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Nr. 179 Ministerkonferenz, Wien, 23. Juni 1860 – Protokoll I - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet (RS. Klaps); VS. Kaiser; BdE. und anw. Erzherzog Wilhelm, Erzherzog Rainer, (Rechberg 25. 6.), Thun 9. 8.[sic!], Nádasdy 9. 7., Gołuchowski 9. 7., Thierry 10. 7., Plener 8. 7., FML. Schmerling.

MRZ. – KZ. 2275 –

Protokoll I der Ministerkonferenz am 23. Juni 1860 unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Militärvoranschläge und Staatsvoranschläge für 1861 und 1862

Der Leiter des Finanzministeriums Reichsrat v. Plener referierte über den Militärvoranschlag für 1861 und las den Entwurf des diesfalls an Se. Majestät zu erstattenden au. Vortrages1.

Es ergibt sich daraus, daß das Armeeoberkommando schließlich folgende Dotationssumme in Anspruch genommen hat: 1. an Ordinarium und an Extraordinarium 102 Millionen, 2. als weiteres Extraordinarium für die Fortdauer der drohenden politischen Verhältnisse in Italien 12 Millionen, und 3. für den Unterhalt der modenesischen Brigade (gegen Ersatz) 1,019.000 fl., zusammen in runder Summe 115 Millionen. Hievon würden bedeckt durch die eigenen Einkünfte der Militär­verwaltung 7 Millionen, so bliebe eine bare Dotation erforderlich von 108 Millionen. Die Finanzverwaltung dagegen ist außer Stande, für das Ordinarium und Extraordinarium (1.) mehr als a93 Millionen anzuweisen, wozu noch 7 Millionen aus den eigenen Einkünften des Militärs hinzu­kommen; dagegen müsse nach der Bemerkung des Reichsrates v. Plener jedenfalls die Reduktion um zwei Millionen im Ordinarium und Extraordinarium eintreten, weil hiefür keine Bedeckung gegeben werden könne, auch sei diese Reduktion laut der hier vorliegenden Nachweisungen umso mehra tunlich, als im laufenden Jahre bereits viele Millionen für Material- und Vorratsnachschaffungen verausgabt worden sind, wodurch dem Bedarf abgeholfen sein dürfte.

Se. k. k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Wilhelm bemerkte hierauf, daß die sehr bedeutenden Verluste an Material durch die Ereignisse des Jahres 1859 während des laufenden Jahres noch lange nicht ergänzt werden können, weil ein Jahr für die Fabrikation und die Lieferungen des Ersatzes nicht hinreicht. Es bleiben daher 20 Millionen der für 1860 bewilligten Dotation unverwendet, durch deren Übertragung auf das Jahr 1861 sich dann das kurrente Militärerfordernis dieses Jahres um ebensoviel niedriger stellen würde. Andererseits müsse die Militärverwaltung auf eine mögliche Steigerung der Naturalienpreise und auch darauf bedacht sein, die noch zu liquidierende || S. 265 PDF || Militärprästationsforderung aus dem lombardisch-venezianischen Königreiche zu berichtigen, welche sich, allem Anscheine nach, sehr hoch belaufen werde. Das Armeeoberkommando müsse sich daher wenigstens vorbehalten, erforderlichenfalls eine Nachtragsdotation bis zum Belaufe von zwei Millionen anzusprechen. Sollte sich aber an der Dotation eine Ersparung ergeben, so würde sie selbstverständlich den Finanzen zugute gebracht werden.

