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Nr. 59 Ministerrat, Wien, 18. März 1872 – Protokoll II

RS. und bA.; P. Weber; VS. Auersperg; BdE. und anw. (Auersperg 18. 3.) Lasser 28. 3., Banhans 26. 3., Stremayr, Glaser, Unger, Chlumecký 27. 3., Pretis, Horst 7. 4.

KZ. 952 – MRZ. 44

|| || Protokoll II des zu Wien am 18. März 1872 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Durchlaucht des Herrn Ministerpräsidenten Fürsten Auersperg.

I. Mitteilung einer Ah. Entschließung betreffend die Einbringung einer Gesetzesvorlage über die direkten Reichsratswahlen

I. ℹ️ Der Ministerpräsident [macht] der Konferenz folgende [Mitteilung]: [Der] am 14. l. M. im Ver[fassungsaus]schuss zur Verhand[lung] [gelangte] Antrag Dr. Giskras, || || welcher dahin abzielte, die Wirksamkeit des galizischen Ausgleiches von der Einführung allgemeiner direkter Wahlen abhängig zu machen, und worüber, nachdem die Regierung den Antrag lebhaft bekämpft hatte, die Abstimmung auf die nächste Sitzung vertagt worden war, musste es der Regierung vom höchsten Wert erscheinen lassen, von Sr. Majestät die Ah. Bewilligung zu der Erklärung zu erhalten, die Regierung sei Ah. ermächtigt, in der Herbstsession des Reichsrates eine Gesetzesvorlage wegen Einführung direkter Wahlen für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder mit Ausnahme Galiziens und mit Festhaltung des Gruppensystems einzubringen.1

Auf die im telegrafischen Wege au. gestellte Bitte geruhten Se. Majestät mittelst Ah. Telegrammes vom 15. l. M. die Ermächtigung zu der || || [be]antragten Erklärung unter [der] Voraussetzung zu er[teilen], dass dadurch das Zu[stande]kommen des galizischen [Ausgleiches] in beiden Häusern [des] Reichsrates gesichert wird.2 [Unge]achtet des festen Entschlusses des Ministeriums, [der] Förderung des galizischen [Ausgl]eiches seine fortgesetzten [] Bemühungen auf[] glaubte es doch ei[ne Bürg]schaft im eigentlichen [Sinne] für das sichere Zustan[dekommen] desselben nicht [über]nehmen zu können. Der Ministerpräsident [erlaubte] sich, dieses Bedenken [und zwar] da sich Graf Andrássy [an jenem] Tage an das A[h.] Hoflager begab, durch [Vermitt]lung desselben Sr. Majestät au. zu unterbreiten. Se. Majestät hatten [hierauf] die Gnade, an den Ministerpräsidenten folgendes Telegramm ddo. Ofen 16. [März 1872] zu erlassen: „[] Besprechung mit dem [] Andrássy und in der || || Überzeugung der festgesetzten Wirksamkeit der Regierung zur Erreichung des in der galizischen Angelegenheit angestrebten Zieles, erteile ich dem Ministerium die unbedingte Ermächtigung, die in Meinem Telegramme vom 15. erwähnte Erklärung abzugeben.“3

Mittlerweile war im Verfassungsausschusse der Antrag des Subkomitees, für welchen die Regierung nachdrücklichst eintrat, zur Annahme gelangt. Hiedurch erschienen alle anderen Anträge beseitigt, und entfiel damit auch die Notwendigkeit für die Regierung, von der Ah. Erlaubnis Gebrauch zu machen, was auch Sr. Majestät sofort zur Ah. Kenntnis gebracht wurde.4

II. dtto. in Angelegenheit der Lostrennung Białas von Galizien

II. ℹ️ Aus Anlass des Ministerratsprotokolles vom 14. l. M. geruhten Se. Majestät mittelst Ah. Telegrammes, || || Ofen 16. März 1872, die Frage, [] der von der Gemeindevertretung Biała angestrebten Ausscheidung aus dem [Landesver]bande mit Galizien [] wichtig zu bezeichnen, [] dem dringenden Wunsch Ausdruck zu geben, dass sich das Ministerium ja nicht in [] der gestellten Bitte gün[stigem] Sinne ausspreche, ehe [Ah.] Denselben über die [Ange]legenheit in einem ein[gehenden] Vortrage die Ansicht des Ministeriums entwickelt [worden] ist.5

Der Ministerpräsident [ist] in der Lage, Sr. Majestät sofort die au. Anzeige zu erstatten, [dass] sich das Ministerium [im] Ausschusse gegen jede Trennung Białas entschieden ausgesprochen hat, infolge[dessen] alle darauf abzielenden Anträge fielen und be[schlossen] wurde, die Petitionen Komitee zur Erwägung []stellung in der || || Lostrennung Białas dessen spezielle Interessen zu wahren wären.

