MRP-1-5-03-0-18620427-P-0226.xml

|

Nr. 226 Ministerrat, Wien, 22. und 27. April 1862 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • Sammelprotokoll; RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. (Erzherzog Rainer 1. 5.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, Mažuranić; BdR. Erzherzog Rainer 16. 5.

MRZ. 1030 – KZ. 1421 –

Protokoll des zu Wien am 22. und 27. April 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers. [Sitzung vom 22. April 1862] [anw. Erzherzog Rainer, Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, Mažuranić; abw. Pratobevera, Wickenburg]

I. Erklärung der Regierung im Reichsrat über die Ministerverantwortlichkeit

Gegenüber den Agitationen im Finanzausschusse und im Abgeordnetenhause, um die Erlassung eines Gesetzes über die Ministerverantwortlichkeit1 noch vor der Beschlußfassung über das Budget zu erwirken, halten es Se. k. k. apost. Majestät für notwendig, daß die Regierung die von ihr in diesem schwierigen Augenblicke anzunehmende Haltung und die zu ergreifenden Maßregeln sorgfältigst berate. Allerhöchstdieselben geruhten den Staatsminister aufzufordern, seine diesfälligen Anträge zu entwickeln.

Ritter v. Schmerling erinnerte, daß die Ministerverantwortlichkeit bereits bald nach dem Zusammentreten des Reichsrates im Abgeordnetenhause zur Sprache kam und selbst ein dieselbe normierendes Gesetz in Vorschlag gebracht worden ist2, welches infolge der vom referierenden Minister mit Ah. Genehmigung am 2. Julius v. J. im Abgeordnetenhause abgegebenen Erklärung vorläufig beseitigt wurde3. Seit dieser Zeit ist die Verantwortlichkeit zu wiederholten Malen in Ausschüssen, bei anderen Beratungen und bei Privatbesprechungen durch Reichsratsabgeordnete in Anregung gebracht worden, welche Anfragen der Staatsminister stets mit Hinweisung auf seine unumwundene Erklärung vom 7. Juli beantwortete. Gegenwärtig hat der Finanzausschuß gemäß eines am 18. d. M. einstimmig gefaßten Beschlusses im Weg des Präsidenten Hein an den Staatsminister das Ersuchen gerichteta, dem Ausschusse die Gründe bekanntzugeben, warum die Frage der Ministerverantwortlichkeit noch nicht ihre gesetzliche Regelung gefunden und den Minister darauf aufmerksam gemacht, daß sich der Beschlußfassung über das Budget erhebliche Schwierigkeiten entgegenstellen dürften, wenn nicht vorher die Verantwortlichkeit der Minister im Sinne konstitutionellen Staatslebens festgestellt werde. Nach der Geschäftsordnung sind nun allerdings Ausschüsse des Reichsrates nicht berechtigt, förmliche Interpellationen an einen Minister zu stellen, dagegen steht ihnen unbestritten das Recht zu, über die ihnen zugewiesenen || S. 416 PDF || Arbeiten die nötigen Aufklärungen zu verlangen, und es wird den diesfälligen Ansinnen auch von den Ministern entsprochen. Die vorliegende Anfrage, welche allerdings mit den Aufgaben des Finanzausschusses nicht im Zusammenhange steht, dürfte jedoch hauptsächlich aus dem Grunde nicht unbeantwortet bleiben, weil die Ministerverantwortlichkeit in diesem Augenblicke nicht bloß das Ziel der Wünsche des Ausschusses, sondern auch der großen Majorität im Abgeordnetenhause ist und es daher nötig scheint, eine Agitation zu beschwichtigen, die zu sehr unangenehmen Beschlüssen führen könnte. Der Staatsminister gedenke daher eine im Sinn des 2. Julius gefaßte Erklärung abzugeben, deren vorläufigen Entwurf er verlasb .

