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Nr. 159 Ministerrat, Wien, 25. November 1861 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Schurda; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 25. 11.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy; abw. Pratobevera; BdR. Erzherzog Rainer 28. 11.

MRZ. 962 – KZ. 3751 –

Protokoll des zu Wien am 25. November 1861 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Maßnahmen zur Vollziehung der Ah. Entschließungen über die politische und Justizverwaltung in Siebenbürgen

Gegenstand der Beratung war der au. Vortrag des mit der einstweiligen Leitung der siebenbürgischen Hofkanzlei beauftragten Ministers Grafen Nádasdy über die behufs der Vollziehung der bezüglich der politischen und Justizverwaltung in Siebenbürgen erlassenen Ah. Entschließungen zu treffenden Maßregelna, 1.

Der referierende Minister Graf Nádasdy glaubte, den ersten Teil dieses au. Vortrages, welcher bloß eine Aufzählung der bezüglich der Reorganisierung Siebenbürgens seit dem 20. Oktober 1860 erlassenen Ah. Entschließungen2 und eine kurze Darstellung der mit diesen Ah. Anordnungen geradezu im Widerspruche stehenden Zustände enthält, übergehen zu können und sich gleich zu den im weiteren Laufe des Vortrages entwickelten Anträgen (Seite 9 angefangen) wenden zu sollen. Diese Anträge gehen im wesentlichen dahin, [1.] daß die gegenwärtig fungierenden Munizipalversammlungen aufgelöst werden3, [2.] daß jene Oberbeamten, welche sich nicht unbedingt bereit erklären, die ihnen anvertrauten Jurisdiktionen || S. 62 PDF || im Sinne der diesbezüglichen Ah. Bestimmungen zu organisieren und zu verwalten und den ihnen vorgeschriebenen Eid abzulegen, sogleich entfernt und durch andere geeignete Individuen ersetzt werden, [3.] daß die sämtlichen von den aufzulösenden Munizipalversammlungen gewählten Magistrate nur so lange provisorisch im Amte belassen werden, bis durch die im Sinne der Ah. Bestimmungen neu zu bildenden ständigen Komitees der neue Magistrat gewählt sein wird; endlich [4.], daß die einzelnen Jurisdiktionen streng verhalten werden, die politische und Justizverwaltung genau und im Geiste der diesfalls bereits als Norm erlassenen und nach Maßgabe des Bedürfnisses noch zu erlassenden Ah. Bestimmungen zu besorgen. In Konsequenz dieser Maßregeln wäre auch die Ah. sanktionierte provisorische Instruktion für die Obergespäne, Oberkapitäne und Oberkönigsrichter4 in der in dem au. Vortrage — von Seite 12 bis Seite 30 — entwickelten Art und Weise zu erläutern und zu ergänzen5.

Im Laufe der eingehenden Beratung hierüber ergaben sich folgende Bemerkungen: Ad 2, Seite 9, modifizierte Graf Nádasdy seinen ursprünglichen Antrag in Absicht auf den vom neuen Gouverneur hinsichtlich der renitenten Funktionäre einzuhaltenden Vorgang dahin, daß demselben auch die Macht eingeräumt werde, „die ämtliche Wirksamkeit aller jener, welche ablehnen, einstweilen einzustellen und ihre Enthebung zu beantragen, statt ihrer aber kraft seiner Amtswirksamkeit andere geeignete Männer als Administratoren ungesäumt zu ernennen“, wogegen sich dem Ministerrate keine Erinnerung ergab.

Zu 3 hielt es Minister Ritter v. Lasser für wünschenswert, daß dem Obergespane auch das Recht eingeräumt werde, einzelne mißliebige Individuen des Magistrates sogleich zu entfernen, und es wurde sonach beschlossen, nach den Worten „fügen wollen“ folgenden Satz einzuschalten: „oder aus sonstigen Gründen der Obergespan die sogleiche Entfernung solcher Funktionäre für nötig halten“.

