Nr. 154 Ministerrat, Wien, 19. November 1861 — Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift, P. Ransonnet; VS.Vorsitz Erzherzog Rainer; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Erzherzog Rainer 22. 11.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Esterházy, FML. Schmerling; abw.abwesend Degenfeld, Pratobevera, Forgách; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 1. 12.
MRZ. 957 – KZ. 3776 –
Protokoll II des zu Wien am 19. November 1861 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.
I. Vergleichsverhandlungen mit der Staatseisenbahngesellschaft
Der Staatsratspräsident erstattete ein umständliches Referat über die Vergleichsverhandlungen zwischen dem Ärar und der Staatseisenbahngesellschaft1, insoweit sich dieselben auf folgende streitige Objekte beziehen: 1. die Grundentlastungsentschädigung für die Domänen Oravicza und Bogschan im Kapitalsbetrage von 982.968 fl.; 2. die Patronatsrechte oder eigentlich Patronatslasten, die mit den obgenannten Domänen verbunden waren und sich des Jahres durchschnittlich auf 26.000 fl., d. i. die 5%igen Interessen eines Kapitals von 520.000 fl., beliefen; 3. die Jahresrente von 38.000 fl. Konventionsmünze in Silber, welche die königlich sächsische Regierung an die österreichische für die von der letzteren gebaute und sohin an Sachsen abgetretene Eisenbahnstrecke von Bodenbach bis an die Grenze vertragsmäßig zu bezahlen hat; 4. der Bau des von den beiderseitigen Regierungen und Bahnverwaltungen gemeinschaftlich zu benützenden Bahnhofs in Bodenbach nach dem vereinbarten Plane gegen eine von Sachsen zu bezahlende Jahresrente von 2% des Baukapitals. (Die Kosten würden mit 1,200.000 fl. Konventionsmünze präliminiert.)
Die Staatseisenbahn hat den Vergleichsvorschlag gemacht, sich mit der Hälfte der Grundentlastungsobligationen (1.) zu begnügen und dagegen die Patronatslasten (2.) ganz zu übernehmen. Den Bahnhof (4.) will aber die Gesellschaft nur gegen dem herstellen, daß ihr nebst den 2% des Anlagekapitals noch die Jahresrente von 38.000 fl. (3.) überwiesen werde. Bei der Konferenzberatung am 10. Jänner 1861 wurde die Annahme der Vergleichsvorschläge ad 1. und 2. nach dem Antrage des Finanzministers einstimmig beschlossen, zu den Punkten 3 und 4 wurde aber gegen den Antrag des Finanzministers durch die Majorität entschieden, auf die Abtretung der Rente von 38.000 fl. nicht einzugehen, sondern darauf zu bestehen, daß die Gesellschaft den Bau des Bahnhofs in der stipulierten Weise gegen Bezug von jährlichen 2% der Baukosten ohne allen Verzug herstelle. Da bei Begutachtung des diesfälligen au. Vortrages durch den Staatsrat2 adie Ansichten geteilt waren, indem die mehreren Stimmen von der Ansicht ausgingena die Ansichten geteilt || S. 37 PDF || waren, indem die mehreren Stimmen von der Ansicht ausgingen, daß die Grundentlastungsobligationen (1.), weil selbe beim Verkauf der Domänen bereits mobilisiert waren und kein „Zubehör“ der letzteren bildeten, somit nicht mitverkauft worden seien, dem Ärar vollständig und nicht bloß zur Hälfte erhalten bleiben sollten, bwährend mehrere andere Stimmen und der Staatsratspräsident die entgegengesetzte Ansicht aussprachenb, wurde hierüber im Ministerrate vom 22. Mai 1861 neuerlich beraten, wobei sämtliche Stimmführer dem Antrage des Freiherrn v. Lichtenfels beitraten, daß — bei der Unsicherheit des Ausgangs eines Rechtsstreites über Punkt 1 und dem innigen Zusammenhang der Vergleichsobjekte 1 und 2 — der angebotene Vergleich in seiner Gänze aufgefaßt und übereinstimmend mit dem früheren Ministerratsbeschlusse bloß mit der Modifikation zu genehmigen wäre, daß die Rente von 38.000 fl. dem Ärar vorbehalten bleibt.
