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Nr. 69 Ministerrat, Wien, 12. April 1872

RS. und bA.; P. Weber; VS. Auersperg; BdE. und anw. (Auersperg 12. 4.); Lasser 17. 4., Banhans 18. 4., Stremayr, Unger, Chlumecký 21. 4., Pretis, Horst 20. 4.; abw. Glaser.

[Tagesordnungspunkte]
KZ. 1387 – MRZ. 54

|| || Protokoll des zu Wien am 12. April 1872 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Durchlaucht des Herrn Ministerpräsidenten Fürsten Auersperg.

I. Mitteilung des Ministerpräsidenten betreffend die Ag. Entgegennahme der Glückwünsche des Ministeriums aus Anlass der Verlobung Ihrer kaiserlichen Hoheit der Frau Erzherzogin Gisela

I. ℹ️ Der Ministerpräsident hat sich, da Se. Majestät derzeit in Ofen weilen, wenngleich er hofft, dass es nach der Ah. Rückkunft den Ministern gegönnt sein wird, ihre au. || || Glückwünsche aus Anlass der Verlobung Ihrer kaiserlichen Hoheit der Frau Erzherzogin Gisela, sowohl Ihren Majestäten als der durchlauchtigsten Braut in korporativer Aufwartung zu Füßen zu legen, seinem eigenen Gefühle und dem Wunsche der Minister folgend, die ehrerbietigste Freiheit genommen, seine und des Gesamtministeriums freudige Teilnahme und tiefgefühlten Glückwünsche sowohl für Ihre k. u. k. Majestäten als für Ihre kaiserliche Hoheit der Frau Erzherzogin Gisela durch Vermittlung des Kabinettsdirektors Sr. Majestät au. zu unterbreiten.

Nach einem umgehend eingelangten Schreiben des Kabinettsdirektors haben Se. apost. Majestät diese Kundgebung auf das huldreichste entgegenzunehmen und den Kabinettsdirektor zu beauftragen geruht, dem Gesamtministerium im Ah. eigenen Namen, im Namen || || [Ihrer] Majestät der Kaiserin und der durchlauchtigsten Braut den herzlichsten Dank auszusprechen. Der Ministerpräsident macht hievon dem Ministerrat die Mitteilung.1

II. Weitere Vorkehrungen gegen das Überwuchern der Vereinsgründungen

II. ℹ️ Der Minister des Innern hält es angesichts des außerordentlichen Andrangs von Einschreitenden um Gründungskonzessionen, obwohl er glaubt, dass die jetzigen Börsezustände bereits einen Grad der Übersättigung herbeigeführt haben dürften, welcher die Unternehmungslust etwas herabzustimmen geeignet ist, dennoch für geboten, dem Überwuchern von derlei Unternehmungen im Wege einer im Gesetz gegründeten Änderung der gegenwärtig in Übung stehenden Behandlung dieser Angelegenheiten durch das Ministerialvereinskomitee nach Möglichkeit Schranken zu setzen.2

Nach § 14 des für Aktien|| || gesellschaften giltigen Vereinsgesetzes vom 26. November 1852 kann die Bewilligung zur Errichtung von Vereinen nur dann erteilt werden, wenn: a) der Zweck des Vereines erlaubt ist, und nach dem Gesetze Gegenstand eines Vereines sein darf; b) die Bewilligungswerber nach ihren persönlichen Verhältnissen, und wo es nötig ist, auch nach ihren Vermögensumständen, für die aufrechte Ausführung des Unternehmens Beruhigung gewähren oder wenigstens kein gegründetes Bedenken wegen Verfolgung unerlaubter Nebenzwecke obwaltet, und c) wenn der Plan des Unternehmens und dessen || || Belege den gesetzlichen Anforderungen (§§ 8–13 des Vereinsgesetzes) und den eintretenden öffentlichen Rücksichten entsprechen.3

