Nr. 136 Ministerrat, Wien, 5. Oktober 1861 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Erzherzog Rainer; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Erzherzog Rainer 5. 10.), Rechberg, Mecséry, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách (bei I und II abw.abwesend), Esterházy, FML. Schmerling; abw.abwesend Degenfeld, Pratobevera; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 28. 10.
MRZ. 938 – KZ. 3352 –
- I. Bitte des galizischen Landtags betreffend die Unterrichtssprache an der Krakauer Universität
- II. Präsidium der Zentralseebehörde
- III. Waffensendungen auf englischen Schiffen in Triest
- IV. Versetzung des Donaudampfschiffkapitäns Roberto Cavaliero
- V. Bewilligung von Mehrauslagen für den Straßenbau am Katzenberg in Tirol
- VI. Ernte- und Getreideausfuhrausweise
- VII. Viehseuche in Ungarn
Protokoll des zu Wien am 5. Oktober 1861 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer
I. Bitte des galizischen Landtags betreffend die Unterrichtssprache an der Krakauer Universität
Der Staatsminister referierte über die Bitte des galizischen Landtags a) um Aufnahme der Ah. Verordnung vom 13. Februar d. J. über die Unterrichtssprache an der Jagellonischen Universität in Krakau in das Reichsgesetzblatt, b) um die Einführung der polnischen Sprache für alle juridischen Lehrfächer und sohinige Ersetzung der deutschen Professoren durch polnische1. Beide Bitten erschienen dem Staatsminister als zur Zurückweisung geeignet, und zwar jene ad b darum, weil kein Grund vorhanden ist, die erst kürzlich diesfalls erlassene Anordnung, welche die polnische Sprache bei allen nicht positiv österreichischen Rechtslehrfächern zuläßt2, schon wieder abzuändern, und jene ad a, weil die Regelung innerer Dienstesverhältnisse an einer Staatsanstalt nie anders als im administrativen Wege vorgenommen wird, keinen Gegenstand der Reichs- oder Landesgesetzgebung bildet, mithin eine Verfügung solcher Art nicht in das Reichsgesetzblatt gehört.
Der Ministerrat fand hiergegen nichts zu erinnern, und wird der Staatsminister hiernach seinen Vortrag an Se. Majestät erstattena, 3.
II. Präsidium der Zentralseebehörde
Der Handelsminister referierte über die Besetzung des Präsidiums bei der Zentralseebehörde. Selbes hat in der Regel der Statthalter mit einem systemisierten || S. 429 PDF || Vizepräsidenten, ausnahmsweise kann ein eigener Präsident bestellt werden. Gegenwärtig, wo weder die Präsidenten- noch die Vizepräsidentenstelle besetzt und nicht einmal das Gremium der Räte vollzählig ist, würde der Handelsminister vorziehen, wenn ein eigener Präsident für diese wichtige Stelle, und zwar der Sektionschef des vorigen Handelsministeriums, Baron Czoernig, ernannt würde, wornach dann die Vizepräsidentenstelle unbesetzt zu bleiben hätte. Sollte dies nicht beliebt werden, so würde er den Statthalter Baron Burger zum Präsidenten und den Ersten Rat der Seebehörde, Wittmann, dermal zur Direktion des Österreichischen Lloyd beurlaubt, zum Vizepräsidenten vorschlagen4.
Bezüglich der Präsidentenstelle erklärte sich der Ministerrat einstimmig über Antrag des Finanzministers für die Übertragung des Präsidiums an den Statthalter. Dieser ist sozusagen der geborene Präsident der Seebehörde, und es ist bei den bekannten Verhältnissen des Küstenlandes und dessen innigsten Beziehungen zur Schiffahrt und zum Seehandel ohne Nachteil des Dienstes nicht möglich, den Statthalter von der unmittelbaren Einflußnahme auf die Leitung der Seebehörde auszuschließen. Auch sind dessen übrige Administrationsgeschäfte nicht so umfangreich und schwierig, um ihm nicht zu gestatten, sich selbst mit den Details der Geschäfte der Seebehörde zu befassen. Endlich — setzte Minister v. Lasser hinzu — hatte man bei der Zulassung eines eigenen Präsidenten den besonderen Umstand im Auge, daß der Statthalter damalsb zugleich Militärgouverneurc war, dem man zu seiner doppelten Funktion nicht auch noch eine dritte, dwenn er nicht eine besondere Vorliebe dafür etwa ausnahmsweise mitbringed, auflasten mochte — ein Umstand, der gegenwärtig entfällt.
