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Nr. 258 Ministerrat, Wien, 16. August 1862 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 17. 8.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Lasser, Plener, Wickenburg, Forgách, Esterházy; abw. Schmerling, Pratobevera, Lichtenfels; BdR. Erzherzog Rainer 24. 8.

MRZ. 1062 – KZ. 2550 –

Protokoll des zu Wien am 16. August 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Siebenbürgische Eisenbahnen — Konzessionsgesuche des Fürsten Gregor Bassaraba Brancovano und der ungarischen Landwirtschaftsgesellschaft

Se. k. k. apost. Majestät geruhten dem Handelsminister zwei auf die Siebenbürger Eisenbahnkonzession sich beziehende Gesuche des Bojaren v. Brancovano und der ungarischen Landwirtschaftsgesellschaft zu übergeben und zugleich Auskunft über die in dieser Angelegenheit etwa neuerlich eingetretenen Konjunkturen Ah. abzufordern1.

Der Handelsminister referierte, daß sich seit seinen letzten diesfalls au. erstatteten Auskünften im wesentlichen nichts verändert hat. Von den Konzessionswerbern Baron Thierry [und] Lever hat sich bis jetzt noch keiner über die nötigen Kapitalien ausgewiesen, und der ungarischen Landwirtschaftsgesellschaft stehen ohne Zweifel auch nicht entfernt die erforderlichen Geldmittel zu Gebote. Für die Arad-Hermannstädter Linie scheint sich ein vertraueneinflößendes Konsortium bilden zu wollen, an dem Rothschild, Wodianer, Morton, Brasset und andere || S. 182 PDF || große Finanzkräfte sich beteiligen würden. Für die Klausenburg-Kronstädter Bahn fehlt es aber gänzlich an ernstlichen Proponenten. Der ungarische Hofkanzler äußerte, daß allerdings das Einschreiten der ungarischen Landwirtschaftsgesellschaft um eine Konzession für diese Trasse nicht wohl als ein ernstes Offert, sondern nur als das Streben gelten könne, Allerhöchstenortes den Wünschen des Landes Worte zu leihen, da man in Ungarn sowohl als im größten Teile Siebenbürgens einsieht, daß die Wahl der Trasse Arad—Hermannstadt mit ihrer äußerst problematischen Zweigbahn nach Klausenburg die ungarischen Interessen untergräbt. Minister Graf Nádasdy bemerkte, daß er ebenfalls im Interesse Siebenbürgens nur aufs lebhafteste die Klausenburg-Kronstädter Bahn bevorworten könne, aber wohl einsehe, daß sich keine Kapitalisten dazu geneigt finden werden, zumal die Bewohner Siebenbürgens eine kostbare Zeit haben verstreichen lassen, ohne durch Zusicherung von aziffernmäßig auszuweisendena ziffernmäßig auszuweisenden Beiträgen und Opfern ihrerseits das Zustandekommen dieser so langen und kostspieligen Bahn zu erleichtern. In bezug auf den Standpunkt der Regierung Siebenbürgen gegenüber wäre es aber jedenfalls wünschenswert, wenn die Konzession der Hermannstädter Linie nur mit der Klausenburger Zweigbahn und ohne oder doch mit mäßigerb Zinsengarantie erfolgte. Der Finanzminister erwiderte, daß, soweit er unterrichtet ist, keine Aussicht vorhanden sei, sich eine Aktiengesellschaft ohne Zinsengarantie selbst für die kürzeste und rentabelste Linie bilden zu sehen, cdaß jedoch hiesige große Bankierhäuser sich vorbehalten, nach Ausgang der Verhandlungen mit den ausländischen Unternehmungslustigen mit selbständigen Offerten aufzutretenc daß jedoch hiesige große Bankierhäuser sich vorbehalten, nach Ausgang der Verhandlungen mit den ausländischen Unternehmungslustigen mit selbständigen Offerten aufzutreten, 2.

II. Hafenbauprojekt in Triest

Nachdem Se. k. k. apost. Majestät zu äußern geruht hatten, daß Allerhöchst dieselben der baldigen Erstattung eines Vortrags über das Triester Hafenbauprojekt entgegensehen, wurde von den Ministern die au. Auskunft erstattet, daß der bezügliche Vortragsentwurf vom Finanz- und Staatsministerium, mit einigen Bemerkungen und den Nachtragsberichten des Hofrates Pasetti begleitet, an den Handelsminister soeben zurückgeleitet worden sei, welcher letztere sich bestreben wird, dem Ah. Befehle nachzukommen3.

III. Versetzung des Triester Podestà Stefan v. Conti an ein Appellationsgericht

Se. Majestät der Kaiser geruhten darauf aufmerksam zu machen, daß sich an die soeben verfügte Auflösung des Stadtrates zu Triest auch die Versetzung des dortigen Podestà, Appellationsrats Conti, in ein Ratsgremium, und zwar in einer deutschen Provinz, anschließen müßte.