Reichsrat v. Plener erklärte, daß er sich gegen die beabsichtigte Übertragung eines Teiles der Dotation von 1860 auf 1861 als der im ganzen Staatshaushalte strenge beobachteten Ordnung zuwiderlaufend erklären und überhaupt an der ohnehin sehr bedeutenden Dotationsziffer von 100 Millionen seiner Pflicht gemäß festhalten müsse. Was die Anforderung eines weiteren Extraordinariums von zwölf Millionen (d.i. eine Million monatlich) während der Dauer der drohenden Verhältnisse, dann von einer Million für die modenesischen Truppen betrifft, so würden diese Extraordinarien wegen ihrer mehr hypothetischen Natur im au. Vortrag besonders erwähnt werden, und es bliebe der Militärverwaltung vorbehalten, dieselben nach Maß der eintretenden Eventualitäten in Anspruch zu nehmen. Reichsrat v. Plener erwähnte bei diesem Anlasse eine Kontroverse mit dem Armeeoberkommando über die Frage, ob die aus dem Loskaufe vom Militärdienste jährlich eingehende Summe an die Militärverwaltung zur eigenen Manipulation zu erfolgen sei, und erbat sich die auch sofort erteilte Zusicherung, daß die Finanzverwaltung über diese Frage vor einer Ah. Entscheidung von Sr. Majestät vernommen werde.

Für die Kriegsmarine werden von dem durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Marineoberkom­mandanten fünf Millionen und für das Flotillenkorps eine Million angefordert2.b

Mit Berücksichtigung der beantragten Reduktion an Militär und der Marine werde sich der Gesamtaufwand noch immer auf 106 Millionen und sohin das Defizit auf 40 Millionen belaufen.

Reichsrat v. Plener bemerkte, dies sei das Resultat einer genauen Prüfung über die Zulässigkeit von Reformen in allen Zweigen, und er könne sich der Besorgnis nicht erwehren, daß die Ersparnis sich bei einigen Rubriken, z. B. der Gendarmerie, tatsächlich nicht so hoch belaufen werden, als man erwartet. Minister Graf Gołuchowski entgegnete hierauf, daß er sowohl bei der Gendarmerie als bei den übrigen Rubriken seines Ministeriums das Präliminare einzuhalten und selbst weitere Ersparungen zu erzielen hoffe.

Der Leiter des Finanzministeriums referierte ferner, er habe in reife Erwägung gezogen, ob sich nicht schon im Jahre 1861 oder in dem nächstfolgenden neue Einnahmsquellen schaffen oder bereits vorhandene ergiebiger machen ließen, allein bis jetzt ohne befriedigendes Ergebnis. So würde z. B. die Besteuerung der im Auslande zahlbaren Zinsen von Staatsanleihen, welche bisher einkommensteuerfrei sind, || S. 266 PDF || nur 300.000 –400.000 fl. jährlich eintragen und dem ohnehin erschütterten Staatskredite im Auslande eine unheilbare Wunde schlagen. Aus ähnlichen Rücksichten erschiene nicht rätlich, die Gewinnste von Staatslotterielosen der Besteuerung zu unterziehen, obgleich dies prinzipiell allerdings gerechtfertigt wäre. Die Durchführung der vom Finanzminister Baron Bruck vorgeschlagenen Reform der direkten Steuern3 würde allerdings einen Mehrertrag von 17 Millionen jährlich gegen den Steuerertrag bis Ende 1858 in Aussicht stellen; allein, man müsse vor allem bedenken, daß der im Jahre 1859 eingeführte Kriegszuschlag auf die direkten und indirekten Abgaben4 bereits ungefähr ebensoviel einträgt und daß dieser Zuschlag doch nicht neben den reformierten Steuern beibehalten werden könnte. Bei dessen Auflassung aber würde der Vorteil für die Finanzen verschwinden. Abgesehen ferner von den gewichtigen speziellen Einwendungen gegen manche der vorgeschlagenen Reformmaßregeln bestehe noch das allgemeine wichtige Bedenken, daß bei deren Durchführung Umlage und Einhebung der Steuern ganz in die Hände der Landes- und Gemeindevertretungen, somit der Steuerpflichtigen selbst gelegt würden und daß eine wirksame Kontrolle hiebei ohne Preßfreiheit nicht wohl denkbar wäre, sodaß dieses System überhaupt zu unseren dermaligen staatlichen Einrichtungen gar nicht passen würde.