Der Minister des Äußern erklärte, er sei mit der Abgabe der verlesenen Erklärung nicht einverstanden, denn der Finanzausschuß mache die Beratung des Budgets von der vorläufigen Erlassung eines Ministerverantwortlichkeitsgesetzes abhängig, was ein gänzliches Verkennen seiner Stellung beweist und zu einem unzulässigen Übergriff des Abgeordnetenhauses über die Grenzen seiner verfassungsmäßigen Rechte führen würde. Die Votierung des Budgets von Bedingungen abhängig zu machen, sei ein unkonstitutioneller Vorgang und könne der gefährlichen Konsequenzen wegen nicht zugegeben werden. Für die vom Staatsminister vorgeschlagene Erklärung über die Zurücknahme des Ah. Handschreibens vom 20. August 1851 4, womit die Minister ausschließend dem Monarchen gegenüber verantwortlich erklärt wurden, könne Graf Rechberg deswegen nicht stimmen, weil dann, solang kein neues Verantwortlichkeitsgesetz erlassen wird, in Absicht auf die Verantwortlichkeit der Minister gewissermaßen ein Vakuum entstünde und sie gar niemand verantwortlich wären. Übrigens sei es augenscheinlich, daß die Verantwortlichkeit, die das Abgeordnetenhaus anstrebt, nicht die am 2. Juli bezeichnete, sondern die in Österreich unmögliche parlamentarische Ministerverantwortlichkeit ist. Der Polizeiminister schilderte vor allem die bei den Hauptfraktionen des Abgeordnetenhauses herrschenden Stimmungen, die sich — allerdings aus verschiedenen Gründen — in dem ausgesprochenen Wunsch eines Ministerverantwortlich­keitsgesetzes begegnen, wobei freilich auch über die Verantwortlichkeit die mannigfaltigsten Ansichten herrschen, und die Mehrzahl nicht an die „parlamentarische“ denkt. Allein bei der wenigstens äußeren Einstimmigkeit würde es bedenklich sein, wenn die Regierung rein negativ und schweigsam bliebe, und es könnte die Beschlußfassung über das Budget durch den passiven Widerstand des Nichterscheinens einer beschlußfähigen Zahl ganz vereitelt werden. Es müsse vielmehr etwas geschehen, um die Mehrheit der gutgesinnten Abgeordneten über die ihnen eingeimpften Skrupel zu beruhigen, wozu eine feierliche Wiederholung und Erläuterung des Prinzips vom 2. Juli im Sinne des vorgelesenen Entwurfes genügen dürfte. Allein, die Form dieser Erklärung scheine dem Polizeiminister zur Erzielung des gewünschten Eindruckes minder geeignet. Weit mehr würde er von der Erlassung eines Ah. Handschreibens über diesen Gegenstand erwarten, welches ostensibel durch einen ministeriellen au. Vortrag über die im Abgeordnetenhause || S. 417 PDF || bezüglich der Verantwortlichkeit herrschenden Zweifel etc. provoziert und im Abgeordnetenhaus vorgelesen würde. Eine solche Ah. Kundgebung würde dann nicht mehr als eine einseitige ministerielle Erklärung unterschätzt werden können — und andererseits würde der unberufene Schritt des Finanzausschusses völlig ignoriert, geschweige erst durch direkte Beantwortung als berechtigt anerkannt. Minister Graf Nádasdy berichtete, dem Vernehmen nach wolle man die Regierung zur Erlassung eines Verantwortlichkeitsgesetzes dadurch zwingen, daß man mit der Beschlußfassung über die Budgetvorlagen bis zu dem Zeitpunkte temporisiert, wo alle Hülfsquellen des Staatsschatzes versiegt sind. Ein Teil der Abgeordneten würde es sogar gerne sehen, wenn ihm die Beschlußfassung über die schwierigen Finanzvorlagen durch Vertagung des Hauses von Seite der Regierung erspart würde, und sich daher eventuellen Beschlüssen, die dieses Resultat herbeiführen könnten, nicht widersetzen. Bei diesen gefährlichen Tendenzen könne der Minister nur für eine beschwichtigende Maßregel im Sinne des Staatsministers und in der vom Polizeiminister beantragten Form stimmen. Der Kriegsminister glaubt ebenfalls, daß eine am 2. Juli festhaltende, beruhigende Erklärung und zwar im Abgeordnetenhause abzugeben wäre, um nicht den Schritt des Finanzausschusses gewissermaßen zu sanktionieren. Minister Ritter v. Lasser gab mit Berufung auf seine genaue Kenntnis der Stimmung im Abgeordnetenhause und einen soeben eingelangten Brief des Präsidenten v. Hein die Versicherung, daß, wenn von Seite der Regierung in der fraglichen Angelegenheit jetzt nichts geschieht, der Bruch mit dem Hause unvermeidlich ist, weil sich die große Mehrheit der Abgeordneten förmlich verpflichtet fühlt, sich dann eines Beschlusses in Finanzangelegenheiten völlig zu enthalten. Dies wäre aber in politischer und finanzieller Beziehung gleich beklagenswert, und den subversiv gesinnten Abgeordneten käme nichts erwünschter, als bei diesem Anlasse nach Hause geschickt zu werden, wobei man das Unrecht auf die Regierung schieben würde. Daß die Erlassung eines Verantwortlichkeitsgesetzes jetzt unmöglich ist, fängt man zu erkennen an. Aber die Bedenken über das nach einer weitverbreiteten Ansicht formal noch ganz zu Recht bestehende Ah. Handschreiben vom 20. August 1851 und die Zweifel über die tatsächliche Ah. Billigung der Grundsätze vom 2. Julius bedürfen einer augenscheinlichen und beruhigenden Widerlegung durch eine Ah. Manifestation cdem Reichsrat gegenüberc, und zwar namentlich deswegen, weil man deren Verweigerung auf die Rechnung von Hintergedanken düber die Aufrechthaltung der Verfassung selbstd schreiben würde. Die korrektesten und konservativsten Elemente im Abgeordnetenhause, ez. B. Bischof Litwinowicze, teilen den Wunsch nach einer Ah. Manifestation, welche in den bestimmtesten Ausdrücken zu fassen wäre; die bloßef Hinweisung auf das gim Juli 1861 im Abgeordnetenhause Erklärteg würde nicht genügen. Der Finanzminister stimmt bei der vorhandenen Notwendigkeit || S. 418 PDF || einer Ah. Manifestation für die Abgabe einer neuerlichen Erklärung im Abgeordnetenhause mit möglichster Wahrung der kaiserlichen Rechte und wobei von der unstatthaften Interpellation des Finanzausschusses ganz zu abstrahieren wäre. hEr hält die Abgabe einer solchen Erklärung in betreff der teilweisen Modifizierung des Ah. Kabinettsschreibens vom 20. August 1851 streng genommen für nicht verfassungsmäßig, sondern nur für einen durch die Verhältnisse, nämlich durch die zu erzielende Erledigung der Finanzvorlagen im Abgeordnetenhause in bedauerlicher Weise notwendig gewordenen Opportunitätsakth .

