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Nr. 93 Ministerrat, Wien, 24. März 1916

RS. fehlt; Ministerratsvortrag zu Tagesordnungspunkt IV; Wortlaut und Datum der Ah. Entschließung: Hhsta., Kab. Kanzlei, Protokoll 1916.

P. Ehrhart; VS. Stürgkh; anw. Hohenlohe-Schillingsfürst, Georgi, Hochenburger, Forster, Hussarek, Trnka, Zenker, Morawski, Leth, Spitzmüller.

KZ. 15 – MRZ. 12

[I.–III. fehlt.]

Zu IV. Erhöhung der Tabakverschleißpreise

Zu IV. ℹ️ ℹ️ Quelle: Ministerratsvortrag Finanzminister in Fa., FM., Präs. Bd. a.Nr. 66 (Vorträge des Herrn Finanzministers im Ministerrat 1916) a .

Vortragender Minister: Finanzminister.

Die infolge des Krieges stets steigenden Auslagen des Staates, für welche die Mittel naturgemäß nur in Form von großen Anleihen aufgebracht werden können, machen es zur gebieterischen Pflicht – abgesehen von durchgreifenden Ersparungen im ganzen Staatshaushalte – auch für die Schaffung neuer Einnahmsquellen vorzusorgen, durch welche in erster Linie die Bedeckung für den Zinsendienst der im Kriege aufgenommenen Anleihen geschafft werden soll. Ohne dem von der Finanzverwaltung in dieser Richtung in Aussicht genommenen Programm wegen Schaffung neuer Einnahmen, die ja erst in einem späteren Zeitpunkt in Wirksamkeit treten könnten, vorzugreifen, hält es der Finanzminister für seine Pflicht, schon dermalen bereits bestehende Einnahmen – wenn irgend möglich – dem Staate in ausreichenderem Maße nutzbar zu machen als bisher.

Von diesem Gesichtspunkte aus ist vor Kurzem eine Erhöhung der Branntweinsteuer in die Wege geleitet worden1, von diesem Gesichtspunkte aus nimmt der Finanzminister gegenwärtig eine Erhöhung der Tabakverschleißpreise in Aussicht2. Der Zeitpunkt für diese Art der Einnahmenerhöhung ist insofern günstig, als sich ja auch Deutschland mit einer großzügigen Regulierung der Tabakpreise beschäftigt3 und weil überhaupt gerade diese Form der Abgabe, welche ja alle Schichten der Bevölkerung, soweit sie eben Raucher sind, trifft, auch vom wirtschaftlichen Standpunkte eventuell eine separate Regelung verträgt; überdies – wie gleich hier bemerkt werden soll – ist in Aussicht genommen, die Erhöhung der Tabakverschleißpreise in nicht allzu fernem Abstande von einer Besteuerung der Kriegsgewinste in Wirksamkeit treten zu lassen. Was nun die Regelung der Tabakverschleißpreise anlangt, so hat die letzte Regulierung derselben im Jahre 1911 stattgefunden und war insoferne von einem Erfolg begleitet, als nach Abrechnung des auf die natürliche Absatzsteigerung zurückführenden Mehrertrages ein jährliches Plus von rund 28 Millionen erzielt wurde. Bezüglich der in Aussicht genommenen neuen Tarifreform, aus der sich der Finanzminister eine jährliche Mehreinnahme von zirka 60 Millionen netto erhofft, sind die Vorverhandlungen mit dem ungarischen Finanzminister bereits abgeschlossen und es ist in den wesentlichen Punkten bereits eine vollkommene Übereinstimmung hergestellt4. Die Tabakpreiserhöhung wird sich auf sämtliche Fabrikate mit Ausnahme der Schnupftabake beziehen. Diese wurden von der Tarifreform ausgenommen, weil durch eine Preiserhöhung ihr Absatz, der ohnehin von Jahr zu Jahr einen Rückgang aufweist, besonders schwer getroffen werden würde, was im Interesse des Südtiroler Tabakbaues, der ausschließlich den Rohstoff für die Schnupftabake liefert, aus volkswirtschaftlichen Gründen vermieden werden muss. Die Erhöhung der Tarifpreise soll in der Weise vorgenommen werden, dass die von den wohlhabenderen Klassen konsumierten Sorten eine perzentuell höhere Steigerung erfahren, als die mittleren Sorten und diese wieder eine größere Steigerung als jene Fabrikate, die von der Arbeiterklasse gekauft werden. So beträgt zum Beispiel die Preissteigerung für die Luxus- und die hochfeinen Zigarren durchschnittlich 30 bis 40%, jene der mittleren Sorten 20 bis 30% und die der niedrigsten Fabrikate 1 h = 9 bis 10%, wovon allerdings die „Kleine Inländer“, die statt 4 5 h kosten wird aus münztechnischen Gründen mit 25% Erhöhung eine Ausnahme macht.

