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Nr. 251 Ministerrat, Wien, 22. Juli 1862 — Protokoll I - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Schurda; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 22. 7.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, FML. Schmerling; abw. Degenfeld, Pratobevera; BdR. Erzherzog Rainer 7. 8.

MRZ. 1055 – KZ. 2263 –

Protokoll I des zu Wien am 22. Juli 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Verhalten der Regierung bei der reichsrätlichen Beratung des § 12 des Gesetzes über die Kontrolle der Staatsschuld

Der Finanzminister referiert, daß die einmal bereits unterbrochene Beratung des Gesetzes über die Kontrolle der Staatsschuld durch den Reichsrat für die nächste Sitzung des Abgeordnetenhauses an die Tagesordnung gesetzt wurde und es daher notwendig erscheine, daß sich die Regierung in Absicht auf die bezüglich eines nicht unwichtigen Punktes [ein]zunehmende Position einige1. Es sei dies nämlich die im § 12 des vom Finanzausschusse vorgelegten Gesetzesentwurfes enthaltene Bestimmung des Inhalts: „Wenn mit Zustimmung des Reichsrates oder — soweit die verfassungsmäßigen Beschränkungen es zulassen — aufgrund des § 13 des Staatsgrundgesetzes ein neues Anlehen aufgenommen werden wird, hat die Kommission usw.“ Wenn es bei dieser von der Majorität des Ausschusses beschlossenen Fassung bleiben sollte, so wäre dies nach der Ansicht des Finanzministers ganz plausibel und mithin dagegen von Seite der Regierung keine Einwendung zu machen. Nun sei aber eine Minorität da, welche von der Ansicht ausgeht, daß der Ausdruck „verfassungsmäßige Beschränkungen“ nicht genügend sei, sondern hier ausdrücklich auch das Ah. Handschreiben vom 17. Juli 1860 und Art. II des Ah. Diplomes vom 20. Oktober 1860 aufzuzählen sind2, weil sich durch diese Aufzählung der Beurteilung der verfassungsmäßigen Zulässigkeit und Unzulässigkeit eines Staatsanlehens bohne Mitwirkung des Reichsrates die Anhaltspunkte dazu bieten, daß die Zulässigkeit lediglich in dem Falle einer Kriegsgefahr eintretea . Die Tendenz hievon sei offenbar die, daß eine Vermehrung der Staatsschuld cselbst im Sinne desb § 13 nur im Falle einer Kriegsgefahr und sonst nicht vorgenommen werden kann, was eine Beschränkung wäre, welche die Regierung in dFällen von anderen Kalamitäten, z. B. bei inneren Unruhen, teilweiser Steuerverweigerung (wie es bei dem Steueranlehen von 30 Millionen der Fall war) usw. inc Fällen von anderen || S. 138 PDF || Kalamitäten, z. B. bei inneren Unruhen, teilweiser Steuerverweigerung (wie es bei dem Steueranlehen von 30 Millionen der Fall war)3 usw. in die größten Verlegenheiten versetzen, ja nach Umständen die Bedeckung des Staatshaushaltes unmöglich machen würde. Wenn also dieser Minoritätsantrag bei der Plenarberatung in die Debatte gezogen werden sollte, so müßte nach Erachten des Finanzministers dagegen angekämpft und an dem Standpunkte festgehalten werden, daß der § 13 des Staatsgrundgesetzes allein maßgebend und die eBeschränkung desselben durch die Heranziehung einer Bestimmung des unter ganz anderen Verhältnissen und nur gegenüber dem verstärkten Reichsrate gegebenend Ah. Handschreibens vom 17. Juli 1860 nicht zulässig sei.

Die Konferenz war hiermit einverstanden, wobei der Staatsminister aufmerksam machte, daß infolge eines Inzidenzfalles [in] der letzten Sitzung im Abgeordnetenhause die Position der Regierung in der fraglichen Angelegenheit eine bedeutend günstigere geworden sei. Es ward nämlich in dieser Sitzung der Ausspruch des Hauses beschlossen, „daß zur Wahrung der verfassungsmäßigen Rechte des Reichsrates in Zukunft die Vermehrung der schwebenden Schuld ebenso wie die Vermehrung der fundierten, nur nach vorausgegangener Bewilligung des Reichsrates, oder, wenn dieser nicht versammelt ist, nach den Bestimmungen des § 13 des Grundgesetzes vom 26. Februar 1861 stattfinden soll“4. Da werde sich also nur auf den § 13 berufen, und sei so präzise gehalten, daß unmöglich bei anderer Gelegenheit von diesem einstimmig gefaßten Beschlusse abgegangen werden kann. Es werde zwar dies vielleicht nicht hindern, daß in der nächsten Sitzung von der in Rede stehenden Minorität die Sache dennoch besprochen werde, dann werde aber die Regierung bei der Bekämpfung den großen Vorteil haben, daß sie einfach auf den obigen Beschluß des Hauses hinweisen kann5.