Der Präsident des Staatsrates kann nach den ihm zugekommenen Mitteilungen nur das bestätigen, was bisher über die Stimmung im Abgeordnetenhause berichtet wurde. Es handle sich zur Beschwichtigung dieser allerdings bedenklichen Aufregung nicht um die Bewilligung neuer Konzessionen, sondern um die explizitere Wiederholung des bereits am 2. Juli Gesagten, ohne darum einen Schritt zurückzuweichen, und um die Anerkennung einer unleugbaren Tatsache: der teilweisen Modifikation des Ah. Handschreibens vom 20. August 1851, wonach die Minister ausschließend dem Monarchen verantwortlich erklärt wurden. Diese Modifikation ist ein notwendiges Korollar der Verfassung vom 26. Februar — mithin auch nichts Neues. Von der Erlassung eines Ah. Handschreibens wäre Umgang zu nehmen, dagegen aber eine ministerielle Erklärung im Abgeordnetenhause, und zwar ohne Bezug auf die Anfrage des Ausschusses, abzugeben. Der ungarische Hofkanzler stimmte gegen eine neuerliche Ah. Erklärung, welche dadurch den Charakter einer Konzession erhielte, weil sie als Bedingung zur Votierung des Budgets gefordert wird. Graf Forgách könne sich ebensowenig als die beiden anderen Kanzler für den engeren Reichsrat verantwortlich ansehen. Für ihn sei das Ah. Handschreiben vom 20. August 1851 nach seinem ganzen Inhalte nach maßgebend. Es sei daher für den ungarischen Hofkanzler eine Lebensfrage, daß dieser Punkt nicht berührt werde und [daß], wenn schon eine Erklärung erfolgt, dieselbe durchaus nichts mehr enthalte als jene vom 2. Julius. Minister Graf Esterházy pflichtete vollkommen der Vorstimme bei, zumal er selbst bedauern müsse, daß die Erklärung vom 2. Julius stattgefunden habe. Allerdings inhäriere jeder Repräsentativverfassung das Prinzip der Verantwortlichkeit. Allein, die einfach wiederholte Anerkennung dieses Prinzipes werde nicht befriedigen, neue Forderungen würden auftauchen. Gegen die Erlassung eines Ah. Handschreibens aus diesem Anlasse aber müsse sich Graf Esterházy jedenfalls erklären. Man mache heute stets Opportunitätsrücksichten für eine Maßregel geltend, deren Tragweite bis in die höchsten Prinzipien der Verfassung hinaufreicht. Dies sei vom Übel, und die Verhältnisse Österreichs [seien] wohl nicht so beschaffen, daß die Regierung gezwungen wäre, eine Politik der Schwäche zu befolgen.

