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Nr. 298 Ministerrat, Wien, 13. Dezember 1862 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 15. 12.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy; abw. Pratobevera, Lasser, Burger; BdR. Erzherzog Rainer 26. 12.

MRZ. 1099 – KZ. 3937 –

Protokoll des zu Wien am 13. Dezember 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Landesgesetze über die Konkurrenz bei Schul- und Straßenbauten

Se. k. k. apost. Majestät geruhten, mehrere Bestimmungen der Allerhöchstenortes unterbreiteten Gesetze über die Konkurrenz zu Schul- und Straßenbauten in nähere Erörterung ziehen zu lassen1, und zwar insbesondere:

a) den § 10 des Entwurfes eines Landesgesetzes über das Schulpatronat und die Bestreitung der Kosten für die Bauten von Schullokalitätena . Derselbe lautet: „Wo das Schulpatronat entfällt, gehen die mit demselben verbundenen Rechte, und namentlich das Präsentationsrecht2, auf die Gemeinde über.“ Se. Majestät geruhten Ah. zu bemerken, es sei rätlich, hier ausdrücklich zu erwähnen, daß die bestehenden Vorschriften über die Ausübung des Schulpatronates aufrechterhalten werden, damit sich die Gemeinden denselben unterwerfen, widrigens oft sehr ungeeignete Wahlen || S. 109 PDF || von Schullehrern getroffen werden dürften. Der Paragraph spreche nämlich bloß von dem Übergange der Rechte.

Der Staatsminister glaubte, daß jedem Zweifel über diesen Punkt am einfachsten dadurch vorgebeugt werden könnte, wenn in den § 10 der Zwischensatz „unter Aufrechthaltung der daran geknüpften Bedingungen“ aufgenommen würde. Dieser Antrag, gegen den von keiner Seite eine Erinnerung erhoben wurde, erhielt die Ah. Genehmigung.

b) Über die Allerhöchstenortes aufgeworfene Frage, ob es nicht angezeigt wäre, dem Schulpatron in dem nach § 12 zu bildenden Konkurrenzkomitee eine Virilstimme zuzugestehen, äußerten der Staatsminister und der Präsident des Staatsrates , daß die Normierung einer solchen Virilstimme für den Schulpatron – welche auch dem Kirchenpatron im Kirchenkonkurrenzgesetze3 nicht zuerkannt worden ist – nicht notwendig scheine, da es sich bloß um die Teilung des Aufwandes und der Prästationen unter die beteiligten Gemeinden handelt und der große Grundbesitzer bei der weiteren Unterteilung im Innern der Gemeinde als Virilstimmberechtigter im Ausschusse mitreden kann.

c) Laut des beigeschlossenen Entwurfes eines Gesetzes über die Straßenbaukonkurrenzb, § 19, hat derjenige, der im Konkurrenzgebiete die höchste direkte Steuer zahlt, das Recht, ohne Wahl in das Straßenkomitee mit Stimmrecht einzutreten. Se. Majestät der Kaiser geruhten Ah. zu bemerken, daß dieser Höchstbesteuerte vielleicht nicht wesentlich bei dem Straßenbaue interessiert ist, während andere Hochbesteuerte daran das wesentlichste Interesse haben können, ohne aber im Komitee stimmberechtigt zu sein. Im Gemeindegesetze4 § 16 ist die Virilstimmberechtigung nicht ausschließend auf einen Höchstbesteuerten beschränkt, sondern diese Berechtigung allen jenen zuerkannt, welche wenigstens den zehnten Teil der direkten Steuern entrichten. Eine ähnliche Ausdehnung der Virilstimmberechtigung im Straßenkomitee dürfte der Billigkeit entsprechen.

