Ministerratsbeschlusses vom 14. d. [M.] (Protokoll v. 14. d. [M.], Nr. II) nach Krakau behufs der Erforschung der dortigen Polizeiver­hältnisse abgesandten Kameralrats v. Weiß, worin die Untunlichkeit der Ernennung Kroebels zum Stadthauptmann daselbst bestätigt und bei dem augenblicklichen Mangel an dortigen, für diesen Posten qualifizierten Polizeiindividuen die Erstattung eines Antrages hierwegen später zugesichert wird4.

III. Dampfbäckerei beim Militär

Von demselben Minister ward eine Eingabe des Wiener Bäckers Wimmer in betreff der Errichtung von Dampfbäckereien beim Militare dem Kriegsminister zur allfälligen Berücksichtigung abgetreten5.

IV. Zeitungsartikel über Einrücken der russischen Hauptarmee

Wurde der für das morgige Frühblatt der Wiener Zeitung bestimmte Artikel über das Einrücken der russischen Hauptarmee in vier Hauptkolonnen nach Ungern beraten und in der vom Kriegsminister vorgeschlagenen Fassung mit einigen Modifikationen nach dem Vortrage des Ministerpräsidenten angenommen6.

V. Kriegsberichte aus Südungarn

Teilte der Kriegsminister mit eine Relation des Banus über das Vorgehen seiner Armee nach Sóvé, Kiskér und Ókér, worin übrigens auch die Klage, daß er, Ban, über die Operationen der Nordarmee in völliger Unwissenheit sich befinde, und der Wunsch ausgesprochen ist, daß ihm von denselben Kenntnis gegeben werde, um seinerseits in Übereinstimmung mit denselben planmäßig vorgehen zu können7.

Aus einer Meldung des FML. Dahlen über Zersprengung des bei Fünfkirchen aufgestellt gewesenen Landsturms verdient erwähnt zu werden, daß ein Major Stokucha gefangene Rebellen, 16 an der Zahl, ohneweiters niederschießen und später einen zu ihm übergegangenen Stuhlrichter, weil er in der Nacht ohne erweisliches Geschäft auf der Straße betroffen worden, dasselbe Los teilen ließ. Der Finanzminister fand diesen Vorgang doch etwas zu stark und glaubte, daß hierwegen eine Erinnerung zu machen wäre, indem Gewalttaten von den Rebellen begangen, doch niemals den Organen der gesetzlichen Autorität zum Vorwande der Vergeltung mit Gleichem dienen dürfen8.

VI. Vermitt­lungsanerbieten des Grafen Ludwig Batthyány

Eine ans Laibacher Stadtkommando gerichtete, von diesem an den Kriegsminister eingesandt Eingabe des Grafen Ludwig Batthyány, worin er, gestützt auf seine stets der Dynastie ergebene Gesinnung, gegenwärtig seine Vermittlung mit den ungrischen Rebellen anbietet, ward als zu keiner Berücksichtigung sich eignend erkannt und ad acta genommen9.

VII. Böser Geist der Palatinalhusaren

Die Mitteilung des Kriegsministers , daß unter den auf dem Wege nach Tirol befindlichen zwei Divisionen Palatinalhusaren ein sehr schlechter Geist herrsche10, gab dem Minister Bach Anlaß zu dem Antrage, diese Truppe lieber ganz aufzulösen, als|| S. 424 PDF || sie nach Italien, wo sie sicherlich nicht guttun würde, abmarschieren zu lassen. Der Kriegsminister glaubte jedoch, noch vorerst weitere Berichte abwarten zu sollen, bis die Truppe in Botzen würde eingerückt sein11.

VIII. Verpflichtung zur Annahme russischer Münzen

Die aus einem Berichte des Kommandierenden von Galizien Baron Hammerstein entnommene Antwort auf eine vom russischen Truppenkommando gestellte Anfrage, ob und zu welchem Kurse russische Münzen von den österreichischen Posthaltern angenommen werden müssen, ward vom Finanzminister als den hierwegen bestehenden Vorschriften vollkommen entsprechend anerkannt12.

