Nr. 574 Ministerrat, Wien, 18. Mai 1865 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet, VS.Vorsitz Kaiser; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Erzherzog Rainer 27. 4.), Nádasdy, Schmerling, Lichtenfels, Esterházy, Zichy, Mažuranić; außerdem anw.anwesend Šokčević, Ožegović; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 9. 6.
MRZ. 1378 – KZ. 1524 –
Protokoll der zu Wien am 18. Mai 1865 unter dem Ah. Vorsitze Sr. k. k. apost. Majestät abgehaltenen Konferenz.
I. Kroatisch-slawonischer Landtag: Wahlordnung
Der Präsident des Staatsrates referierte, daß, nachdem Se. k. k. apost. Majestät Allerhöchstsich dafür zu entscheiden geruhten, die 1861er Wahlordnung für den nächsten kroatischen Landtag vorzuschreiben1, der Entwurf des bezüglichen Ah. Reskriptes einer Komiteeberatung unterzogen worden sei, an der nebst dem Referenten der kroatische Hofkanzler, der Staatsrat Baron Ožegović und Hofrat v. igrovic teilnahmen. Aus dieser Beratung sei der anverwahrte amendierte Entwurf hervorgegangena,2. Staatsrat Baron Ožegović habe jedoch geglaubt, daß die obgedachte Wahlordnung nicht unverändert, sondern mit einigen, ihm unerläßlich scheinenden Änderungen hinauszugeben wäre. Es hätten nämlich selbst die oppositionellen Stimmen im Landtage die Wahlordnung vom Jahre 1861 für so lückenhaft und undeutlich erklärt, daß eine Berichtigung und beziehungsweise Ergänzung derselben unvermeidlich sei, wenn man nicht verschiedene Fragen und Zweifel beim nächsten Landtage auftauchen und unangenehme Diskussionen entstehen sehen will. Der Staatsratspräsident bezeichnete in Kürze die beantragten Änderungen und schloß mit der Erklärung, der kroatische Hofkanzler habe sich mit ihm in der Meinung geeinigt, daß, wenn schon Se. Majestät die 1861er Wahlordnung vorzuzeichnen geruhen, dieselbe unverändert, selbst mit ihren Mängeln beizubehalten wäre, um nicht abermals das Feld des sogenannten Oktroyierens zu betreten, welchem man eben ausweichen wollte.
Staatsrat Baron Ožegović erörterte hierauf die von ihm beantragten Modifikationen der Wahlordnungb . Dieselben sind folgende: 1. Laut § 1 e der Wahlordnung sollen der Vizeban, der jetzt gar nicht mehr bestehende Protonotär und die Assessoren der Banaltafel beim Landtage erscheinen. Allein diese Funktionen wurden auf dem letzten Landtage durch einen einseitigen, von der Krone nicht genehmigten Landtagsbeschluß vom Stimmrecht ausgeschlossen. Sollen sie aber gleichwohl das Stimmrecht erhalten – was dann konsequent auch den drei Beisitzern der Septemviraltafel aus gleichem Grunde zuerkannt werden müßte – so sei ein Konflikt mit dem nächsten Landtage vorauszusehen, und es wäre daher wohl zu überlegen, ob es nicht besser sei, || S. 366 PDF || eine nicht durchführbare Bestimmung wegzulassen. 2. Der § 3 der Wahlordnung wurde vom Landtage dahin ausgelegt, daß auch solche Marktflecken und bedeutendere Landgemeinden, welche daselbst nicht aufgezählt erscheinen, eine Vertretung am Landtage ohne Zustimmung der Krone erhalten können. Dies gab Anlaß zu einer einseitigen, daher unbefugten Ausdehnung des Vertretungsrechtes auf vier Gemeinden. Um nun derartigen willkürlichen Erweiterungen des Vertretungsrechtes vorzubeugen, erscheint es unerläßlich geboten, den § 3 so zu stilisieren, daß sich die dortige Aufzählung der stimmberechtigten Munizipien als eine taxative herausstelle. 