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Nr. 159 Ministerkonferenz, Wien, 8., 10., 12., 14. und 22. Mai 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • Sammelprotokoll; RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 22. 5.), Thun 22. 5. (am 12. 5. abwesend), Nádasdy 24. 5., Gołuchowski 25. 5., Thierry 24. 5., Plener 27. 5., FML. Schmerling 28. 5.

MRZ. – KZ. 1693 –

Protokoll der zu Wien am 8., 10., 12., 14. und 22. Mai 1860 abgehaltenen Ministerkonferenzen unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.

[I.] Landgemeindeordnung für Böhmen, Mähren, Schlesien und Niederösterreich

Gegenstand der Beratung war der vom Minister des Inneren vorgetragene Entwurf einer Landgemeindeordnunga auf Grundlage der Anträge der Kommissionen in Böhmen, Mähren, Schlesien und Niederösterreichb .1

|| S. 181 PDF || Nach einem einleitenden Vortrage des Ministers des Inneren über die seit dem Erscheinen des Gemeindegesetzes vom 17. März 1849 2 gepflogenen Verhandlungen wegen Regulierung des Gemeindewesens wurde zur Lesung und Beratung der einzelnen Paragraphen des vorliegenden Entwurfs geschritten, welcher sich mit Rücksicht auf die Homogenität der Kommissionselaborate auf die vier obgenannten Kronländer beschränkt3. Hierbei ergaben sich folgende Bemerkungen und Anträge:

Zu § 1 hätte der Leiter des Finanzministeriums gewünscht, daß die „Katastralgemeinden“ anerkannt und im Texte „die gegenwärtigen Orts-(Katastral)Gemeinden“ gesagt werden möchte, weil bei etwaiger Ausscheidung herrschaftlicher Gutsgebiete aus der Gemeinde das Katastraloperat, welches die Gemeinden vor sich hat, zerrissen und dadurch die Evidenzhaltung beim Kataster verhindert oder wenigstens erschwert werden würde.

Der Minister des Inneren bemerkte dagegen, es seien die gegenwärtigen Ortsgemeinden in der Regel zugleich Katastralgemeinden, es bedürfe also einer derartigen besonderen Bezeichnung nicht, vielmehr würde durch Annahme der letzteren der bereits grundsätzlich genehmigten Ausscheidung des herrschaftlichen Gutsgebietes4 ein Hindernis in den Weg gelegt. Der Kultusminister setzte hinzu, es handle sich hier um die Grundlage der politischen Organisierung der Gemeinden; mit dieser habe die Steuerverfassung, also das Katastralwesen, nichts gemein. Bleibt es bei der bisherigen Steuerverfassung, so habe man es bloß mit den Resultaten des Katasters zu tun, der jede einzelne Parzelle benennt und bezeichnet, dessen Ergebnis also unter allen Umständen, welche bezüglich der politischen Einteilung eintreten könnten, zum Anhaltspunkt für die Grundsteuer dient. Käme die beabsichtigte Steuerreform zur Ausführung, so müssen ohnehin neue Operate verfaßt werden, die sich dann auch nach den inzwischen konstituierten Gemeinden etc. richten dürften5.

§ 2. Gegen die Bestimmung des zweiten Absatzes, „daß eine Gemeinde, welche die Mittel nicht besitzt, um den etc. Pflichten nachzukommen, mit einer anderen zu einer Ortsgemeinde zu vereinigen ist“, bemerkte der Kultusminister, daß, nachdem einer solchen Gemeinde ihr Eigentum zu verbleiben hat, sie mithin rücksichtlich desselben als Kommunität fortbesteht, ihr auch die Selbständigkeit als politische Gemeinde nicht entzogen werden sollte, wenn sie nicht selbst die Vereinigung mit einer anderen verlangt. Es ist dieses eine Konsequenz des Prinzips der Autonomie, das man bei der Gemeindeorganisierung möglichst wahren will.

Der Minister des Inneren entgegnete, daß diese Bestimmung von allen Landeskommissionen beantragt worden und das Prinzip der Autonomie im § 4 dadurch gewahrt werde, daß die Entscheidung über die Vereinigung etc. von der Einvernehmung der nächst höheren autonomen Kommunalinstanz, des Bezirksrates, abhängig ist.

|| S. 182 PDF || § 4. Bisher war bei den Verhandlungen über Vereinigung oder Trennung von Gemeinden auch das finanzielle Interesse, welches durch solche Veränderungen bezüglich der Steuer berührt wird, vertreten. Der Leiter des Finanzministeriums wünschte dasselbe auch fernerhin gewahrt zu wissen und beantragte daher, daß nach den Worten „[Die Entscheidungen . . . stehen] über Vernehmung des Bezirksrates der politischen Landesstelle [zu]“ eingeschaltet werde „im Einvernehmen mit der Steuerlandesbehörde“, wogegen jedoch der Minister des Inneren bemerkte, daß ihm ein solcher Beisatz entbehrlich erscheine, weil, wenn es sich zum finanzielle Interessen handelt, die politischen Behörden ohnehin verpflichtet sind, sich mit der betreffenden Finanzbehörde ins Einvernehmen zu setzen.

Zur Überschrift des II. Hauptstücks beanständete der Leiter des Finanzministeriums die Bezeichnung „Bewohner der Gemeinde“, weil dieselbe nicht auf alle zur Gemeinde gezählten Personen, namentlich nicht auf diejenigen anwendbar ist, welche nach lit. b, § 6, einen Realitätenbesitz in der Gemeinde haben, ohne je dort zu „wohnen“.