Der Ministerpräsident macht hievon der Konferenz die Mitteilung.6

III. Mitteilung einer Ah. Entschließung betreffs der Publizierung des Notwahlgesetzes

III. ℹ️ Der Minister des Innern eröffnet, dass Se. Majestät den au. Antrag in Betreff der Publikation des Notwahlgesetzes nach eingetretener Vertagung des Reichsrates genehmigend zur Ah. Kenntnis genommen haben,7 und dass

IV. dtto. wegen Vertagung des Reichsrates

IV. ℹ️ wegen Vertagung des Reichsrates bis zum 7. Mai l. J. die Ah. Ermächtigung eingelangt ist.8

V. Belassung des Hofratstitels für den aus dem Staatsdienste austretenden technischen Bahnkonsulenten von Nördling

V. ℹ️ Der Handelsminister teilt mit, dass der vor zwei Jahren als || || technischer Konsulent für Eisenbahnangelegenheiten in das Handelsministerium berufene Hofrat [Wilhelm v.] Nördling am 12. d. M. seine [Resignation] eingereicht hat, da[mit mo]tiviert, er habe die Über[zeugung] gewonnen, dass er in [seiner] Stellung nicht jene Wirksamkeit entfalten könne, die [er er]wartet hat, und die Resul[tate] seiner Wirksamkeit seien [so] geringfügig, dass ihn die Pflicht [gegen] sich selbst sowohl als gegen [die] Regierung mahne, seine [Enthebung] anzusuchen.9

Mündlich habe Nördling, der [eine] Berufung zur ungarischen Bahn mit 24.000 fr. Gehalt und [] sich auf weitere 16–20.000 fr. []enden Tantieme erhalten, angenommen hat, um tunlichste Beschleunigung seiner Enthebung gebeten. Der Handelsminister fügt bei, er habe nach der ersten [Mitteilung] Nördlings demselben [wieder]holt sein Bedauern zu [] gegeben, ihn ersucht, [] [gege]benen Versprechen ge[] Organisationsent[wurf dem] Eisenbahn[departement] || || im Handelsministerium vorzulegen, und sich bereit erklärt, ihm eine seinen Wünschen zusagende Stellung zu schaffen. Nördling habe jedoch erklärt, außerstande zu sein, eine Organisation zu entwerfen und durchzuführen, die dem Zwecke entspricht. Der Handelsminister gedenkt nun, mit Rücksicht auf die Stellung, die Nördling als Techniker einnimmt, und dessen sehr vorteilhaften Ruf, den au. Antrag zu stellen, Se. Majestät geruhe bei Ag. Gewährung des Enthebungsgesuches unter gleichzeitigem Ausdruck der Ah. Zufriedenheit zu gestatten, dass Nördling den Titel eines k. k. Hofrates fortführen dürfe.

Der Finanzminister bemerkt, die Berufung Nördlings sei unter seiner und des vormaligen Ministers von Plener Mitwirkung erfolgt. Er habe die Überzeugung, dass, wäre der gegenwärtige Handelsminister früher ins Amt getreten, es dem|| || selben gewiss gelungen wäre, Nördling dem Staatsdienste zu erhalten, und dass es nicht die [materiellen] Vorteile der dem [Hofrate] Nördling von der Theiß[gesell]schaft gebotenen Stellung [sind] die denselben je bestimmt [haben] würden, seinen Posten im Handelsministerium zu ver[lassen]. Es seien dies vielmehr Schwierigkeiten, die ihn dort [bei jeder] Gelegenheit bereitet [worden] sind. Die Opposition in [Eisenbahn]sachen sei eine so mäch[tige ge]wesen, dass er ihr nicht [mehr] Stand halten zu können glaubte. Durch Verfügungen, die gegen seine technischen Pa[] getroffen wurden, sah er [seine] Autorität als Fachmann [leiden], und wurde so zu dem Entschlusse gedrängt, aus dem Handelsministerium zu scheiden, ein Schritt, der im Interesse [des] Dienstes nur bedauert wer[den kann]. Nördling habe sich [] als eine höchst achtbare [Persönlich]keit gezeigt, und habe [] auf eine ehrenvolle Ent[] Deshalb könne der Finanz[minister den] Antrag des [Handels]|| || ministers nur unterstützen. Der Handelsminister fügt bei, Nördling habe ihm erklärt, dass sein Entschluss auszutreten seit sechs bis acht Monaten unerschütterlich feststehe.