In Ansehung der Vizepräsidentenstelle waren der Minister des Äußern , der Polizei - und der Staatsminister nicht gegen die Ernennung Wittmanns, vorausgesetzt, daß derselbe — wie der Minister des Äußern bemerkte — bereit wäre, auf seine Stelle beim Lloyd zu verzichten, da eine Kumulierung beider Stellen als unstatthaft erscheint. Als aber Minister v. Lasser bemerkt hatte, daß, wenn der Statthalter das Präsidium übernimmt, die Besetzung der Vizepräsidentenstelle nicht gar so dringend sein könne, indem man sich bisher ohne || S. 430 PDF || Präsidenten und Vizepräsidenten beholfen hat, daß es vielmehr angemessen sein dürfte, den Vorschlag des Präsidenten abzuwarten, der sich sowohl über Notwendigkeit der Besetzung der Vizepräsidentenstelle als über die geeignetste Persönlichkeit auszusprechen vermöchte, traten der Finanzminister, Graf Esterházy und FML. Ritter v. Schmerling diesem Antrage bei. Nur der Staatsratspräsident stimmte mit Rücksicht auf die dem Statthalter obliegenden anderweitigen Geschäfte für die sogleiche Besetzung der Vizepräsidentenstelle mit Wittmann unter der oben angedeuteten Bedingung.
Der Handelsminister konformierte sich rücksichtlich der Präsidentenstelle dem Beschlusse des Ministerrates, hinsichtlich der Vizepräsidentenstelle dem Antrage des Ministers v. Lassere, 5.
III. Waffensendungen auf englischen Schiffen in Triest
Dem englischen Dampfschiffe „Marathon“ wurden in Triest 72 Kisten mit Gewehren beanständet — acht soll er auf der Fahrt abgesetzt haben. Sie wurden jedoch laut Telegramm als von Genua nach Liverpool bestimmt nach Verhängung einer kleinen Ordnungsstrafe wegen nicht gehöriger Deklaration wieder freigegeben. Der Dampfer befindet sich indes noch im Hafen. Auch ist ein anderes Schiff „Hecla“ mit Waffensendungen signalisiert.
Der Finanzminister erklärte, daß in gefällsämtlicher Hinsicht wider den „Marathon“ im Freihafen von Triest nichts verfügt werden könne. Andererseits aber machte der Minister des Äußern darauf aufmerksam, daß eine Sendung von Genua nach Liverpool nicht den Weg über Triest ohne Absicht würde genommen haben, daß es also notwendig sei, gegen die Einschmuggelung von Waffen strenge Maßregeln zu ergreifen und den betreffenden englischen Gesellschaften zu bedeuten, man werde ihren Schiffen, wenn sie sich ähnliche Gesetzesverletzungen zuschulden kommen lassen, das Recht, in österreichischen Häfen anzulegen, entziehen. fDer Minister des Äußern erklärte, daß der Kapitän des gedachten Schiffes schon im Verdacht gestanden sei, auf seinen früheren Fahrten Waffenschmuggel getrieben zu haben, [und] daß in seinem zuerst vorgelegten Connaisement keine Waffen angeführt gewesen seien. In dem zweiten, später von ihm vorgelegten, seien 80 Kisten mit Waffen als in Genua geladen und nach Liverpool bestimmt eingetragen gewesen, aber der Bestimmungsort sei radiert und Liverpool nur nachträglich eingetragen worden. Diese Umstände sowie daß von den 80 Kisten acht gefehlt, seien geeignet, die Verdachtsgründe gegen den Kapitän zu erhöhen. Da jedoch der Spruch der Seebehörde schon erfolgt und dem Kapitän bekanntgegeben worden sei, so sei zwar hieran nichts mehr zu ändern, er trage aber darauf an, daß der „Marathon“ von einem k. k. Kriegsfahrzeuge bis zu einem Punkte begleitet werde, von welchem aus keine Ausschiffung der Waffen auf kaiserlichem Gebiete mehr zu besorgen sei, und daß den geeigneten Behörden der Auftrag