Hierauf habe jedoch der Finanzminister die Sache einer wiederholten Erwägung zu unterziehen nötig befunden und zu dem Ende von cdem Rechtsgutachten des Staatsrates Einsicht genommenc . Nach genauer Prüfung dieser Motive hat der Finanzminister seine Meinung über die Vergleichsbedingungen teilweise geändert und im Vortrage vom 28. September 18613 bei Sr. Majestät dem Kaiser beantragt, daß die Grundentlastungsobligationen vollständig dem Ärar vorbehalten, die Patronatslasten der Gesellschaft überwiesen, ihr ferner der Bahnhofsbau zur Pflicht gemacht, dagegen aber auch die Rente von 38.000 fl. abgetreten werde. Nur einen so gearteten Vergleich glaube Minister v. Plener verantworten zu können. Die Motive dieses Antrages wurden aus dem Vortrage vorgelesen. Dieselben beruhen im wesentlichen darauf, daß die Grundentlastungsobligationen im Verkaufskontrakte nirgends erwähnt wurden, während so viele selbst geringfügige Objekte dort speziell aufgeführt erscheinen, daß die Absicht beider Paziszenten gar nicht auf die Abtretung der Grundentlastungsentschädigung gerichtet war, wie der damalige Minister Baron Bach, der die Verkaufsverhandlungen persönlich führte, dann Baron Baumgartner und Baron Brentano bestätigen, daß die ganzen Grundentlastungsverhandlungen für Bogschan und Oravicza ausschließend von den Behörden im Namen des Ärars ohne irgendeine Teilnahme der Gesellschaft geführt worden sind, endlich, daß der Anspruch auf die Obligationen keine nachteiligen Konsequenzen für das Ärar bezüglich der Patronate nach sich ziehen könne. Die Konzessionare der Eisenbahn hätten sich nämlich vertragsmäßig verpflichtet, alle Dienstbarkeiten, welche auf den Domänen und Entien haften, zu übernehmen. Es seien ferner mit dem Dominikaleigentume auch die Dominikallasten (implicite die Patronate) ipso jure zediert worden, sodaß bei einem Rechtsstreite darüber der Prozessualstand des Ärars ein günstiger sein würde. Was den Bahnhofbau betrifft, || S. 38 PDF || so sei der vorgeschriebene Plan weit ausgedehnter und kostspieliger, als wenn das Bauprojekt bloß auf die eigenen Betriebserfordernisse der Staatseisenbahngesellschaft und nicht dauch auf die für Sachsen benötigtend Gebäude etc. berechnet worden wäre. Die 2% des mindestens auf 1½ Millionen sich belaufenden Baukapitals seien noch lange kein Entgelt dafür, und die Überlassung der ohnehin streitigen Rente wäre daher der Billigkeit entsprechend.
Der Staatsratspräsident wendete sich hierauf zum Referate über die Begutachtung dieser neuen Anträge durch den Staatsrat4. Die Majorität erachtet, daß, sofern der Finanzminister jetzt nicht mehr glaubt, die Verantwortung für das Zugeständnis der 500.000 fl. Obligationen übernehmen zu dürfen, so könne dieser Überzeugung nicht entgegengetreten werden. Allein da das Ärar andererseits auf die Rente von 38.000 fl. Silber verzichten soll, was einem Kapital von 700.000 fl. Silber oder (samt 35% Agio) 1,026.000 fl. Papiergeld ungefähr gleichkommt, so stelle sich dieser neue Vergleichsmodus gegenüber dem früher beschlossenen um mehr als 400.000 fl. ungünstiger. Allerdings könnte aber die Überweisung der Jahresrente an die Gesellschaft bei der dermaligen Lage der Finanzen weniger unbequem sein als die unverweilte Beischaffung des im ersten Punkt des Vergleiches stipulierten Entschädigungsbetrages. Aus dieser Rücksicht und in der weiteren Betrachtung, daß der Finanzminister im Falle die Rente nicht abgetreten würde, die Herstellung des Bahnhofs in Bodenbach von Seite der Gesellschaft nicht für wahrscheinlich hält, während dieser Bau doch für den Verkehr höchst dringend ist, erachtet der Staatsrat, dem modifizierten Vergleichsvorschlage, der sich als eine Art Kompromiß zwischen den hier eintretenden Rechtsansprüchen, Billigkeits- und