Der Staatsminister verwahrte sich dagegen, daß sein Antrag auf eine Kundgebung von Schwäche der Regierung, auf Konzessionen hinziele, und zeigte durch wiederholte Vorlesung der wichtigsten Stellen des Entwurfes, daß er sich genau inner der Grenzen der von Sr. Majestät Ah. genehmigten Erklärung vom 2. Julius || S. 419 PDF || gehalten habe. Der Minister halte unverbrüchlich an der Verfassung vom 26. Februar, aber ebendeswegen müsse er auch deren unvermeidliche Konsequenzen bezüglich des Ah. Handschreibens vom 20. August 1851 anerkennen und habe daher bei Sr. Majestät auch die Ah. Konstatierung der Tatsache beantragt, „dieses Handschreiben sei insoweit außer Wirksamkeit getreten, als es mit dem am 2. Juli ausgesprochenen Grundsatze der Ministerverantwortlichkeit nicht im Einklange steht“. Was früher von einer beabsichtigten gänzlichen Aufhebung des Ah. Handschreibens vom 20. August 1851 und der daraus resultierenden Unverantwortlichkeit der Minister gesagt worden ist, könne nur auf einem Mißverstehen des vorgelesenen Passus beruhen.

Se. k. k. apost. Majestät geruhten zu erinnern, daß Allerhöchstdieselben mit der größten Gewissenhaftigkeit die in der Verfassung vom 26. Februar festgesetzten Grenzen der souveränen Gewalt eingehalten haben, und daß die übrigen Faktoren ebenfalls jede Überschreitung ihrer verfassungsmäßigen Rechte gewissenhaft unterlassen sollen, widrigens die Übergriffe Aller­höchstenorts [mit] aller Entschiedenheit zurückgewiesen werden würden. Ein Versuch überzugreifen liegt in dem vorhandenen Streben nach der „parlamentarischen Ministerver­antwortlichkeit“, gegen die Se. Majestät Allerhöchstsich wiederholt, und zwar schon vor der Erlassung des Staatsgrundgesetzes auszusprechen geruht haben, weil mit dieser Art von Verantwortlichkeit eine Regierung in Österreich nicht möglich ist. Für die Verantwortlichkeit der k. k. Minister im Sinne der Verfassung gebe die Erklärung vom 2. Julius Maß und Ziel, worüber auch nicht einen Schritt hinausgegangen werden darf. Die Abgabe einer wiederholten Erklärung dieser Art, mit ausdrücklicher Berufung auf einen Ah. Befehl, fanden Se. Majestät Ag. zu genehmigen, dagegen die Form eines Ah. Handschreibens umso weniger angemessen, als dieselbe kein verfassungsmäßiges Gepräge trage. Es frage sich aber, wo und wann diese Erklärung abzugeben wäre.

Nach längerer Beratung über die diesfälligen Modalitäten vereinigten sich der Staatsminister , dann die Minister Baron Mecséry, iGraf Degenfeldi, Ritter v. Lasser, Edler v. Plener und der Staatsratspräsident zu den au. Anträgen, daß der Staatsminister im Finanzausschuß die Beantwortung der Anfrage mit dem Bemerken ablehne, daß über diesen Gegenstand dem Reichsrate selbst eine Mitteilung werde gemacht werden, und daß der Staatsminister sofort im Abgeordneten-und im Herrenhause, ohne erst eine Interpellation abzuwarten und ohne Erwähnung des Einschreitens des Finanzausschusses, eine gleichlautende Erklärung abgebe.

Se. k. k. apost. Majestät geruhten diese Anträge Ah. zu genehmigen und zu befehlen, daß der neu zu redigierende Entwurf noch einer Schlußberatung im Ministerrate zu unterziehen sei.

Am 26. April 1862.

|| S. 420 PDF || Fortsetzung am 27. April 1862. Gegenwärtige wie im Ministerrate am 22. April 1862, dann der Handelsminister Graf Wickenburg. Abwesend: Minister Baron Pratobevera und der dalmatinisch-kroatisch-slawonische Hofkanzler Mažuranić.

Vor dem Beginn der Beratung über den beiliegenden zweiten Erklärungsentwurfj des Staatsministers geruhten Se. k. k. apost. Majestät folgende Anstände gegen den Inhalt desselben zu bezeichnen: 1. Daß die Einleitung an die Budgetverhandlungen im Reichsrate anknüpft, was erkennen lasse, daß man sich der vom Ausschusse für die Votierung des Budgets gestellten Forderung unterwirft. Außerdem enthalte die Einleitung noch manches Ungeeignete und Entbehrliche, so daß es vielleicht besser wäre, dieselbe wegzulassen und gleich mit dem eigentlichen Gegenstand der Erklärung zu beginnen. Dieses erscheine auch aus dem Gesichtspunkte rätlich, weil der erste Satz zu viel verspricht und nicht zum Nachsatze paßt. 2. Der Ausspruch im zweiten Satze, daß das Ah. Handschreiben vom 20. August [1851] teilweise außer Wirksamkeit getreten sei, gehe über die Ah. Absicht hinaus, welche bloß auf eine einfache Wiederholung der Erklärung vom 2. Julius gerichtet ist. 3. Der im Schlußsatz enthaltene Ah. Auftrag, ein Gesetz über die Ministerverantwortlichkeit vorzubereiten, erscheine jetzt, wo der Reichsrat noch nicht vollständig ist, verfrüht und nur als ein Notbehelf, um über die momentanen Schwierigkeiten hinauszukommen. Eine weitere Frage wäre es, ob man nicht den gegenwärtigen Anlaß ergreifen solle, um — zur Klarstellung der Verhältnisse und Beseitigung vorhandener Illusionen — auszusprechen, daß und warum die parlamentarische Verantwortlichkeit der Minister in Österreich nicht eingeführt werden könne. So wünschenswert auch eine positive Erklärung über diesen Punkt ist, verkenne doch Se. Majestät auch nicht die dagegen derzeit streitenden Rücksichten.