Die Beurteilung, ob das sub a) erwähnte Erfordernis vorhanden sei, dann ob der Plan des Unternehmens und dessen []ege den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, bleibt bei Erteilung der Bewilligung zur Errichtung von Aktiengesellschaften ausschließlich der die Konzession verleihenden Behörde, das ist dem Ministerium des Innern im Einvernehmen mit den übrigen beteiligten Ministerien anheimgestellt. In Absicht auf das Vorhandensein des Erfordernisses sub b) wird sich die Überzeugung in der Regel durch Einvernehmen der betreffenden Landesbehörde verschafft, wenn nicht die Konzessionswerber bereits von anderen Gründungen oder überhaupt allgemein bekannt sind, oder wenn bereits bestehende Gesellschaften, Banken u. dgl. Institute, die nach ihren Statuten das Gründungsrecht besitzen, als Konzessionswerber auftreten. Dagegen wurde bisher das zweite im § 14 lit. c. erwähnte Erfordernis, dass nämlich der Plan des Unternehmens || || den eintretenden öffentlichen Rücksichten entsprechen müsse, bei dem Vorhandensein der übrigen im § 14 vorgezeichneten Erfordernisse in der Regel minder streng aufgefasst, und über diese Frage auch bei Einholung der Personalauskünfte (§ 14 lit. b.) ein Gutachten von den Landesbehörden nicht abverlangt. Angesichts der in neuester Zeit zu Tage getretenen Überproduktion von Gründungen scheint es aber angezeigt, gerade diesem Erfordernisse eine erhöhte Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die Beurteilung, ob dieses Erfordernis als vorhanden zu betrachten sei, ist für das Ministerium des Innern in vielen Fällen eine schwierige wo nicht unmögliche, weil es sich hiebei um die genaue Kenntnis rein lokaler Verhältnisse oder um die Würdigung von Umständen handelt, deren Beurteilung dem Geschäfts- und Wirkungskreise des Ministeriums des Innern überhaupt || || [ferne] liegen. Es sei in dieser Beziehung hier beispielsweise nur erwähnt, dass in Wien allein unter verschiedenen Benennungen bereits fünf Makler- oder Börsenbanken bestehen, und dass dessen ungeachtet wieder drei Gesuche um Konzessionierung ähnlicher Banken, zur Genehmigung vorliegen. Gleiche Verhältnisse walten auch bezüglich der Baugesellschaften, den Transportunternehmungen, den Versicherungsgesellschaften usw. ob. Es drängt sich daher notwendig die Frage auf, ob die endlose Vervielfältigung solcher Unternehmungen, „den eintretenden öffentlichen Rücksichten“ entspreche, eine Frage, die sich aber als eine teils lokale, teils gewissermaßen technische der ausschließlichen Beurteilung des Ministeriums des Innern entzieht. Um daher dem Überwuchern der Gründungen innerhalb der streng gesetzlichen Grenzen einigermaßen Schranken || || zu setzen, dürfte es angemessen sein, im Allgemeinen als Norm festzusetzen, dass in der Regel jedes Gesuch um Konzessionierung einer Aktiengesellschaft (insbesondere aber von Banken und Kreditinstituten) der Landesbehörde jenes Landes, in welchem die Gesellschaft ihren Sitz haben soll, zur gutachtlichen Äußerung nicht nur über die persönlichen Verhältnisse der Bewilligungswerber (§ 14b), sondern auch über die Frage zuzumitteln sei, ob der Plan des projektierten Unternehmens den eintretenden öffentlichen Rücksichten entspreche. Hiebei wäre der Landesbehörde in jenen Fällen, wo bei Beurteilung dieser Frage außerhalb ihres Wirkungskreises gelegen ist, noch insbesondere aufzutragen, diesfalls die Meinung der zunächst hiezu berufenen Behörden oder Organe einzuholen. Übrigens müsste es dem Ministerium des Innern außerdem noch überlassen bleiben, || || [bei] dem Eingehen in die eigentliche Konzessionsverhandlung vorkommenden Falles auch noch mit den beteiligten Ministerien über die obenerwähnte Frage Rücksprache zu pflegen. Ein solcher Vorgang würde eine minder rasche Erledigung der vorkommenden Konzessionsgesuche zur Folge haben, und es dürften hiedurch die meisten jener Gründungswerber, welchen es nicht um ein ernstliches Unternehmen, sondern hauptsächlich nur um schnelle Erzielung von Börsengewinn zu tun ist, von vorneherein von einem Einschreiten zurückgeschreckt werden. Der Minister des Innern beabsichtigt, das Vereinskomitee in diesem Sinne zu instruieren, und erbittet sich hiezu die Zustimmung der Minister, welche das Vereinskomitee durch ihre Vertreter beschicken.

Der Finanzminister unterstützt diesen Antrag auf das Lebhafteste, da er es für || || eine Pflicht der Regierung hält, alles zu tun, um diesem gefährlichen Treiben entgegenzuwirken. Durch eine Börsenkrisis gehe man der industriellen Krisis entgegen, und in kürzester Zeit würde man die blühendsten Etablissements unter den Hammer kommen sehen.