Opportunitätsrücksichten darstellt, nicht entgegentreten zu sollen. Freiherr v. Lichtenfels beleuchtete nun die Gründe, welche für den Anspruch des Ärars auf die Obligationen gemacht werden, und fand dieselben nicht so entscheidend, um es darüber zu einem Rechtsstreite kommen zu lassen. Die Domänen wurden nämlich, eda das Zugehör immer als mitverkauft anzusehen ist, wenn es nicht ausdrücklich ausgeschlossen wirde, unleugbar samt dem rechtlichen Zubehör — wozu die Grundentlastungsobligationen gehörten — verkauft. Eine ausdrückliche Ausnahme derselben wurde nicht stipuliert. Die behauptete und wohl auch vorhandene Absicht der Paziszenten sei nicht gerichtsordnungsmäßig zu erweisen, da die Zeugenschaft des Barons Bach etc. nicht angenommen werden würde. Bei diesem Verhältnis erscheine die angebotene Teilung des Streitobjektes zur Hälfte ein billiger Ausgleich. Die Patronatsfrage hänge mit der Frage der Obligationen dergestalt zusammen, daß eine Sachfälligkeit im Prozeß über die letzteren nachteilige Konsequenzen für die ersteren haben dürfte. Zudem ist das Patronatsrecht in Ungarn keineswegs allgemein ein Jus dominii, sondern zunächst ein Recht des apostolischen Königs. Die Devolution dieses Rechts vom Könige könne aber hier wohl nicht streng bewiesen werden, zumal die Patronate nicht zu den im Verkaufsvertrag übertragenen Dienstbarkeiten gerechnet werden können. Die prozessualische Stellung des Ärars || S. 39 PDF || würde also durchaus nicht eine günstige sein. Was aber die Rente von 38.000 fl. betrifft, erinnerte der Staatsratspräsident daran, daß der Ministerrat bereits anerkannt habe, daß eine rechtliche Verbindlichkeit zu deren Abtretung nicht besteht. Unter diesen Umständen wolle Baron Lichtenfels der eventuellen Überweisung der Streitfragen auf den Rechtsweg nicht entgegentreten; wenn man aber fragt, welcher von den Vergleichsvorschlägen der günstigere ist für das Ärar, so müsse er den vom Ministerrate bereits genehmigten Vergleichspropositionen den Vorzug geben.
Der Finanzminister zeigte im Lauf einer längeren Entgegnung, fsein dermaliger Antrag sei keineswegs ungünstiger, sondern vielmehr weit günstiger für das Ärar als jener, welchen das Ministerium in der Sache ursprünglich [gestellt hat]. Gegenwärtig konzediere er bloß die Überweisung der Rente von 38.000 fl. Silbergeld und eines weiteren im Vortrage näher entwickelten Beitrages, dagegen behalte [er] das Grundlastenentschädigungskapital dem Ärar bevor, während der frühere ministerielle Antrag beides der Eisenbahngesellschaft überließf . Den für seine Meinung bezüglich der Obligationen im Schoße des Staatsrates selbst geltend gemachten triftigen Rechtsgründen vermöge er kaum noch etwas Neues beizufügen. gDas meiste Gewicht gebührt der offenbar auf den Mitverkauf des Grundentlastungskapitals nicht gerichteten Absicht und dem Umstande, daß nach geschehenem Gutsverkaufe die ganze. Grundlastenentschädigungsverhandlung nicht von dem angeblichen neuen Erwerber, sondern von dem Ärar als Eigentümer und bzw. von dessen Finanzbehörden geführt ward, ohne alle Ingerenz der Gesellschaft. In gleicher Art erfolgte auch die Liquidierung und Zuweisungg . Es handle sich hiebei um fast 500.000 fl., und der Minister besorge, daß diese Konzession eine umso strengere Kritik erfahren würde, als die öffentliche Stimmung den Zugeständnissen an Eisenbahngesellschaften im allgemeinen nicht günstig ist. Sehr wichtig sei das baldige Zustandebringen des neuen Bahnhofes, welches von der Genehmigung hder Zuwendung jener Rente von 38.000 f. samt Zugehör abhängig sei und durch dieselbe bedingt werdeh . Endlich wolle er noch erwähnen, daß die fraglichen Obligationen bereits eine andere Bestimmung haben, sodaß deren Ausfolgung störend wäre.
