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Nr. 188 Ministerkonferenz, Wien, 12. Juli 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 12. 7.), Thun 14. 7., Nádasdy 14. 7., Gołuchowski 14. 7., Thierry 14. 7., Plener 14. 7., FML. Schmerling 15. 7.

MRZ. – KZ. 2276 –

Protokoll der zu Wien am 12. Juli 1860 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.

[I.] Garantie des Staates für das Erträgnis der Donaudampfschiffahrt

Nach dem zufolge des Pariser Friedens vom 30. März 1856 mit der Donaudampfschiffahrtsgesellschaft abgeschlossenen Übereinkommen hat ihr die Staatsverwaltung als Entschädigung für das durch die Freigebung der Schiffahrt auf der Donau unwirksam gewordene Schiffahrtsprivilegium für dessen noch übrige Dauer bis letzten August 1881 ein Reinerträgnis von durchschnittlich jährlich 1,920.000 fr. garantiert1. Die Garantie trat mit dem Jahre 1858 in Wirksamkeit, und wurde von der Gesellschaft für dieses Jahr eine Summe von 2,509.000 fr. angesprochen, indem nicht nur kein Erträgnis erzielt, sondern vielmehr mit Verlust gearbeitet worden ist, welchen die Staatsverwaltung zufolge obiger Verpflichtung ebenfalls zu decken hat. Bei der zur Prüfung dieser Forderung niedergesetzten Kommission wurde zwar obige Forderung auf 2,079.00 fr. ermäßigt, weil mehrere Ausgabsposten beanständet wurden, zu deren Übernahme das Ärar nach der Ansicht der Finanzprokuratur nicht verpflichtet ist. Nach § 3 des Übereinkommens dürfen nämlich bei Berechnung des Reinertrags nur die Verwaltungs-, Erhaltungs- und Betriebskosten, Assekuranzen, Abschreibung vom Materiale und die Zinsen der beiden älteren Anleihen sowie des letzten Anleihens in Abrechnung gebracht werden. Nun hat aber die Gesellschaft auch Escompte- und Kommissionsgebühren, Agio und Wechselschulden, die infolge des nur allmählig eingehenden Anleihens zur Deckung augenblicklicher Bedürfnisse aufgenommen werden mußten, endlich die Quote des Reservefonds, der jedoch nur zur einstigen Rückzahlung der Garantiesummen im Falle eines künftig deren Betrag übersteigenden Einkommens bestimmt ist, aufgerechnet, welche sämtliche Posten von der Staatsverwaltung als nach § 3 des Übereinkommens unzulässig verworfen wurden. Die Sache ist aber noch nicht ausgetragen. Inzwischen wurden der Gesellschaft auf Rechnung ihrer Forderung bereits 2,047.000 fr. angewiesen, so daß pro 1858 noch ein Rest von 32.000 fr. verbliebe. Auf gleiche Weise ward bei der Berechnung des Garantiebetrags für das Jahr 1859 vorgegangen. Der Forderung der Gesellschaft per 1,732.000 fr. stellte die Finanzverwaltung ein Anbot von 1,406.000 fr. gegenüber, welches mit Ende August d.J. zur Zahlung käme2.

|| S. 310 PDF || Die Höhe dieser Summen führte zur Überzeugung von der Notwendigkeit, die Staatsverwaltung gegen eine so bedeutende Belastung wenigstens für die Zukunft zu schützen. Zwei Projekte geben Mittel und Wege dazu an; beide erkennen als solche die Herabsetzung der maßlosen Abschreibungen für Abnützung des Materiale, indem es erwiesen ist, daß Schiffe noch diensttauglich sind, die auf dem Materialkonto bereits gelöscht sind; dann die gleichzeitige teilweise oder gänzliche Amortisierung des Aktienkapitals3. Statt der Materialabschreibung, neben welcher auch alle Anschaffungen und Reparaturen besonders verrechnet werden, wäre ein Pauschale von 1,200.000 fr. ö. W. für alle diese Posten zu passieren. Da nun diese in der Abrechnung pro 1859 mit 2,374.000 fr. angesetzt sind, so würde sich im Entgegenhalten des obigen Pauschales eine Ersparung von 1,174.000 fr. [ergeben]. Ein Teil dieser jährlich wiederkehrenden, jedoch bald höher, bald minder sich beziffernden Ersparung wäre der Amortisierung des Aktienkapitals zu widmen.