erteilt werde, dem Agenten der englischen Compagnie, deren Eigentum der „Marathon“ sei, [anzuzeigen,] daß sie für die auf ihren Schiffen verwendeten Kapitäne verantwortlich gemacht werde und man sie benachrichtige, daß die kaiserliche Regierung, falls ihre Kapitäne sich den österreichischen Gesetzen nicht fügen und sich mit Waffenschmuggel ferner abgeben sollten, ihre Schiffe in den kaiserlichen Häfen nicht mehr zulassen würde.f Der Minister des Äußern erklärte, daß der Kapitän des gedachten Schiffes schon im Verdacht gestanden sei, auf seinen früheren Fahrten Waffenschmuggel getrieben zu haben, [und] daß in seinem zuerst vorgelegten Connaisement keine Waffen angeführt gewesen seien. In dem zweiten, später von ihm vorgelegten, seien 80 Kisten mit Waffen als in Genua geladen und nach Liverpool bestimmt eingetragen gewesen, aber der Bestimmungsort sei radiert und Liverpool nur nachträglich eingetragen worden. Diese Umstände sowie daß von den 80 Kisten acht gefehlt, seien geeignet, die Verdachtsgründe gegen den || S. 431 PDF || Kapitän zu erhöhen. Da jedoch der Spruch der Seebehörde schon erfolgt und dem Kapitän bekanntgegeben worden sei, so sei zwar hieran nichts mehr zu ändern, er trage aber darauf an, daß der „Marathon“ von einem k. k. Kriegsfahrzeuge bis zu einem Punkte begleitet werde, von welchem aus keine Ausschiffung der Waffen auf kaiserlichem Gebiete mehr zu besorgen sei, und daß den geeigneten Behörden der Auftrag erteilt werde, dem Agenten der englischen Compagnie, deren Eigentum der „Marathon“ sei, [anzuzeigen,] daß sie für die auf ihren Schiffen verwendeten Kapitäne verantwortlich gemacht werde und man sie benachrichtige, daß die kaiserliche Regierung, falls ihre Kapitäne sich den österreichischen Gesetzen nicht fügen und sich mit Waffenschmuggel ferner abgeben sollten, ihre Schiffe in den kaiserlichen Häfen nicht mehr zulassen würde.
Der Ministerrat einigte sich nach einer längeren Diskussion in dem Beschlusse, über die gegen den „Marathon“ getroffene Amtshandlung telegraphisch Auskunft zu verlangen und nach dem Antrage des Polizeiministers und des ungrischen Hofkanzlers das Marineoberkommando anzugehen, daß es den „Marathon“, wenn er den Hafen verläßt, durch ein Kriegsschiff begleiten und etwa bis Korfu beobachten lasse, um die Absetzung der Gewehre an etwa herankommende Fahrzeuge zu verhindern. Ebenso wäre der „Hecla“ ins Auge zu fassen6.
IV. Versetzung des Donaudampfschiffkapitäns Roberto Cavaliero
In einer vom englischen Gesandten an den Minister des Äußern ergangenen Note wird sich über die Versetzung eines Donaudampfschiffahrtskapitäns (Cavaliero) von der unteren nach der oberen Donau beschwert7. Der Minister des Äußern erbat und erhielt die Zustimmung des Ministerrates, darauf zu antworten: Die Regierung könne in dieser Sache nichts tun. Habe die Donau-Dampfschiffahrtsgesellschaft nach dem mit dem Kapitän eingegangenen Dienstvertrage das Recht, denselben zu versetzen, so müsse er sich die Versetzung gefallen lassen oder austreten. Glaube er, daß sie das Recht dazu nicht habe, so möge er sich mit seiner Klage an die Gerichte wenden.
V. Bewilligung von Mehrauslagen für den Straßenbau am Katzenberg in Tirol
Der Staatsratspräsident referierte über den Vortrag des Ministers Ritter v. Lasser wegen Bewilligung von 10.000 f. über die stipulierte Summe an den Unternehmer des Straßenbaus am Katzenberge bei Reutte in Tirol8.