Er würde wünschen, dass die Sitzungen des Vereinskomitees, da durch dieselben die auch noch anderweitig stark beschäftigten Komiteemitglieder übermäßig in Anspruch genommen werden, systemmäßig auf eine im Monate reduziert würden. Was in dieser Sitzung nicht erledigt werden kann, hätte eben liegen zu bleiben. Auch wäre den Landeschefs vertraulich anzudeuten, dass sie sich mit den Berichterstattungen über derlei Konzessionsgesuche nicht allzu sehr beeilen. Der Minister des Innern ist bereit, diese Vorkehrungen zu treffen.

Die Konferenz ist mit dem || || Vorhaben des Ministers des Innern einhellig einverstanden.4

III. Entwurf einer Bauordnung für Vorarlberg

III. ℹ️ Dem Minister des Innern liegt ein vom Vorarlberger Landtag abweichend von der bezüglichen Regierungsvorlage beschlossener Entwurf einer Bauordnung für das Land Vorarlberg vor.5

Dieser Gesetzentwurf gibt, abgesehen von einigen minder erheblichen Anständen in administrativer Beziehung zu folgenden wesentlichen Bemerkungen Anlass: § 5 alinea 3. Die Bestimmung, dass bei Nichterzielung eines Übereinkommens bezüglich der privatrechtlichen Einwendungen der Nachbarn die Baubewilligung nicht erteilt werden könne, steht, insofern damit auch jeder weitere Ausspruch über die Zulässigkeit des Baues ausgeschlossen ist, mit der Regierungsvorlage (§ 10) und den Grundsätzen anderer Bauordnungen im Widerspruche und || || ist überhaupt unzulässig. § 8: Die Kompetenz des Landesausschusses zu den in diesem Paragrafe bezeichneten Amtshandlungen muss behufs Wahrung des Instanzenzuges für die Parteien und da der Landesausschuss bei einer solchen Kompetenz auch in die Lage käme, in eigener Sache zu entscheiden, beanständet werden. § 11: In diesem Paragrafe ist der § 18 der Regierungsvorlage in unzulässiger Weise abgeändert, weil nicht nur die Bestimmung, wornach Gebäude in einer nicht zehn Klafter betragenden Entfernung gegen die Bahn keinen unmittelbaren Ausgang haben dürfen, weggelassen, sondern auch der Feuersicherheitsrayon von 30 auf zehn Klafter eingeengt worden ist. § 16: Die in der Regierungsvorlage in Übereinstimmung mit anderen Bauordnungen und in Rücksicht auf den Wirkungs|| || kreis der politischen Behörden in Expropriationsfällen den letzteren zugewiesene Kompetenz wird hier dem überdies inappellabel entscheidenden Landesausschusse eingeräumt.

In Anbetracht dieser Bedenken sieht sich der Minister des Innern genötigt, bei Sr. Majestät die Nichtsanktionierung des gedachten Gesetzentwurfes au. zu beantragen, und sich zugleich die Ag. Ermächtigung zu erbitten, die gegen den Gesetzentwurf in administrativer und technischer Beziehung sprechenden Bedenken der Landesvertretung bekannt geben zu dürfen.

Der Ministerrat tritt diesem Antrage bei.6

IV. Gesetzentwurf betreffend einen Zusatz zur galizischen Landtagswahlordnung

IV. ℹ️ Der Minister des Innern referiert über den vom galizischen Landtage beschlossenen Gesetzentwurf, betreffend || || einen Zusatz zur Landtagswahlordnung.7

Nachdem in Abänderung des § 52 Landtagswahlordnung für Galizien vom 26. Februar 1861 erflossenen Gesetze vom 20. September 18668 ist während der auf die erste Landtagsperiode folgenden sechs Landtagssessionen zur Beschlussfassung über Änderungen der Landtagswahlordnung nur die Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Gesamtzahl der Landtagsmitglieder erforderlich und können diese Änderungen mit absoluter Stimmenmehrheit der Anwesenden beschlossen werden. Nach Ablauf dieser sechs Landtagssessionen soll dagegen in Gemäßheit des gedachten Gesetzes zu den erwähnten Änderungen die Gegenwart von wenigstens drei Vierteilen der Gesamtzahl der Landtagsmitglieder und die Zustimmung von mindestens zwei Dritteilen der anwesenden Mitglieder erforderlich sein. Nachdem die durch die || || letzterwähnte Bestimmung des Gesetzes vom 20. September 1866 statuierte Erleichterung bei der Beschlussfassung über Änderungen der Landtagswahlordnung nunmehr in der nächsten, d. i. der sechsten Jahressession der laufenden Landtagsperiode zur Anwendung gebracht werden könnte, hat der galizische Landtag in der Sitzung vom 12. Oktober 1871 den Entwurf eines Gesetzes beschlossen, nach welchem die gedachte Erleichterung nicht nur während der gegenwärtigen Landtagsperiode gelten, sondern auch auf die nächstfolgenden sechs Landtagssessionen ausgedehnt werden, in Hinkunft aber zur Beschlussfassung über Änderungen der Landtagswahlordnung nur die Anwesenheit von wenigstens zwei Dritteln aller Landtagsmitglieder und die Zustimmung von wenigstens zwei Drittel der anwesenden Mitglieder erforderlich sein soll.