In bezug auf die vom Grafen Nádasdy zu der provisorischen Vorschrift vorgeschlagenen Erläuterungen und Ergänzungen gab zunächst der Antrag, die ständigen Komitees aus der freien Wahl der Komitats- und Stuhlsbevölkerung nach einem für diesen Fall Ah. festzustellenden Wahlmodus hervorgehen zu lassen, zu einer Diskussion über die Opportunität einer solchen Maßregel Anlaß6. Graf Nádasdy || S. 63 PDF || hofft von einer so beschaffenen Munizipalvertretung bei einer guten Leitung durch die Obergespäne etc. eine sehr ersprießliche Unterstützung für die Regierung und stellte dem vom Grafen Forgách erhobenen Bedenken, daß bei der gegenwärtig herrschenden Stimmung sich mit so gewählten Komitees kaum wird regieren lassen, wenn überhaupt bei den gegenwärtigen Verhältnissen solche Wahlkomitees zustande gebracht werden, entgegen, daß er nach hierüber mit den siebenbürgischen Hofräten Kabós, Salmen, Kozma, Popp usw., denen die Verhältnisse Siebenbürgens genau bekannt sind, gepflogenen Beratung die Besorgnis nicht habe, daß diese Komitees eine Verlegenheit für die Regierung sein werden, so wie er auch nicht befürchte, daß sie nicht zustande kommen, indem er überzeugt ist, daß die Romanen in ihren Komitaten und Stuhlbezirken wählen werden und so die Ungarn, um nicht ausgeschlossen zu werden, ebenfalls zur Wahl bestimmen werden. Der Staatsminister und mit ihm alle übrigen Votanten mit Ausnahme des Grafen Forgách waren der Meinung, daß man es jedenfalls mit diesen Wahlkomitees versuchen soll. Hiedurch werde ein Vertretungskörper aus den verschiedenen berufenen Interessengruppen geschaffen, welches den Beweis liefern wird, daß man nicht gesonnen ist, in Siebenbürgen, wo eine so einstimmige Renitenz wie in Ungarn nicht eingetreten ist, alles konstitutionelle Leben zu suspendieren. Sollten sich aber in der Tat diese Komitees mit der Regierung in Opposition stellen, so bleibe das Mittel immer übrig, deren Wirksamkeit zu suspendieren und imperativ zu regieren. Der ungarische Hofkanzler war hingegen der Ansicht, daß solche Versuche nur dann gemacht werden könnten, wenn die siebenbürgische Frage als tabula rasa anzusehen wäre. Nachdem aber die Landesgesetze in kraft bestehen und allfällige Änderungen — zufolge Ah. Bestimmungen — nur im Wege der Gesetzgebung vereinbart werden können, so erscheine es ganz unzulässig, solche neue innere Einrichtungen, wie es die in Rede stehende ist, ohne Mitwirkung des Landtages einzuführen, und Votant müßte sich gegen diesen Organisierungsversuch umso mehr aussprechen, als hiezu auch kein spezieller Ah. Befehl vorliegt7.

Mit Rücksicht auf den während dieser Debatte aufgeworfenen Zweifel, ob sich das Teilverhältnis in den Komitaten wirklich so herausstellt, daß die außer den Virilstimmen festzusetzende Anzahl von Vertretern des größeren Grundbesitzes sich mit der Anzahl der Vertreter der Landgemeinden gleichstellen werde, wurde beschlossen, den Zwischensatz Seite 18 „welche in der Regel“ bis „sein wird“ wegzustreichen und die diesfällige Bestimmung in den Wahlmodus aufzunehmen.

In betreff der Seite 20 enthaltenen Bestimmung über die Art der Wahl der von jeder Gemeinde abzusendenden Wahlmänner, wornach an dieser Wahl alle jene Gemeindeglieder teilzunehmen haben, welche zur Mitwirkung bei der Wahl des Ortsrichters und der Geschworenen berechtigt sind, wurde von dem Minister Ritter || S. 64 PDF || v. Lasser und dem ungarischen Hofkanzler in dem Anbetrachte, daß durch eine so weit ausgedehnte Teilnahme an dem Wahlakte eine große Agitation hervorgerufen würde, der Vorschlag gemacht, diese Bestimmung dahin zu modifizieren, daß der Ortsrichter und die Geschworenen aus den Gemeindemitgliedern die auf die Gemeinde entfallenden Wahlmänner benennen, welcher Antrag vom Ministerrate einstimmig angenommen und hiernach der betreffende Absatz abgeändert wurde. Gegen die vom Referenten zu 3 (Seite 20) der bessern Deutlichkeit wegen proponierte Einschaltung „welche der Komitats-, Rechts- und Distriktsjurisdiktion unterstehen, folglich“ ergab sich keine Erinnerung, so wie der Antrag des Ministers Ritter v. Lasser , den am Ende desselben Absatzes vorkommenden, auf die Art der Wahlen für die Handelskammer hinweisenden Passus wegzulassen und in die Wahlordnung aufzunehmen, einstimmig angenommen wurde.