IX. Finanzoperationen

Der Finanzminister referierte über das Resultat der am 18. in betreff der Bank- und Finanzverhältnisse abgehaltenen kommissionellen Beratung13. Es wurden dabei folgende Anträge gestellt: 1. die Emittierung eines freiwilligen Anleihens zu fünf Prozent im Belaufe von 60 Millionen Gulden, 2. einstweilen Benützung der Bank mit 25 Millionen zur Deckung der laufenden Staats­bedürfnisse gegen Deckung mittelst dreiprozentiger Schatzkammerscheinen, 3. Erklärung der Staatsverwaltung, daß sie die von der Bank erhaltenen Vorschüsse vor allem aus den zu erhaltenden Kriegsentschädigungsgeldern zurückzahlen werde, 4. Ansprache der Bank an das Publikum in betreff ihrer Maßregeln und eventueller Emittierung der 50.000 Reserveaktien, 5. Aufhebung des Geldausfuhrverbotes, 6. Ansprache des Finanzministeriums an das Publikum über diese Maßregeln.

Hierüber bemerkte nun der Finanzminister, daß er nicht glaube, noch weiters den Kredit der Bank für die Deckung der Staatsbedürfnisse in Anspruch zu nehmen, vielmehr würde er auf denjenigen Weg zurückkehren, welcher durch das von Sr. Majestät Ah. sanktionierte Reichstagsgesetz vom 2. Jänner 1849 für die Aufbringung der Staatsgeldmittel vorgezeichnet worden ist14. Dieser besteht in der Hinausgabe von Schatzscheinen mit oder ohne Zwangskurs und in Anleihen. Hiernach würde zu jener Maßregel sogleich und später, wann hoffentlich unsre Verhältnisse durch glückliche Erfolge in Ungern sich gebessert haben werden, zur Ankündigung des beabsichtigten Anleihens, jedoch höchstens zum Belaufe von 30 Millionen Gulden und mittelst Subskription geschritten werden. Diesem gemäß würde von den obigen

Anträgen der Kommission jener ad 1. im Betrage und in einigen seinerzeit näher zu bezeichnenden Modalitäten modifiziert, jener ad 2. dagegen ganz beseitigt werden. Gegen den Antrag ad 3. und 4. ergäbe sich kein Anstand, nur würde sich nach der Andeutung des Ministerpräsidenten bei dem Aussprechen des verbindlichen Vorhabens der Staatsverwaltung zur gewissenhaften Abtragung der gegen die Bank übernommenen Verpflichtungen nicht ausdrücklich|| S. 425 PDF || bloß auf die Kriegsentschädigungsgelder zu beschränken, sondern im allgemeinen auszudrücken sein, daß die Gelder, welche durch die Erfolge unserer Waffen in die Kassen des Staats einfließen, vorzugsweise die Widmung zur Tilgung der von der Bank gegebenen Vorschüsse erhalten sollen. Die sub 5. proponierte Aufhebung des Geldausfuhrverbotes hält auch der Finanzminister für ein Gebot der Notwendigkeit und schließt mit der Bemerkung, daß dem Antrage ad 6. am zweckmäßigsten dadurch entsprochen werden würde, wenn sämtliche hier besprochenen Maßregeln unter getreuer Darstellung der sie veranlassenden Lage des Staates in einem von Sr. Majestät ausgehenden Patente zur allgemeinen Kunde gebracht würden.

Nach erfolgter Beistimmung des Ministerrats behielt sich der Finanzminister vor, nicht nur hierwegen Sr. Majestät umständlich Vortrag zu erstatten, sondern auch nach Festsetzung der einzelnen Details den gehörig ausgearbeiteten Entwurf des diesfälligen Patents zur Beratung im Ministerrate und sohin zur Ah. Sanktion Sr. Majestät vorzubereiten15.

Am 21. Junius 1849. Schwarzenberg. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 26. Juni 1849.