Minister Ritter v. Lasser trägt Bedenken dagegen, es bezüglich der Punkte 1 und 2 zum Prozesse kommen zu lassen. Er sei zwar persönlich überzeugt, daß man beim Abschlusse des Vertrages die Obligationen nicht abtreten wollte, und wenn die damals verfaßten Wertanschläge der Domänen, iBergwerke etc. etc.i noch vorhanden wären, so würde man darüber jvielleicht näherej vielleicht nähere Gewißheit erhalten; allein diese Anschläge scheinen verloren, und der gerichtsordnungsmäßige Beweis könne somit nicht hergestellt werden. Bezüglich der Patronate teilt der Minister die Meinung des Freiherrn v. Lichtenfels. Was endlich die Rente per 38.000 fl. betrifft, so habe er schon im Ministerrate vom 10. Jänner bewiesen, daß dieselbe kein Gegenstand des Verkaufskontraktes war, indem die österreichische || S. 40 PDF || Regierung sich schon lange vorher der Eisenbahnstrecke bis an die sächsische Grenze entäußert hatte und die diesfälligen Stipulationen nicht auf die Staatseisenbahngesellschaft infolge des Ankaufs der Staatsbahn übergehen konnten. kDie Staatsbahngesellschaft sei überhaupt verpflichtet, den Bodenbacher Bahnhof herzustellen, weil sie in alle diesfalls vom Ärar der Krone Sachsen gegenüber übernommenen Verpflichtungen eingetreten sei; dafür also, die Gesellschaft zu jenem Bau willfähriger zu machen, bedürfe es gar keiner Konzession bei der jetzigen Vergleichsverhandlung.k Ritter v. Lasser beantragte daher, daß der lprojektierte Vergleich abzulehnen, von Sr. Majestät aber für den Finanzminister die Ermächtigung zu erbitten wäre, eine neue Verhandlung auf der vom Ministerrate bereits festgestellten vorteilhafteren Basis einzuleiten und abzuschließenl . Der Handelsminister brachte zur Kenntnis der Konferenz, daß er in Anbetracht der Dringlichkeit des Bahnhofbaues die Staatseisenbahngesellschaft bereits nachdrücklichst angewiesen habe, diesen Bau ganz abgesehen von der Austragung ihrer Streitigkeiten mit dem Ärar ohne Verzug nach dem vorgeschriebenen Plane zu beginnen. Bei der Ungewißheit über den Ausgang der Rechtsstreite müsse Graf Wickenburg für die Beilegung der Differenzen im Vergleichswege stimmen. Nachdem der Finanzminister die rechtliche Verpflichtung der Gesellschaft zum Bau des Bahnhofes nicht als explicit ausgesprochen bezeichnet hatte, berief sich der Staatsratspräsident auf Art. 19 des Kontrakts, wonach die Gesellschaft in alle Lieferungs-, Fracht- und sonstigen Verträge des Ärars eingetreten ist5. Wenn übrigens die öffentliche Stimmung dermal geneigt ist, die Transaktionen der Regierung mit den Eisenbahngesellschaften strenge zu beurteilen, so dürfte gerade der letzte Vergleichsantrag des Finanzministers hiezu mehr Anhaltspunkte bieten.
Die Minister Ritter v. Schmerling, Graf Rechberg, Baron Mecséry, Graf Nádasdy und Graf Esterházy, dann FML. Ritter v. Schmerling, vereinigten sich in dem Antrage des Ministers v. Lasser, und es wurde von Sr. k. k. Hoheit dem durchlauchtigsten Herrn Erzherzoge Rainer als das Conclusum der au. Antrag ausgesprochen, daß der von der Staatseisenbahngesellschaft angebotene Vergleich nicht anzunehmen sei, sondern mit dieser Gesellschaft neue Vergleichsverhandlungen anzuknüpfen wären, wobei der frühere Antrag des Ministerrates als Maximum der zu gewährenden Zugeständnisse zu gelten hätte6.
