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Nr. 52 Ministerrat, Wien, 18. April 1861 — Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 18. 4.), Rechberg, Mecséry, Schmerling, Lasser, Szécsen, Plener, Wickenburg, Pratobevera, Lichtenfels, FML. Schmerling 24. 4.; außerdem anw. Geringer; abw. Vay; BdR. Erzherzog Rainer 2. 5.

MRZ. 830 – KZ. 1355 –

Protokoll II des zu Wien am 18. April 1861 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Begünstigungen für die Militärgrenze

Staatsrat Freiherr v. Geringer referierte das Gutachten des Staatsrates über das vom Kriegsminister befürwortete Einschreiten des Banus um nachstehende Begünstigungen für die Militärgrenzbevölkerung1, als 1. um Verabreichung des Limitosalzes2 im doppelten Quantum gegen bisher zu dem Gestehungspreise mit Einrechnung der Transportkosten; 2. um Erhöhung der Vorspannsvergütung auf den Betrag, wie er für das Provinziale bemessen ist, d. i. 26 Kreuzer per Pferd und Meile; 3. um Nachsicht des außerordentlichen Zuschlages bei den Perzentualgebühren für Vermögensübertragungen; 4. um Abschreibung gewisser Vorschüsse. Der Staatsrat erklärte sich im allgemeinen aus politischen Rücksichten für die Gewährung dieser Konzessionen, und zwar:

Ad 1. mit Stimmenmehrheita für die Verabreichung des Limitosalzes um den vom Finanzminister festgesetzten Preis an alle Grenzer nach der effektiven Bevölkerungszahl in dem Ausmaße per Kopf, wie in einigen ungrischen Komitaten bewilligt ist, wenn dieses Ausmaß sich günstiger darstellt als das bisher für die Grenzer bewilligte. Der Finanzminister erklärte sich mit diesem Antrage einverstanden, dem sofort die übrigen Stimmen bis auf den Kriegsministerstellvertreter beitraten, welcher auf dem ursprünglichen Antrage des Kriegsministers beharren zu sollen erachtete.

Ad 2. einhelligb für diese Bewilligung. Auch der Finanzminister war damit einverstanden, nachdem die Notwendigkeit weiterer Erhebungen über den Zustand der Straßen und Pferde in der Grenze durch die Versicherung behoben ist, daß beide nicht schlechter als in Provinzialkroatien sind.

Ad 3. einhelligc ebenfalls für die Bewilligung. Der Finanzminister vermochte diesem Antrage nicht beizutreten. Die Perzentualgebühren werden bei Vermögensübertragungen von dem wirklichen Werte des Objekts abgenommen. Es ist also der Gulden in der Grenze soviel wie anderswo wert und der Steuer unterworfen. || S. 288 PDF || Das Prinzip der Besteuerung aber leidet, wenn davon in einem Gebiete Ausnahmen zugelassen werden. Sie führen zu Exemplifikationen nicht nur in anderen Ländern, weil der außerordentliche Zuschlag überall Gegenstand der Klage ist, sondern auch in der Militärgrenze selbst, wo, wenn der Kriegszuschlag bei der Vermögensübertragungsgebühr aufgelassen werden sollte, ohne Zweifel das Verlangen nach gänzlicher Abschaffung desselben bei allen dortigen Steuern laut werden würde, was bei der gegenwärtigen Finanzlage nimmermehr zulässig wäre. Wenn bemerkt wird, daß gebührenpflichtige Vermögensübertragungen in der Grenze nur selten vorkommen, die Finanzen also bei Nachsicht des Zuschlages nicht viel verlieren, so kommt dagegen in Anschlag zu bringen, daß dann andererseits die Gebührenzahlung den Verpflichteten nicht so schwerfallen könne als dort, wo sie häufiger eintrete. Was endlich die besondere Verpflichtung zum Militärdienst betrifft, welcher die Grenzer unterworfen sind, so möge dieselbe als eine besondere Last von dem Werte des übertragenen Vermögens bei dessen Schätzung in Abschlag gebracht und die Gebühr samt Zuschlag von dem hiernach zu erübrigenden Werte bemessen werden. Der Finanzminister erklärte sich bereit, hierwegen die entsprechende Weisung an die Steuerbehörden zu erlassen. Der Staatsrats­präsident bemerkte dagegen: Es sei keine Verletzung des Prinzips, wenn die auf den Grenzern und ihrem Besitztum haftende ganz exzeptionelle Wehrpflicht durch einen Nachlaß an der Steuer berücksichtigt wird. Selbst der Finanzminister erkennt an, daß diese Verpflichtung eine besondere Berücksichtigung verdiene. Diese werde ihr aber weit einfacher und sicherer durch den Nachlaß des in bestimmter Ziffer ausgesprochenen außerordentlichen Kriegszuschlages zuteil als durch eine des sicheren Maßstabes entbehrende Veranschlagung des Wertes der Wehrpflicht bei der Schätzung des Vermögens. Auch machte Minister Ritter v. Lasser bemerkbar: Es sei eine contradictio in terminis, von einem mit einer besonderen Kriegsleistungspflicht des Besitzers behafteten Besitze noch einen Kriegszuschlag abzunehmen. Hiernach, und da der Ausfall für die Finanzen unmöglich von Bedeutung sein kann, erklärten sich alle übrigen Stimmen für den Antrag des Kriegsministers bzw. des Staatsrates.