Der Kultusminister wünschte überhaupt alle Überschriften und theoretischen Definitionen aus dem Gesetze zu entfernen, da sich diese letzteren, cinsoweit sie nicht ganz entbehrlich sind,c bei den meritorischen Bestimmungen über die Rechte und Pflichten der Beteiligten einschalten lassen.

Der Minister des Inneren behielt sich vor, wenn möglich einen passenderen Ausdruck statt „Bewohner“ zu suchen, der alle im § 6 bezeichneten Personen umfaßt. Sonst müßte zu einer Umschreibung die Zuflucht genommen werden6. Die Einteilung in Hauptstücke mit Überschriften und die Definitionen aber glaubte er beibehalten zu müssen, weil erstere das Nachsuchen in einem aus so vielen Paragraphen bestehenden Gesetz erleichtern, letztere aber zur Feststellung des gesetzlichen Begriffs über die in diesem Gesetze behandelten Personen und Dinge erforderlich sind.

§ 8 sollte nach dem Erachten des Kultusministers entfallen, denn ein Gemeindegesetz hat es nur mit den Rechten und Pflichten der Gemeindeglieder, nicht der „Fremden“ zu tun. Was bezüglich dieser zu gelten hat, möge ein Polizeigesetz enthalten.

Der Minister des Inneren hielt jedoch die Bestimmung dieses § 8 für notwendig, damit die allen österreichischen Staatsbürgern etc. verbürgte Freizügigkeit aufrechterhalten und geschützt werde. Und da überdies der Gemeinde die Verwaltung der Lokalpolizei anvertraut werden soll, so scheint selbst eine polizeiliche Bestimmung über die Fremden im Gemeindegesetze am rechten Platze zu sein.

§ 9 stellt sich, wie der Minister des Inneren selbst bemerkte, als selbstverständlich, also entbehrlich dar, daher auch der Kultusminister für dessen Weglassung stimmte. Da er jedoch auch in sämtlichen Kommissionsentwürfen vorkommt und seine Beibehaltung nichts verschlägt, war die Stimmenmehrheit der Konferenz für dessen Beibehaltung7.

|| S. 183 PDF || § 14. Nachdem die Bestimmungen dieses Paragraphs nahezu an das allgemeine Stimmrecht streifen, glaubte der Ministerpräsident die Frage stellen zu sollen, ob nicht zur Einschränkung desselben a) Wählerkategorien aufzustellen oder b) wenigstens ein Wahlzensus festzusetzen wäre.

ad a) entschied sich die Mehrheit der Konferenz dafür, daß keine Wählerkategorien aufzustellen seien, weil nach § 15 das eigentliche Proletariat vom aktiven Wahlrecht ohnehin ausgeschlossen ist und durch die Bestimmung von Wahlkörpern nach § 23 den größeren Grundbesitzern oder Gewerbsunternehmern ein erhöhter Einfluß auf die Wahlen gesichert wird. Auch gegen einen Zensus ad b) sprach sich die Konferenz aus, weil derselbe, wie der Kultusminister bemerkte, auf einer willkürlichen Annahme beruht, die bei der Verschiedenheit der Lokalverhältnisse der einzelnen Gemeinden zur wahren Ungerechtigkeit wird.

Im übrigen sprach sich der Kultusminister für die Annahme des Vorschlags der Prager Kommission (Seite 17 der Anträge Beilage 2), also insbesondere ddafür, daß der Unterschied zwischen Bauern und anderen Dorfbewohnern festgehalten und jenen ein überwiegender Einfluß in der Gemeinde gesichert werde, sodann auchd für das Erfordernis eines wenigstens dreijährigen versteuerten Besitzes oder Erwerbsbetriebes aus. Es handelt sich nämlich hier um die wichtige Rücksicht, das Wahlrecht für die Gemeindevertretung in die Hände solcher Leute zu legen, die für das Wohl der Gemeinde ein bleibendes Interesse haben. Solche sind in den hier in Rede stehenden Kronländern der überwiegenden Mehrzahl nach die Besitzer bestifteter Bauerngüter; sie bilden den eigentlichen Kern der Bevölkerung des flachen Landes, der das konservative Prinzip vertritt und darum vor allen berücksichtigt werden muß. eWenn jetzt diesem Grundsatze, der von jeher bis zum Gemeindegesetze vom Jahre 1849 in faktischer Geltung war, die Wiedererweckung versagt [wird], so läßt sich mit Bestimmtheit vorhersehen, daß überhaupt eine die Aufrechthaltung des Bauernstandes bezweckende Agrarverfassung nicht mehr gelingen wird. Der Umstand, daß es einzelne Gemeinden geben mag, etwa solche, e die infolge der Meiereizerstücklung nach dem Raabschen System fentstanden sind, in welchen keine oder nur wenige geschlossene Bauerngüter zu finden sind, begründe keine triftige Einwendung gegen obigen Grundsatz. Was immer für eine Regel man aufstellen mag, der Notwendigkeit, für gewissen Fälle besondere Abhilfe zu treffen, wird man niemals entgehen. Auch ist es keine Inkonsequenz, wenn Personen, die durch Ankauf sogenannter freier Überlandgründe sich ein größeres Besitztum geschaffen haben,f entstanden sind8, in welchen keine oder nur wenige geschlossene Bauerngüter zu finden sind, begründe keine triftige Einwendung gegen obigen Grundsatz. Was immer für eine Regel man aufstellen mag, der Notwendigkeit, für gewissen Fälle besondere Abhilfe zu treffen, wird man niemals entgehen. Auch ist es keine Inkonsequenz, wenn Personen, die durch Ankauf sogenannter freier Überlandgründe sich ein größeres Besitztum geschaffen haben, mit den Besitzern bestifteter Bauerngüter nicht in dieselbe Kategorie gesetzt werden, denn ihr Besitz ist kein bleibender und untrennbarer, das Interesse, das sie an die Gemeinde fesselt, vermindert sich in dem Maße, als ihr Besitztum sich willkürlich oder notgedrungen vermindert. Noch mehr ist dies mit der Gewerbe- oder Fabriksbevölkerung der Fall. || S. 184 PDF || Ein Fabrikant läßt sich in einer Gemeinde nieder, beutet sie vielleichtg aus und verläßt sie, nachdem er sie zugrundegerichtet. Von diesen also sollte einige Garantie gefordert werden, um an Rechtenh, wie die hier in Rede stehenden sind, teilnehmen zu dürfen.