II. Herabsetzung des Preises für Viehsalz
Der Präsident des Staatsrates referierte über den Vortrag des Finanzministers vom 23. Oktober d. J., womit er den Entwurf eines Gesetzes über eine teilweise Änderung in der Erzeugungsart des sogenannten Viehsalzes und über Erleichterungen im Bezuge desselben mit der Bitte vorlegt, ihn zur Einbringung derselben als Regierungsvorlage an den Reichsrat Ah. zu ermächtigen7.
Nach diesen Anträgen soll das Salz, statt des Enzian mit Kohlen [staub] und Eisenoxyd vermengt, um einen Preis zu verkaufen sein, der die eigenen Kosten für Salz, Kohlen und Oxyd samt den Transportkosten bis zum Verschleißorte nicht übersteigen darf. Die Verwendung dieses Salzes zu anderen Zwecken als zur „Viehlecke“ macht straffällig. Von der Meinung ausgehend, daß nach dem ganzen Inhalt des § 10 des Grundgesetzes vom 26. 2. nur die Erhöhung der bestehenden und die Einführung neuer Steuern, Gefälle etc. im verfassungsmäßigen Wege zu geschehen hat, glaubte die Mehrheit der Stimmen im Staatsrate, daß zur Durchführung der beantragten Änderungen, welche bloß eine sehr plausible Herabsetzung der Salzpreise im Interesse der Landwirtschaft bezielen, die reichsrätliche Zustimmung keineswegs notwendig sei, sondern dieselben lediglich auf administrativem Wege, nach eingeholter Ah. Genehmigung, ins Leben gerufen werden könnten. Hierzu komme noch, daß es sich dabei um eine Finanzmaßregel handelt, die in allen Kronländern Platz greifen soll, und daß mithin die Frage über die Kompetenz des jetzt tagenden Reichsrates zur Beratung dieser Vorlage auftauchen würde. Im Wesen ist der Staatsrat mit der Preisherabsetzung einverstanden, jedoch mit der Differenz, daß die mehreren Stimmen (mit dem Finanzminister) nicht weiter gehen wollen als die eigenen Gestehungskosten zu decken, d. h. auf ⅓ des bisherigen Preises, der Staatsratspräsident aber den Zuschlag eines wenn auch kleinen Unternehmergewinnes für rätlich hält, um das Gefälle vor allzu großen Verlusten und vor plötzlicher übergroßer Nachfrage nach einem so wohlfeilen Artikel zu bewahren. Staatsrat Baron Ožegović endlich glaubte, daß die Herabsetzung auf die Hälfte der bisherigen Verschleißpreise genügen dürfte, der Landwirtschaft die wünschenswerte Erleichterung zu verschaffen, ohne das Gefälle zu viel zu beeinträchtigen. Die Staatsräte Baron Fliesser und Baron Ožegović würden die im Gesetzentwurf erscheinende Strafsanktion beseitigen und lieber sagen: „Es ist dagegen im Sinne des Gefällsstrafgesetzbuches verboten, das Viehsalz zu einem anderen Zwecke als zur Viehzucht zu verwenden.“ Der Staatsratspräsident würde von jeder ohnehin unpraktischen Strafsanktion absehen, zumal als ihm nicht billig erscheint zu verbieten, daß das Viehsalz nicht auch zu anderen Zwecken, z. B. zur Düngung, verwendet werde. Strenggenommen sei nur das Reinigen dieses Salzes von Kohle und Oxyd als unerlaubt anzusehen.
