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Nr. 63 Ministerrat, Wien, 6. Mai 1861 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 6. 5.), Rechberg, Degenfeld, Schmerling, Mažuranić; außerdem anw. Šokčerić, Strossmayer, Oberst Schrott (entfernte sich nach der Beratung über die Militärgrenze auf Ah. Befehl), Major Fromm (ebenso) ; BdR. Erzherzog Rainer 14. 5.

MRZ. 843 – KZ. 1495 –

Protokoll des zu Wien am 6. Mai 1861 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Bitten der kroatischen Deputation: 1. Entlassung der Stadt Zengg aus dem Militärgrenzverband; 2. Vertretung der Grenze auf dem kroatischen Landtag; 3. Union Dalmatiens mit Kroatien

Se. Majestät geruhten, als Gegenstand der Beratung behufs einer etwaigen Ausgleichung der widerstreitenden Ansichten die von der kroatischen Landtagsdeputation vorgebrachten Bitten 1. um Entlassung der Stadt Zengg aus dem Militärgrenzverbande, 2. um Vertretung der kroatischen Militärgrenze auf dem Landtage, 3. um Vereinigung Dalmatiens mit Kroatien bzw. Beschickung des kroatisch-slawonischen Landtags durch Abgeordnete Dalmatiens zu bezeichnen1.

Ad 1. wurde die Note des Kriegsministers vorgelesen, welche den Anspruch der Militärgrenzverwaltung auf Zengg2 und die Vorteile auseinandersetzt, welche die Stadt durch ihre Einverleibung in die Grenze erhielt und die sie mit der Ausscheidung verlöre3. Ersterer beruht auf dem Austausche mit Karlstadta, und in letzterer Beziehung bemerkte der Kriegsminister , daß weder das Land noch die Stadt selbst ein Interesse bei der Ausscheidung derselben aus dem Grenzverbande haben, die Militärverwaltung aber den Vorteil nicht aufgeben könne, den ihr der Besitz dieser Seestadt an der Vereinigung zweier Straßen4 in militärischer und politischer Hinsicht gewährt. Se. Majestät geruhten zu bemerkten, || S. 29 PDF || daß Zengg außerhalb der Militärgrenze als selbständige Kommune nicht existieren könne und daß die Regierung mit der Ausscheidung Zenggs aus der Grenze sich ihm gegenüber in die gleiche Lage wie mit Fiume versetzen würde, wo die Bevölkerung mit dem Feinde sympathisiert und nur durch außerordentliche Maßregeln in Ruhe erhalten werden kann5. Gleichwohl versicherten der Ban, der Bischo f6 und Präsident Mažuranić einstimmig, daß es der allgemeine und laut ausgesprochene Wunsch sowohl der gesamten Bevölkerung der Stadt selbst als des ganzen Landes sei, daß sie wieder mit dem Provinziale vereinigt werde, und daß die Nichterfüllung desselben die übelste Stimmung hervorbringen würde. Die Militärverwaltung, bemerkte der Ban, erspart dabei die bisher zugunsten der Stadt verwendeten Summen7, und sie ist, setzte der Bischof hinzu, nicht gehindert, daselbst diejenigen militärischen Etablissements einzurichten, die sie aus höheren Staatsrücksichten zur Sicherung der Grenze für notwendig hält. Möge man also der dringenden Bitte der Stadt und des Landes nachgeben. Fände sich erstere in der davon gehegten Erwartung getäuscht, so würde sie wohl selbst wieder um Einverleibung in die Militärgrenze bitten. Auf ein solches Experiment — entgegnete der Kriegsminister — sollte man es nicht ankommen lassen. Präsident Mažuranić endlich hob hervor, daß Zengg vermöge Gesetzartikel von 1741 auf die Ausscheidung aus dem Grenzverbande einen Rechtsanspruch habe8, dessen Realisierung oft versprochen, im Jahre 1840 schon durch Einsetzung einer Kommission angebahnt, aber bisher nicht ausgeführt worden ist. Er bemerkte, daß die Einführung der Zivilverwaltung in Zengg sowenig eine Gefährdung der Grenze mit sich bringen könne, als dies bei Karlstadt der Fall gewesen, und daß Zengg nicht im Austausch gegen Karlstadt in den Grenzverband aufgenommen werden konnte, weil beide Städte schon früher zugleich in diesem Verbande waren. Überhaupt seien derlei Austauschverhandlungen hier nicht maßgebend, weil, als nach dem Sistower Frieden eine Landesstrecke für die Militärgrenze erworben worden9, dem Provinziale die Strecke zwischen der Josephiner und Karoliner Straße versprochen, aber nicht gegeben worden ist10.