Der Minister des Inneren erinnerte dagegen, auch ihm liege daran, den Bauernstand und das untrennbare Besitztum aufrechtzuerhalten; darum könne er aber doch nicht zugeben, daß der Besitzer eines untrennbaren Guts von einigen Joch vor dem Besitzer von 20 und mehr Joch Überlandgründen einen Vorzug haben solle. Wenn überhaupt, wie von allen Kommissionen angenommen wurde, die Höhe der Steuer, also die Größe des Besitztums, maßgebend sein soll, so entscheidet die Trennbarkeit oder Untrennbarkeit desselben nichts. Solange jemand im Besitze vieler, wenn auch trennbarer Grundstücke ist, hat er, weil [er] davon die Lasten zur Gemeinde beitragen muß, sicher ein größeres Interesse an den Gemeindeangelegenheiten, als der kleine Bauer. In dem Maße aber, als sein Besitztum abnimmt, vermindert sich auch seine Steuerquote, und er tritt darnach auch in den minderen Wahlkörper zurück. Es liegt ein Ausweis vor über das Verhältnis der bestifteten und nicht bestifteten Güter aus verschiedenen böhmischen Gemeinden, woraus zu ersehen, daß die unbedingte Einreihung der bestifteten Bauern in den ersten Wahlkörper eine Ungerechtigkeit gegen die Besitzer nicht bestifteter wäre. Im übrigen bezog sich der Minister des Inneren hinsichtlich der Forderung einer dreijährigen Versteuerung auf dasjenige, was diesfalls schon in den Kommissionsanträgen (Seite 17) dagegen angeführt worden ist. Will man das trennbare Besitztum in ein unteilbares verwandeln, so muß dieses Gegenstand einer abgesonderten Verhandlung werden.

§ 15. In der Absicht, das eigentliche Proletariat von den Wahlen auszuschließen, wurde beliebt, der Stelle im ersten Absatze „oder wie Taglöhner etc. einen selbständigen Erwerb nicht haben“ den etwas taxativen Charakter zu benehmen und ihr durch Einschaltung der Worte „zum Beispiele“ vor „Taglöhner“ die möglichste Latitüde zu geben.

Die §§ 17 und 18 können in einen zusammengezogen werden. Im § 18 ad b) beantragte der Justizminister , daß die Ehegattin, die sui juris ist, nicht gezwungen sein soll, sich durch ihren Ehemann vertreten zu lassen, wogegen jedoch der Minister des Inneren bemerkte, daß im geregelten Familienleben nicht wohl eine andere Vertretung als durch den Gatten zulässig erscheine.

§ 19. Da die vormals herrschaftliche Gerichtsbarkeit sich nicht immer über eine ganze Gemeinde, sondern nicht selten nur über einzelne Häuser etc. erstreckte, so beantragte der Leiter des Finanzministeriums , statt der Worte „mit welchen etc. die Ausübung der Gerichtsbarkeit über die Gemeinde verbunden war“ zu setzen „die Ausübung der Gerichtsbarkeit in der Gemeinde“, was auch angenommen wurde.

In den §§ 20 und 21 wurden im Hinblick auf § 18 die Worte „männlichen Geschlechts“ weggelassen.

|| S. 185 PDF || § 22a. Da die pensionierten oder mit Charakter ausgetretenen Offiziere, wenn sie in der Gemeinde possessioniert oder wohnhaft sind, ein schätzbares Element für die Gemeindevertretung bilden, so glaubte der Ministerpräsident , Se. Majestät im Interesse des Gemeindewesens um Ag. Zurücknahme des diesfalls in Mitte liegenden Verbotes und um Zulassung der genannten Personen zur Wählbarkeit dringend bitten zu müssen9. Ihm traten die Minister für Kultus, Inneres und Polizei und der Leiter des Finanzministeriums bei. FML. Ritter v. Schmerling erklärte, nicht ermächtigt zu sein, einer Zurücknahme des so bestimmten Ah. Verbotes das Wort zu führen, und der Justizminister nahm ebenfalls Anstand, dem obigen Antrage beizutreten, indem jenes Ah. Verbot ohne Zweifel auf triftigen Gründen beruht, unter denen er sich namentlich den Umstand vergegenwärtigt, daß es zwischen dem in den Gemeindeausschuß gewählten Offizier und dem bürgerlichen Gemeindevorsteher möglicherweise zu unliebsamen Kollisionen kommen könnte.