Hier nun gehen die zwei Projekte auseinander. Nach dem Projekte I wäre eine Annuität von 500.000 fr. zur sukzessiven Einlösung sämtlicher Aktien zu ihrem Nennwerte per 525 fr. ö. W. mittelst Verlosung zu bestimmen und den Besitzern der gezogenen Aktien ein auf jährlich 7 2⁄5% bis ultimo August 1881 lautender Genußschein zu erfolgen, den übrigen die garantierte 7 2⁄5%ige Dividende bis zur Verlosung ihrer Aktien auszuzahlen, dagegen aber etwaige Ertragsüberschüsse für den Staat in Empfang zu nehmen. Auf diese Art würde der Staat bis 1881 vollständiger Eigentümer sämtlicher Aktien. Nach dem Projekte II würde dagegen eine Summe von jährlich 525.000 f. zur Amortisierung von jährlich 1000 Stück Aktien für so lange zu bestimmen sein, bis das Aktienkapital auf die ursprüngliche Summe von 6 Millionen Gulden herabgebracht sein wird. Die garantierte Reinertragssumme bliebe unverändert, nur kämen die Anteile der amortisierten Aktien in Abrechnung.

Eines dieser beiden Projekte nun müßte der Gesellschaft proponiert und mit ihr ein neues Übereinkommen geschlossen werden. Auf jenes sub I. wird sie unbedingt eingehen, auch scheint es auf den ersten Anblick größere finanzielle Vorteile zu bieten. Allein, indem es den Staat nach und nach zum vollständigen Herrn der Unternehmung macht und den Aktionären, denen ihre 7 2⁄5%ige Rente gesichert ist, jedes Interesse der Teilnahme an der Verwaltung benimmt, zwingt es den ersteren, das Unternehmen auf eigene Rechnung und Gefahr in die Hand zu nehmen. Die Unternehmung hört auf, eine Privatunternehmung zu sein, sie wird ein Staatsgeschäft, das, wie schlimm auch die bisherige Verwaltung gewesen [sein] möge, nach den bekannten Erfahrungen in ähnlichen Anstalten kaum ein günstigeres Ergebnis liefern wird. Indem daher der Leiter des Finanzministeriums das Projekt I widerrät, erübrigt, um der Sache ein Ende zu machen, nichts, als der Gesellschaft das zweite zu proponieren. Sie scheint wohl nicht geneigt zu sein, darauf einzugehen; um es ihr aber annehmbarer zu machen, dürfte einerseits die im Jahre 1857 verweigerte Ah. Genehmigung der von ihr eigenmächtig verfügten Verwendung der Materialabschreibungssumme für die Dividendenzahlung nachträglich zu erwirken und allenfalls die mäßige Erhöhung des oben angetragenen Reparatur- und Abschreibungspauschale zuzugestehen sein, andererseits dürfte in der || S. 311 PDF || Festhaltung der strengen Auslegung des § 3 über die Berechnung des Reinertrags von 1858 und 1859 ein Kompelle liegen, die Gesellschaft für das Projekt II günstiger zu stimmen. Der Leiter des Finanzministeriums ersuchte daher um die Ermächtigung der Konferenz, mit der Gesellschaft auf Grundlage dieses seines Antrags in Unterhandlung zu treten.

Einstimmig erklärte sich die Konferenz aus den angeführten Rücksichten für das Projekt II und erteilte die Zustimmung zu dem obigen Vorhaben4.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 19. Juli 1860.