Ad 2. Bezüglich des Verlangens nach Vertretung der Militärgrenze auf dem kroatischen Landtage11 geruhten Se. Majestät zu bemerken, daß die Eingabe || S. 30 PDF || der Deputation eine höchst unrichtige Schilderung von dem Zustande der Grenzbevölkerung enthalte; daß der Wunsch des Landes nach dieser Vertretung, für welche übrigens in der Grenzbevölkerung selbst keine Stimme laut geworden, auf einen Hintergedanken — Auflösung der Militärgrenze — schließen lasse, dessen Realisierung im gegenwärtigen Momente nur zum Verderben des Landes ausschlagen würde, daher von keinem patriotisch gesinnten Kroaten im Ernst verlangt werden könnte; daß die eigene Bemerkung des Bischofs Strossmayer, die Militärverwaltung sei mit der Landesvertretung unvereinbar, die Unzulässigkeit der Vertretung der Militärgrenze auf dem Landtage unzweifelhaft konstatiere; daß selbst eine teilweise Vertretung — der Militärkommunitäten und Stabsorte — mit Inkonvenienzen verbunden wäre; daß endlich nicht abzusehen sei, zu welchem Zwecke und mit welchem Resultate die Grenzbevölkerung auf dem Landtage vertreten werden soll.

Bischof Strossmayer bemerkte: Nichts liege ferner als der Gedanke einer Auflösung der Grenze. Demungeachtet sei der Wunsch ihrer Vertretung auf dem Landtage ein allgemeiner, weil die Nation es für ungerecht erkennt, daß die Hälfte derselben von der Vertretung ausgeschlossen sein soll. Die Kraft der Grenze als militärisches Institut wird durch Teilnahme an der Landesvertretung nicht nur nicht gelähmt, sondern, wie es die Erfahrung des Jahres 1848 gelehrt hat, moralisch gestärkt, und es wird insbesondere das nationale Element in ihr gekräftigt, während die bisherige streng gesonderte Militärverwaltung es in so mancher Beziehung, besonders was die Landessprache betrifft, in Schule und Justizpflege nicht berücksichtigt hat12. Im Interesse des Gesamtstaates und der Ah. Dynastie liegt es — setzte der Ban hinzu —, durch Befriedigung eines auch historisch berechtigten Wunsches unter den gegenwärtigen kritischen Zeitverhältnissen sich der unwandelbaren Treue der Nation zu versichern. Und da es sich auf dem gegenwärtigen Landtage um die Lösung wichtiger staatsrechtlicher Fragen, nämlich um die Stellung Kroatiens zum Gesamtreiche, zu Ungern und Dalmatien handelt, so wäre es — bemerkte Präsident Mažuranić — sehr auffallend, wenn nach dem 20. Oktober 1860 ein so bedeutender Teil der kroatischen Bevölkerung von der Beteiligung an diesen Fragen ausgeschlossen bliebe. Für jetzt also wären die Vertreter der Grenze nur zu diesem Zwecke und allenfalls zur Bestellung eines Ausschusses zu berufen, welcher mit einem von den Vertretern des Provinziales zu wählenden Ausschusse über weitere Berührungspunkte in Verhandlung zu treten hätte, um die gemeinsamen Anträge vor den nächsten Landtag zu bringen.