Zu demselben Paragraph ad 1. beantragte der Leiter des Finanzministeriums , daß auch derjenige von der Wählbarkeit ausgeschlossen sein soll, gegen welchen wegen einer an den Staat schuldigen Leistung die Exekution geführt wird. Denn es wäre eine Bevorzugung der Gemeinde vor dem Staate, wenn hier nur die Gemeindeschuldigkeiten und nicht auch die lf. Steuern berücksichtigt werden wollten; ja es wäre gewissermaßen eine indirekte Aufforderung, vor allem die Gemeindes­chuldigkeiten zu zahlen und die lf. Giebigkeiten hintanzusetzen.

Mit diesem Antrage, der durch die Einschaltung der Worte „und an den Staat“ vor „schuldigen“ seinen Ausdruck fände, vereinigten sich die Minister der Justiz und Polizei, FML. Ritter v. Schmerling und der Ministerpräsident, wogegen die Minister für Kultus und Inneres bei dem Antrage des Entwurfs beharrten, weil es ihnen nicht angemessen schien, in einem Gemeindegesetz fiskalische Zwecke zu verfolgen und die Interessen der Gemeinden mit jenen des Staats zu vermengen.i

§ 25. Durch die Bestimmung, daß jeder der Wahlkörper eine gleiche Anzahl Ausschuß- und Ersatzmänner zu wählen hat, würde, wie die Mehrheit der Konferenz besorgte, in den meisten Gemeinden den geringer Besteuerten ein Übergewicht über die höher Besteuerten bei der Wahl eingeräumt werden. Um dieses zu vermeiden, wäre eine andere Verteilungsmodalität zu wählen. Der Minister des Inneren besorgte nach den bisherigen Erfahrungen zwar keinen nachteiligen Einfluß hieraus auf die Wahlen selbst, indessen erklärte er sich bereit, eine früher selbst gehegte Idee, die Wahlkörper nach Sechsteln wählen zu lassen, wieder aufzunehmen, dergestalt, daß in dem ersten Wahlkörper der Höchstbesteuerten 3⁄6, in den zweiten 2⁄6 und in den dritten 1⁄6 der Ausschuß- und Ersatzmänner zu wählen wären, womit sich sofort die Konferenz einverstanden erklärte.

jNach geschlossener Beratung hat der Minister des Inneren sich für die Beibehaltung seines ursprünglichen Antrages ausgesprochen, nämlich daß jeder Wahlkörper nur ein Drittel des Ausschusses wähle, weil die Höchstbesteuerten als Eigenberechtigte ohnehin eine Begünstigung genießen, im Ausschusse zu erscheinen, und man würde zu weit gehen, wenn man demnach dem ersten Wahlkörper, wohin die Eigenberechtigten als Wähler gehören, das Recht einräumen würde, drei Sechstel des Ausschusses zu wählen, denn es könnte leicht geschehen, daß auf diesem Wege die Höchstbesteuerten über eine Majorität im voraus zu disponieren hätten.j Nach geschlossener Beratung hat der Minister des Inneren sich für die Beibehaltung seines ursprünglichen Antrages ausgesprochen, nämlich daß jeder Wahlkörper nur ein Drittel des Ausschusses wähle, weil die Höchstbesteuerten als Eigenberechtigte ohnehin eine Begünstigung genießen, im Ausschusse zu erscheinen, und man würde zu weit gehen, || S. 186 PDF || wenn man demnach dem ersten Wahlkörper, wohin die Eigenberechtigten als Wähler gehören, das Recht einräumen würde, drei Sechstel des Ausschusses zu wählen, denn es könnte leicht geschehen, daß auf diesem Wege die Höchstbesteuerten über eine Majorität im voraus zu disponieren hätten.

§ 24. Der Ministerpräsident wandte gegen die Ergänzung des ersten Wahlkörpers aus den Höchstbesteuerten des nächsten Wahlkörpers ein, daß durch diese Ergänzung möglicherweise das Stimmrecht der Glieder des ersten Wahlkörpers eludiert werden kann, indem die aus dem nächsten Wahlkörper herangezogenen Wähler, wenn deren Zahl größer wäre als die der in [den] ersten gehörigen, diese letzteren überstimmen würden. Er wünschte daher die Beseitigung dieser Bestimmung, womit auch der Polizeiminister und FML. Ritter v. Schmerling einverstanden waren.

Die übrigen, also mehreren Stimmen waren jedoch für die Beibehaltung dieser Bestimmung, nachdem der Minister des Inneren hervorgehoben hatte, daß von den Kommissionen in Wien und Prag die Ergänzung bis auf das Dreifache beantragt worden ist, und daß die Großgrundbesitzer, wenn sie sich nicht ausscheiden, vermöge § 28 schon kraft ihrer Steuerzahlung dem Gemeindeausschusse angehören, mithin schon hierdurch vor den übrigen bevorzugt sind.

§ 27. Die relative Stimmenmehrheit hat, wie der Justizminister bemerkte, die absolute Mehrheit gegen sich, es würde also einer, der der letzteren mißfällt, gewählt werden können. Nachdem jedoch der Minister des Inneren bemerkt hatte, daß, wenn die absolute Mehrheit zur Wahl erfordert wird, den bisherigen Erfahrungen zufolge der Abstimmungen kein Ende sein würde, so vereinigte sich die Konferenz einhellig mit dem Antrage des Ministers des Inneren; nur sollte statt „die relative Stimmenmehrheit“ gesetzt werden „die meisten Stimmen“, und hätten im zweiten Absatze, erste Zeile, die Worte „mit relativer Stimmenmehrheit“ zu entfallen.

