MRP-1-5-07-0-18640229-P-0450.xml

|

Nr. 450 Ministerrat, Wien, 29. Februar 1864 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Schurda; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 29. 2.), Mecséry, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Esterházy, Burger, Hein, Franck; abw. Rechberg, Nádasdy, Forgách; BdR. Erzherzog Rainer 16. 3.a

MRZ. 1256 – KZ. 757 –

Protokoll des zu Wien am 29. Februar 1864 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Auflassung der ärarischen Porzellanfabrik in Wien

Der Staatsratspräsident referierte den au. Vortrag des Finanzministers vom 30. Jänner l. J., Z. 27476/14101, womit die Ärarialporzellanfabrik in Wien und die Modalitäten dieser Maßregel angetragen werden. Bekanntlich habe das Abgeordnetenhaus aus Anlaß der Prüfung des Staatsvoranschlages pro 1862 den Wunsch ausgesprochen, daß die Ärarialporzellanfabrik aufgelassen werde, weil sie dermal ihrem Zwecke nicht mehr entspreche und in letzter Zeit nicht nur nichts verdiene, sondern sogar nicht unbedeutend dotiert werden muß2. Das Herrenhaus aber habe den Wunsch geäußert, daß diese Fabrik allmählig zu einer praktischen Lehranstalt für die Porzellanfabrikation eingerichtet werden soll3. Im Grunde dieser Beschlüsse habe nun der Finanzminister diesen Gegenstand in Verhandlung genommen und bringt nun, nachdem er die Fragen, ob die Fabrik als Lehranstalt oder als Kunstinstitut bestehen soll, mit dem Staatsminister und dem Handelsministerium in Erwägung gezogen hatte4, von seinem Standpunkte die Auflösung der Fabrik unter den in seinem Vortrage entwickelten Modalitäten in Antrag. Seine Vorschläge erscheinen in dem vorgelegten, hierneben in Abschrift beiliegenden Resolutionsentwurfeb formuliert. Der Staatsrat habe gemeint, daß man über den Antrag des Herrenhauses, ohne deselben genau geprüft zu haben, nicht hinweggehen sollte5. Die Meinung des Finanzministers, daß man auf diesen Wunsch auch dann noch Rücksicht nehmen kann, wenn die Auflösung der Fabrik ausgesprochen ist, scheine dem Referenten (Baron v. Lichtenfels) nicht richtig zu sein, denn wenn einmal die Auflösung bewilligt, mithin ins Werk gesetzt wird, so dürfte es wohl kaum möglich sein, deren Umstaltung in eine Lehranstalt zustande zu bringen. || S. 268 PDF || Der Staatsrat habe also geglaubt, daß zwar dem Bestreben des Finanzministers, die Fabrik als finanzielles Objekt aufzulassen, nicht entgegenzutreten, aber vorher noch der Staatsminister zu beauftragen wäre, den Vorschlag des Herrenhauses unter Mitwirkung des Freiherrn v. Baumgartner und unter Zuziehung anderer Fachmänner, dann von Abgeordneten des Finanz- und Handelsministeriums einer eingehenden Beratung zu unterziehen und demnach die au. Anträge vorzulegen. In diesem Sinne habe daher der Staatsrat die Erlassung der, sofort vom Referenten vorgelesenen, hierneben abschriftlich beiliegenden Ah. Handschreiben an den Finanzminister und an den Staatsministerc in Antrag gebracht. Sollte, fährt Freiherr v. Lichtenfels fort, der in dem ersten Ah. Handschreiben gebrauchte Ausdruck „Ich bin geneigt etc.“ nicht beliebt werden, so könnte vielleicht gesagt werden „Bevor Ich die Auflösung genehmige etc.“. Ganz umgehen könnte man den Wunsch des Herrenhauses doch nicht, da dasselbe ohnedem sehr selten mit Wünschen hervortritt und der fragliche gewiß nur ein wohlmeinender sei. Es ließe sich seines Erachtens die Frage, ob das Institut nicht zum Wohle für Kunst und Industrie zweckmäßig umgestaltet werden könne, auch darum nicht umgehen, weil die Vorzüge, welche die Fabrik nach der gründlichen Darstellung des Baron Baumgartner im Herrenhause6 vor den Privatfabriken noch immer besitzt, bisher noch keine überzeugende Widerlegung erfahren haben, und es nicht klug sein dürfte, eine Anstalt, welcher man viel zu danken hat, eher zu vernichten, als man sich von ihrer völligen Unbrauchbarkeit gehörig überzeugt hat.

