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Nr. 84 Ministerrat, Wien, 31. Mai 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Thinnfeld, Kulmer; BdE. Schwarzenberg (1. 6.), Krauß, Bach 7. 6., Thinnfeld, Kulmer 8. 6.; abw. Stadion, Cordon, Bruck.

MRZ. 1712 – KZ. 1569 –

Protokoll der am 31. Mai 1849 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Auswärtigen und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Adresse des Wiener patriotischen Vereines an den Kaiser

Der Ministerpräsident teilte dem Ministerrate mit, daß ein gewisser Herr Kurt, Mitglied des patriotischen Vereins (welcher Verein sich es zur Aufgabe machte, Gelder für Staatszwecke zu sammeln, den gesammelten mäßigen Betrag wirklich erlegte, und dieser von der Finanzverwaltung zur Zahlung der Steuern für verarmte Wiener Bürger bestimmt wurde), bei ihm war und die Absicht eröffnete, daß der Verein eine Adresse an Se. Majestät richten wolle.

Die von dem Ministerpräsidenten dem Kurt vorläufig erteilte ablehnende Erwiderung, daß dieses nach der Reichsverfassung nicht angehe, indem der Verein keine konstituierte Korporation, welche allein das Recht, Adressen Sr. Majestät zu überreichen zusteht, sondern bloß ein Verein zu einem transitorischen Zwecke sei, erfreute sich der vollen Beistimmung des Ministerrates.

Der von Kurt gleichfalls geltend gemachte Umstand, daß diese Adresse im Namen der Bürger und der Einwohnerschaft von Wien überreicht werden wolle, ändere an der Sache nichts, weil die Einwohner Wiens ihre gesetzlichen Vertreter haben und Petitionen (nicht Adressen) zu überreichen ohnedies einem jeden freistehe.

II. Eintritt von Ungarn in die russische Armee

Derselbe Minister teilte weiter mit, daß nach ihm zugekommenen Nachrichten manche Ungarn in russische Dienste übertreten wollen, und daß auch mehrere ungarische Offiziere dieselbe Absicht kundgegeben hätten.

Diese Mitteilung wurde mit der Bemerkung im allgemeinen zur Kenntnis genommen, daß hiebei mit großer Vorsicht vorgegangen werden sollte1.

III. Gerücht über die Ausgabe von Tresorscheinen in Mailand

Nach einem dem Finanzminister Freiherrn v. Krauß zugekommenen Briefe des Grafen Montecuccoli hat der Minister Ritter v. Bruck den letzteren in Kenntnis gesetzt, daß in Mailand das Gerücht herumgehe, die Wiener Bankierhäuser Sina und Eskeles hätten bedeutende Summen 3%iger Tresorscheine von dem Finanzminister, angeblich zu dem Kurse von 110 erhalten, um sie daselbst auszugeben, und daß sie es|| S. 352 PDF || mit Verfolgung des unlauteren Zweckes, den Wert des Papiergeldes herabzudrücken, tun2. Hierüber bemerkte Baron v. Krauß, daß er dem Sina und Eskeles keine Tresorscheine zur Ausgabe ausgefolgt habe. Wohl sei der Chef des Handlungshauses Weikersheim bei ihm gewesen und habe sich angeboten, einen Versuch zu machen, die Tresorscheine dort auszugeben, und diesem habe er hievon 10.000 f. mitgegeben, wofür Weikersheim 10.000 f. Wiener Währung erlegte. Dieses wurde dem Montecuccoli eröffnet. Seitdem sei der Schwiegersohn des Weikersheim bei dem Finanzminister gewesen, habe um 20.000 fr. Tresorscheine gewünscht, aber keine erhalten.

Die obigen böswilligen Gerüchte zu entkräften findet der Finanzminister als dringend. Die Tresorscheine etc., wodurch ein Staatsanlehen entbehrlich gemacht oder hinausgeschoben wird, seien den großen Handlungshäusern ein Dorn im Auge. Der Finanzminister wird demnach mit Zustimmung des Ministerrates noch heute einen Aufsatz zur Einrückung in die Zeitung verfassen, worin das in Mailand ausgestreute Gerücht, als wären zwei Wiener Handlungshäuser beauftragt worden, daselbst die Tresorscheine auszugeben, für vollkommen unbegründet erklärt wird3.