§ 31 ad 3 sah der Kultusminister keinen Grund, die Geistlichen von der Wählbarkeit auszuschließen.

Juden ausdrücklich auszuschließen, schien dem Minister des Inneren nicht angemessen zu sein, welche Ansicht auch die Mehrheit der Konferenz teilte, indem nicht vorauszusetzen ist, daß in den Kronländern, um die es sich hier handelt, die christliche Mehrheit einen Juden werde wählen wollen, und dort, wo Juden in der Gemeinde die Mehrzahl bilden, bei dem betreffenden Statut Vorsorge getroffen werden kann. Der Kultusminister vermochte jedoch obige Voraussetzung nicht unbedingt anzunehmen und glaubte bei dem Umstande, daß ein Jude nimmermehr Vorstand einer Christengemeinde sein könne, zu § 20 das Erfordernis der „christlichen Religion“ einschalten zu sollen.

Dagegen wollte der Ministerpräsident a) Wirte, Metzger und Bäcker, als der Beaufsichtigung der Polizei, die von dem Gemeindevorstande selbst geübt werden soll, unterliegend, und b) die Schullehrer als gewöhnliche Wähler von den Gemeindeämtern ausgeschlossen wissen.

Nachdem ad a) auf auswärtige Gesetzgebungen hingewiesen worden war, behielt sich der Minister des Inneren die Nachforschung hierüber vor, es wurde daher die Abstimmung über diese Anträge einstweilen ausgesetzt10.

|| S. 187 PDF || Bei der Nachtkonferenz vom 12. Mai 1860 war der Kultusminister Graf Thun abwesend.

§ 32. Für den Fall, daß Se. Majestät den Antrag zu § 22 wegen Wählbarkeit der pensionierten und mit Militärcharakter ausgetretenen Offiziere zu genehmigen fänden, müßte ihnen in diesem § 32 wenigstens das Rekusationsrecht eingeräumt werden. Es ward also die eventuelle Aufnahme einer bezüglichen Klausel beschlossen.

§ 33 wurde, über Antrag des Ministerpräsidenten , zur Vermeidung der zu oft wiederkehrenden, nicht selten mit Agitation verbundenen Wahlen die Amtsdauer von drei auf fünf Jahre ausgedehnt.

§ 34. Da die Beeidigung des Gemeindevorstandes und der Räte durch den Bezirksvorsteher oder einen Delegierten an Ort und Stelle mit Auslagen, nämlich Diäten und Reisekosten für den lf. Kommissär verbunden sein wird, die man, da die Feierlichkeit im öffentlichen Interesse angeordnet ist, nicht wohl der Gemeinde auflasten kann, so gab über Anfrage des Ministers des Inneren der Leiter des Finanzministeriums seine Zustimmung zur Übernahme dieser Auslagen auf den Staatsschatz, hoffend, daß die Bezirksvorstände die fraglichen Beeidigungen in der Regel bei Gelegenheit anderer Dienstesreisen vornehmen werden.

§ 40 wurde bei der Stelle von den Verwandten etc. statt „im zweiten Grade“ auf Antrag des Justizministers gesetzt „bis zum zweiten Grade“, damit kein Zweifel sei, daß auch Verwandte etc. des ersten Grades darunter begriffen seien.

§ 42. Der Ministerpräsident trug Bedenken gegen die Öffentlichkeit der Verhandlungen bei Landgemeinden. Die Abstimmung hierüber wurde vorbehalten, bis der Minister des Inneren den Nachweis wird geliefert haben, ob und welche Beschränkung der durch das Gemeindegesetz von 1849 ausdrücklich befohlenen Öffentlichkeit seither etwa angeordnet worden ist11.

§ 44. Der Leiter des Finanzministeriums machte bemerklich, daß der Text, dem Gemeindevorsteher sei man „in Absicht auf die Vollziehung der Gesetze und höheren Anordnungen Folgsamkeit schuldig“, sich nicht auf die eigenen Anordnungen des Vorstehers beziehe. Die Mehrheit der Konferenz nahm daher die vom Polizeiminister vorgeschlagene Einschaltung der Worte: „und der von ihm in seiner Amtswirksamkeit erlassenen“ vor „Anordnungen“ an.

§ 49 ad 6, wünschte der Leiter des Finanzministeriums die Wirksamkeit der Gemeinde nicht bloß auf die Einhebung und Abfuhr der direkten Steuern etc. beschränkt zu sehen, da es möglich wäre, ihr diesfalls mehr, z. B. die Repartition, zuzuweisen. Er schlug daher analog mit den Positionen 3, 4, und 5 folgende Fassung vor: „6. Die Mitwirkung bei Vollziehung der Gesetze für direkte und indirekte Steuern“, welche auch von der Konferenzmehrheit angenommen wurde.

Der Minister des Inneren verharrte bei seinem Texte (den auch der Ministerpräsident vorziehen würde), weil derselbe alles umfaßt, was der Gemeinde in bezug auf das Steuerwesen anvertraut werden kann.