Reichsrat v. Plener wendete sich nun zur Prognose über den Staatsvoranschlag für 1862, um aus den approximativen Daten desselben zu ermitteln, wieviel der Kaiserstaat unter normalen Verhältnissen auf das Militär verwenden könne, ohne seine Einnahmen zu überschreiten. Mit Hinblick auf das oben Gesagte glaube er die Einnahmen nicht wohl höher als mit 299,534.300 fl. annehmen zu können. Werden hievon die Auslagen für die verschiedenen Zweige (Armee und Marine ausgenommen) so wie für 1861 mit 232,658.300 fl. abgezogen, so zeigt sich, daß für die Land- und Seemacht nur 66,876.000 fl. aus den Finanzen verwendet werden dürften, wenn man aus dem Defizit herauskommen will. Indessen wird diese Summe sich erhöhen lassen können, wenn im Laufe des Jahres 1861 bereits die im Zuge befindlichen organischen Änderungen durchgeführt sein werden. Der Minister des Inneren erkläre, daß sich bei den Bezirksämtern allein vier Millionen und 500.000 fl. bei den Baubehörden ersparen lassen. Durch Reduktion der Steuerämter stehe eine weitere Ersparung von vier Millionen in Aussicht. Durch die Zusammenlegung von Finanzlandesdirektionen und Finanzbezirksdirektionen werden sich aber, ohne das Interesse des Staatsschatzes anderweitig zu gefährden, höchstens noch 200.000–300.000 fl. ersparen lassen, bei der Finanzwache etwa 300.000 fl. Eine Ausgabsrubrik, wo hoffentlich größere Ersparungen, cetwa um acht Millionenc erzielt werden dürften, sei der Agioverlust per zehn Millionen Gulden. Alle diese Ersparungen und der hoffentlich wohl wieder dmit zwei bis drei Millionend eintretende Mehrertrag des jetzt auf zwölf Millionen gesunkenen Zollgefälles dürften die Mittel gewähren, || S. 267 PDF || die obgedachten 66 Millionen Bardotation für Armee und Marine eum 17 Millionen, also auf 83 Millionen,e zu erhöhen. Aber weiter könne ohne die bedenklichsten Folgen nicht gegangen werden. Das Defizit sei das gefährlichste Übel, an welchem wir leiden. Wenn Österreich seine Stellung als Großmacht in der nächsten Zukunft nur durch Opfer behaupten kann, die seinen Bankrott notwendig herbeiführen, so sei es angezeigt, auf diese Stellung – wenigstens temporär – zu verzichten. Reichsrat v. Plener besitze keine Kenntnis vom Militärwesen und vermöge nicht anzudeuten, wo sich nebst den bereits stattgefundenen, allerdings bedeutenden Standesreduktionen, noch weitere namhafte Ersparungen erzielen lassen. Aber an der Möglichkeit zweifle er nicht, sobald der ernste Ah. Wille ausgesprochen und infolgedessen auch das bestehende System verbessert wird. Im Publikum, auch selbst unter höheren Militärs, mache sich dieselbe Meinung geltend. Vor allem sei ihm die Zunahme der baren Gebühren um 20 Millionen gegen das Jahr 1847 auffallend, während doch der Stand der Kombattanten relativ ein sehr geringer ist. Die Vermehrung der Buchhaltungsbeamten von 500 auf 1200 und des Aufwandes dafür von einer halben Million auf 1,200.000, fder Generäle von 350 auf 580, der Offizierspensionen von 3,5 auf 8 Millionen,f sei eine sehr schwere Last. Das Gebührensystem scheine einer Revision zu bedürfen. Die Bemessung der Bezüge der supernumerären und der disponiblen Offiziere nach dem Pensionsnormale würde bei deren äußerst großen Anzahl eine bedeutende Ersparnis gewähren.