[1.] Der Staatsminister äußerte, daß ihm eine, wenn auch kürzere Einleitung der Regierungserklärung nach den vorhandenen Präzedentien nicht wohl zu umgehen scheine. Das Anknüpfen an die Budget- und Valutafragen stelle sich als die natürlichste Einleitung dar, weil diese Fragen die materiellen Interessen aller Staatsangehörigen mehr berühren und weil die große Masse die Verantwortlichkeit vorzüglich als Schutzmittel gegen die Verschleuderung der Staatsgelder betrachtet und anstrebt. Daß Se. Majestät in dem Zeitpunkt, wo die Regierung eine namhafte Erhöhung der Steuern beabsichtigt, die vorhandenen verfassungsmäßigen Bürgschaften für die zweckmäßige Verwendung der Einnahmen neuerdings berühren, liegt so nahe, daß man nicht auf die Voraussetzung gebracht wird, es liege hiebei nur eine äußere Nötigung zum Grunde. Pflegte man doch in Österreich von jeher, Steuerausschreibungen etc. mit einigen beschwichtigenden Worten einzuleiten. Der Minister des Äußern machte dagegen geltend, daß, nachdem die Erklärung nicht an die Bevölkerung des ganzen Reiches, sondern an den Reichsrat gerichtet wird, eine solche auf weitere Kreise berechnete Einleitung und Motivierung füglich unterbleiben könne und es daher völlig genügen würde zu sagen: „Um die von einigen Herren Abgeordneten erhobenen Zweifel über den Bestand der Ministerverantwortlichkeit || S. 421 PDF || zu beheben, findet sich das Ministerium veranlaßt zu erklären, daß die am 2. Julius v. J. im hohen Abgeordnetenhause abgegebene Erklärung mit ausdrücklicher Genehmigung Sr. Majestät des Kaisers erfolgte, und daß Allerhöchstdieselben die Verantwortlichkeit der k. k. Minister mit der am 2. Julius ausgesprochenen Beschränkung fortwährend Ah. anerkennen.“ Hiemit dürfte alles gesagt sein, was unter den gegenwärtigen Verhältnissen auszusprechen nötig ist. Der Polizeiminister hob heraus, die Konzession, welche in der Abgabe der gewünschten Erklärung liegt, bestehe lediglich darin, daß man das bereits einmal Gesagte wiederholt, keineswegs aber in dem Aufgeben oder Schmälern eines Rechtes der Krone. Es ist durchaus keine materielle Konzession. Das Anknüpfen an die Finanzvorlagen hält Baron Mecséry für unbedenklich und jedenfalls für minder kompromittierend als die Beziehung „auf die von einigen Herren Abgeordneten erhobenen Zweifel“. Die vom Minister des Äußern vorgeschlagene Fassung würde der Erklärung das offizielle Gepräge einer Antwort auf die Interpellation des Finanzausschusses verleihen, was Se. Majestät doch vermieden sehen wollen. An der gewissenhaften Verwendung der Steuergelder seien nicht bloß die Mitglieder des Reichsrates, sondern die sämtlichen Kontribuenten interessiert, und einige Vorgänge in den letzten Jahren haben das Vertrauen — ob mit oder ohne Grund gilt gleich — dergestalt erschüttert, daß eine Beruhigung nötig ist. Dieser Minister sei daher im wesentlichen mit dem Entwurfe des Staatsministers einverstanden. Die Minister Graf Nádasdy, Graf Degenfeld, Ritter v. Lasser und Graf Wickenburg sprachen sich in ähnlichem Sinne aus. kFZM. Graf Degenfeld glaubte jedoch beantragen zu sollen, diese Veranlassung zu benützen, um damit auch eine offene Erklärung über die beabsichtigte Tragweite einer Ministerverantwortlichkeit zu verbinden, respektive die