[§ 49] ad 11. Bezüglich der Ehekonsense erachtete der Ministerpräsident , daß es geradezu vorzuschreiben sei, daß sich dabei an die Bestimmungen des Heeresergänzungsgesetzes gehalten werde. || S. 188 PDF || Es wurde daher nachstehende Fassung allseitig angenommen: „11. Die Erteilung des politischen Ehekonsenses, insofern ein solcher überhaupt erforderlich und nach § 8 des Gesetzes über die Heeresergänzung vom 29. September 1858 12 zulässig ist“.

Die Abstimmung zu [§ 49] Post 12. Aufgebotsdispensen betreffend wurde auf Antrag des Justizministers bis zum Erscheinen des Kultusministers suspendiert13.

§ 53 schafft nach der Ansicht des Leiters des Finanzministeriums ein neues Verwaltungsorgan und -gebiet und verrückt die eigentliche Basis der Gemeinde: die Autonomie. Will man wirklich lebensfähige Gemeinden, so sollen sie für sich alle ihnen obliegenden Geschäfte des eigenen und übertragenen Wirkungskreises besorgen. Können sie es nicht, so mögen sie sich nach § 2 mit andern, aber vollständig vereinigen; die Doppelstellung als selbständige Gemeinde für ihre Domestika und als untergeordnetes Glied eines größeren Amtsgebietes für öffentliche Angelegenheiten unter eigens dafür bestellten Beamten scheint weder der Autonomie der Gemeinde, noch ihrem Verkehr mit den lf. Verwaltungsorganen zusagend zu sein. Auch dürfte es in letzterer Beziehung Schwierigkeiten bereiten, wenn, was hier nicht ausgeschlossen ist, Gemeinden aus verschiedenen Bezirken sich in ein solches Amtsgebiet vereinigen wollten.

Der Minister des Inneren teilte diese Bedenken nicht. Der übertragene Wirkungskreis der Gemeinden ist der Art, daß er von einfachen Landleuten ohne Beihilfe eines doch einigermaßen geschäftskundigen Beamten kaum wird versehen werden können. Statt also für jede einzelne Gemeinde einen eigenen solchen Beamten zu zahlen, soll die Möglichkeit geboten werden, einen für mehrere Gemeinden zu bestellen. Hierdurch wird die Last für jede einzelne erleichtert, und es leidet dabei weder der Verkehr mit den lf. Behörden, denn diese haben es dann nur mit einem statt zwei oder mehreren Amtmännern zu tun, noch die Autonomie der Gemeinde, denn diese bleibt bezüglich ihrer eigenen Angelegenheiten nach wie vor Herr im Hause. Daß aus der Zusammenlegung mehrerer Gemeinden verschiedener Bezirke keine Unzukömmlichkeiten entstehen, dafür hat die politische Landesstelle zu sorgen, von deren Genehmigung die Vereinigung abhängig gemacht ist.

Sonach erklärten sich die übrigen Stimmen der Konferenz für die Beibehaltung des Paragraphes.

§ 63. Der Leiter des Finanzministeriums fand es bedenklich, die hier zugestandene Abfindung zu gestatten, weil, wenn in folgenden Jahren Ereignisse oder Bedürfnisse eintreten, welche eine bedeutend höhere Umlage nötig machen, diejenigen, so sich abgefunden haben, im Vorteile sind und die ganze Last der neuen Umlage auf die übrigen Gemeindeglieder fällt. Vielleicht könnte, wie der Ministerpräsident bemerkte, dem abgeholfen werden, wenn nicht eine fixe Summe, sondern ein aliquoter Teil der jeweiligen Umlagssumme als Abfindung stipuliert würde. Der Minister des Inneren bemerkte, er habe den Paragraph aus den Vorlagen angenommen, weil dessen Bestimmung rein fakultativ ist und von dem freien wechselseitigen Übereinkommen abhängt; Der Gemeindeausschuß möge zusehen, daß die Gemeinde dadurch nicht zu || S. 189 PDF || Schaden komme; und – setzte der Justizminister hinzu – die Sache ist ein Glücksvertrag, bei dem nicht bloß diejenigen, welche sich abgefunden haben, sondern auch die andern gewinnen können, wenn die Gemeindebedürfnisse der folgenden Jahre mindere Umlagen als die des Abfindungsjahres erfordern.

Die Majorität war daher für den § 63.

§ 67. Wie bei Bewilligung eines 10% übersteigenden Zuschlags zur Verzehrungssteuer, ebenso sollte nach dem Erachten des Leiters des Finanzministeriums auch bei Zuschlägen zu den direkten Steuern die Zustimmung der Finanzbehörde erforderlich sein, denn auch ihr liegt die Erhaltung der Steuerfähigkeit des Kontribuenten am Herzen, die gerade durch die oft alles Verhältnis übersteigenden Zuschläge auf die direkten Steuern gefährdet werden kann.

Der Minister des Inneren machte jedoch bemerklich, daß, nachdem die Verzehrungssteuer ausschließlich unter der Verwaltung der Finanzbehörde steht, auch deren Ingerenz rücksichtlich der Zuschläge notwendig sei. Minder sei dies bezüglich der Zuschläge auf die Grundsteuer der Fall, die zunächst unter dem Einflusse der politischen Behörden gehandhabt wird. Es würde nur die Schreiberei ohne Not vermehren, wenn bei Bemessung der Zuschläge auf die direkten Steuern, die sich nun einmal nach der Höhe der für unumgänglich erkannten Bedürfnisse richten müssen, auch noch das Einvernehmen mit der Finanzbehörde gepflogen werden wollte.