II. Systemisierung des Personalstandes der Manipulationsämter und der Dienerschaft bei der ungarischen Statthalterei

Der Staatsratspräsident referierte über den Vortrag der ungarischen Hofkanzlei vom 4. Juni l. J., Z. 8731, wegen Systemisierung des Personalstandes der Manipulationsämter und der Dienerschaft bei der ungarischen Statthalterei6. Nachdem die Organisierung des Konzeptspersonales der ungarischen Statthalterei || S. 139 PDF || Ah. genehmigt und bereits ins Leben getreten ist7, so erstatte die Hofkanzlei nunmehr die Anträge bezüglich der Regelung des Manipulationspersonales und der Dienerschaft der genannten Landesstelle. Es werde hiernach auf die Bestellung von 71 Manipulationsbeamten und 30 Tagschreibern mit dem Gesamtaufwande von 52.800 fl., dann auf 43 Diener mit dem Aufwand von 12.453 fl. angetragen und folgender Resolutionsentwurf vorgelegt:

„Ich genehmige die Systemisierung des Personal- und Salarialstandes der Manipulationsämter und der Dienerschaft Meiner ungarischen Statthalterei nach den vorliegenden Ausweisen C und D mit dem Gesamtkostenaufwande jährlicher 65.253 fl., mit dem Beisatze jedoch, daß mit der Besetzung der Diurnistenstellen nur in Ermanglung von disponiblen Beamten, welche im Schreibgeschäfte verwendet werden können, vorzuschreiten sein wird8.“

Das Finanzministerium sei hinsichtlich des beantragten Kanzleipersonales in drei Punkten different. Dasselbe meine fürs erste, daß anstatt der verlangten vier Direktoren zwei genügen, und von den sieben Adjunkten der zur Besorgung der Hausgeschäfte bestimmte Direktionsadjunkt gänzlich zu entfallen hätte. Von dem Antrage auf Systemisierung von 30 Diurnisten wäre abzusehen, weil einem zeitweiligen größeren Bedarfe durch Verwendung disponibler Kräfte entsprochen werden kann. Im Staatsrate habe sich die Mehrheit für die Anträge der ungarischen Hofkanzlei mit den von dem Finanzministerium vorgeschlagenen Modifikationen ausgesprochen. Einige Stimmen waren aber der Ansicht, daß gegenwärtig in diese Organisierung gar nicht eingegangen werden solle, wobei ein Votant, Freiherr v. Halbhuber, im Falle diese Organisierung doch beschlossen werden sollte, bezüglich der Kategorien der Offiziale und Akzessisten die Ansicht aussprach, daß nur jene Zweige des Manipulationsdienstes, welche eine nur durch längere Verwendung erreichbare Vertrautheit mit den betreffenden Geschäften und besondere Verläßlichkeit erfordern, mit wirklichen Beamten zu besetzen, zu den bloßen Schreibgeschäften aber Diurnisten zu verwenden seien. Dieser Ansicht könnte sich der Staatsratspräsident nicht anschließen, indem es durchaus nicht angehe, daß man mit dem neuen Prinzipe der Diurnisten bei einem Amte vorgehe, ohne es bei der ganzen Administration zur Ausführung bringen zu wollen. Indem Freiherr v. Lichtenfels sonach im allgemeinen der Mehrheit beipflichte, erachtete er, die Differenzen zwischen dem Finanzministerium und der Hofkanzlei der Erörterung zu unterziehen. Belangend den ersten Differenzpunkt hinsichtlich der Direktoren, so würde er dem Finanzministerium zustimmen, daß zwei Direktoren genügen, zumal bei anderen gleichgestellten Behörden in der Regel nur ein Hilfsämterdirektor besteht. Ebenso scheine ihm der beanständete siebente Direktionsadjunkt nicht notwendig zu sein, wogegen er aber in dem Punkte der Bestellung von 30 Diurnisten nur dem Antrage der Hofkanzlei beitreten könnte, indem diesen Bedarf zu kennen, nur diese Hofstelle zunächst in der Lage sei.