Se. k. k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Wilhelm erwiderte im Laufe einer längeren Erörterung über diese Punkte, daß vom Armeeoberkommando allen Ernstes nach Ersparungen gestrebt werde, daß aber dieses Bestreben seine Wirksamkeit nur nach und nach äußern könne. Das Ausmaß der Gebühren sei im wesentlichen noch dasselbe wie unter der Kaiserin Maria Theresia; gdie Zunahme der Gagen durch das neue Gebührenreglement beträgt nur 129.000 fl., wie dies im Militärbudget genau nachgewiesen ist.g die Zunahme der Gagen durch das neue Gebührenreglement5 beträgt nur 129.000 fl., wie dies im Militärbudget genau nachgewiesen ist. Es werde durch einjährige Beurlaubungen und Abfertigungen der Offiziere mit Erfolg dahin gewirkt, die Ausgaben für die supernumerären zu vermindern, hund ist bereits durch Versetzung in Disponibilität und durch Beurlaubungen eine Ersparung von ungefähr einer Million Gulden erzielt worden. Die bereits angebahnte Modifikation in der Rechnungslegung und die Unterstellung der Militärrechnungsbehörden unter die Oberste Kontrollbehörde werde nahezu die Hälfte der Militärrechnungsbeamten entbehrlich machen und somit eine bedeutende Ersparung herbeiführen.h Von den Generälen sei keiner mehr supernumerär. Die Bezüge der disponiblen müßten aber notwendig höher bemessen sein als jene der Pensionisten, weil erstere jeden Augenblick bereit sein müßten, wieder einzutreten. iDer Pensionsetat sei allerdings bedeutend angewachsen, dagegen haben sich in ebendiesem Maße die Aktivitätsgebühren vermindert, und stehe die Erreichung der Normalziffer von sechs Millionen Gulden für die Zukunft in Aussicht. Die Zahl der Generäle habe sich, wenn man die letzte Mobilisierung in Anschlag bringt, gegen ehemals nicht wesentlich geändert. Die Gebühren seien bereits einer Revision unterzogen worden und stehe hierdurch im Frieden eine jährliche Ersparnis von 300.000 fl., im Kriege von 3,000.000 fl. zu erwarten.i Der Pensionsetat sei allerdings bedeutend angewachsen, dagegen haben sich in ebendiesem Maße die Aktivitätsgebühren vermindert, und stehe die Erreichung der Normalziffer von sechs Millionen Gulden für die Zukunft || S. 268 PDF || in Aussicht. Die Zahl der Generäle habe sich, wenn man die letzte Mobilisierung in Anschlag bringt, gegen ehemals nicht wesentlich geändert. Die Gebühren seien bereits einer Revision unterzogen worden und stehe hierdurch im Frieden eine jährliche Ersparnis von 300.000 fl., im Kriege von 3,000.000 fl. zu erwarten.

Reichsrat v. Plener äußerte schließlich, er halte es für seine Pflicht, sich unter den gegenwärtigen ernsten Konjunkturen nicht bloß auf die einfache Vorlage des Voranschlags für 1861 zu beschränken, sondern dem verstärkten Reichsrate auch ein Bild der späteren finanziellen Zukunft Österreichs zu geben, soweit es dermal tunlich ist. Die Regierung muß zeigen, daß sie trotz der momentanen großen Schwierigkeiten nicht an sich verzweifelt, sondern daß Mittel vorhanden sind, einen besseren Zustand herbeizuführen. Er werde sich aber hiebei von sanguinischen Hoffnungen ferne halten und eine ganz nüchterne Darstellung der Sachlage geben.

Se. Majestät geruhten zu bestimmen, daß der Leiter des Finanzministeriums das Militärbudget für 1861 mit einem kurzen Vortrage unterbreite, in welchem schließlich erwähnt wird, daß nebst der Gesamt­dotation von 100 Millionen noch die Eventualitäten: 1. einer Nachtragsdotation von zwei Millionen, 2. eines Extraordinariums von zwölf Millionen bei Fortdauer der bedenklichen politischen Lage Italiens, und 3. des Vorschusses von einer Million für die modenesischen Truppen in Berücksichtigung zu ziehen seien. Reichsrat v. Plener habe ferner in einem besonderen Vortrage die Finanzlage im allgemeinen und die Aussichten auf das Budget der Jahre nach 1861 in der soeben angedeuteten Weise zu beleuchten6.