Der Finanzminister gab zuvörderst bezüglich des am Schlusse des vom Staatsrate vorgeschlagenen Handschreibens an ihn bemerkten Widerspruches zwischen seinen Angaben über den ungünstigen ökonomischen Stand der Fabrik und den diesfälligen Zifferansätzen des Voranschlages pro 1864 dahin die Erklärung, daß der Abgang bei dieser Fabrik im gedachten Staatsvoranschlage deshalb nur mit 238 fl. sich ergibt, weil schon in neuerer Zeit bedeutende Reduktionen in der Erzeugung eingetreten sind, infolgedessen natürlich das Manko gegen die früheren Jahre ein geringeres geworden ist, dwährend die Ausfälle der vorausgegangenen Jahre durch die daselbst zur Verrechnung gelangten bedeutenden Gebäudereparaturauslagen entstanden sindd . Auf die Sache übergehend meinte er, daß sich vom finanziellen Standpunkte die Aufhebung der Fabrik jedenfalls als sehr wünschenswert darstelle. eDas Unternehmen sei seit dem Verluste von Engelhartszell, wo eine Hilfsanstalt für ordinäre und Halbfabrikate bestand und der kostspielige Transport der rohen Porzellanerde aus Passau nach Wien nicht mehr gedeckt werden könne, in der Tat stets passiv gewesen.e Er gab übrigens in bezug auf die Frage der Umgestaltung der Fabrik in eine Lehranstalt zu bedenken, daß aus den bei der Fabrik angestellten Funktionären wohl nur sehr geringe Lehrkräfte erlangt werden könnten, so wie überhaupt solche Kräfte dort nicht vorhanden sein dürften, welche der im Sinne des Herrenhauses diesem Institut zu stellenden Aufgabe gewachsen wären. Edler v. Plener müßte also darauf beharren, daß Se. Majestät jetzt || S. 269 PDF || gleich wenigstens prinzipiell die Auflösung Ah. beschließen, was die vom Staatsrate beantragte Erlassung des Auftrages an den Staatsminister zur Beratung der Modalitäten der Umstaltung der Fabrik in eine Lehranstalt nicht ausschließe, da die Auflösung einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen wird, so daß die gedachte Frage ohneweiters mittlerweile entschieden sein kann. Nur würde der Finanzminister wünschen, daß in dem diesfälligen Ah. Erlasse nicht auf den Wunsch des Herrenhauses hingedeutet werde, da ja doch auch ein diesfälliger, fgerade entgegengesetzterf Wunsch des Abgeordnetenhauses in Mitte liegt. Der Staatsratspräsident erwiderte, daß er auf die Erwähnung des Wunsches des Herrenhauses in der Ah. Entschließung gerade kein Gewicht lege. Was aber den Antrag des Finanzministers auf sogleichen Ah. Ausspruch der Auflösung betrifft, so halte er dafür, daß, wenn einmal das Testament der Fabrik unterschrieben ist, sich dann auch nichts mehr machen lasse, da nach den vorgeschlagenen Modalitäten das Ganze gerissen werden soll. Wolle man wirklich im Sinne des vom Herrenhause gestellten Antrages etwas tun, dann müsse man die bezüglichen Erhebungen vorangehen lassen, die ja gewiß nicht viel Zeit in Anspruch nehmen werden. Der Staatsminister äußerte, er habe diesem Gegenstande von allem Anfange an seine Aufmerksamkeit zugewendet, und nachdem er die Aufhebung der Fabrik als eine vollendete Tatsache hingenommen, so habe er sich mit der zweiten Frage beschäftigt, nämlich ob dieses Institut in eine Lehranstalt oder in ein Kunstinstitut umzuwandeln wäre. Das erste halte er deshalb nicht ausführbar, weil dieses Institut keine solche Kräfte aufzuweisen hat, welche der Aufgabe des Lehrens gewachsen sind, andererseits auch das zu Lehrende praktisch betätigt, daher die Fabrik eigentlich im großen Umfange belassen werden müßte. Das zweite zeige sich nicht minder schwer, und könne der Zweck auf einem anderen Wege einfacher erreicht werden, z. B. durch Errichtung einer besonderen Zeichenschule am hiesigen Polytechnikum usw. Prinzipiell sei daher Ritter v. Schmerling ganz im klaren, daß eine dermalige Umwandlung der Fabrik nicht leicht ausführbar sei. Wenn man aber andererseits einen Wert darauf legt, daß dem von dem Herrenhause ausgesprochenen Wunsche rücksichtlich dem Lieblingsgedanken des hochverdienten Freiherrn v. Baumgartner Rechnung getragen werde, so sei er gerne bereit, über diese Frage unter Zuziehung des Baron Baumgartner und anderer Fachmänner eine umfassende Enquete zu veranlassen, nur würde er sich den Antrag erlauben, daß er dieses nicht über Ah. Auftrag, sondern gleich jetzt auf Grund der Zustimmung der Konferenz tue, wo er dann das Ergebnis dieser Beratung in der Ministerkonferenz in Vortrag bringen und diese Sache dann auf diese Art ganz reif zur Ah. Schlußfassung sein würde.

Die Konferenz erklärte sich sofort mit diesem Antrage einverstanden7.

II. Notiz der „Allgemeinen Zeitung“ über Pferdeausfuhr nach Piemont

Der Finanzminister brachte einen aus Turin stammenden Artikel der „Allgemeinen Zeitung“ zur Sprache, wo es heißt, daß sich die piemontesische Regierung die Aufhebung des Pferdeausfuhrverbotes bei uns zu Nutzen gemacht habe, indem neuerer Zeit 2411 Stück Remonten dort eingeführt wurden8. Diese Notiz erweise sich als falsch, indem zufolge der offiziellen Ausweise seit August 1863 bis jetzt bloß 890 Stück Pferde über die italienische Grenze ausgeführt wurden9, und es frage sich daher, ob es nicht zweckmäßig wäre, gegen diesen Artikel zu bemerken, daß nach den amtlichen Nachweisungen die Ausfuhr sehr gering ist und daß, da kein Verbot besteht, von einer Schwärzung, mittelst welcher diese vielen Pferde hätten ins Land kommen können, keine Rede sein kann, oder ob man über diese Notiz ganz hinausgehen soll.

Die Konferenz erkannte, daß es nicht notwendig sei, auf diesen Artikel, der offenbar übertreibe und übrigens von keinem Belange ist, zu antworten, und entschied sich daher für die zweite Alternative. Auch wurde befunden, daß noch immer kein hinreichender Grund vorhanden sei, ein Ausfuhrsverbot zu erlassen.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 15. März 1864. Empfangen 16. März 1864. Erzherzog Rainer.