Der Staatsminister , welcher das Gewicht der Billigkeitsrücksicht anerkannte, sicherte zu, sich mit der Ausfindigmachung einer geeigneten Basis für die Beiziehung von mehr Virilstimmen beschäftigen zu wollen, machte jedoch darauf aufmerksam, daß man dabei nicht [zu] weit gehen dürfe, indem sonst die Höchstbesteuerten in dem aus bloß 5–7 Gliedern bestehenden Komitee ein unangemessenes Übergewicht erhalten würden. Der Polizeiminister glaubte nicht, daß sich eine plausible Basis zur Beiziehung mehrerer Hochbesteuerter werde finden lassen, und der Staatsratspräsident fand die Sache für die großen Grundbesitzer deswegen von minderem Gewichte, weil das Komitee ja nicht über die Frage der Straßenherstellung zu entscheiden, sondern nur die Baudurchführung zu leiten haben werde. Der ungarische Hofkanzler würde jedenfalls die Auffindung einer geeigneten Basis als wünschenswert ansehen5.

II. Beitrag für die modenesischen Truppen im Jahre 1863

Der Finanzminister referierte über Ah. Aufforderung über die Phase, in welche die Angelegenheit wegen der Kosten des modenesischen Truppenkorps im Jahre 1863 getreten ist6. Die nach den letzten Ministerratsbeschlüssen entworfene Note über diesen Gegenstand sei bereits am 11. d. M. an das Präsidium des Abgeordnetenhauses abgegangen und werde – nach einer dem Kriegsminister vom Präsidenten konfidentiell gemachten Eröffnung – während dieser Session nicht mehr zur Beratung kommen7.

Nachdem Se. k. k. apost. Majestät Ah. bemerkt hatten, daß nunmehr die Unterhandlungen mit dem Herzog auf Grundlage eines Beitrags von 600.000 fl. für 1863 fortzusetzen sein werden, worüber Minister Graf Esterházy sich zu seiner Deckung eine schriftliche Mitteilung erbat, sicherte der Finanzminister zu, daß dieselbe ehestens erfolgen werde8.

III. Abhilfe für die Finanznot des Österreichischen Lloyd

Se. Majestät der Kaiser geruhten zu eröffnen, Allerhöchstdieselben hätten aus dem Ministerratsprotokolle vom 1. d. M.9 entnommen, daß die Stimmenmehrheit den österreichischen Lloyd als dem Bankrott unaufhaltsam entgegengehend betrachtet und denselben ohne weitere außerordentliche Nachhülfe von Seite des Staates gewissermaßen seinem Schicksale zu überlassen gedächte. Obgleich die Lage des Lloyd in der Tat eine sehr gefährliche ist, oder vielmehr eben weil sie es ist, sind Se. Majestät der Kaiser über einen so schnell gefaßten Beschluß erschrocken, der ein für unsere Handelsmarine sowie für unsere politische Stellung im Orient so nützliches und wichtiges Institut ohne weitere Hilfe dem Untergange entgegengehen ließe. Die Lage, in der sich der Lloyd dermal befindet, sei teils Folge der von demselben im Interesse der österreichischen Regierung gebrachten Opfer, teils durch die überlegene Konkurrenz subventionierter ausländischer Gesellschaften herbeigeführt. Rücksichten der Politik sowie der Billigkeit machten es daher rätlich, dieses Institut nicht sinken zu lassen.

Der Finanzminister äußerte, daß dieses auch die Überzeugung der minderen Stimmen im Ministerrat sei und daß der Marineminister beabsichtige, seinen dermaligen Aufenthalt in Triest auch dazu zu benützen, um über die besten Mittel, eine Katastrophe vom Lloyd abzuhalten, wiederholt sorgfältige Erhebungen zu veranlassen, über deren Ergebnis Baron Burger nach seiner Rückkehr referieren werde. Damit nun dem Ergebnisse dieser wiederholten Beratung nicht vorgegriffen werde, habe der Finanzminister Se. k. k. Hoheit den durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Rainer gebeten, die fragliche Angelegenheit bis dahin auf sich beruhen cund nach der Rückkehr des Marineministers wiederholt in Beratung nehmenc zu lassen. Der || S. 111 PDF || Handelsminister ergriff diesen Anlaß, um seine bereits am 1. d. M. ausgesprochene Meinung darzulegen, daß die vom Finanzminister vorgeschlagenen Maßregeln die finanzielle Lage des Lloyd nicht reell verbessern würden und man daher zu einem anderen Modus greifen müsse10.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 26. Dezember 1862. Empfangen 26. Dezember 1862.