3. Der § 6a über die Wahlen in jeder Gemeinde eines Distriktes lautet so undeutlich, daß er ein Feld zu allerlei Auslegungen bietet und namentlich unentschieden läßt, a) in welchem Fall eine Gemeinde einen, und in welchem dieselbe zwei Wahlmänner zu wählen berechtigt sei, b) ob die Besitzer ehemaliger Dominikalkörper, dann die sogenannten Honoratioren in den Gemeinden eine Virilstimme haben sollen oder nicht. Ad a) wäre als Kriterium der Wahlmännerzahl der Bevölkerungsziffer von 500 Seelen festzusetzen, und die Frage b) bejahend zu entscheiden. 4. Der § 6 c setzt nur die Beaufsichtigung der Wahlen in den Distrikten durch die betreffenden Komitatsbehörden fest, es wäre daher notwendig zu bestimmen, in welcher Art und unter wessen Aufsicht die Wahlen in den Städten und einzelnen Gemeinden vorzunehmen seien. 5. Zu § 8 wäre der Begriff der für jeden Vertreter geforderten Unbescholtenheit im Sinne der vorgeschlagenen neuen Wahlordnung näher zu präzisieren. 6. Endlich wäre die Wahlordnung durch die Aufnahme der mit Ah. Reskript vom 9. Mai 1861 festgesetzten 1848er Wahlordnung für die Militärgrenze zu vervollständigen3.
Im Lauf der hierüber gepflogenen Erörterung äußerte der kroatische Hofkanzler , die Mängel der 1861er Wahlordnung seien ihm wohlbekannt, und er habe sie auch nicht verhehlt, aber Se. Majestät geruhten sich schließlich nach dem Antrage der Konferenz am 8. d. M. dafür Ah. zu entscheiden. Was für ihre Annahme in den Augen des Hofkanzlers am meisten Gewicht hat, ist die Etikette 1861. Sie ist einmal ein bestehendes Gesetz und hat als solches eine Autorität, die man ja nicht durch partielle Änderungen erschüttern solle. Mögen es immer Verbesserungen sein, ein plausible Ganzes wird dabei doch nicht herauskommen. Man verliert also dabei mehr als man gewinnt. Auf die einzelnen Punkte übergehend, bemerkte Votant, daß der Protonotar schon im Jahre 1861 nicht mehr bestand und doch noch in der Wahlordnung angeführt wurde. Die Banalassessoren seien durch Landtagsbeschluß zwar nicht aus dem Landtage entfernt, aber ihres Stimmrechtes beraubt worden, worauf sie es angemessen fanden, gar nicht mehr zu erscheinen. Aller Wahrscheinlichkeit nach werde der nächste Landtag auf gleiche Weise vorgehen. Die Frage, was hierauf von der Regierung zu geschehen habe, werde seinerzeit nach Opportunitätsgründen zu entscheiden sein, je nach dem die Regierung von den Stimmen der Assessoren eine Unterstützung zu hoffen hat oder nicht. Am wenigsten könne der Hofkanzler dafür stimmen, daß nebst den Banalassessoren noch die Septemviralisten hineinoktroyiert würden. Was die Wahlen der Militärgrenze betrifft, so dürfte deren Anordnung gleich wie beim letzten Landtage durch ein königliches Reskript abgesondert geregelt werden. Die übrigen, vom Staatsrate || S. 367 PDF || Baron Ožegović gerügten Mängel seine allerdings nicht ohne Gewicht, und der Hofkanzler beabsichtigte, denselben in der hinauszugebenden Wahlinstruktion für die Behörden nach Tunlichkeit abzuhelfen, und der Staatsratspräsident fügte bei, daß man suchen müsse, diejenigen Punkte, die nicht in der Instruktion ihren Platz finden können, aus der Wahlordnung als Korollarien abzuleiten. Staatsrat Baron Ožegović hielt seine frühere Meinung fest und glaubte, daß dem Prinzip kein Abbruch geschehe, wenn an der 1861er Wahlordnung gewisse anerkannt nötige Verbesserungen angebracht würden. Der Ban von Kroatien legte keinen Wert auf die beantragte Modifizierung der Wahlordnung, wohl aber – nebst der Ah. Ernennung eines Lokumtenenten – auf die Einführung einer neuen Geschäftsordnung, da es mit der Geschäftsordnung des letzten Landtages ganz unmöglich sei, die Verhandlungen mit Ordnung und Anstand zu führen. Der Präsident habe nach derselben keine Macht und keines jener Rechte, die er in anderen parlamentarischen Verhandlungen ausübt. Er ist nicht der Leiter, sondern der Diener des Hauses, ja selbst der Galerien!