Als Motiv des Gesetzes wird in dem Berichte des Statth|| || alters9 nur angeführt, dass der Landtag bisher noch nicht in die Lage gekommen sei, von den Modalitäten des jetzigen Gesetzes Gebrauch zu machen. Der Minister des Innern ist der Ansicht, dass gerade darin das gewichtigste Motiv gegen das Gesetz liegt. Denn das Bedürfnis nach einer Änderung der Wahlordnung könne unmöglich bedeutend sein, wenn der Landtag jetzt eine Änderung nicht vorgenommen hat, wo er sie mit einer einfachen Majorität der Hälfte der Mitglieder hätte durchführen könne. Sollte übrigens ein solches Bedürfnis noch auftauchen, so ist die Möglichkeit der Änderung nach dem gegenwärtig geltenden Gesetze noch in der nächsten Session gegeben. Der vorliegende Gesetzentwurf führe praktisch dahin, dass nicht einmal die Hälfte der Stimmen (4/9 d. i. 67 Mitglieder) notwendig wäre, um eine Änderung der Wahlordnung vorzunehmen. Eine || || solche, der Stabilität der Wahlordnung widerstrebende, von allen anderen Wahlordnungen abweichende Bestimmung könne er nicht befürworten, halte es vielmehr mit Rücksicht auf die gespannten Parteiverhältnisse in Galizien für bedenklich, auf diese Weise die Minorität zu so wichtigen Änderungen zu autorisieren. Er gedenkt daher bei Sr. Majestät die Nichtsanktionierung dieses Gesetzentwurfes au. zu beantragen.

Die Konferenz stimmt einhellig bei.10

V. Gesetzentwurf des niederösterreichischen Landtags über die Kompetenz bei Berufungen gegen Entscheidungen des Wiener Gemeinderates in Bauangelegenheiten

V. ℹ️ Der niederösterreichische Landtag hat den Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Berufung gegen Entscheidungen des Wiener Gemeinderates in Bauangelegenheiten zum Beschlusse erhoben.11

