Nr. 202 Ministerrat, Wien, 4. März 1862 — Protokoll I - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Kaiser; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Erzherzog Rainer 5. 3.), Rechberg, Degenfeld, Plener, Wickenburg; außerdem anw.anwesend Breisach; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 16. 3.
MRZ. 1006 – KZ. 777 –
Protokoll I des zu Wien am 4. März 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.
I. Marinedotation für März; Ausrüstung von zwei Korvetten statt des Linienschiffs „Kaiser“
Se. k. k. apost. Majestät geruhten als Gegenstand der heutigen Beratung die Ausmittlung der Märzdotation für die Kriegsmarine zu bezeichnen, wobei als Anhaltspunkt zu nehmen ist, daß Allerhöchstdieselben es vorderhand von dem Bemannen und Auslaufen des Linienschiffs „Kaiser“ abkommen lassen und statt desselben zwei Fregatten oder Korvetten vollkommen kriegsbereit auszurüsten seien, da der Schutz der dalmatinischen Küste durch die Kanonenbootflottille allein nicht erzielt werden kann1.
Der Leiter des Marineministeriums brachte zur Ah. Kenntnis, daß er soeben mit dem Sektionschef Breisach das Marineerfordernis für 1862 mit Rücksicht auf die neuesten Verhältnisse einer eindringlichen Prüfung unterzogen habe, wobei sich zeigte, daß der Gesamtaufwand an Ordinarium und Extraordinarium — mit Inbegriff der obigen zwei Fregatten oder Korvetten — nahezu 16 Millionen Gulden betragen werde, wovon sich noch etwa ein paarmal hunderttausend Gulden || S. 298 PDF || ersparen ließen. Der diesfällige detaillierte Vortrag sei eben heute au. erstattet worden2. Im Laufe der hierüber gepflogenen längeren Erörterung geruhten Se. Majestät Allerhöchstsich für die Armierung von zwei Korvetten mit einem Mehraufwande von je 13.000 fl. monatlich zu entscheiden, wobei gegen das Linienschiff 10.000 fl. monatlich erspart werden. Sektionschef Ritter v. Breisacha gab ferner infolge der von verschiedenen Seiten gestellten Fragen folgende Auskünfte: 1. Daß durch die Substituierung der Korvetten statt des Linienschiffs wohl an den laufenden Unterhaltskosten, nicht aber an der Dotation von 2 Millionen für die Ausrüstung etwas erspart werde, indem das Material für das Linienschiff bereits fast ganz angeschafft worden ist. 2. Daß in dem präliminierten Ordinarium allerdings auch der Aufwand für einige — freilich wenige — völlig ausgerüstete und diensttuende Kriegsschiffe enthalten sei. 3. Daß eine langsamere Ausrüstung der Panzerfregatten in technischer sowohl als ökonomischer Beziehung vorteilhaft sein würde, weil die dermal unausgesetzt Tag und Nacht fortgesetzten Arbeiten kostspieliger und doch minder preiswürdig sind. Es sei auch bereits erwiesen, daß die österreichischen Eisenwerke die Schienenlieferungen für die Panzer nicht rechtzeitig bewirken können. Andererseits kommt jedoch zu berücksichtigen, daß die Schiffsbauzeit kontraktmäßig festgesetzt ist und somit nicht einseitig geändert werden kann. Der „Salamander“ muß den 1. Mai d. J., das dritte und letzte Panzerschiff den 1. August fertig sein. 4. Daß die Kanonenboote, deren jedes mit zwei gezogenen 24-pfündigen und zwei 48-pfündigen Geschützen bewaffnet ist, auch außerhalb des Golfs allenthalben gute Dienste, selbst großen Schiffen gegenüber, leisten werden.
Minister Graf Wickenburg erklärte, daß er über die bereits im Jänner und Februar erhaltenen extraordinären 250.000 fl. für März noch wenigstens eine Rate des Extraordinariums per 350.000 fl. dringendst benötige, um wenigstens die ärgsten Geldverlegenheiten der Marinekassa zu beheben3. Den Rest des Extraordinariums von 2 Millionen müsse er in den weiteren sieben Monaten des Verwaltungsjahres ansprechen. Dasselbe sei von den ursprünglich angeforderten 2,574.000 fl. durch ihn auf ein nicht weiter zu restringierendes Minimum reduziert worden. Der Anspruch der Marine auf die Monatsquote für März sei völlig liquid, doch bekenne Graf Wickenburg selbst, über die vom Marinekommando zur Schuldentilgung in Anspruch genommene Million nicht klar zu sehen, hoffe aber darüber ins reine zu kommen, sobald das Marineministerium organisiert und in Tätigkeit ist, und dann wird man sofort mit dem Finanzministerium diese Post liquidieren4. Der Finanzminister berief sich auf die Schwierigkeiten der Lage des Staatsschatzes und auf die Notwendigkeit, den bis Ende April mit großer Mühe nur eben sichergestellten Gelddienst nicht durch unvorhergesehene große Dotationsanweisungen zu beirren, zumal die Zuflüsse aus Ungarn, wo die Militärexekution eingestellt ist, jetzt || S. 299 PDF || sparsamer werden dürften. Das Äußerste, was Edler v. Plener für März an Extraordinarium der Marine anweisen könnte, wären 250.000 fl., worin die Monatsquote der 2 Millionen per 166.000 fl. und die 64.000 fl. für ausgerüstete Schiffe mit einem Überschuß gedeckt wären. Auf die angedeutete Liquidation für die Vergangenheit werde bereitwillig eingegangen werden.
Schließlich geruhten Se. Majestät der Kaiser Ah. auszusprechen, daß vor gehöriger Klarstellung der Verhältnisse bei der Marine die Arbeiten nicht einzustellen seien5.
II. Entsendung eines Kriegsschiffs nach Patras
Minister Graf Wickenburg referierte über das von der Zentralseebehörde und dem Marinekommando bevorwortete Gesuch des k. k. Konsuls zu Patras, daß zum Schutze der dortigen österreichischen Untertanen und ihres Eigentums, dann der öffentlichen Ordnung ein Kriegsschiff daselbst stationiert werde. Das Marinekommando schlägt vor, die Korvette „Dandolo“ von Castelnuovo nach Patras zu beordern. Der Minister las zur näheren Begründung den diesfälligen konsularämtlichen Bericht, der die bedenkliche Lage in jenem Teil Griechenlands schildert6. Der Minister des Äußern rügte in formaler Beziehung, daß der Konsul sich in dieser Angelegenheit nicht an das Ministerium des Äußern gewendet habe. In merito aber könne sich Minister Graf Rechberg aus dem Vorgelesenen noch nicht von der Notwendigkeit einer solchen Demonstration in Patras überzeugen. Dieser Ort liege außerhalb der Griechenland jetzt bewegenden politischen Strömung. Es sei noch nicht dargetan, daß wichtige österreichische Interessen daselbst bedroht werden, und Österreich könne sich nicht bewogen finden, seine Marine in Dalmatien wesentlich zu schwächen, um die Polizei in Griechenland zu machen.
Aus dieser letzteren Rücksicht geruhten Se. Majestät der Kaiser Allerhöchstsich dafür zu entscheiden, daß nicht eine Korvette, sondern bloß ein vom Marinekommando || S. 300 PDF || zu wählender Raddampfer auf einige Zeit nach der Reede von Patras abgehe7.
Wien, 5. März 1862. Erzherzog Rainer.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Venedig, am 14. März 1862. Empfangen 16. März 1862. Erzherzog Rainer.