II. Oberste Leitung der Militäradministration

Der Leiter des Finanzministeriums erbat sich hierauf das Wort, um eine organische Frage höherer Ordnung zur Sprache zu bringen, nämlich die exzeptionelle Stellung der obersten Militärleitung. Während alle andern Zentralbehörden sich wechselseitig kontrollieren und bei ihren Verfügungen und au. Anträgen, selbst jenen von geringerer Wichtigkeit, an die Zustimmung eines Ministeriums oder der Ministerkonferenz gebunden sind, während viele ihrer au. Anträge vom Reichsrate überprüft werden, fehlen diese Beschränkungen in der militärisch-administrativen Sphäre. Das Armeeoberkommando sei in der Ministerkonferenz vertreten, aber nicht um dort Angelegenheiten seines Ressorts beraten zu lassen, sondern vorzugsweise um den militärischen Standpunkt bei den Beratungen von Angelegenheiten anderer Zweige zu wahren. Der Chef der Zentralkanzlei des Armeeoberkommandos könne bei den Beratungen nur immer den ihm erteilten bindenden Instruktionen folgen. Die Grenzen der Wirksamkeit des Armeeoberkommandos und der Generaladjutantur Sr. Majestät scheinen ihm nicht ganz bestimmt gezogen; wenigstens ist man in der Armee und im übrigen Publikum || S. 269 PDF || nur zu geneigt, viele Maßregeln als Allerhöchstenorts erflossen zu betrachten und den allfälligen Tadel derselben auch höher als auf das Armeeoberkommando zu richten. Der Reichsrat v. Plener bitte ehrerbietigst, seinen Freimut nicht ungnädig aufzunehmen, wenn er, nach seiner freilich einseitigen und beschränkten Kenntnis der einschlägigen Verhältnisse die Überzeugung ausspricht, daß aus diesem anomalen Zustande durch die Ah. Ernennung eines Kriegsministers herauszutreten wäre, der zwar nicht die rein technischen Fragen, aber die organischen und administrativen Angelegenheiten, welche von finanzieller Wichtigkeit sind, in die Ministerkonferenz zur Beratung zu bringen hätte7.

jDer Chef des Armeeoberkommandos erwidert, die Generaladjutantur Sr. Majestät des Kaisers führe zu keinem Dualismus in der Leitung der Armeeangelegenheiten. Eine solche habe immer bestanden als Organ zur Ausfertigung der Ah. Befehle und müsse fortbestehen, weil höhere Personalien immer der unmittelbaren Entscheidung Se. Majestät vorbehalten bleiben werden.j Der Chef des Armeeoberkommandos erwidert, die Generaladjutantur Sr. Majestät des Kaisers führe zu keinem Dualismus in der Leitung der Armeeangelegenheiten. Eine solche habe immer bestanden als Organ zur Ausfertigung der Ah. Befehle und müsse fortbestehen, weil höhere Personalien immer der unmittelbaren Entscheidung Se. Majestät vorbehalten bleiben werden.

Der Minister des Inneren bedauerte, daß die wichtigsten organischen und administrativen Fragen in Militärangelegenheiten entschieden werden, ohne daß die Ministerkonferenz davon die geringste Kenntnis erhält. Der Justizminister erklärte, er halte sich verpflichtet, mit aller Freimütigkeit hier auszusprechen, daß die öffentliche Stimmung sich über die Gebarung mit dem Armeeaufwande auf eine sehr ungünstige Weise äußert. Die aufgedeckten Eynattenschen Unterschleife8 werden zu Anlaß genommen, den ungerechtesten Tadel auf den durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Chef des Armeeoberkommandos und selbst in die höchste Region zu werfen. Die neuesten Änderungen in der Adjustierung der Artillerie dienen zum Stützpunkte der böswilligsten Behauptungen über die fortdauernde verschwenderische Gebarung in der Militärbranche, wobei man nicht ermangelt, den Steuerdruck und die Fortdauer des Kriegszuschlages als grellen Gegensatz herauszuheben. Graf Nádasdy müsse daher dringend bitten, daß durch die Ergreifung und konsequente Durchführung eines entschiedenen Sparsystems derlei Behauptungen jeder Anhaltspunkt genommen werde. In der Ah. Ernennung eines Kriegsministers erblickt der Justizminister, so wie die Vorstimmen, ein sicheres || S. 270 PDF || Mittel, das Odium, welches mit mancher unvermeidlichen Maßregel verbunden ist, von der Ah. Person abzuleiten. Der Ministerpräsident sieht keine Rettung aus den traurigsten finanziellen und infolgedessen auch aus den politischen Bedrängnissen, wenn nicht in allen Zweigen des Staatshaushaltes mit gleicher Strenge auf Ersparnisse gedrungen wird. So wie in den Zweigen der Ziviladministration, so müßten auch im Militär selbst notwendige Ausgaben unterbleiben oder doch aufgeschoben werden, wenn es an den Geldmitteln dazu fehlt.

