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Nr. 267 Ministerkonferenz, Wien, 16. Jänner 1861 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet (RS. Klaps); VS. Kaiser; BdE. und anw. Erzherzog Rainer, (Rechberg 18. 1.), Mecséry 18. 1., Schmerling, Degenfeld, Vay vidit, Plener 20. 1., Lasser 21. 1., Szécsen 18. 1., Mažuranić 21. 1.

MRZ. – KZ. 273 –

Protokoll der Ministerkonferenz am 16. Jänner 1861 unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Instruktion für die kroatisch-slawonischen Komitate

Se. Majestät der Kaiser geruhten einige Bestimmungen der Instruktion für die kroatisch-slawonischen Komitate zur Sprache zu bringen1 und zuerst den Passus zu beanständen, wo es heißt, daß die Obergespäne in Steuersachen vom Ban als Präsidenten der Statthalterei die Weisungen zu erhalten haben. Die Worte „als Präsident der Statthalterei“ seien, weil mit dem Wirkungskreis der Statthalterei in Widerspruch, wegzulassen, und es habe zur förmlichen Regelung dieses Verhältnisses der Finanzminister Sr. Majestät wegen Übertragung des Präsidiums der Finanzlandesdirektion an den Ban sofort Vortrag zu erstatten2.

Über die von Sr. Majestät hierauf geforderte Auskunft, was unter dem „Beamteneide nach konstitutionellem Gebrauch und Gesetz“ zu verstehen sei, äußerte Präsident Mažuranić , es seien hierunter die nach dem Corpus Juris Hungarici altherkömmlichen Eide verstanden, wie sie in Kroatien bis zum Jahre 1848 eingeführt waren, dieselben, auf welche der ungarische Hofkanzler jetzt auch in Ungarn zurückgekommen ist, obgleich sie allerdings auf die gegenwärtigen Verhältnisse und Wirkungskreise nicht mehr ganz passen.

Nachdem der obige Ausdruck eine hier nicht beabsichtigte Hinweisung auf die Konstitution enthält, geruhten Se. Majestät Allerhöchstsich nach dem Antrage der Minister Ritter v. Lasser und Grafen Szécsen dafür zu entscheiden, daß der fragliche Satz zu lauten habe: „ohne vorher den Eid nach dem gesetzlichen Gebrauch geleistet zu haben“3.

Se. k. k. apost. Majestät geruhten die Frage aufzuwerfen, ob nicht der Paragraph, welcher von der künftigen Munizipalverfassung in Dalmatien handelt, als unnotwendig wegzulassen wäre, zumal er Ansprüche auf verjährte, verschiedenartige und zum Teil sehr weitgehende historische Rechte hervorrufen könnte.

Der Präsident des kroatisch-slawonischen Hofkdikasteriums erinnerte, er habe diesen Paragraph deswegen in den Instruktionsentwurf aufgenommen, damit nicht bloß in der Aufschrift, sondern auch im Texte der Instruktion Dalmatiens gedacht und zugleich || S. 272 PDF || den Gemeinden dieses Landes die Beruhigung erteilt werde, daß die historische Basis bei den Munizipaleinrichtungen werde berücksichtiget werden.

Nach einer längeren Erörterung, wobei die Erwähnung Dalmatiens in der Instruktion für angemessen befunden wurde, aber über die Fassung des Paragraphs verschiedene Ansichten sich geltend gemacht hatten, geruhten Se. Majestät der Kaiser Allerhöchstsich schließlich für die vom Minister v. Lasser vorgeschlagene Textierung zu entscheiden, welche sowohl die Frage über die Wiedervereinigung Dalmatiens als auch jene über die den Gemeinden zu gewährenden Einrichtungen offen läßt und beiläufig lautet: „Wenn die Verhandlung über die Wiedervereinigung Dalmatiens mit Kroatien gemäß Ah. Handschreibens vom 6. Dezember v. J. zum Abschluß gebracht ist, wird auch darüber zu beraten sein, wie etc.“4

Der Kriegsminister referierte hierauf infolge Ah. Aufforderung über die Frage der Ausscheidung Zenggs aus dem Militärgrenzverbande und las eine die diesfalls bisher bestandenen Verhältnisse beleuchtende Darstellung5. Der Feldzeugmeister erörterte die militärischen Rücksichten, welche die Stadt Zengg, die den Ausgangspunkt der in strategischer Beziehung wichtigen Josephinischen Straße6 bildet, als einen für die Verteidigung jener ganzen Gegend bedeutenden Platz erscheinen lassen, und wies ferner darauf hin, daß es in politischer Beziehung sehr bedenklich wäre, mitten im Grenzbezirke unter einer autonomen Zivilverwaltung sich einen Herd für politische Agitationen aller Art bilden zu lassen.