Auf die Ah. gestellte Anfrage, in welcher Weise die Vertreter der Militärgrenze gewählt werden sollen, wies Präsident Mažuranić auf die provisorische Wahlordnung vom Jahre 1848 hin, wornach in jeder Kompanie die Hausväter zusammentreten und für je 500 Seelen einen Wahlmann, diese Wahlmänner im Stabsorte für jedes Regiment vier Abgeordnete, endlich die Städte und Stabsorte selbst je nach der Seelenzahl ein bis zwei Abgeordnete wählen13.

|| S. 31 PDF || Der Kriegsminister erklärte sich wiederholt, mit Beziehung auf seine bei früheren Gelegenheiten geäußerte Ansicht, gegen die Beteiligung der Militärgrenze an der Landesvertretung, und Oberst Schrott 14 bemerkte zur Widerlegung einiger von den Vorstimmen angeführten Daten noch insbesondere, daß, da hier selbstverständlich nur von der kroatisch-slawonischen Grenze die Rede ist, auch nur diese, die weit reichere und größere Banater gar nicht vertreten und somit ein Zwiespalt geschaffen sein würde, der die bedenklichsten Folgen nach sich ziehen oder wohl gar zu dem Verlangen führen würde, die Banater Grenze auf dem ungrischen Landtage vertreten zu sehen. Der Grenzer kennt keine staatsrechtlichen Fragen, sondern nur die Befehle Sr. Majestät, die er unter allen Umständen vollzieht. Wie also die Vertretung auf dem Landtage die Kraft und Treue der Grenzer stärken soll, ist nicht einzusehen. Der Vorwurf, daß die Militärverwaltung das nationale Element nicht gehörig berücksichtige, mag vielleicht bezüglich der Regimentsauditore in wenigen einzelnen Fällen begründet sein. Dem kann und soll gleich abgeholfen werden. Was aber die Pflege der Nationalsprache in der Grenze betrifft, so ist der Vorwurf ganz unbegründet, denn in allen Elementarschulen wird sie gelehrt, und selbst an den Gymnasien werden zwei Gegenstände in kroatischer Sprache vorgetragen. Daß dabei die deutsche als die allgemeine Heeressprache nicht vernachlässigt werden darf, liegt wohl in der Natur der Sache, denn nicht National-, sondern des Kaisers Regimenter sind es, die die Grenze stellt. Der Vorschlag endlich, bloß die Kommunitäten und Stabsorte zur Vertretung zuzulassen, wäre gar nicht ausführbar, denn die Kreierung solcher konstitutioneller Oasen unter der übrigen Grenzbevölkerung würde nur die größte Verwirrung in der Verwaltung zufolge haben, indem dann drei Jurisdiktionen: die militärische in den Regimentern, die kroatische in den kroatischen, die ungrische in den Banater Grenzkommunitäten, bestünden. Der Minister des Äußern fügte noch einige Bemerkungen über den Bestand der Militärgrenze in ihrer gegenwärtigen Einrichtung beib . Auf die Länge sei sie nicht haltbar, aber gegenwärtig könnte ihre Auflösung ohne den empfindlichsten Nachteil nicht erfolgen, weil die Verhältnisse im Orient die ungeschwächte Erhaltung der Wehrkraft Österreichs erfordern15.

Ad 3. Se. Majestät geruhten zu erklären: Der Vereinigung Dalmatiens mit Kroatien16 stehe gegenwärtig nur die Besorgnis der Dalmatiner entgegen, bei etwaigem Anschluß Kroatiens an Ungern ebenfalls Ungern einverleibt zu werden, was sie nicht wollen. Sie wollen früher die Frage über das staatsrechtlichec Verhältnis Kroatiens zu Ungern gelöst wissen, ehe sie sich für die Union mit Kroatien aussprechen. Se. Majestät finden dies billig und glauben — um nicht die Lösung || S. 32 PDF || der Frage auf unbestimmte Zeit hinauszuschieben —, daß der kroatische Landtag seine Deputierten in den Reichsrat senden solle, deren Beispiel die Dalmatiner zu gleichem Vorgang bestimmen würde17.