Die Mehrheit der Konferenz war sonach für den Entwurf.

Nicht minder bedenklich fand es der Leiter des Finanzministeriums zu § 68, daß die Finanzbehörde bei „Einführung von Auflagen, welche nach einem andern Maßstabe als nach den lf. Steuern umgelegt werden sollen“, mit andern Worten, bei Erfindung neuer Steuern, gar nichts sollte mitzureden haben.

§ 72 ad a. Da die Summe von 1000 f. sehr relativ, für ärmere Gemeinden hoch, für reichere minder erheblich ist, so wünschte der Ministerpräsident , daß statt der fixen Summe ein proportionelles Verhältnis zu dem Gesamtvermögen der Gemeinde festgesetzt werden möchte, nach welchem sich die Berechtigung zur Veräußerung zu richten hätte. Allein, der Minister des Inneren bemerkte, daß dies mit Schwierigkeiten verbunden sei, wornach die Mehrheit der Konferenz dem Texte des Entwurfs beistimmte.

§ 78. Auf die Anfrage des Leiters des Finanzministeriums , ob im Falle der Auflösung der Gemeindevertretung nicht eine Frist zur Vornahme der neuen Wahl, wie dies im Entwurf für die Bezirksgemeinde geschehen14, festzusetzen wäre, erwiderte der Minister des Inneren , daß dieses hier mit Vorbedacht unterlassen worden sei, um, nachdem für eine Interimsvertretung vorgesorgt worden, dem Landeschef für den geeigneten Zeitpunkt zur Vornahme einer neuen Wahl freie Hand zu lassen. Bei der Bezirksgemeinde waltet ein anderes Verhältnis ob, sie ist die Tutelarbehörde über alle Gemeinden des Bezirks, bei ihr erscheint die Rekonstituierung der Vertretung binnen einer kurzen Frist aus öffentlichen Rücksichten notwendig.

|| S. 190 PDF || In der Sitzung am 14. Mai 1860, bei welcher auch der Kultusminister wieder anwesend war, wurden die vorbehaltenen Paragraphen mit folgendem erledigt:

§ 31. Nach der vom Minister des Inneren erteilten Auskunft waren durch die Gesetzgebung vor 1848 Gastwirte von den Vorsteher- und Gemeindeausschußstellen nicht, sondern nur diejenigen Gewerbsleute ausgeschlossen, welche ein der Satzung unterliegendes Gewerbe betrieben. Doch bestand auch diese Anordnung nur in einigen Provinzen und wurde auch dort nicht immer befolgt. In Württemberg und Kurhessen sind Wirte unbedingt ausgeschlossen, in Baden mit Dispens zulässig; in Bayern, Sachsen und Preußen besteht keine derlei Ausschließung. Der Minister des Inneren und mit ihm die Mehrheit der Konferenz waren daher gegen die Ausschließung der Wirte, Metzger und Bäcker von der Gemeindevertretung, um diese nicht ihrer vielleicht tauglichsten Elemente zu berauben und [um nicht] die Gemeinden, wenn sie derlei Personen ihr Vertrauen schenken, in der sehr oft schwierigen Wahl ihrer Vertreter unnötigerweise zu beschränken.

Gleichwohl hielt der Ministerpräsident unter Beistimmung des Polizeiministers an seinem oben angeführten Antrage fest, weil es ihm unzulässig erscheint, die Handhabung der Polizei in die Hände von Personen zu legen, die, wie die gedachten Gewerbsleute, rücksichtlich ihres Gewerbsbetriebs der Polizeiaufsicht unmittelbar unterworfen sind. Der Justizminister war bezüglich der Wirte mit dem Ministerpräsidenten einverstanden, weil im Gesetze über die Friedensgerichte15 der Gemeinde­vorstand als solcher mit dem Friedensrichteramte betraut ist, das ein Wirt, wenn er von Fremden etc. geklagt wird, nicht ausüben kann.

Bezüglich der Schullehrer erklärte der Ministerpräsident seinen Ausschließungsantrag näher dahin, daß bei der Landgemeindevertretung nur das Prinzip der Interessen, nicht jenes der Intelligenz zur Geltung kommen soll. Überdies hat der Schullehrer, wenn er seinen Beruf mit Eifer und Erfolg erfüllen will, so viel Beschäftigung, daß ihm keine Zeit bleibt, sich bei politischen Verhandlungen zu beteiligen.

Der Justiz- und Polizeiminister stimmten dem Ministerpräsidenten für Ausschließung der Schullehrer bei, wogegen die übrigen, also mehreren Stimmen sich für die Zulassung derselben erklärten, nachdem der Unterrichtsminister bemerkt hatte, daß der in der Gemeinde lebende und für sie wirkende, khäufig auch mit Grundstücken dotiertek Lehrer allerdings auch ein bleibendes Interesse an derselben habe, also geeignet sei, dasselbe zu vertreten, daß ihm Zeit erübrige, an den ohnehin nicht häufigen Beratungen teilzunehmen und daß diese Beratungen nicht politischer Natur sind.

§ 42. Öffentlichkeit der Ausschußsitzungen. Diese war durch das Gemeindegesetz von 1849 eingeführt, durch Ah. Entschließung von 1852 wieder eingestellt, sonach auch in die später zur Genehmigung gelangten einzelnen Statute nicht mehr aufgenommen worden16. Der Ministerpräsident war also umso mehr gegen deren Wiedereinführung || S. 191 PDF || in den Landgemeinden, besonders mit Rücksicht auf bewegte Zeiten, wo die Leidenschaften des roheren Landvolks zu Ausschreitungen hingerissen werden können.