Se. Majestät der Kaiser geruhten Ah. sich dahin auszusprechen, es unterliege keinem Anstande, daß militärische Verfügungen, wodurch Mehrauslagen begründet werden, vorläufig in der Minister­konferenz beraten werden9.

III. Herabsetzung der Ausfuhrzölle für Hadern und Bauholz

Der Ministerpräsident referierte, daß ihm Lord Palmerston auf konfidentiellem Wege die Geneigtheit der englischen Regierung zu einer Annäherung ausgesprochen habe, welche jedoch österreichischerseits durch Erleichterung der Ausfuhrzölle auf Schiffbauholz und Hadern anzubahnen wäre10.

Der Leiter des Finanzministeriums , aufgefordert, sich über die Zulässigkeit einer Zolländerung bei diesen Artikeln auszusprechen, behielt sich vor, darüber nach genauer Prüfung der einschlägigen Verhältnisse zu referieren11.

IV. Plenarberatung des Gesetzes über das Ausgleichsverfahren im verstärkten Reichsrat

Se. k. k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Reichsratspräsident brachte in Anregung, ob der Bericht des Komitees über das Vergleichsverfahren demnächst zur Plenarberatung des verstärkten Reichsrates auf die Tagesordnung zu setzen sei, nachdem die ungarischen Reichsräte sich gegen diese Plenarberatung sträuben und dieselben, wenn sie dennoch stattfindet, vielleicht selbst austreten wollen12.

Der Ministerpräsident bemerkte, daß, wenn die ungarischen Reichsräte, wie es scheint, aus Anlaß der Beratung über das Budget jedenfalls austreten wollen, kein Grund vorhanden sein dürfte, von den Beratungen des obgedachten Gesetzes bloß deswegen abzustehen, um sie noch durch kurze Zeit festzuhalten. Der Justizminister fand es unvermeidlich, daß die Beratung über dieses Gesetz, welches von dem Handelsstande || S. 271 PDF || aller Kronländer mit Ungeduld erwartet wird, auf die Tagesordnung gebracht werde, sobald der Obmann des bezüglichen Komitees sich zur Berichterstattung meldet. Der Kultusminister würde es lebhaft bedauern, wenn die Beratung dieses Gesetzes zu skandalösen Auftritten im Reichsrat und zum Austritte der ungarischen Reichsräte führen würde, von denen er glaube, daß sie an der Budgetdebatte teilnehmen wollen. Die Aussicht, den verstärkten Reichsrat ohne Skandal zu Ende zu führen, habe in politischer Beziehung weit mehr Wert, als die etwas schnellere Erlassung des fraglichen Gesetzes. Se. Majestät geruhten den durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Rainer aufzufordern, die Stimmung der Reichsräte über diesen Gegenstand vorläufig im vertraulichen Wege ausforschen zu lassen13.

Über die hierauf unter Beiziehung des Banus FML. Joseph Šokčević vorgenommene Beratung bezüglich der Geschäftssprache in Kroatien wurde ein besonderes Protokoll verfaßt14.

Am 25. Juni 1860. Rechberg. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 19. Juli 1860.