Der Antrag des Handelsministers wird einhellig genehmigt.10

VI. Zinsengarantie für die Prioritätsobligationen der Erzherzog-Albrecht-Bahn vom Tage der Ausfertigung

VI. ℹ️ Der Finanzminister referiert über folgende Angelegenheit: Der § 24 der Konzessionsurkunde vom 22. Oktober 1871 über die Eisenbahn von LembergStryj-ungarische Grenze am Beskid nebst einer Zweigbahn von Stryj nach Stanislau enthält die Bestimmung, dass die Zinsengarantie der Staatsverwaltung für die Obligationen der Eisenbahn LembergStryj–Beskid über Verlangen der Konzessionäre vom Tage der Ausfertigung dieser Effekten an unter der Bedingung zugestanden werden kann, dass für die Berichtigung der Zinsen angemessene Sicherheit geleistet wird. || || Von dieser auch in anderen Konzessionen enthaltenen Bestimmung ist bisher nie Gebrauch gemacht worden.11

Die Konzessionäre der oben genannten Bahn, beziehungs[weise] die Österreichische Allge[meine] Bank im Namen der[selben] bitten in einer Eingabe [an das] Finanzministerium um [Gewährung] der Staatsgarantie für [Zin]sen der auszugebenden [Obligationen], wogegen die Konzessionäre zur Sicherstellung des Ärars einen aliquoten [Teil] des Nominalbetrages der [] zur Emission gelangenden Obligationen in Kassascheinen hinterlegen wollen.12 [Es] ist das erste Mal, dass ein [] Ansuchen von einer Bahn[gesell]schaft gestellt wird. Die Allgemeine Österreichische Bank gilt als ein Geldinst[itut] [vier]ten Ranges und hat über[dies] ihren Ruf durch Zerwürfnisse [in] ihrer Leitung und durch [] Geschäfte wesentlich ge[] [] Finanzminister [] Frage heran, welche || || Sicherstellung er verlangen soll. Der Handelsminister, dessen Äußerung diesfalls eingeholt wurde, hat erklärt, dass er bisher keinen Grund habe, an dem ernsten Willen der Konzessionäre, ihren konzessionsmäßigen Verpflichtungen nachzukommen, zu zweifeln, dass er jedoch keineswegs in der Lage sei, für die Einhaltung der im § 6 der Konzessionsurkunde vorgeschriebenen Bau- und Vollendungstermine einzustehen. Was insbesondere die Strecke Stryj-Beskid betrifft, so sei ihm bekannt, dass der ungarischerseits in Aussicht genommene Vollendungstermin der Linie Munkács–Beskid kaum eingehalten werden kann, während die galizische Strecke gleichzeitig mit derselben in Betrieb zu setzen ist. Bezüglich der Strecke StryjStanislau scheinen dem Handelsminister diese Bedenken nicht im gleichen Maße obzuwalten, da dieselbe ganz auf galizischem Boden gelegen und von der Vollendung der ungarischen Linie unabhängig ist.13 Der Handelsminister sprach die Ansicht || || [aus], dass die Emission der Schuld[] für diese Strecke gegen [Sicher]stellung eines Betrages ge[währt] werden könnte, der etwa [] doppelten oder höchstens drei[fachen] Betrag der nach der kon[zessions]mäßigen Baufrist sich [ergebende] Interkalarzinsen ent[sprechen] würde.

Der Finanzminister hält [bei dem] Abgang jeder Sicher[heit] für die Durchführung des [Termins] die größte Vorsicht geboten. Er könnte es mit [der] Verantwortlichkeit der Regierung nicht vereinbar finden, [eine] vorzeitige Garantie [auszu]sprechen, außer wenn von [den] Konzessionären eine solche [] geleistet wird, dass das [] für den Belauf der Obli[gations]zinsen vom Zeitpunkte der []emission bis zur Betriebs[eröffnung], als dem Termin ge[] ist, mit welchem die staat[liche] Reinertragsgarantie be[] durch die sodann die [] der Prioritätsob[ligationen] gesichert ist. Die [] müsste daher [] [im] Betrage der || || emittierten Obligationen gleichkommenden Werte geleistet werden.

In dieser Richtung habe er die Absicht, die Eingabe der Allgemeinen Österreichischen Bank zu erledigen.

