Nr. 461 Ministerrat, Wien, 12. April 1864 – Protokoll I - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Kaiser; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Erzherzog Rainer 14. 4.), Mecséry, Schmerling, Lasser; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 19. 4.
MRZ. 1265 – KZ. 1119 –
Protokoll I des zu Wien am 12. April 1864 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.
I. Sanktion des Gemeindegesetzes für Krain
Der Staatsminister hat im au. Vortrage vom 3. April d. J.1 beantragt, daß dem vom krainerischen Landtage beschlossenen Entwurfe der Gemeindeordnung die || S. 317 PDF || Ah. Sanktion deswegen nicht erteilt werde, indem die darin angenommene Fassung der Angelobungsformel zu sehr von der Regierungsvorlage abweicht. Der § 17 der Landesordnung setzt fest, daß Anträge auf Erlassung von Gesetzen, welche durch den Kaiser abgelehnt worden sind, in derselben Session nicht mehr vorgebracht werden dürfen. Die kaiserliche Ablehnung des Gemeindegesetzentwurfes für Krain würde also die Folge haben, daß erst in der nächsten Landtagssession eine Vorlage darüber eingebracht werden könnte, welche sofort noch alle Stadien bis zur Sanktion Sr. Majestät durchzulaufen hätte. Nachdem dies die Erlassung des Gemeindegesetzes weit hinausschieben würde, während der Statthalter von Krain erst jüngst zur Ah. Kenntnis gebracht hat, daß das fragliche Gesetz wegen der jetzt veränderten Stimmung im k[rainerischen] Landtage alle Aussicht hatte, noch in dieser Session bei wiederholter Beratung ganz im Sinn der Regierung amendiert zu werden, geruhten Se. k. k. apost. Majestät in Erwägung ziehen zu lassen, ob und wie von der starren Form des § 17 der Landesordnung in diesem Falle abgegangen und die wünschenswerte baldige Erlassung des Gemeindegesetzes für Krain ermöglicht werden könnte.
Der Staatsminister schickte voraus, daß eine besondere Dringlichkeit zur Erlassung des neuen Gemeindegesetzes nicht vorhanden sei, indem dasselbe keine in staatlicher Beziehung wichtigen neuen Anordnungen enthalte. Ferner komme zu berücksichtigen, daß der kr[ainerische] Statthalter dem Landtage völlig gegenwärtig gehalten hat, daß die Regierung die von ihm amendierte Fassung der Formel Allerhöchstenortes zur Sanktion nicht beantragen könne, und daß der Landtag gleichwohl mit allen Stimmen gegen drei jenen Beschluß faßte, dessen Folgen nach § 17 ihm wohl bewußt waren. Unter diesen Umständen scheine es nicht rätlich, sich dem Vorwurf einer direkten oder indirekten Abweichung von der Landesordnung auszusetzen. In Zukunft aber werde sich der krainerische Landtag solchen positiven Erklärungen der Regierung gegenüber fügsamer zeigen. Minister Ritter v. Lasser erinnerte an die von ihm früher vertretene Meinung, daß die Ah. Sanktion in manchen Fällen auch ateilweise unda bedingt erteilt werden dürfte, was im vorliegenden Falle ein Auskunfsmittel bieten würde. Allein diese Meinung wurde vom Ministerrate nicht geteilt und es liegten [sic!] bereits bmehrere Präzedenzienb vor, wonach z. B.c der vom Salzburger dsowie der vom Kärntnerd Landtag beschlossene Gemeindegesetzentwurfe Allerhöchstenortes wegen eines einzigen Differenzpunktes abgelehnt wurde, sodaß darüber eine neue Vorlage in der nächsten Session feingebracht werden mußtef, 2. Allerdings besteht in Krain der günstige Umstand, daß der Landtag noch versammelt ist, und man || S. 318 PDF || könnte daher gmit Ah. Ermächtigung sich darauf beschränken, die nicht erfolgte Ah. Sanktionierung des Gemeindegesetzes dem Krainer Landtag mitzuteilen und abzuwarten, ob nicht vielleicht der Landtag selbst die neuerliche Beratung noch in dieser Session vornehmen wolle, für welchen Fall die Regierung nicht entgegentreten sollte. Dazu aber von der Regierung die Initiative zu nehmen, wäre nicht rätlich, weil vielleicht dochg der Landtag mit Hinblick auf § 17 nicht darauf eingeht, hwodurch dann die Regierung sich kompromittiert hätteh, oder, wie der Polizeiminister beifügte, daß eine, wenngleich geringere, Majorität auf dem früheren Beschlusse dennoch beharrt, was bei dem Entgegenkommen der Regierung noch fataler wäre. Möge sich daher der Landtag die vorauszusehenden Folgen seiner Hartnäckigkeit gefallen lassen. Se. k. k. apost. Majestät geruhten schließlich zu bemerken, daß es im gegenwärtigen Falle allerdings schwer halten würde, die Durchbringung des Gesetzes noch in dieser Landtagssession zu bewirken3.