Bei der zum § 8 der mehrgedachten provisorischen Vorschrift beantragten Erläuterung (Seite 23), daß die Obergespäne etc. Individuen, welche wegen Beteiligung an den Ereignissen der Jahre 1848/49 verurteilt wurden und ihre Strafe ganz und mit teilweiser Ag. Strafnachsicht abgebüßt haben, wenn ihnen später nicht eine vollständige Ah. Begnadigung zuteil wurde, zu Beamtenstellen nicht ernennen und substituieren dürfen, modifizierte Graf Nádasdy seinen ursprünglichen Antrag dahin, daß anstatt der Worte „eine vollständige Begnadigung“ gesetzt werde „nach Maßgabe der Bestimmungen des § 26 des Strafgesetzes vom Jahre 1852 die Ah. Bewilligung Eurer Majestät zur Erlangung eines öffentlichen Amtes oder Dienstes“. Der Staatsratspräsident machte hier aufmerksam, daß auch jene Individuen, welche wegen eines Verbrechens verurteilt wurden, von jeder Bewerbung um Dienstesstellen ausgeschlossen sind, solange sie nicht hierwegen die Ah. Dispens erlangt haben, und daß sich somit hier nicht bloß auf die Beteiligung an den Ereignissen der Jahre 1848/49 berufen, sondern, um es mit den Strafgesetzen in Harmonie zu bringen, noch beizusetzen wäre „und wegen eines Verbrechens“. Nachdem sowohl Graf Nádasdy als auch alle übrigen Votanten diesem Antrage beistimmten, erhielt der vorstehende Abänderungsantrag des Referenten die Modifikation, daß die Worte „nach Maßgabe der Bestimmungen des § 26 des Strafgesetzes vom Jahre 1852“ weggefallen sind.

Gegen den übrigen Inhalt des vorliegenden au. Vortrages ergab sich weiter keine Erinnerung. bNur bemerkte der Finanzminister, daß die Übergabe der Verwaltung der direkten Steuern an die neu einzusetzenden Komitats(Kreis)vorstände in betreff der unmittelbaren Unterordnung der Steuerämter bei dem Wegfalle landesfürstlich ernannter Stuhlbezirksorgane noch eine Verabredung zwischen ihm und dem Herrn siebenbürgischen Hofkanzler voraussetze, was auch in betreff des Zeitpunktes dieses Geschäftsüberganges zu gelten habeb Nur bemerkte der Finanzminister , daß die Übergabe der Verwaltung der direkten Steuern an die neu einzusetzenden Komitats(Kreis)vorstände in betreff der unmittelbaren Unterordnung der Steuerämter bei dem Wegfalle landesfürstlich ernannter Stuhlbezirksorgane noch eine Verabredung zwischen ihm und dem Herrn siebenbürgischen Hofkanzler voraussetze, was auch in betreff des Zeitpunktes dieses Geschäftsüberganges zu gelten habe, 8.

II. Gehaltserhöhung für die Beamten in Siebenbürgen

Der Minister Graf Nádasdy brachte die bereits zwischen der siebenbürgischen Hofkanzlei und dem Finanzministerium verhandelte und auch vom Staatsrate begutachtete Gehaltsaufbesserung für die Komitats-, Distrikts- und Stuhlbeamten zur Sprache, indem er den Wunsch ausdrückte, daß namentlich den Ingenieuren und Ärzten die beantragten 500 fl., welche das Finanzministerium auf 400 fl. herabsetzen will, belassen werden, weil diese Individuen durch ihre zu häufige Verwendung im Dienste von der Ausübung ihrer Privatpraxis abgehalten werden. Der Finanzminister berief sich auf die in der diesfalls gepflogenen Verhandlung von dem Finanzministerium abgegebenen Äußerung und erklärte übrigens, der beabsichtigten Gehaltserhöhung für die Ärzte und Ingenieure nicht entgegentreten zu wollen9.

Über die weiter vom Grafen Nádasdy aufgeworfene Frage, wie es mit den Gehalten der Obergespäne, Oberkapitäne etc. zu halten sein wird, bemerkte der ungarische Hofkanzler , daß bezüglich Ungarns diese Frage im Prinzipe noch gar nicht verhandelt wurde und daß bis jetzt über jeden einzelnen Fall das Einvernehmen mit dem Finanzminister gepflogen und das Gehalt nach den konkreten Umständen bestimmt wurde. Er halte aber dafür, daß bei den gegenwärtigen Verhältnissen die früheren Gehalte nicht ausreichend und daher dieselben erhöht werden müssen, wobei er es aber für zweckmäßig erachten würde, Gehaltskategorien einzuführen, zumal die Obergespäne in Hinblick auf die ihnen zugewiesenen Komitate rücksichtlich ihnen obliegenden Funktionen nicht alle gleich gehalten werden können. Um in dieser Sache eine befriedigende Lösung herbeizuführen, erklärten sich Graf Nádasdy, der Finanzminister und der ungarische Hofkanzler bereit, hierwegen in eine nähere Besprechung zu treten10.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 28. November 1861. Empfangen 28. November 1861. Erzherzog Rainer.