Präsident Mažuranić bemerkte, daß die Wiedereinverleibung der königlichen Freistadt Zengg ein altes Gravamen des Landes bilde, daß jedoch die Banalkonferenz jetzt schon keineswegs die wirkliche Ausscheidung derselben aus dem Grenzverbande, sondern nur eine Garantie für die alten Stadtrechte anspreche. Durch diesen Passus der Instruktion habe der Präsident lediglich beabsichtigt, die Frage als offen hinzustellen.

Nachdem mehrere Stimmen der Konferenz sich für die Beseitigung des beanständeten Passus ausgesprochen hatten, welcher selbst als der Anschluß einer sofortigen Einverleibung der genannten Stadt in den Fiumaner Komitat gedeutet werden könnte, geruhten Se. Majestät zu befehlen, daß ohne Erwähnung der Stadt Zengg bloß von dem Fiumaner Komitate „in seiner gegenwärtigen Abgrenzung“ gesprochen und an einem anderen Orte der Instruktion erwähnt werde, daß diese Stadt zwei Abgeordnete zum Fiumaner Komitate abzusenden habe7.

|| S. 273 PDF || Der Dikasterialpräsident wurde schließlich Ah. beauftragt, die beschlossenen Modifikationen des Instruktionsentwurfes vorzunehmen und selben ohne Verzug wieder zu überreichen8.

II. Quartiergelder für die Landtagsdeputierten und Erfordernis der Kenntnis der ungarischen Sprache für die Wählbarkeit der Deputierten

Der ungarische Hofkanzler referierte über die Anträge des Tavernikus, welche eine Modifikation der Ah. Bestimmungen bezüglich des Landtages bezielen, und zwar a) wegen Bewilligung eines Quartiergeldes von jährlich 400 fl. für die Deputierten, wogegen von der Konferenz von keiner Seite eine Erinnerung erhoben wurde, und b) wegen Beibehaltung des Erfordernisses der Kenntnis der ungarischen Sprache für die Deputierten9.

Baron Vay glaubt einverständlich mit dem Tavernikus, daß es angemessener sein dürfte, die 1848er Gesetze in dieser Beziehung jetzt nicht zu abrogieren und die Sprachenfrage nicht jetzt schon Allerhöchstenorts in gewisser Beziehung zu entscheiden, da die Festsetzung der Landtagssprache ein Agendum des Landtags selbst sein werde. Es liege hiezu keine Notwendigkeit vor, und wenn auch die Regierung dieses Erfordernis als nicht bestehend erklärt, hängt es doch ganz von den Wählern ab, dasselbe bei ihren Kandidaten zu berücksichtigen.

Der Staatsminister hält es sowohl der Würde als dem Interesse der Regierung für angemessen, sich über diesen Gegenstand im vorhinein und zwar im Sinne des Ah. Diploms auszusprechen, welches die Gleichstellung der Nationalitäten zusichert. Es ist ganz am Platze, wenn eine mit diesem Prinzipe im Widerspruche stehende Bestimmung des 1848er Gesetzes abrogiert wird. Die nicht magyarischen Elemente der Landesbevölkerung dürfen nicht prinzipiell durch die Regierung selbst vornweg von der Wahl ausgeschlossen werden. Durch Anerkennung des freien Wahlrechtes, abgesehen von der Sprachkenntnis, wird aber die Sprachenfrage offen gelassen, während sie nach dem Antrage des Tavernikus vielmehr bereits entschieden wäre. Die Regierung ist es sich selbst schuldig, sich hierüber den verschiedenen Nationen im Lande sowohl als in der übrigen Monarchie und Europa gegenüber auszusprechen, mag auch die Wirkung dieses Ausspruches vielleicht durch die Wahlen selbst eludiert werden. Der Ministerpräsident , hiemit vollkommen einverstanden, weiset noch darauf hin, daß ein Zurückweichen von dem diesfälligen in Ungarn zwar nicht ämtlich publizierten aber doch bereits bekannten Ah. Beschlusse nur als ein neuer Beweis der Schwäche der Regierung angesehen werden würde.