Der Finanzminister äußerte, die Frage über die Kompetenz des Reichsrates habe ihm mindestens zweifelhaft geschienen. Vorzugsweise spricht aber dafür, daß im Gesetze Strafbestimmungen festgesetzt wurden, indem hiebei die verfassungsmäßigen Faktoren mitzuwirken haben. Indes wolle der Minister einer bloß administrativen Behandlung der Sache nicht entgegentreten. Man habe eingewendet, die || S. 42 PDF || Handhabung des Verbotes sei schwer zu überwachen. Dies auch zugegeben, bleibe das Verbot doch immerhin ein moralischer Abhaltungsgrund, auch würden große Unterschleife der Aufsicht [und] der Wachsamkeit der Finanzorgane kaum entgehen. Ein ähnliches Verbot bestehe übrigens bereits bezüglich des den Fabriken zu Begünstigungspreisen erfolgten Salzes. Da der Absatz des wohlfeileren Viehsalzes bis jetzt ein sehr beschränkter war, so könne nun eine namhafte Preisherabsetzung für die Landwirtschaft von fühlbarem Nutzen sein. Die Beimischung von Kohlen und Eisenoxyd sei von den Sachverständigen für ganz unschädlich erklärt worden, was aber nicht vom Enzian gilt. Der Staatsratspräsident machte aufmerksam, daß man jüngst selbst die Erhöhung der Tabakpreise als eine administrative Fabriksangelegenheit, die nicht vor den Reichsrat gehört, behandelt habe, es eine Inkonsequenz wäre, die Herabsetzung des Preises eines anderen Fabrikats — des Salzes — vor die Reichsvertretung bringen zu wollen. Dieser Schritt würde überdies die Folge haben, daß jede weitere Änderung im Preise des Viehsalzes denselben Weg nehmen müßte. Der Staatsminister teilte vollkommen diese Ansicht mit Hinweisung auf die Komplikation, daß der finanzielle Teil der Vorlage vor den Gesamtreichsrat, die Strafbestimmung aber vor den engeren Reichsrat gehören würde, wenn überhaupt von einer Vorlage hier die Rede sein könnte! Die Minister des Äußern, der Polizei und des Handels, die Minister Ritter v. Lasser, Graf Nádasdy und Graf Esterházy, dann FML. Ritter v. Schmerling, traten der Meinung des Staatsratspräsidenten in Absicht auf die Kompetenz sowohl als auf den Zuschlag eines mäßigen Gewinns zum Gestehungspreise bei, auch würden diese Stimmführer von eigenen Strafbestimmungen für Kontravenienten Umgang nehmen.
Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Rainer geruhten sofort den Majoritätsbeschluß dahin auszusprechen, daß die Änderung in der Mischung und im Preise des Viehsalzes in administrativem Wege ohne Mitwirkung des Reichsrates durchgeführt, zu den Gestehungskosten ein mäßiger Unternehmergewinn behufs der Preisbestimmung hinzugeschlagen werde, und daß neue Strafbestimmungen zu unterbleiben haben8.
III. Verhinderung des Schmuggels von Waffen in das österreichische Küstengebiet
FML. Ritter v. Schmerling referierte über die im Wege des englischen Konsuls zu Livorno eingezogenen Auskünfte über das Handelsschiff „Marathon“, welche keinen Zweifel übriglassen, daß die neuerlich stattgefundene Fahrt desselben in den Adriatischen Golf den Zweck hatte, Waffen in unser Littoral einzuschmuggeln9. Dieses Mal wurde der Zweck nur unvollständig erreicht; da aber die viel zu gelinde Behandlung dieses Falles durch die österreichischen Seebehörden zu wiederholten Versuchen aufmuntern wird, so müsse das Kriegsministerium um Abhilfe ersuchen. Der Minister des Äußern erinnerte an seinen bei einer früheren Beratung gestellten Antrag, durch Einwirkung auf den Agenten der englischen Gesellschaft, welcher der „Marathon“ gehört, den Wiederholungen vorzubeugen. Der Handelsminister erwiderte, er werde der Zentralseebehörde über das infolge der erhaltenen Aufträge Verfügte Bericht abfordern. Die Strafe sei || S. 43 PDF || offenbar zu gering gewesen. Vorläufig könne er nur mitteilen, daß der englische Konsul zu Triest seine Ansichten über die Harmlosigkeit des fraglichen Unternehmens bereits berichtigt hat10.
Wien, 22. November 1861. Erzherzog Rainer.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 29. November 1861. Empfangen 1. Dezember 1861. Erzherzog Rainer.