Minister Ritter v. Lasser behielt sich vor, wegen der Transferierung des eben auf Urlaub befindlichen Conti, dann wegen einiger andern nötigen Veränderungen im Personal der Gerichte und der Staatsanwaltschaft zu Triest seine au. Anträge zu erstatten4.

IV. Beschwerden koordinierter slawischer Gemeinden in Oberungarn — Gesuche von Karl Kuzmány und Michael Miloslav Hodža

Die nach dem Protestantengesetze von 18605 koordinierten slawischen Gemeinden in Oberungarn haben sich Allerhöchstenortes mit der Bitte gewendet, in ihrem dermaligen geordneten Zustande geschützt zu werden, widrigens sie Gefahr laufen, von der Gegenpartei unterdrückt und zur Union mit den Calvinisten gezwungen zu werden6. Auch der gesetzlich gewählte und von Sr. Majestät Ah. bestätigte Superintendent Kuzmány habe [um] den Ah. Schutz zur Ausübung seines Amtes angesucht7. Über dem protestantischen Senior Hodža schwebe noch eine kriegsrechtliche Untersuchung8. Diese Zustände in der evangelischen Kirche || S. 184 PDF || erheischen im Interesse der Regierung nicht minder als einer in ihren Rechten gekränkten Minorität der Gemeinden baldige Abhilfe, und Se. Majestät der Kaiser geruhten daher, den ungarischen Hofkanzler zur Erstattung seiner Gutachten darüber aufzufordern.

Graf Forgách referierte hierauf in Kürze über die bezüglich Hodžas und Kuzmánys obwaltenden Verhältnisse, wie auch über die Unionsversuche beider Konfessionen, welche letztere kaum zum Ziele führen werden. Da übrigens der ungarische Hofkanzler au. Vorträge über diese Angelegenheiten soeben erstattet und dieselben an Se. k. k. Hoheit den durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Rainer geleitet hat, so glaube er sich auf den Inhalt dieser au. Vorträge und der denselben beigeschlossenen Erhebungen in Ehrfurcht beziehen zu dürfen9.

V. Vorschuß an Johann v. Putzer-Reibegg für Marinelieferungen

Infolge einer Ah. Aufforderung referierte der Finanzminister , er habe gemäß des in der letzten Ministerkonferenz gefaßten Beschlusses, mit dem Direktor der Kreditanstalt für Handel und Gewerbe, v. Hornbostel, gesprochen, um dem Besitzer des Eisenwerkes zu Storé, v. Putzer, ergiebige Vorschüsse von dieser Anstalt zu verschaffen. Allein Hornbostel habe erklärt, die Kreditanstalt könne wegen Mangel an der nötigen statutenmäßigen Sicherheit für die gewünschten 300.000 fl. auf diese Summe nicht eingehen, sondern sie müsse sich auf kleine Vorschüsse bis zum Gesamtbelaufe von etwa 20.000 fl. beschränken, womit dem Putzer allerdings nur ein Respiro von 14 Tagen verschafft wäre10.

Die Minister des Handels und des Krieges kamen unter diesen Umständen auf ihre früheren Anträge zurück, dem Putzer durch einen Ärarialvorschuß zu helfen und bei ihm Platten für Panzerschiffe im großen Maßstabe zu bestellen. FZM. Degenfeld hält es für umso nötiger, die Existenz dieser vortrefflichen Plattenfabrik zu sichern, als man bald auch in den Fall kommen dürfte, Batterien, Forts und Türme mit Eisen bekleiden zu müssen. Der Polizeiminister glaubte die Frage des Vorschusses von jener über die Bestellung trennen zu sollen. Die letztere hängt von politischen, technischen und finanziellen Erwägungen ab, sodaß sie noch nicht so bald gelöst sein dürfte. Die Frage, ob und wieviel dem Putzer vom Ärar vorgeschossen werden kann, läßt sich aber schon jetzt entscheiden, sobald man über die Sicherheit im klaren ist, welche der Obgenannte dafür zu geben imstande wäre. Der Finanzminister erklärte, daß er bereit sei, mit Ah. Genehmigung dem dHandelsministerium behufs der von demselben beabsichtigten Beteilung des Besitzers von Storé mit Vorschüssen einend Handelsministerium behufs der von demselben beabsichtigten Beteilung des Besitzers von Storé mit Vorschüssen einen Belauf von 300.000 fl. aus den eben reichlichen Staatskassenmitteln anzuweisen, wofern sich der Handelsminister vorläufig eim Wege der Finanzprokurature im Wege der Finanzprokuratur die volle Überzeugung verschafft haben wird, daß das Ärar dafür eine volle Sicherheit erhält. Der Handelsminister erwiderte, er werde hierüber sogleich die eindringliche Prüfung || S. 185 PDF || veranlassen; doch halte er es für nötig, bei Anweisung des Vorschusses auch gleich eine Bestellung zu machen, wodurch das Eisenwerk beschäftigt und in die Lage gesetzt wird, den Vorschuß abzuzahlen11.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 23. August 1862. Empfangen 24. August 1862. Erzherzog Rainer.