Nach diesem Gesetzentwurfe soll einer Berufung gegen Entscheidungen des Wiener Gemeinderates, welche die || || Bestimmung der Baulinie und das Niveau, die Abteilung eines Grundes auf Bauplätze und den Abteilungsplan zum Gegenstande haben (§ 87 Bauordnung für Wien) nur dann stattzugeben sein, wenn durch solche Entscheidungen der gesetzliche Wirkungskreis der Gemeinde überschritten, ein bestehendes Gesetz verletzt oder fehlerhaft ausgelegt wird, und sollen in diesen Fällen die Bauoberbehörden (Wiener Baudeputation und Ministerium des Innern) nur berechtigt sein, die Entscheidung des Gemeinderates aufzuheben, ohne sich in eine meritale Entscheidung des Falles einzulassen. Der Statthalter von Niederösterreich12 spricht sich gegen die Erwirkung der Ah. Sanktion aus, und der Minister des Innern erklärt, dass er diesem Antrag mit aller Entschiedenheit nur beitreten kann. Nach den bisherigen gesetzlichen Bestimmungen können die Baudeputation und das Ministerium des Innern Ent|| || [schei]dungen und Verfügungen der Gemeinde in Betreff des Niveaus, der Baulinie und der Abteilung von Gründen nicht bloß wegen Ungesetzlichkeit aufheben, sondern auch aus anderen sachlichen Gründen abändern, und dieses Entscheidungsrecht ist es, welches nach dem vom niederösterreichischen Landtage beschlossen Gesetzentwurfe in der obigen Weise beschränkt werden soll. In Konsequenz einer solchen Beschränkung wäre der Gemeinderat in den bei Weitem meisten Fällen dieser Art als einzige Instanz zu entscheiden berufen, da es sich dabei um Entscheidungen oder Verfügungen handelt, bei denen die Verletzung einer ausdrücklichen Bestimmung des Gesetzes in der Regel nicht in Frage kommt. Eine so weit gehende Kompetenz der Gemeinde könnte jedoch aus den wichtigsten Gründen nicht befürwortet werden. Verfügungen dieser Art || || betreffen nicht allein die Gemeinde als solche, sondern nehmen einen großen Einfluss auf Privatrechte und können umso weniger der alleinigen Entscheidung der Gemeindeverwaltung überantwortet bleiben, als die Gemeinde sich gegenüber den Privaten in diesen Fällen wegen der das Gemeindevermögen in Folge von Grundabtretungen, Expropriationen etc. treffenden Vor- oder Nachteile häufig in keiner ganz unbefangenen Stellung befindet und die seit der Bauordnung vom Jahre 186813 gemachten Erfahrungen wirklich herausgestellt haben, dass der Schutz, welchen diese Bauordnung den Privaten gewährt, auch notwendig ist. Dazu kommen die besonderen Verhältnisse Wiens als der Haupt- und Residenzstadt des Reiches, die zahlreichen öffentlichen Bauten, die Stadterweiterung, die Donauregulierung14 und die damit verbundenen Opfer aus Staats- und anderen öffentlichen Mit|| || teln für das bauliche Ansehen von Wien lassen es nicht ratsam erscheinen, dass sich die Staatsverwaltung des ihr nach der gegenwärtigen Bauordnung zukommenden Einflusses auf die fraglichen Bauangelegenheiten begebe.

Der Minister des Innern weist beispielsweise auf einige in neuerer Zeit vorgekommene flagrante Fälle hin. Ein solcher ist der Bau im Strafgerichtsgebäude, wo die Gemeinde das Zurückrücken der Baulinie um drei Fuß verlangte, und das Justizministerium bei Bestand der durch den vorliegenden Gesetzentwurf angestrebten Inappellabilität der gemeinderätlichen Entscheidung nicht in der Lage gewesen wäre, den Bau für den Schwurgerichtssaal zu effektuieren. Ein weiterer Fall ergab sich bei dem Umbau des Kaiserbades, wo die Gemeinde die Baustelle deshalb beanständete, weil sie einmal in die Lage kommen könnte, || || das Kaiserbad im Expropriationswege einzulösen. Diese Beispiele zeigen, wohin man zum Nachteile öffentlicher und Privatinteressen bei einer solchen Ausdehnung des gemeinderätlichen Wirkungskreises gelangen würde.

Die Konferenz stimmt dem Antrage auf Nichtsanktionierung dieses Gesetzentwurfes einhellig bei.15

VI. Antrag auf Verleihung des Ritterkreuzes vom Leopoldorden an den Vorarlberger Landeshauptmann Sebastian Edlen von Froschauer

VI. ℹ️ Der Landeshauptmann von Vorarlberg und ehemalige Kreishauptmann von Bregenz, Sebastian Edler von Froschauer ist um seine Enthebung von dem Landeshauptmannposten eingeschritten.16