Der Banus getraut sich nicht, mit einem solchen Antrag vor den Landtag zu treten. Er würde zuverlässig nicht durchgehen, denn das Mißtrauen im Lande ist infolge der bekannt gewordenen Vorgänge der Behörden in Dalmatien, welche gegen die Union mit Kroatien wirkten, so groß, daß man darin nur eine neue Ausflucht, um dem Versprechen der Union zu entgehen, erblicken würde. Auch kann er sich nicht erlauben, von der Ordnung der königlichen Propositionen abzuweichen, deren erste die Verhandlung über das staatsrechtliche Verhältnis zu Ungern ist18. Er und Bischof Strossmayer erkennen übereinstimmend, daß hiernach und weil Se. Majestät ausdrücklich befohlen haben, daß der Dalmatiner Landtag der Unionsfrage wegen den kroatischen zu beschicken habe, eine hiervon abweichende Proposition einzubringen nicht tunlich sei. Fällt die Verhandlung über die Stellung Kroatiens zu Ungern, wie sie nach dem bisherigen Gange verbürgen zu können glauben, gegen die Vereinigung mit Ungern aus, dann ergibt sich als Selbstfolge die unmittelbare Beschickung des Reichsrates durch kroatische Abgeordnete. Träte dagegen die Regierung schon itzt mit diesem Verlangen auf und müßte die Deputation nach Agram zurückkehren, ohne ein einziges ihrer Begehren erreicht zu haben, so wäre die zweifellose Folge der Beschluß des Landtags für die Vereinigung mit Ungern.

Der Minister des Äußern bemerkte: Se. Majestät wären zwar im Prinzip der Vereinigung Dalmatiens mit Kroatien geneigt. Allein es sei nötig, mit Vorsicht vorzugehen und abzuwarten, ob und inwiefern Kroatien seine Pflicht tut. Spräche es sich für die Union mit Ungern aus, so sollte die Vereinigung Dalmatiens nicht bewilligt werden. Der Staatsminister äußerte, die Regierung könne den Dalmatiner Landtag, wenn er sich weigert, seine Deputierten nach Agram zu schicken, auflösen, aber nicht dazu zwingen. Es bleibe sonach nur ein Mittel zur gegenseitigen Verständigung übrig, nämlich, daß sich die Abgeordneten beider Landtage in Wien zusammenfinden, um fern von jedem beengenden Parteieinflusse unter dem Schutze Sr. Majestät die Unionsfrage frei zu beraten. Denn es ist wohl natürlich, daß die Dalmatiner für den Fall der Union mit Kroatien Garantien für den Fortbestand ihrer durch die Lage des Landes etc. bedingten speziellen Einrichtungen verlangen werden, die dann zur Austragung in gemeinschaftlicher unbefangener Beratung kommen sollen19.

|| S. 33 PDF || Dies kann — meinte der Ban — ebensogut auf dem kroatischen von Dalmatinern beschickten Landtage geschehen, und der Bischof setzte hinzu, daß, um Kroatien wenigstens ein Zeichen zu geben, daß es der Regierung mit der Union ernst sei, vorderhand wenigstens dem Ban der althergebrachte Titel Banus Croatiae, Dalmatiae et Slavoniae verliehen und bezüglich der Verwaltung Dalmatiens eine solche Vorkehrung getroffen werde, wodurch der laut gewordene und durch Tatsachen bestätigte Argwohn über die offiziellen Bestrebungen der dortigen Beamten, die Bevölkerung gegen die Union einzunehmen, wieder vertilgt wird. Der Bischof glaubte, insbesondere die Einsetzung eines tüchtigen Vizegouverneurs und die Entfernung des Hofrates Baron Roszner20 als wünschenswert bezeichnen zu sollen21.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 13. Mai 1861. Empfangen 14. Mai 1861. Erzherzog Rainer.