Minister Graf Szécsen schickt voraus, daß er prinzipiell mit dem Vortrage des Tavernikus nicht einverstanden sei. Indessen könne er nicht verkennen, daß die Regierung keine Bestimmung erlassen sollte, worüber die Bevölkerung sich hinaussetzen kann, und dies ist der Fall mit der fraglichen Bestimmung, welche bei den Wahlen faktisch nicht || S. 274 PDF || berücksichtigt werden wird. Andererseits müsse er bemerken, daß man irrt, wenn man von den Wahlen der slawischen und romanischen Bevölkerung Ungarns im allgemeinen eine Stütze für die Regierung erwartet. Die anarchischen Vorgänge in Liptau, Szatmár, in Marmaros und vor allem im Neutraer Komitate zeigen vielmehr, daß dort ein schlimmer Geist vorwaltet10.

Der Polizei- und der Kriegsminister, die Minister v. Lasser und v. Plener traten dem Staatsminister vollkommen bei, letzterer ( v. Plener ) mit dem Bemerken, daß eine neue Konzession über diesen Punkt einen weiteren Stützpunkt für die nur zu verbreitete Meinung bilden würde, daß die Regierung Ungarn gegenüber adurch Einräumung fortgesetzter Konzessionena auf einer schiefen Ebene unaufhaltsam dem Verderben zugleitet bund nur neue Beweise von Mangel an Kraft an Tag legt und deshalb immer mehr am allgemeinen Vertrauen verliertb .11

III. Ah. Reskripte an die ungarischen Komitate gegen deren anarchisches Treiben und die Steuersistierung (2. Beratung)

Der ungarische Hofkanzler referierte über die bereits in der Konferenz am 15. d. M. beratenen Ah. Erlässe an die Statthalterei, die Komitate und an den Primas zum Zwecke, dem anarchischen Treiben der Komitate ein Ziel zu setzen und die sistierte Steuerzahlung wieder in Gang zu bringen12.