II. Präsentationsrecht Wiens für die Stellen der Hilfslehrer
Der vom niederösterreichischen Landtage am 26. März 1863 angenommene Entwurf eines Landesgesetzes über das Schulpatronat4 enthält im § 11, alinea 5, folgende Bestimmung: „Das Präsentationsrecht wird in allen Fällen nach den darüber bestehenden Bestimmungen ausgeübt, ohne daß jedoch der Präsentierende an einen ihm gemachten Vorschlag gebunden ist.“ Die Emanzipation der Gemeinde von einem Ternavorschlage bei der Wahl der Ober- und Unterlehrer wurde bereits vom Unterrichtsminister Grafen Thun ausgesprochen5. Nun soll aber dieselbe auch auf die Anstellung der Hilfslehrer ausgedehnt werden. Se. k. k. apost. Majestät finden jedoch diese Ausdehnung aus dem Grunde bedenklich, weil, wenn die Majorität im Gemeinderate keine konkreten Grundsätze befolgt, die Stellen der Hilfslehrer größtenteils mit schlechten Subjekten werden besetzt werden, was nicht bloß wegen deren Einfluß auf die Schüler, sondern auch deswegen bedenklich wäre, weil die Stellen der Ober- und Unterlehrer im Vorrückungswege durch Hilfslehrer besetzt werden und somit der ganze Lehrkörper nach und nach verdorben werden kann.
Der Staatsminister setzte den Vorgang bei Besetzung der Hilfslehrerstellen auseinander und zeigte, daß die Einreichung der diesfälligen Gesuche bei den Dechanten der kirchlichen Autorität schon die erste Gelegenheit biete, die Kandidaten zu beleuchten. Eine weitere Überprüfung könne das bischöfliche Konsistorium nach geschehener Präsentation mit dem Vorgeschlagenen vornehmen und wenn es auf || S. 319 PDF || gegründete Bedenken stößt6, demselben die Exklusive geben. Die Regierung habe allerdings kein Veto gegen die präsentierten Hilfslehrer. Dies sei aber von minderer Wichtigkeit, da sie von den Oberlehrern beaufsichtigt werden, auf deren Wahl die Regierung einen negativen Einfluß hat, und weil die Hilfslehrer nicht die Eigenschaft eines städtischen Beamten haben, sondern im Disziplinarwege ad nutum amovibel sind. Endlich sei auch noch zu berücksichtigen, daß die Präsentation dem Wiener Gemeinderate nur bei jenen Schulen zusteht, wozu der Schulfonds keinen Beitrag leistet. Übrigens könne der Staatsminister der „Schulsektion“ des Wiener Gemeinderates das Zeugnis nicht versagen, daß sie sehr gut zusammengesetzt sei. Unter diesen Umständen glaubte Minister Ritter v. Schmerling, dem sich auch der Polizeiminister und Ritter v. Lasser anschlossen, daß gegen die Ah. Sanktion der oben angezogenen Bestimmung des Gesetzentwurfes kein wesentlicher Anstand obwalten dürfte7.
III. Errichtung einer medizinischen Fakultät in Innsbruck
Se. k. k. apost. Majestät geruhten, den Wunsch des Tiroler Landtages wegen Errichtung einer medizinischen Fakultät zu Innsbruck, auf dessen Ablehnung das Staatsministerium anträgt, zur Sprache zu bringen und die Frage Ah. aufzuwerfen, ob es nicht tunlich wäre, diesem allerdings nicht sehr plausiblen Wunsch Folge zu geben, um ein Gravamen zu beseitigen8.
Der Staatsminister zeigte hierauf umständlich, daß das jetzige Projekt tatsächlich gar nicht geeignet sei, auch nur im Prinzip die Ah. Sanktion zu erhalten. Es fehle zu Innsbruck an den klinischen Hilfsmitteln des Studiums und im Lande an Plätzen zur Unterbringung der absolvierten Mediziner. Es fehle aber vor allem an Geldmitteln, nachdem der Landtag nur 6.000 fl. als jährlichen Zuschuß für die Kosten der Fakultät zahlen will, die auf 20.000 fl. angeschlagen werden müssen. Auf einen Besuch des medizinischen Studiums zu Innsbruck durch Ausländer sei gar nicht zu rechnen9.
Wien, am 14. April 1864. Erzherzog Rainer.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 18. April 1864. Empfangen 19. April 1864. Erzherzog Rainer.