Froschauer versieht diesen Posten seit dem Bestehen des Landestages, also seit dem Jahre 1861. Dass er dabei mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, ergibt sich daraus, dass sein Stellvertreter, Fabrikant Ganahl17, das einzige der Verfassungspartei angehörige Landesausschussmitglied, mit Geschäften so überhäuft ist, dass er sich den Landesausschussarbeiten wenig widmen kann, und die andern der Gegenpartei angehörigen Mit|| || glieder größtenteils außerhalb Bregenz leben. Bei diesen Umständen ruht die ganze Last des Geschäftes auf dem Landeshauptmanne, und er besorgt dasselbe gegen eine unbedeutende Funktionsgebühr ganz allein, bloß mit Hilfe eines gleichfalls gering besoldeten Sekretärs. Da er in Jahren bereits vorgerückt und überdies genötigt ist, getrennt von seiner Familie zu leben, die sich wegen der Krankheit seines in einer hiesigen Anstalt unterbrachten Sohnes nach Wien gezogen hat, so ist es begreiflich, dass er seiner Stellung müde ward, und sich ungeachtet alles Zuredens nicht abhalten ließ, um die Enthebung von dem Landeshauptmannposten zu bitten. Der Statthalter bezeichnet das Ausscheiden Froschauers als eine Kalamität für den Dienst, da es dermal geradezu unmöglich ist, einen Nachfolger in dem Amte des Landeshauptmannes in Antrag zu bringen. Dies und der Umstand, dass || || Froschauer, obwohl er 40 Jahre im Staatsdienste zugebracht hat und seit elf Jahren den Posten des Landeshauptmannes versieht, noch nie eines Zeichens der Ah. Zufriedenheit mit seiner Dienstleistung teilhaftig geworden ist, hat in dem Statthalter den Gedanken angeregt, dass Froschauer vielleicht dadurch zum Bleiben zu vermögen wäre, wenn ihm die wohlverdiente Anerkennung seiner Dienstleistung durch eine bei Sr. Majestät zu erbittende Ah. Auszeichnung zu Teil würde. Der Minister des Innern ist gleichfalls der Meinung, dass dies ein Mittel sein dürfte, den Landeshauptmann von Froschauer noch für einige Zeit zum Ausharren zu bestimmen, und will sich daher erlauben, für den Genannten die Ag. Verleihung des seiner Stellung als Landeshauptmanne entsprechenden Ritterkreuzes vom Leopoldorden au. in || || Antrag zu bringen.

Die Konferenz stimmt einhellig bei.18

VII. Antrag auf Verleihung des Ritterkreuzes vom Leopoldorden an den pensionierten Finanzlandesdirektor Ministerialrat Josef Curter von Breinlstein

VII. ℹ️ Der Finanzminister wird mit einhelligem Beschlusse ermächtigt, den in den Ruhestand getretenen Finanzlandesdirektor von Tirol, Ministerialrat Josef Curter von Breinlstein, in Anerkennung seiner vieljährigen ausgezeichneten Dienstleistung dem Antrage des Statthalters gemäß, Sr. apost. Majestät zur Ag. Verleihung des Ritterkreuzes vom Leopoldorden au. zu empfehlen.19

VIII. Antrag auf Verleihung des Eisernen Kronen Ordens III. Klasse an den Fabrikanten Adolf Mautner

VIII. ℹ️ Der Handelsminister ist von hochachtbarer Seite auf die einer Ah. Auszeichnung würdigen Verdienste des Fabrikenbesitzers Adolf Ignaz Mautner || || in Wien aufmerksam gemacht.

Der Statthalter, zur Äußerung aufgefordert, berichtet nach Einvernehmung der Polizeidirektion und der Wiener Handelskammer, dass der Genannte, welcher die umfangreichen Brauereipresshefe und Spiritusfabriken in St. Marx, Simmering und Floridsdorf, dann die Malzfabrik zu Göding begründet und besitzt, zu den bedeutendsten Industriellen Österreichs zählt, und sich um die vaterländische Industrie große Verdienste erworben hat. Seiner hervorragenden Tätigkeit und Intelligenz ist die hohe Stufe der von ihm kultivierten Fabrikationszweige zu danken, und beweist die Steuerzahlung von über 2 ¼ Millionen Gulden die Großartigkeit seiner Etablissements. Anlässlich der Pariser Weltausstellung wurden seine Verdienste in dieser Richtung durch Verleihung des Ritterkreuzes vom Franz-Joseph-Orden Ah. gewürdigt.20 || || Volle Beachtung verdient weiter auch sein humanitäres Wirken, indem er seinem Vermögen entsprechende namhafte Summen gemeinnützigen Anstalten spendete, die Gründung eines Kinderspitales im Bezirke Landstraße und hiezu die Widmung einer Summe von 200.000 fl. in Aussicht genommen hat, und durch 14 Jahre als Kirchenvater und Ortsschulaufseher am Rennwege eine ersprießliche Tätigkeit entfaltete. Adolf Ignaz Mautner gelte als ehrenhafter Charakter und habe seine wahrhaft loyale Gesinnung sowohl im Jahre 1848 als auch in den Kriegsjahren durch lobenswerte Haltung und Opferwilligkeit bestätigt. Der Statthalter glaubt sonach in Übereinstimmung mit der Handelskammer den Genannten, welcher bereits 70 Jahre zählt, der in Anregung gebrachten Ah. Auszeichnung mit dem Orden der Eisernen Krone III. Klasse als vollkommen würdig bezeichnen zu können.21 || || Der Handelsminister tritt dieser Ansicht bei, und beabsichtigt für Adolf Mautner in Anerkennung seiner auf industriellem Gebiete erworbenen Verdienste und seines humanitären gemeinnützigen Wirkens bei Sr. Majestät die Ag. Verleihung des Ordens der Eisernen Krone III. Klasse au. in Antrag zu bringen.