IV. Zwangskurs der Kassaanweisungen

Der Finanzminister eröffnete weiter, daß auf der hiesigen Börse die Intrigen ins große getrieben werden, um den Wechselkurs hinaufzuschrauben und der Finanzverwaltung Verlegenheiten zu bereiten. Es werde ausgesprengt, daß die Banknoten immer vermehrt werden, um die Valuta zu entwerten und dann mit der so entwerteten Valuta die Schulden zahlen zu können. Zu bedauern sei, daß die hiesigen großen Handlungshäuser, statt diesem Treiben entgegenzutreten, demselben vielmehr die Hand bieten.

Der Finanzminister besprach dieses, um dem Ministerrate zu zeigen, was auf der hiesigen Börse geschieht, und um daraus die Notwendigkeit abzuleiten, von dem eingeräumten Befugnisse vollen Gebrauch zu machen, den Kasseanweisungen Zwangskurs zu geben4. Rücken wir in Ungarn vor, so ist in kurzer Zeit ein Umschwung zu erwarten, weil unsere Banknoten reichlich dahin strömen werden. Der Goldkurs sei bei uns 8–9% höher als der Silberkurs, was, da dieser Kurs im Auslande nur um ein Unbedeutendes differiere, unerhört sei und deutlich zeige, daß diese Differenz nicht in einer nachteiligen Handelsbilanz, sondern in Benützung der ungünstigen Umstände ihren Grund habe. Der Finanzminister findet es notwendig, um dem fortwährenden Steigern eine Grenze zu setzen, mit jener Maßregel vorzugehen, zu welchem Ende er einen Artikel in die Wiener Zeitung einrücken lassen werde5.

Der Ministerrat hätte es allerdings wünschenswert gefunden, wenn der Zwangskurs des neuen Geldes hätte vermieden werden können, fand jedoch bei der von dem Finanzminister dargestellten Notwendigkeit dieser Maßregel nichts weiter dagegen zu erinnern6.

V. Ernennung des Franz Grafen Zichy v. Vásonkeő zum Armeeintendant

Der Minister Dr. Bach machte den Antrag, daß Graf Zichy (Kommissär des Preßburger Komitates) als Intendant für die Verpflegung der ungarischen Armee bestimmt werde, nachdem der dazu bereits ernannte Babarczy dieses Geschäft wegen Krankheit nicht übernehmen könne. Übrigens werden die Kommissäre einer Revision unterzogen werden.

Diesem Antrage wurde beigestimmt7.

VI. Instruktion für Carl Freiherr Geringer v. Oedenberg

Derselbe Minister las den Entwurf der dem Ministerialkommissär für Ungarn, Baron Geringer, zu erteilenden Instruktion vor, wogegen nichts zu erinnern gefunden wurde8. Diese Instruktion, wovon dem kommandierenden Generalen in Ungarn, FZM. Freiherrn v. Haynau, eine Abschrift mitzuteilen sein wird, wird dem Sr. Majestät nun vorzulegenden au. Vortrage beigeschlossen werden9.

VII. Verlängerung der Begünstigungen für Neubauten um ein weiteres Jahr

Schließlich erwähnte der Minister Dr. Bach, daß im Laufe des vorigen Jahres die schlechten Geschäfte bei den Arbeiterklassen die Regierung bestimmt haben, um zu Neubauten aufzumuntern. Zwanzig steuerfreie Jahre für solche Bauten zu bewilligen, die in einer gewissen Zeit begonnen und (in dem verlängerten Termine) bis Oktober 1849 fertig sein würden10. Gegenwärtig wird das Ansuchen gestellt, diesen Termin wieder um ein Jahr, d.i. bis Oktober 1850, zu verlängern. Die erwähnte Begünstigung hat wirklich Neubauten hervorgerufen und insoferne dem beabsichtigten Zwecke entsprochen.

Da in Ansehung der Unterstützung der Arbeiter im wesentlichen dieselben Gründe wie im vorigen Jahr bestehen, so hat der Ministerrat nach dem Antrage des Ministers Dr. Bach beschlossen, die oberwähnte Begünstigung für Neubauten auf ein weiteres Jahr unter den früheren Bedingungen zu erstrecken11.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 11. Juni 1849.