Nachdem der Entwurf des Ah. Reskriptes vorgelesen worden war, äußerte der Ministerpräsident, daß die Majorität der Ministerkonferenz bei der ersten Beratung die Sprache dieses Erlasses, soweit man sie aus der Übersetzung beurteilen kann, nicht entschieden, nicht scharf genug gefunden habe; indessen, da die ungarischen Konferenzglieder sowohl Inhalt als Stil des Reskriptes den ungarischen Anschauungen und Gewohnheiten anpassend finden, wolle er darein kompromittieren. Doch schiene es ihm angezeigt, gleich auszusprechen, daß königliche Kommissäre werden gesendet werden. Der Polizeiminister trat der Vorstimme bei und bemerkte, daß es zweckmäßiger wäre, die anarchisch zu Werke gehenden Komitatsversammlungen gleich aufzulösen, als sie bloß zu suspendieren, wobei man dieselben bösen Elemente später wieder zu bekämpfen hat. Auch wäre den königlichen Kommissärs die Bevollmächtigung zu erteilen, Beamte, die nicht im gesetzlichen Sinne wirken wollen, zu suspendieren oder zu entlassen. Der ungarische Hofkanzler erklärte sich einverstanden, daß die königlichen Kommissäre ermächtigt würden, die Komitatsversammlungen zu suspendieren oder eventuell auch aufzulösen. Der Staatsminister motivierte umständlich seine bereits am 15. d. M. abgegebene Meinung, daß in denjenigen Komitaten, wo Hoch- und Landesverräter gewählt, gerichtliche Konfiskationen annulliert und mit höhnischer Ostentation noch andere anarchische Beschlüsse gefaßt worden sind – z. B. in Pest und Neutra – die bloße Kassierung der Beschlüsse eine zu geringe Ahndung sei und dort unmittelbar die Auflösung der Komitatsversammlungen || S. 275 PDF || und eine neue Wahl anzuordnen wäre. Der ungarische Hofkanzler erwiderte, man müsse den sogenannten Beschlüssen und Petitionen der Komitatsversammlungen nicht eine zu große Bedeutung beilegen. Bei diesen überaus zahlreichen und stürmischen Beratungen finden oft die abenteuerlichsten Vorschläge unbekannter Individuen bei einigen Schreiern Anklang und werden, obgleich die Majorität gewiß dagegen ist, als Beschlüsse protokolliert. Wollte man solche Antragsteller und Votanten zur Verantwortung ziehen, so würde man in den meisten Fällen gar niemanden auffinden können. Dazu kommt noch, daß es jetzt an Gerichtshöfen zur Verfolgung solcher strafbaren Handlungen fehlt. Ferner müsse man berücksichtigen, daß die Kassierung eines Beschlusses nach ungarischen Begriffen eine strenge Ahndung ist. Wenn der Ton des Reskriptes ein relativ milder erscheint, so liegt der Grund darin, daß es eine Art königlichen Manifestes ist und daß dasselbe sich an alle Komitate, mithin auch an jene richtet, wo keine argen Exzesse stattgefunden haben. Ist ja doch die Wahl von Hochverrätern nur in sechs bis acht Komitaten vorgekommen! Jedes dieser Reskripte werde aber vom Hofkanzler an den bezüglichen Obergespan mit einer den dortigen Präzedentien angemessenen besonderen, mehr oder wenig strengen Einbegleitung versehen. Der Ton des Reskriptes ist auf die Erzielung eines Eindruckes auf die Bevölkerung im allgemeinen berechnet. Baron Vay müsse bitten, diese Wirkung auf die öffentliche Stimmung durch ein paar Tage abzuwarten; gegen die hierauf noch Renitierenden müsse mit aller Strenge zu Werke gegangen werden, und geht’s selbst damit – wider Erwarten – noch nicht, trete der Belagerungszustand ein. In bezug auf das Neutraer Komitat habe Baron Vay aber keine Zeit verlieren wollen und den Präsidenten Halczl bereits angewiesen, am 17. d. M. als königlicher Kommissär dahin abzugehen und nötigenfalls von Militärassistenz Gebrauch zu machen. Der Kriegsminister und Ritter v. Lasser fanden gegen den Text des Reskriptes nichts zu erinnern, in der Voraussetzung, daß diesem „letzten Worte“ die Tat folgen werde. Der Finanzminister trat der Meinung des Staatsministers in bezug auf die sofortige Auflösung der Komitate, wo Hochverräter gewählt wurden, bei und glaubte, daß dort, wo ein förmliches Verbot der Steuerzahlung stattgefunden, auf gleiche Weise vorzugehen sei, cindem durch das Unterbleiben der Steuern- und Abgabenzahlung der Regierung weit empfindlicher geschadet werde, als durch die ohnehin erfolglos bleibende, demonstrative Wahl eines Kossuth und dergleichen.c Überhaupt findet er den Text des Reskriptes, soweit es sich auf die Finanzfrage bezieht, nicht prägnant genug. Es ist nur davon die Rede, daß die Steuerzahlung nicht gehindert werden soll! Dies ist aber viel zu wenig: es muß den Finanzorganen positive Hilfe geleistet werden, denn diese können nichts tun ohne die Assistenz der politischen Behörden; sie können nicht hindern, daß man offen, ohne Bolletten zu lösen, Branntwein brennt und Tabak verkauft. Die Komitate und Stuhlrichter wären daher ausdrücklich anzuweisen, zur Einbringung der direkten und indirekten Steuern und Abgaben dnach Maß der durch das Ah. Diplom vom 20. Oktober v. J. aufrecht erhaltenen bestehenden Einrichtungen und Vorschriftend mitzuwirken13. || S. 276 PDF || Minister Graf Szécsen bemerkte, daß eine solche Anweisung im Reskripte nicht am rechten Orte wäre; übrigens seien bereits in dieser Richtung neuestens bestimmte Befehle an die Magistrate gerichtet worden. Der ungarische Hofkanzler fügte bei, daß, wenn die Komitatsmagistrate sofort nicht ihren Pflichten in Absicht auf die Förderung der Steuerzahlung nachkommen sollten, königliche Kommissäre abgesandt werden würden. Überdies ergeht ja gleichzeitig die Mahnung an die ganze Bevölkerung zur Steuerzahlung im Wege des Primas, der evangelischen Superintendenten und Oberrabbiner. Graf Szécsen brachte zur Kenntnis, der Tavernikus werde angewiesen, die erfolgte Publikation des Reskriptes in Ungarn telegraphisch hieher anzuzeigen, damit sofort auch die deutsche Übersetzung desselben hier publiziert werden könne, welche letztere jedoch noch einer stilistischen Revision unterzogen werden dürfte. Der Finanzminister kam schließlich noch auf die Notwendigkeit zurück, öffentlich zu erklären, daß die Steuerpflichtigen durch die Behörden ernstlich zur Steuerentrichtung zu verhalten seien14.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 26. Jänner 1861.