Er sieht sich jedoch verpflichtet, zur Sprache zu bringen, dass im Laufe der eingeleiteten Erhebungen, wie aus dem Polizeidirektionsbericht ersichtlich wird, bekannt geworden ist, es seien während der fünfziger Jahre im Bräuhause zu St. Marx Gefällsverkürzungen vorgekommen, und von der Finanzbehörde Gefällsstrafen ausgesprochen worden.

Dies veranlasste den Polizeidirektor darüber näher Nachforschungen zu pflegen. Aus der Note der Finanzbehörde ergebe sich aber, dass gegen Mautner selbst nie ein Erkenntnis gefällt worden, || || und dass derselbe für die gegen seinen Bediensteten, den Brauführer Fallenbacher ausgesprochenen Geldstrafen freiwillig als Zahlender eingetreten ist.22 Der Handelsminister bemerkt, dass Mautner für seine Person an diesen Vorfallenheiten nicht die geringste Schuld trägt. Nach seiner Erfahrung im praktischen Leben sei es mit Rücksicht auf die bestehende Gesetzgebung im praktischen Leben, welche für die Erzeugung des Oberhefebieres berechnet war, und auf die seitherigen Fortschritte der Bierbrauerei in Erzeugung des Oberhefe- und Lagerbieres, dann mit Rücksicht auf die Handhabung des Gesetzes geradezu unmöglich, dass selbst bei der größten Ehrlichkeit und Sorgfalt des Bräuereibesitzers nicht Gefällsverkürzungen in der Weise vorkommen, dass größere Quantitäten Bieres im Keller vorhanden sind, als zur Erzeugung angemeldet wurden. Er habe diese Ansicht seinerzeit im Abgeordnetenhause öffentlich ausgesprochen, ohne dass er von || || einer Seite hätte widerlegt werden können.23 Da übrigens in den vorliegenden Akten Mautner als ein Charakter von reinster Ehrenhaftigkeit und Biederkeit, und als eine Zierde des Bürgerstandes bezeichnet, und beigefügt wird, dass die angeregte Ah. Auszeichnung in allen Kreisen mit Befriedigung aufgenommen werden würde, so glaube er in dem erwähnten Faktum nicht das geringste Bedenken gegen seinen Antrag zu finden.

Die Konferenz ermächtigt den Handelsminister einhellig für Adolf Ignaz Mautner die erwähnte Ah. Auszeichnung au. in Antrag zu bringen.24

IX. Antrag auf Verleihung des Ordens der Eisernen Krone III. Klasse an den russischen Zolldirektor Wilhelm Hugo und des Ritterkreuzes vom Franz-Joseph-Orden an den k. u. k. Konsularagenten Bernhard Exelbirth

IX. ℹ️ Der Handelsminister beabsichtigt, über Anregung der Bukowinaer Handelskammer und über Antrag des dortigen Landespräsidenten für einige russische Zollbeamte, deren Ein|| || flussnahme es zu danken ist, dass unser Verkehr an der russisch-galizischen Grenze nicht mehr die ihm in früheren Jahren widerfahrenen Vexationen zu erleiden hat, Ah. Auszeichnung im Wege des Ministeriums des Äußern von Sr. Majestät au. zu erbitten, und zwar für den Direktor der russischen Zollbehörde in Novosielica, Oberst und Hofrat Wilhelm Hugo, den Orden der Eisernen Krone III. Klasse und für den dort als k. k. Konsularagent bestellten russischen Staatsangehörigen Bernhard Exelbirth das Ritterkreuz vom Franz-Joseph-Orden.

Der Ministerrat erteilt hiezu einhellig die Ermächtigung.25

X. Antrag auf Verleihung von Ritterkreuzen des Franz-Joseph-Ordens an den Konsulatsverweser Eduard Zappe in Japan, den Dolmetsch der deutschen Mission Peter Kempermann und den deutschen Konsul August Evers in Hyōgo

X. ℹ️ Dem Handelsminister ist von Seite des Ministeriums des Äußern ein Bericht des k. k. Ministerresidenten und General|| || konsuls Calice, ddo. 20. Jänner 1872, zugekommen, worin derselbe aus Anlass der Auswechslung der Ratifikationen unseres Vertrages mit Japan einige Personen, welche sich um die österreichisch-ungarische Vertretung daselbst besonders verdient gemacht haben, zu dem Ende aufführt, damit ihnen von der Ah. Gnade Sr. k. u. k. apost. Majestät Dekorationen zugewendet werden.26