Der Kultusminister hätte gegen die Öffentlichkeit der Sitzungen nichts einzuwenden, sie ist lgroßteils herkömmlichl, bei Prüfung der Gemeinderechnungen etc. unentbehrlich. Indessen würde er es vorziehen, wenn dies im Gesetze gar nicht erwähnt mund lediglich die Behörden angewiesen würden, ihr kein Hindernis entgegenzustellen und im Falle von Anfragen zu erklären, daß nichts entgegenstehe,m wogegen jedoch bemerkt ward, daß man dann nicht wüßte, wie sich hierwegen zu benehmen sei. Für die Öffentlichkeit war mit dem Minister des Inneren auch der Leiter des Finanzministeriums , bemerkend, daß sie das Vertrauen der Gemeinde in ihre Vertreter erhöht. Eine bedingte Öffentlichkeit beantragte der Justizminister , welcher – da das Bestreben darnach nicht mehr zu unterdrücken ist – wünschte, daß nicht alle Zutritt haben und keine Versammlungen im Freien gehalten werden sollen. Er würde daher sagen: „Zu den Ausschußsitzungen können die Wähler, so weit es der Raum des gewöhnlichen Sitzungslokale zuläßt, zugelassen werden.“ Mit diesem Antrage vereinigten sich der Polizeiminister und FML. Ritter v. Schmerling.

§ 49, Absatz 12, wurde über Antrag des Kultusministers ndurch Stimmenmehrheitn gestrichen, nachdem der § 39 des Ehegesetzes für Katholiken von 185617 bezüglich der Berechtigung der die Stelle des Bezirksamts vertretenden Kommunalbehörde zur Aufgebotsdispenserteilung bereits verfügt hat.

Schließlich bemerkte der Kultusminister , daß er unter den während seiner Abwesenheit in der Sitzung vom 12. Mai beratenen Bestimmungen die des § 32 über die bei unbegründeter Ablehnung eines Gemeindeamts verhängten Geldstrafen nicht billigen könne, weil sie die Natur eines Loskaufs für den Reichen annehmen und dem Armen unerschwinglich sind. Sie sollten daher durch Entziehung anderer Gemeinderechte, z.B. des aktiven Wahlrechts etc., ersetzt werden, oindem es auch ganz in der Ordnung sei, daß derjenige, der so wenig Interesse an der Gemeinde an den Tag lege, daß er für sie nichts tun will, auch seines Einflusses auf ihre Angelegenheiten verlustig erklärt und dadurch in seiner Ehre in der Gemeinde gestraft werde.o

Bei der Revision des Protokolls (22. Mai 1860) hat der Kultusminister noch Anlaß zu einigen Bemerkungen gefunden, und zwar

zu § 35, 2. Absatz, daß sich in der Stelle „dann die für die einzelnen Gemeindevertreter bestellten Gehilfen (§ 46)“ ein Fehler eingeschlichen haben dürfte, indem § 46 nur von „Gehilfen des Gemeindevorstehers in den Bezirken“ spricht, „in welchen er seinen Amtssitz nicht hat“, was daher zu berichtigen der Minister des Inneren sich vorbehielt.

Zu § 37, ad 3, wäre statt des Textes des Entwurfes zu setzen „3. die Ausübung des der Gemeinde zukommenden Verleihungsrechts von Stiftungen oder des Verleihungsrechtes || S. 192 PDF || zu Stellen und Pfründen, welche unter dem Patronate der Gemeinde stehen, mit Beachtung der darüber bestehenden kirchlichen und lf. Vorschriften“, damit nicht an der Ausübung von kirchlichen Patronatsrechten Ausschußglieder teilnehmen, die der betreffenden Kirche nicht angehören.

Die Konferenz war mit diesem Antrage einverstanden.

Schließlich gab der Kultusminister die beiliegende Separatmeinungp über die Prinzipien einer Landgemeindeordnung mit der Erklärung zu Protokoll, daß er sonach den vorliegenden Entwurf des Ministers des Inneren im ganzen nicht annehmen, nicht vertreten und das darnach auszufertigende Patent nicht unterzeichnen könne.

Da die übrigen Stimmen der Konferenz in der Prinzipienfrage mit dem Minister des Inneren einverstanden waren, sonach eine volle Übereinstimmung hierüber nicht erzielt wurde, behielt sich der Minister des Inneren vor, die Angelegenheit in einer unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät stattfindenden Konferenz nochmals in Vortrag bringen zu lassen18.

Einer vom Leiter des Finanzministeriums angedeuteten Idee, die Landgemeindeordnung für jedes einzelne Kronland nach dessen besonderen Einrichtungen und Bedürfnissen durch die betreffenden Landtage ausarbeiten zu lassen, setzte der Minister des Inneren die Bemerkung entgegen, daß dies bei dem gegenwärtig so dringenden Bedürfnisse einer Regelung des Gemeindewesens zwar nicht mehr tunlich sei, wohl aber werde die für jedes Land genehmigte Gemeindeordnung in demselben mittelst besonderer Verordnung hinausgegeben und hiermit den dereinst zusammentretenden Landtagen Gelegenheit geboten werden, etwaige Wünsche nach Modifikationen vor den Ah. Thron zu bringen.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 30. Mai 1860.