Ad 4. war der Staatsrat einhellig der Meinung, daß über den Betrag etc. der nachzusehenden Vorschüsse vorläufig ein detailliertes Gutachten einzuholen sei, wogegen nichts erinnert wurde3.

II. Adresse des oberösterreichischen Landtages an das Gesamtministerium

Nachdem Staatsrat Freiherr v. Geringer abgetreten war, übergab der Staatsminister die beiliegende an das Gesamtministerium gerichtete Adresse (Beilaged ) des obderennsischen Landtages, welche, wenn auch vielleicht gut gemeint, doch so taktlos abgefaßt ist, daß sie eine Beantwortung nicht verdient4.

Es wurde einstimmig beschlossen, sie zu ignorieren, weil ihre Beantwortung nur eine zurückweisende sein könnte und bei dem ohnehin schon Samstag stattfindenden Schlusse des Landtages nicht mehr angezeigt erschiene. Der Minister des Äußern machte aufmerksam, daß die Landtage überhaupt einen bedenklichen Gang zu nehmen beginnen und daß es notwendig sein dürfte, ihre Präsidenten anzuweisen, sich die Grenzen ihrer Kompetenz gegenwärtig zu halten, wogegen jedoch der Staats- und der Polizeiminister bemerkten, daß dies im gegenwärtigen Moment kaum mehr tunlich und zu erwarten sei, daß die baldige Versammlung des Reichsrates allen weiteren diesfälligen Schwierigkeiten ein Ziel setzen werde.

III. Schiff barmachung der Drau

Aus Anlaß des vom Handelsminister zur Sprache gebrachten Projektes einer Gesellschaft unter dem Prinzen v. Lippe zur Schiffbarmachung der Drau5 erbat und erhielt der Finanzminister die Ermächtigung zur unverzüglichen Bestellung einer Kommission aus Mitgliedern der einschlägigen Ministerien unter dem kroatischen Hofdikasterium zur Prüfung des gedachten Projektes, dessen baldige Ausführung durch den dermalig hohen Wasserstand begünstigt wäre. In thesi erscheint das Projekt vorteilhaft, indem die Gesellschaft auf ihre Kosten die Schiffbarmachung um ca. 50.000 fr. bewerkstelligen will und vom Ärar nur den Rückersatz in zehn Jahresraten verlangt.

IV. Jurisdiktion über deutsche Beamte in Ungarn

Der Polizeiminister teilte mit, daß der Kaschauer Stuhlrichter über erhaltene Anzeige, daß zwei Finanzwacheaufseher die Bauern aufgewiegelt hätten, sich auf deren Station begeben, einen davon angetroffen und nach Kaschau zum Komitat zur Untersuchung abgeführt habe6.

|| S. 290 PDF || In casu speciali wurde beschlossen, hierwegen von der ungrischen Hofkanzlei Aufklärung zu verlangen. Im allgemeinen aber hielt es der Polizeiminister für notwendig, in Ansehung der deutschen Beamten, deren Schicksal den ungrischen Gerichten bei der gegenwärtigen Lage im Lande nicht preisgegeben werden könnte, eine Vorsorge zu treffen, was der Minister des Äußern mit dem Beisatze bestätigte, daß Ungern dermal im Zustande der Revolution sich befindet und von ungrischen Gerichten ein unparteiisches Urteil über einen deutschen Beamten nicht zu erwarten ist. Minister Graf Szécsen protestierte gegen diese Auffassung und erklärte, daß kein Fall einer parteiischen Aburteilung bekannt, übrigens, wenn er vorläge, durch die Obergerichte zu reformieren sei. Auch könne er nicht begreifen, wie irgend jemand im Lande, also auch ein deutscher Beamter, egegen ordnungsmäßige Anzeige an seine vorgesetzte Behörde im Falle der Verhaftunge einer anderen Gerichtsbarkeit als jener der gesetzmäßig bestellten Gerichte in gemeinen Verbrechen und Vergehen unterworfen sein könne.

Der Staatsminister erbat sich und erhielt in Anbetracht der dermalig abnormen Verhältnisse Ungerns die Ermächtigung, eine Verhandlung mit den einschlägigen Behörden darüber einzuleiten, ob nicht die Jurisdiktion über die deutschen Beamten in Ungern an die Militärgerichte übertragen werden könnte7.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 1. Mai 1861. Empfangen 2. Mai 1861. Erzherzog Rainer.