Grenzen genau zu bestimmen, über welche hinauszugehen bei den eigentümlichen Verhältnissen der Monarchie weder möglich noch auch in der Ah. Absicht gelegen sei.k FZM. Graf Degenfeld glaubte jedoch beantragen zu sollen, diese Veranlassung zu benützen, um damit auch eine offene Erklärung über die beabsichtigte Tragweite einer Ministerverantwortlichkeit zu verbinden, respektive die Grenzen genau zu bestimmen, über welche hinauszugehen bei den eigentümlichen Verhältnissen der Monarchie weder möglich noch auch in der Ah. Absicht gelegen sei. Der Finanzminister äußerte, daß in der Abgabe der Erklärung unleugbar eine Konzession liege, und daß er, wenn die Lage der Dinge es gestattete, der erste wäre, diesen wiederholten Ausspruch zu widerraten. Allein, die Unterlassung desselben könnte vielleicht die günstige Erledigung, der die Finanzfragen sich allmählich zu nähern anfangen, gänzlich vereiteln und somit die bedauerlichsten Folgen haben, denn der Minister könne nicht hoffen, die schwierigen finanziellen Aufgaben der Gegenwart ohne Mitwirkung des Reichsrates zu lösen. Wo aber, wie hier, die wichtigsten Interessen des Staates auf dem Spiele stehen, müsse eine jedenfalls nur formale Konzession als das geringere Übel erscheinen. Der ungarische Hofkanzler schloß sich dem Antrage des Grafen Rechberg an. Vergebens wolle man die Augen schließen, um nicht zu sehen, was alle Welt im In- und Auslande sieht: nämlich, daß die kaiserliche Regierung durch die Erklärung sich etwas vergibt. Die Motive der Einleitung, welche Ritter v. Schmerling vorgeschlagen hat, werden niemand täuschen. Graf Forgách könne für diese Einleitung umso weniger stimmen, als sie so gestellt ist, daß es den Anschein erhält, als ob Se. Majestät von den kaiserlichen Untertanen Opfer für || S. 422 PDF || Allerhöchstsich selbst begehrten. Der Staatsratspräsident ist des Erachtens, daß gleich den vorausgegangenen Regierungsmitteilungen auch die gegenwärtige Erklärung einer Einleitung bedürfe. Gegen das Anknüpfen an die Zweifel einiger Reichsratsabgeordneter müsse er als mit der Würde Sr. Majestät nicht vereinbar entschieden Verwahrung einlegen und der naheliegenden Beziehung auf die Wichtigkeit des Momentes und auf die Finanzvorlagen den Vorzug geben. Von „Opfern“ aber wäre, wie bereits eine Vorstimme bemerkt hat, nicht zu sprechen. Es handelt sich nur um die Erfüllung von Pflichten gegen den Staat. Minister Graf Esterházy , im wesentlichen dem Minister des Äußern beitretend, findet, der Moment zu einem Appell an die Bevölkerung sei noch nicht gekommen. Kaiserliche Ansprachen dieser Art sind für andere Konjunkturen vorzubehalten. Um aber nicht bloß an die Zweifel einiger Abgeordneter anzuknüpfen, könnte man im Eingang ganz allgemein bloß von „lautgewordenen Zweifeln“ sprechen. Der Minister des Äußern fand, die größte Vorsicht bei [der] Wahl der Fassung sei hauptsächlich aus dem Grunde nötig, damit die Erklärung nichts enthalte, was dem augenfällig vorhandenen Streben nach parlamentarischer Verantwortlichkeit Nahrung gewähren könnte. Ferner machte Graf Rechberg aufmerksam, daß die verfassungsmäßige Behandlung des Voranschlags etc. nicht erst jetzt beginne, wie es im Entwurf des Staatsministers heißt, sondern schon am 17. Dezember v. J. begonnen habe.