Über eine Allerhöchstenortes gestellte Frage gab der kroatische Hofkanzler die Auskunft, daß die Behörden in Folge der Landtagsausschreibung die Wahlen nur in den [in] § 3 benannten Gemeinden veranstalten würden. Freilich ist es möglich, daß sie vom Landtage aufgefordert werden, noch in anderen Gemeinden wählen zu lassen, doch könnte deren Zahl nur eine beschränkte sein, nachdem es nicht so viele königliche Märkte gibt. Se. Majestät der Kaiser geruhten Ah. zu bemerken, der Landtag sei eventuell aufzufordern, über die gewünschte Ausdehnung des Wahlrechtes auf Gemeinden, die im § 3 nicht genannt sind, eine Vorlage an die Regierung zu machen, um den Gegenstand verfassungsmäßig zu erledigen4.
II. Kroatisch-slawonischer Landtag: Reskript über die Wahlordnung
In Bezug auf den Text des königlichen Reskriptes, womit die Wahlordnung des Jahres 1861 hinauszugeben sein wird, fanden Allerhöchstdieselben zu beanständen, daß es nach dem Wortlaute den Anschein gewinne, als ob nur die Vertretung des dritten Standes die eigentliche Volksvertretung wäre und zwischen letzteren und der Vertretung der beiden übrigen Stände ein Gegensatz bestünde. Um dieser Deutung auszuweichen, wäre der Ausdruck Volksvertretung aus dem Entwurfe zu beseitigen5. Ferner sei auf Seite drei des Schreibens der Schreibfehler durch Wiederholung des Wortes „unser“ zu berichtigen6.
III. Kroatisch-slawonischer Landtag: Besetzung der Banallokumtenentenstelle
Im Zusammenhange mit der Beratung über Punkt I wurde auch die Frage wegen der Banallokumtenentenstelle einer Erwägung unterzogen, nachdem Kardinal Haulik zwar faktisch Lokumtenent ist, aber wegen seines hohen Alters und der eminenten kirchlichen Stellung als solcher nicht funktionieren kann7.
Minister Graf Esterházy glaubte, daß im Sinne früher gefaßter Beschlüsse der Kardinal im geeigneten Weg zu bestimmen wäre, seine Würde als Lokumtenent niederzulegen, wodurch Se. Majestät Allerhöchstihres Rechtes, einen Lokumtenenten zu ernennen, sich bedienen dürften8. Minister Graf Nádasdy stimmte dafür, daß baldmöglichst zu Ah. Wahl des Locumtenens geschritten werde. Sollte sich der Landtag derselben nicht fügen wollen, so sei dies schon ein hinreichender Grund, denselben aufzulösen, denn was lasse sich von den weiteren Schritten des Landtages erwarten, wenn er damit anfängt, sich gegen eine Wahl zu sträuben, wozu Se. Majestät voll berechtigt ist? Staatsrat Baron Ožegović erinnerte, die Frage wegen des Vizepräsidiums im Landtage sei deswegen nicht mehr als eine ganz offene zu betrachten, weil der Landtag nach den Bestimmungen der von ihm selbst beschlossenen Geschäftsordnung zwei Vizepräsidenten selbst gewählt hat, um den Ban in Verhinderungsfällen zu vertreten. Die getroffene Wahl wurde sofort mit Repräsentation Allerhöchstenortes angezeigt. Die letztere erhielt zwar keine schriftliche Erledigung, aber als sich während des Landtages plötzlich die Notwendigkeit ergab, den Ban im Präsidium zu vertreten, wurde über Anfrage auf telegrafischem Wege die Ah. Bewilligung eröffnet, daß die Vizepräsidenten präsidieren dürfen. Der Landtag hat jedoch hierauf ausgesprochen, daß die Funktionen der Vizepräsidenten nicht infolge der Ah. Majestätsrechte, sondern infolge der Landtagswahl ausgeübt werden. Man wird sich darauf stützen, daß die Geschäftsordnung, die