Der Handelsminister erklärt sich einverstanden. Die übrigen Konferenzmitglieder stimmen gleichfalls bei.14

VII. Antrag auf eine Ah. Auszeichnung für den Prälaten Gregor Mendel in Brünn

VII. ℹ️ Dem Minister des Innern liegt ein Bericht des mährischen Statthalters vor, in welchem die ersprießliche Wirksamkeit des Prälaten Gregor Mendel in Altbrünn, dessen besondere Ergebenheit für das Ah. Kaiserhaus, seine frühere verdienstliche Tätigkeit im Lehrfache, und seine trotz aller Anfechtungen von den Standesgenossen bewährtes treues Festhalten an der Verfassung gerühmt, und die Erwirkung einer Ah. Auszeichnung, bestehend in dem Komturkreuze vom Franz-Joseph-|| || Orden wärmstens befürwortet wird.

Der Minister des Innern [ist mit] diesem Antrage einverstanden, ersucht um die Zustimmung der Konferenz zur Erstattung des bezüglichen au. Vortrages. Der Kultus- und Unterrichtsminister bestätigt die außerordentlich loyale und mit Rücksicht auf die Durchführung der [Kirchenge]setze besonders anerkennenswerte Haltung des Prälaten Mendel, mit dem Beifügen, [dass der]selbe schon bei der Besetzung [des] Brünner Bistums zur Sprache [gekom]men ist, und dass auch er, [der Kultus]minister sich bereits [mit dem] Statthalter wegen Er[wirkung] einer Ah. Auszeichnung für den genannten [Präla]ten ins Einvernehmen [gesetzt] hatte. Nachdem auch der Ackerbauminister die beantragte Aus[zeichnung] lebhaft befürwortet [hatte] [] er den guten Ein[druck], [] welchen dieselbe || || bei der allseitigen hohen Achtung, die Abt Mendel wegen seiner milden und humanen Auffassung seiner priesterlichen Stellung genießt, im Lande zu üben nicht verfehlen würde, schließt sich der Ministerrat dem Antrage des Ministers des Innern einhellig an.15

VIII. dtto. für den Notar und Gutsbesitzer in Steiermark Dr. Julius Mullé

VIII. ℹ️ Der Ackerbauminister referiert über einen Antrag des steiermärkischen Statthalters auf Erwirkung einer Ah. Auszeichnung für den k. k. Notar und Gutsbesitzer in Marburg Dr. Julius Mullé.16

Anlässlich der am 11. l. M. stattgehabten Eröffnung der landwirtschaftlichen Obst- und Weinbauschule in Marburg hat der Landeshauptmann als Präsident der steiermärkischen Landwirtschaftsgesellschaf dem Dr. Mullé die demselben von der genannten Gesellschaft für seine langjährige und hervorragende Tätigkeit auf landwirtschaftlichem Gebiete || || verliehene goldene Gesellschaftsmedaille feierlich übergeben. Der Statthalter bezeichnet den [Anlass] zur Übergabe dieser [Auszeich]nung als einen um so []fender gewählten, als Mullé sich gerade um das [Zustande]kommen der nun ins [Leben] gerufenen neuen, für [das Land] so wichtigen Anstalt [die hervor]ragendsten Verdienste erworben hat, und spricht [sich sehr] warm dafür aus, dass [] von Seite der Regierung Dr. Mullé eine Anerkennung zuteil werden sollte. Der Ackerbauminister teilt die Ansicht des Statthalters und [wird] sich erlauben, von Sr. Majestät die Verleihung des [Ritter]kreuzes vom Franz-Joseph-Orden an Dr. Julius Mullé au. zu erbitten.

Die Konferenz gibt hiezu ihre Zustimmung.17

IX. dtto. für den landschaftlichen Buchhalter Alois Zimmeter in Innsbruck

IX. ℹ️ Der Leiter des Landesverteidigungsministeriums wird ermächtigt, || || auf Grund eines Antrages des Statthalters18 als Vorsitzenden der Landesverteidigungsoberbehörde für Tirol und Vorarlberg die Ag. Verleihung des Ritterkreuzes vom Franz-Joseph-Orden an den Vorstand der Landesbuchhaltung Alois Zimmeter, welcher seit dem Jahre 1848 in Angelegenheiten der Landesverteidigung in hervorragender und erfolgreicher Weise tätig ist, bei Se. Majestät au. zu befürworten.19

Wien, am 18. März 1872. Auersperg. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Ofen, 10. April 1872. Franz Joseph.