Nach demselben Prinzip soll auch bei der Erstellung der neuen Preise für die Zigaretten vorgegangen werden. Nach demselben Prinzip soll auch bei der Erstellung der neuen Preise für die Zigaretten vorgegangen werden. Hier beträgt die Erhöhung der feinsten Sorten 2 bis 4 h, die der mittleren 1 bis 2 h und die der niedrigsten½ h per Stück. Leider musste auch hier die niedrigst tarifierte Zigarette (die „Ungarische Zigarette“) von 1 h auf 1½ h erhöht werden, was ausnahmsweise einer 50%igen Preissteigerung gleichkommt. Es ist aber geplant, sobald die technischen Vorarbeiten dies zulassen, eine neue 1 h Zigarette in den Verschleiß zu bringen, um den ärmsten Konsumenten ein Ausweichen auf den niedrigsten Stückpreis zu ermöglichen. Bei den Zigarettentabaken werden die feinsten Sorten eine Preissteigerung von 70 bis 80%, die mittleren eine solche von 50% und die niedrigsten Sorten, nämlich der „Drama“ und der „Feinste ungarische Zigarettentabak“ eine Preissteigerung von zirka 33% erfahren. Bei den Pfeifentabaken dagegen wird eine Erhöhung im Allgemeinen 30 bis 40% und nur bei dem ordinärsten „Landtabak“ zirka 12½% betragen. Gleichzeitig mit dieser Tarifreform wird auch eine Erhöhung für den an die Soldaten zum ermäßigten Preis abzugebenden sogenannten „Limitorauchtabak“, und zwar von 8 auf 10 h per Brief vorgenommen werden, da die gegenwärtigen Gestehungskosten sich bereits auf diesen Betrag belaufen. Der Verschleiß von ausländischen Fabrikaten in den Spezialgeschäften wäre nach Ansicht des Finanzministers während des Krieges schon aus volkswirtschaftlichen Gründen und zur Verbesserung unserer Valuta gänzlich einzustellen und die Entscheidung darüber, ob und unter welchen Modalitäten dieser ärarische Verschleiß nach Friedensschluss wieder aufgenommen werden soll, einem späteren Zeitpunkt vorzubehalten. Zu demselben Zwecke wird auch beabsichtigt, die sogenannten „Lizenzgebühren“, die von den Privaten bei der Einfuhr von ausländischen Tabakfabrikaten neben dem Zoll zu entrichten sind, von den bisherigen Sätzen (60 K, 35 K und 30 K per ein kg Zigaretten, Zigarren beziehungsweise andere Fabrikate) auf 150 K, 100 K und 50 Kb zu erhöhen, sodass die durchschnittliche Belastung für eine Zigarre zirka 1 K und für eine Zigarette rund 10 h betragen würde. Der Finanzminister ist sich klar darüber, dass diese Abgabenerhöhung, welche die für den inländischen Tarif in Aussicht genommenen Preissteigerungen um ein Vielfaches übersteigt, für manche Fabrikate, namentlich für den deutschen Zigarrenimport, geradezu prohibitiv wirken wird. Es dürfte sich daher empfehlen, für den Fall der Unmöglichkeit eines dauernden Widerstandes gegen eventuell zu gewärtigende diplomatische Schritte eine Herabsetzung der Lizenzgebühren im Verordnungswege vorzubehalten.

Die Erhöhung der Lizenzgebühren kann nur im Wege einer kaiserlichen Verordnung in Kraft gesetzt werden, die möglichst gleichzeitig mit der Tarifreform durchzuführen wäre. Gegenwärtig steht es aber noch nicht fest, ob eine analoge Verfügung in Ungarn im Verordnungswege getroffen werden kann. Sollte dies nicht möglich sein, dann müsste mit der Publikation der kaiserlichen Verordnung zugewartet werden, bis auch in Ungarn ein analoger Gesetzentwurf zur Annahme gelangt ist. Der Finanzminister bringt den vorläufigen Entwurf dieser kaiserlichen Verordnung zur Kenntnis des Ministerrates und fügt zur Aufklärung bei, dass die im § 2 vorgesehenen Strafsanktionen für die unbefugten Vermittlungen des Bezuges von Tabak und Tabakfabrikaten aus dem Ausland und für sonstige von Tabakagenten begangene Zuwiderhandlungen gegen die bestehenden Kontrollvorschriften sich aus dem Grunde empfehlen, um dem Agentenunwesen energischer, als dies bisher der Fall war, entgegentreten zu können. Der Finanzminister bittet sohin, die von ihm beabsichtigte im Verordnungswege durchzuführende Tabakpreiserhöhung zur Kenntnis nehmen zu wollen und ihm die Ermächtigung zu erteilen, den Entwurf der kaiserlichen Verordnung über die Erhöhung der Lizenzgebühren im gegebenen Zeitpunkt der Ah. Sanktion zuführen zu dürfen5.

Bei diesem Anlasse möchte der Finanzminister auch darauf aufmerksam machen, dass es sein lebhaftestes Bestreben war, den in der letzten Zeit vielfach aufgetretenen Klagen wegen nicht ausreichender Versorgung der Bevölkerung mit Tabak- und Tabakfabrikaten, insbesondere Zigaretten, nach Möglichkeit abzuhelfen6. Der Grund für diese unzureichende Versorgung liegt in erster Linie natürlich darin, dass die Generaldirektion der Tabakregie bezüglich der Zigarettentabake mit Rücksicht auf die Sperrung der Einfuhr aus dem Auslande ein gewisses Maß in der Verausgabung der vorhandenen Vorräte einhalten musste, bis es wieder möglich sein wird, Tabake in größeren Mengen aus unseren bisherigen ausländischen Produktionsgebieten zu beziehen7. Der Finanzminister bemerkt, dass es ihm gerade in der letzten Zeit gelungen ist, durch seine persönliche Einflussnahme den Ankauf einer relativ ziemlich großen Menge von rumänischem Zigarettentabak durch die Generaldirektion der Tabakregie zu ermöglichen, sodass es – wenn dieser Tabak auch noch nicht eingebracht ist – möglich sein wird, mit Rücksicht auf diesen zu gewärtigenden größeren ausländischen Tabakbezug die Vorräte an Tabaken in einem stärkeren Maße in Anspruch zu nehmen, sodass die Klagen über unzureichende Konsumbeteilung voraussichtlich schon in nächster Zeit verstummen dürften8.

[V.–IX. fehlt.]

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. [Franz Joseph.] Wien, 18. Juli 1916.