Nach einer längeren Beratung über die Textierung des Eingangs, im Verlaufe welcher Se. Majestät der Kaiser auch auf die elastische Tragweite des Ausdrukkes „Aufrechterhaltung der Verfassung jedermann zur Pflicht gemacht werde“ hinzuweisen geruhten, fanden Allerhöchstdieselben zu bestimmen, daß der erste Satz, nach Weglassung der Worte „neue Opfer“ bis „werde“, mit dem zweiten in einem zu verschmelzen sei.

2. Über die Einwendung, es sei nicht notwendig, die Tatsache ausdrücklich in der Erklärung zu konstatieren, „daß das Ah. Handschreiben vom 20. August 1851 teilweise außer Wirksamkeit getreten ist“, bemerkte der Staatsminister , dieses Ah. Handschreiben sei im Reichsgesetzblatte abgedruckt und gelte daher seinem ganzen Inhalte nach in den Augen vieler Leute — namentlich der Juristen — noch immer als Gesetz, bis es ausdrücklich aufgehoben sein wird. Aus dieser Meinung entsprang nun der vielfach lautgewordene und ernstgemeinte Wunsch, über die teilweise Aufhebung desselben einen Ah. Ausspruch zu vernehmen, und Ritter v. Schmerling könne aus persönlicher Überzeugung die Versicherung geben, daß zahlreiche treue Untertanen und warme Anhänger der Regierung in und außer dem Reichsrate durch einen solchen Ausspruch wesentlich beruhigt und zu ersprießlicher Tätigkeit im guten Sinne aufgemuntert werden würden. Er bitte die Wichtigkeit dieser Sache nicht zu unterschätzen. Der Minister des Äußern würde es als einen politischen Fehler betrachten, wenn die Regierung aus Utilitätsgründen sich durch Abgabe einer solchen Erklärung bezüglich des Ah. Handschreibens offenkundig ins Schlepptau nehmen ließe und gewissermaßen das Heft aus der Hand gäbe. Jedenfalls müsse er bemerken, daß, wenn das Ah. Handschreiben Gesetzeskraft hat, dasselbe nur auf verfassungsmäßigem Wege modifiziert oder aufgehoben werden könne, nicht aber durch eine Erklärung dieser Art. Der || S. 423 PDF || Finanzminister sieht dagegen nicht ab, daß die Regierung sich durch die vom Staatsminister vorgeschlagene Erklärung die Hände binde oder ein der Krone noch zustehendes Recht aufgebe, denn es sei ja schon am 2. Julius anerkannt worden, daß die Minister „auch der Reichsvertretung gegenüber verantwortlich sind“. Man wiederholt nur dermal diesen Ausspruch in einer anderen Form, weil es wichtige Opportunitätsrücksichten rätlich machen. lEr stimmt für die Abgabe der Erklärung nur insoferne, als jede über die Erklärung vom Juli 1861 etwa hinausgehende weitere Konzession strengstens vermieden werde.l Minister Graf Nádasdy hätte wohl gewünscht, daß das Ah. Handschreiben vom 20. August in der Erklärung hätte unerwähnt bleiben können, allein, aus verläßlicher Quelle habe er in Erfahrung gebracht, daß dieses gerade ein Hauptpunkt ist, dessen Übergehung auf das Vorhandensein verfassungsfeindlicher Hintergedanken gedeutet werden würde. Dadurch wäre die parlamentarische Kampagne gerade in der wichtigsten, dringendsten und an sich schon so schwierigen Finanzfrage noch bedeutend erschwert. Nur die Gegner der Regierung im In- und Auslande würden dabei gewinnen. Gibt man jetzt nur eine unvollständige Erklärung ab, so hat man eine Konzession gemacht, ohne doch die beabsichtigte Wirkung zu erzielen, was offenbar der größte Fehler wäre. Darum lieber gar keine als eine halbe Maßregel! Übrigens finde Graf Nádasdy in der Erklärung über das Ah. Handschreiben nichts der Würde Sr. Majestät Abträgliches. Der Polizeiminister hält es umso mehr für angezeigt, daß die Regierung mit dieser Erklärung die Initiative ergreift, weil sonst unfehlbar eine Interpellation erfolgt, die man auf jeden Fall beantworten muß und doch in keinem anderen Sinne beantworten kann. Die Minister Graf Degenfeld, Ritter v. Lasser und Graf Wickenburg sprachen sich in ähnlicher Weise aus, wobei der letztere noch heraushob, daß die Sache schon zu viel in den Zeitungen besprochen worden sei, als daß man noch länger mit einer beruhigenden Erklärung zögern könnte.

Se. k. k. apost. Majestät geruhten bei diesem Anlasse zu bemerken, Allerhöchstdieselben hätten in den Journalen unverkennbare Beweise davon gefunden, daß der Inhalt der Ministerberatungen ungeachtet der wiederholten bestimmtesten Ah. Verbote nicht geheimgehalten werde5.