|| S. 140 PDF || Der ungarische Hofkanzler hob vor allem hervor, daß bei diesem Antrage vorerst das Interesse des Ärars im Auge behalten worden sei, denn es werde hiebei gegen die früheren ungarischen Statthaltereiabteilungen ein Ersparnis von nahe an 40.000 fl. erzielt, welches selbst gegenüber der später vereinigten (Benedekschen) Statthalterei9 noch immer über 8000 fl. beträgt. Allein man könne doch nicht einzig und allein den Ersparungsrücksichten, sondern [man müsse] auch dem Erfordernisse des Dienstes Rechnung tragen, und deshalb seien z. B. bei der ungarischen Statthalterei mehr Direktoren, als selbe bei anderen dergleichen Behörden bestehen, angetragen worden, indem dieser Bedarf in den besonderen Verhältnissen der Statthalterei, welche in zwei getrennten Häusern amtiert, aus dem Präsidium und dem Gremium besteht usw., gelegen ist. Graf Forgách geht sodann noch des näheren ein, um zu zeigen, daß wenigstens drei Direktoren, und zwar für die einzelnen Zweige, nämlich für das Einreichungsprotokoll, für das Expedit und für die Registratur, notwendig sind, um deren Genehmigung er daher dringend bitten müßte. Der beanständete Direktionsadjunkt für die Besorgung der Hausgeschäfte sei gewiß auch notwendig, doch wolle er in dieser Beziehung, wenn dieser Abstrich beliebt werden sollte, nicht entgegentreten. Absolut notwendig hält aber Graf Forgách die Bestellung der 30 Diurnisten, indem sonst keine Möglichkeit des Aufkommens im Schreibgeschäfte vorhanden wäre. Der Finanzminister bemerkte, daß bei der Reduzierung von Seite des Finanzministeriums gewiß maßvoll vorgegangen worden ist und daß man nicht vergessen solle, daß man überall zu Sparnissen gezwungen werde und man daher bei den ungarischen Behörden um so mehr gleiches Maß anlegen müsse, als bis jetzt noch alles aus den allgemeinen Reichsmitteln zu bestreiten ist. Vier Direktoren seien jedenfalls zu viel, und Edler v. Plener müßte bezüglich dieses Punktes bei dem Vorschlage des Finanzministeriums beharren sowie er auch nur für die Bestellung von sechs Direktionsadjunkten sich aussprechen könne. Was aber die 30 Diurnisten betrifft, so wolle er in Anbetracht der dargestellten Notwendigkeit gegen diese Bestellung nichts weiter einwenden.

Bei der sohin vorgenommenen Umfrage erklärten sich der Minister des Äußern, der Polizeiminister, der Minister Graf Nádasdy, der Staatsminister, der Minister Graf Esterházy und der Kriegsministerstellvertreter FML. Ritter v. Schmerling für die Bestellung von drei Direktoren, sieben Adjunkten und 30 Tagschreibern, während der Minister Ritter v. Lasser und der Handelsminister wohl für drei Direktoren und 30 Tagschreiber, aber nur für sechs Adjunkten stimmten.

Der Staatsratspräsident referierte sodann die Anträge bezüglich des Dienerschaftspersonales, wo eine Differenz bloß bezüglich der Türsteher bestehe. Das Finanzministerium sei nämlich der Ansicht, daß vier Türsteher, wie es die Statthalterei || S. 141 PDF || beantragt, überflüssig und zwei gewiß hinreichend seien, indem die Dienste des Türstehers bei dem zweiten Präsidenten durch einen gewöhnlichen Diener besorgt werden können. Die Hofkanzlei beschränke sich auf drei Türsteher, jedoch gegen dem, daß bei den Dienern eine Stelle mehr systemisiert werde. Die Mehrheit des Staatsrates habe sich der Hofkanzlei angeschlossen, wogegen auch der Präsident nichts zu erinnern hätte.

Im Ministerrate stimmten bloß die Minister Graf Nádasdy und Graf Esterházy für die vom ungarischen Hofkanzler unterstützte Bestellung von drei Türstehern, wogegen die übrigen Stimmführer sich für zwei Türsteher und Vermehrung der Diener um ein Individuum erklärten.10

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Laxenburg, den 3. August 1862. Empfangen 7. August 1862. Erzherzog Rainer.