Es wurde das Gutachten des Finanzministers eingeholt, welcher sich prinzipiell gegen die Gewährung dieser Aufzahlung um so mehr aussprach, als eine Ah. Aufforderung dazu nicht vorliegt, und sich weiters über die Umgehung des Finanzministeriums in dieser Angelegenheit beklagte. Der Staatsratspräsident stimmte dem Antrage des Ministers v. Lasser bei, weil die Mehrauslage erwiesen und durch die Hinausschiebung des Baus über die festgesetzte Zeit ohne Verschulden des Unternehmers veranlaßt worden ist, weil er den für ein gewisses || S. 432 PDF || Jahr zugesicherten Betrag von 25.000 f. nicht voll, sondern nur 11.700 f. erhalten hat und weil er den Ersatz des durch die Verzögerungg [und] Schmälerung der bedungenen Dotation erlittenen Schadens rechtmäßig ansprechen kann, mithin die höchste Billigkeit dafür spricht, ihm das, was er über die bedungene Summe für den Bau wirklich verausgabt hat, zu vergüten. Daß keine Ah. Aufforderung zu dem Antrage vorliegt, dürfte kein Hindernis sein, weil in vielen anderen Fällen davon abgesehen wurde. Minister Ritter v. Lasser setzte noch hinzu: Es liege selbst im Interesse des öffentlichen Baudienstes, solche Nachtragsforderungen, wenn sie so wie die vorliegende hin evidenten Billigkeitsrücksichtenh begründet sind, zu berücksichtigen, weil sonst die Bauunternehmer, um sich gegen alle Eventualitäten sicherzustellen, von vornehinein sich höhere Summen bedingen würden. Insbesondere aber bemerkte er zur Rechtfertigung der Übergehung des Finanzministers in dieser Angelegenheit, daß, wenn die ursprünglichei Bausumme nicht mehr als 30.000 f. betragen hätte, die Bewilligung jeines Nachtrages von 10.000 f.j im eigenen Wirkungskreis des Staatsministeriums gelegen, also ein Einvernehmen mit dem Finanzministerium nicht erforderlich gewesen wäre. Nur weil die Bausumme obigen Betrag weit überstieg, mußte jetzt die Ah. Genehmigung Sr. Majestät eingeholt werden, daraus folgt aber nicht, daß darum auch das Finanzministerium zu vernehmen war. Der Finanzminister erklärte sich gegen den Antrag der Konsequenzen wegen, da solche Forderungen als Versuch, noch etwas herauszukriegen, sich immer einstellen, wenn nicht einmal mit Strenge an den Kontraktstipulationen festgehalten wird. Bei Privaten gelten solche Forderungen nicht, warum soll das Ärar ihnen nachgeben? Auch lassen sich selbst bei strenger Kollaudierung die angegebenen Mehrleistungen nie ziffernmäßig genau ausmitteln. Gewinn und Verlust wechseln bei solchen Unternehmungen. Das muß sich der Unternehmer gefallen lassen. Höchstens könnte, wenn ein Ah. signiertes Gesuch eingebracht wäre, auf eine Gnadenvergütung mit 5000 f. angetragen werden. Für die Abweisung stimmten die Minister Graf Esterházy und Graf Rechberg , bemerkend, daß nie Ordnung in unsere Finanzen kommen werde, wenn man nicht die Kontrakte wie in auswärtigen Staaten streng handhabt. Die Regierung kommt sonst immer zu kurz. Sie vergütet die wirkliche oder angegebene Einbuße des Unternehmers, hat er aber einen namhaften Gewinn dabei gemacht, so ist von einer Herausgabe desselben für das Ärar nie die Rede.
Alle übrigen, also mehreren Stimmen traten aber dem Antrage Ritter v. Lassers bei, nachdem der Polizeiminister bemerkt hatte, daß, wenn man derlei Kontrakte als bloße Glücksverträge gelten lassen wollte, jeder Unternehmer sich das Höchste bedingen und dadurch die Regierung teurer bauen würde als bisher9.
VI. Ernte- und Getreideausfuhrausweise
Nachdem aus Anlaß namhafter Ausfuhren von Getreide die Besorgnis vor Teuerung oder Mangel geäußert worden ist, trug der Polizeiminister darauf an, daß sich die Regierung beizeiten über den Ausfall der Ernte und über die Getreideausfuhrquantitäten informiere. Ritter v. Lasser und der Finanzminister wurden eingeladen, die diesfalls erforderlichen Ausweise sich zu verschaffen.
VII. Viehseuche in Ungarn
Erinnerten Se. k. k. Hoheit den ungrischen Hofkanzler, wegen der zur Bekämpfung der Viehseuche in Ungern erforderlichen Maßregeln das Nötige einzuleiten und zu überwachen.
Wien, am 5. Oktober 1861. Erzherzog Rainer.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 25. Oktober 1861. Empfangen 28. Oktober 1861. Erzherzog Rainer.