sich der Landtag selbst gegeben hat, Allerhöchstenortes zur Nachricht genommen und somit implicite genehmigt worden sei, und gegen die Ah. Ernennung des Locumtenens Einwendungen erheben. Baron Ožegović übersetzte hierauf das in kroatischer Sprache vorliegende Reskript vom 30. Julius 1861 an den kroatischen Landtag, womit die Geschäftsordnung, sowie die Vizepräsidentenwahlen zu Ah. Kenntnis genommen wurden, und zwar mit folgender Motivierung: „Da die bestande Landtagsordnung, nach welcher das Vizepräsidium des Landtages dem Banallokumtenenten und die Protokollführung dem Protonotär gebührte, den jetzigen Verhältnissen nicht entspricht etc.“9 Der Ban von Kroatien fand, daß die einfache Ah. Kenntnisnahme von der Geschäftsordnung dieselbe noch nicht zu einem unabänderlichen Gesetz mache, zumal eine Änderung durch die wichtigsten Rücksichten geboten erscheint. Die Voraussicht, daß darüber geschrien werden wird, dürfe von der Änderung nicht abhalten, denn schreien werde man in Agram über alles!
|| S. 369 PDF || Der kroatische Hofkanzler erklärte, die Wahl eines Ah. Lokumtenenten als eine ganz selbständige Frage von hoher Wichtigkeit demnächst in einem besonderen au. Vortrage behandeln zu wollen. Vorläufig müßte er bemerken, daß er das bezügliche königliche Ernennungsrecht als durch das vorerwähnte, allerdings nicht glücklich motivierte königliche Reskript keineswegs aufgegeben betrachte10.
IV. Kroatisch-slawonischer Landtag: Zeitpunkt der Einberufung
Se. k. k. apost. Majestät geruhten zu eröffnen, daß eine spätere Einberufung des kroatischen Landtags dadurch notwendig werden dürfte, daß der Ban aus Gesundheitsrücksichten einen Urlaub anzutreten genötigt sei, von dem er erst gegen die Mitte August zurückkehren kann11. Der Staatsminister äußerte, es sei von großer Wichtigkeit für die Beschleunigung der Arbeiten des allgemeinen Reichsrates, daß der kroatische Landtag nach dem früheren Ah. genehmigten Konferenzantrage schon Mitte Julius zusammentrete. Ein weiterer Grund, die Regelung der staatsrechtlichen Verhältnisse von Ungarn und Kroatien möglichst zu beschleunigen, liege darin, daß eben jetzt die äußeren Verhältnisse günstig sind und man diese Konjunktur, die vielleicht nicht mehr von langer Dauer ist, möglichst benützen müßte. Der ungarische Hofkanzler plädierte von seinem Standpunkte gleichfalls gegen jede Prorogierung des kroatischen Landtages, weil sie durch ihre Rückwirkung auf den Beginn des ungarischen Landtages einen unwiederbringlichen Verlust an kostbarer Zeit zur Folge hätte. Der kroatische Hofkanzler machte dagegen wieder den Umstand geltend, daß es für das Zustandekommen günstiger Wahlen notwendig wäre, daß der Ban dieselben persönlich von Agram aus leite, die Obergespäne inspiriere und auf die Militärgrenze persönlich einwirke. Der Lokumtenent werde zu allem dem nicht genügen können. Graf Zichy entgegnete hierauf, es lasse sich dabei auf schriftlichem Wege oder durch Einberufung der Obergespäne zur Hofkanzlei sehr vieles tun. Weit schwieriger sei die Leitung der Wahlen in Ungarn, wo man durch 50 Obergespäne einwirken muß, und doch gebe der ungarische Hofkanzler die Hoffnung nicht auf12.
Wien, 24. Mai 1865. Erzherzog Rainer.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Ofen, 8. Juni 1865. Empfangen 9. Juni 1865. Erzherzog Rainer.