Der Präsident des Staatsrates erinnerte, daß ein Gesetz entweder ausdrücklich oder stillschweigend aufgehoben werden kann. Die stillschweigende Aufhebung einer Bestimmung des Ah. Handschreibens vom 20. August 1851 sei durch den § 13 des Grundgesetzes vom 26. Februar erfolgt, in welchem die Ministerverantwortlichkeit implicite ausgesprochen wurde. Die ausdrückliche Aufhebung des Handschreibens könne aber nur durch ein Gesetz über die Verantwortlichkeit der Minister auf verfassungsmäßigem Wege stattfinden, welches auch bereits am 2. Julius v. J. in Aussicht gestellt wurde. mVorläufig handle es sich aber nicht um die Erlassung eines Gesetzes, im Gegenteil sage der Schluß der Erklärung ausdrücklich, daß dieses erst in der Folge geschehen könne. Gegenwärtig handle es sich nur um die Erteilung der Beruhigung, daß die Regierung die Verfassung in dem angeführten Sinne auslege und seinerzeit ein Gesetz in dieser Richtung vorlegen werde.m Vorläufig handle es sich aber nicht um || S. 424 PDF || die Erlassung eines Gesetzes, im Gegenteil sage der Schluß der Erklärung ausdrücklich, daß dieses erst in der Folge geschehen könne. Gegenwärtig handle es sich nur um die Erteilung der Beruhigung, daß die Regierung die Verfassung in dem angeführten Sinne auslege und seinerzeit ein Gesetz in dieser Richtung vorlegen werde. Freiherr v. Lichtenfels stimmte daher für die vom Staatsminister vorgeschlagene Erklärung über das Ah. Handschreiben, welche schließlich auch die Ah. Genehmigung erhielt.

3. Die Frage, ob der Ah. Befehl wegen Vorbereitung eines Gesetzes über die Ministerverantwortlichkeit als bloße Wiederholung und als unter den jetzigen Verhältnissen verfrüht nicht wegzubleiben hätte, gab Anlaß zu einer längeren Erörterung, im Verlaufe welcher der Staatsminister erläuterte, er verstehe unter dem Ausdruck „Verfassungsgesetz“ nicht ein eigenes Gesetz über die Ministerverantwortlichkeit, sondern die Aufnahme von ein oder zwei Paragraphen über diesen Punkt in die Reichsverfassung auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Wege. Nach der Meinung des Staatsministers könnte es wohl keinem Anstande unterliegen, jetzt so wie am 2. Julius 1861 darauf hinzudeuten, daß diese Angelegenheit, welche die Gemüter eben bewegt, gesetzlich geregelt werden wird, obgleich jetzt allerdings noch nicht dazu geschritten werden kann. Minister Graf Rechberg glaubte, daß der ganze Schlußsatz als unzeitig und unberechtigte Erwartungen hervorrufend, wegzulassen wäre. Der ungarische Hofkanzler erinnerte an den Gesichtspunkt, von welchem er die Ministerverantwortlichkeit betrachten müsse, wie er bereits in der Konferenz am 22. d. M. gezeigt habe. Auch heute könne Graf Forgách nur davor warnen, um ein Haar über die Erklärung vom 2. Julius hinauszugehen, zumal es klar ist, daß man nach einer parlamentarischen Verantwortlichkeit strebt. Die Konsequenz eines „Verantwortlichkeitsgesetzes der Reichsvertretung gegenüber“ werde sein, daß auch die Landtage in Pest und Prag die Statthalter sich werden verantwortlich machen wollen. Wohin man dabei kommt, ist leicht abzusehen. Der Hofkanzler stimme daher bezüglich der Punkte 2. und 3. mit dem Minister des Äußern. Minister Graf Esterházy trat der Meinung des ungarischen Hofkanzlers vollkommen bei.

Der Staatsminister schlug für den Schlußsatz eine neue Textierung vor, wodurch die von Sr. Majestät Ah. bezeichneten Bedenken gegen einen förmlich erneuerten Ah. Befehl, welcher auf die unverzügliche Einbringung des Gesetzes gedeutet werden könnte, behoben sein dürften. Derselbe würde nämlich lauten: „Auch haben Se. Majestät zu genehmigen geruht, daß seinerzeit zu einem Verfassungsgesetze über die Verantwortlichkeit der Minister, unter Festhaltung der in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 2. Juli 1861 ausgesprochenen Grundsätze, seitens der Regierung die Initiative genommen werde.“ Den allgemeinen Ausdruck „seinerzeit“ habe Ritter v. Schmerling deswegen gewählt, damit in dem gegenwärtigen Augenblick die delikate Distinktion zwischen dem engeren und dem Gesamtreichsrate nicht hervorgehoben werde. Jedermann wisse ohnehin, was unter „seinerzeit“ in diesem Fall zu verstehen ist.

Se. k. k. apost. Majestät geruhten diese Fassung des Schlußsatzes und den übrigen Teil der Erklärung nach jenem Texte Ag. zu genehmigen, welcher auf dem oben angeschlossenen lithographierten Entwurfe ersichtlich gemacht ist, und der || S. 425 PDF || Staatsminister erhielt sofort die Ah. Ermächtigung zur Abgabe der dergestalt amendierten Erklärung in beiden Häusern des Reichsrates6.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 14. Mai 1862. Empfangen 16. Mai 1862. Erzherzog Rainer.