Nach Calices Ansicht wäre für den mit der deutschen Konsularjurisdiktion für ganz Japan betrauten deutschen Konsularverweser Eduard Zappe, den Dolmetsch der deutschen Mission Peter Kempermann und den deutschen Konsul in Hyōgo, August Evers die Ag. Verleihung von Ritterkreuzen des Franz-Joseph-Ordens zu erwirken. Der Handelsminister hierüber um die Wohlmeinung befragt, gedenkt, dieselbe zustimmend zu erstatten.

|| || Die Konferenz gibt hierzu ihre Einwilligung.27

XI. Ah. Sanktionierung des Gesetzes über die Herstellung einer aus Obersteiermark nach Salzburg und Nordtirol führenden Eisenbahn

XI. ℹ️ Der Handelsminister bringt die erfolgte Ah. Sanktionierung des Gesetzes betreffend die Sicherstellung einer aus Obersteiermark nach Salzburg und Nordtirol führenden Lokomotiveisenbahn28, und

XII. Ah. Sanktionierung des Gesetzes über die Bestreitung der Kosten für die Bodenkulturhochschule in Wien

XII. ℹ️ der Ackerbauminister die Ah. Sanktionierung des Gesetzes über die Bestreitung der Kosten für die Bodenkulturhochschule in Wien

zur Kenntnis der Konferenz.29

XIII. Duplikerstattung an das Reichsgericht über die Replik der Grundbesitzer in Hirschstetten wider das Ärar wegen Expropriationsersätzen

XIII. ℹ️ Der Landesverteidigungsminister teilt eine Note mit, welche ihm in Angelegenheit der in den Ministerkonferenzen vom 9. und 14. März besprochenen Klage mehrerer Gutsbesitzer aus Hirschstetten || || in Niederösterreich gegen das k. k. Ärar auf Zuerkennung eines Ersatzes von 13.955 fr. 40 kr. für die im Jahre 1866 erlittenen Ernteschäden seitens des k. k. Reichsgerichtes zugekommen ist.30

Dem Reichsgerichte wurde nämlich im Grunde des Ministerratsbeschlusses auf seine Zuschrift erwidert, dass keines der k. k. Ministerien für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder sich in der Lage befinde, auf die Einbringung einer Gegenschrift einzugehen, vielmehr das k. k. Reichsgericht ersucht wird, diese Klage als zur Entscheidung des Reichsgerichtes nicht gehörig abzuweisen. Das Reichsgericht eröffnet nun, es habe, um über diese wichtige und präjudizierliche Einwendung auch die Gegenpartei zu hören, und um bevor eine öffentliche Verhandlung angeordnet wird, eine Plenarentscheidung des Reichsgerichtskollegiums selbst über jene Einwendung vorbereiten zu können, || || vorläufig beschlossen, von dem im § 13 der Geschäftsordnung vorgesehenen Vorbehalte Gebrauch zu machen, und die Einbringung einer Replik und Duplik zu ermöglichen. Hiernach wurde den Klägern eine Abschrift der oberwähnten Gegenäußerung mit der Einladung zur Erstattung einer Replik mitgeteilt. Diese wurde wirklich erstattet, und das Reichsgericht übersendet dieselbe mit dem Ersuchen, die etwa beliebige Duplik bis zum 20. April l. J. bei dem Reichsgerichte einzubringen. Der Landesverteidigungsminister glaubt zur Beratung der an das Reichsgericht zu richtenden, im Entwurfe vorbereiteten Erwiderung, worin die Ausführungen der Replik widerlegt und schließlich das Ersuchen um Zurückweisung der Klage als zur Kompetenz des Reichsgerichtes nicht gehörig erneuert wird, die Bestellung desselben Komitees (bestehend aus dem Justizminister, Minister Dr. Unger und Landesverteidigungsminister) || || vorschlagen zu sollen, welches durch Konferenzbeschluss vom 9. März l. J. mit der ersten Beratung dieser Angelegenheit betraut war.

Die Konferenz genehmigt diesen Antrag, erklärt für den Fall der Einigung des Komitees den Beschluss desselben im Vorhinein als akzeptiert, und behält sich nur für den Fall abweichender Ansichten die Schlussfassung vor.31

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 29. April 1872. Franz Joseph.