Nr. 155 Ministerkonferenz, Wien, 17. Mai 1860 – Protokoll I - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet (RS.Reinschrift Klaps); VS.Vorsitz Rechberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Rechberg 18./21. 5.), Thun 23. 5., Nádasdy 18. 5., Gołuchowski 23. 5., Thierry 21. 5., Plener 18. 5., FML. Schmerling 24. 5.
MRZ. – KZ. 1644 –
Ministerkonferenzprotokoll vom 17. Mai 1860 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten und Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen Rechberg.
I. Frage, ob der Staatsvoranschlag der Ersparungskommission für 1861 ohne weitere Rektifizierung eine Vorlage für den verstärkten Reichsrat zu bilden habe (1. Beratung)
Der Reichsrat v. Plener besprach umständlich die bisherigen und die noch bevorstehenden Verhandlungen zur Feststellung des Staatsvoranschlages für 1861. Die Bearbeitung dieses Voranschlages geschah zugleich auf zwei Wegen: 1. durch die mit den Ah. Erlässen vom 11. November v. J. bestellte Budget- oder Ersparungskommission1; 2. auf dem gewöhnlichen vorgeschriebenen Wege bei den verschiedenen Verwaltungszweigen, deren Detailvoranschläge schließlich bei dem Finanzministerium zusammenzustellen sind.
1. Die obgedachte Kommission hat ihre Arbeiten bereits vollendet, und es sind deren Protokolle samt dem Schlußberichte und einem nach den Kommissionsanträgen vom Rechnungsdepartement des Finanzministeriums zusammengestellten summarischen Voranschlage vom Finanzminister Baron Bruck (ohne vorläufige Besprechung der Angelegenheit in der Ministerkonferenz) Allerhöchstenortes unterbreitet worden2. Nach diesem Voranschlage bliebe noch für 1861 ein Defizit von 25 Millionen, welches jedoch Baron Bruck im Jahre 1862 gänzlich beseitigen zu können in Aussicht stellte. Diese Verhandlung adürfte bereits von Sr. Majestät an den Reichsrat geleitet worden seina .3 2. Der auf dem vorgeschriebenen Wege auszuarbeitende detaillierte Staatsvoranschlag für 1861 ist noch nicht vollendet und kann bei aller Beschleunigung nicht vor dem Monate August gänzlich zustande gebracht werden. Einzelne Teile desselben, wie das Einnahmsbudget, dann die Voranschläge der Ministerien der Justiz, des Inneren und der Polizei, sind allerdings teils vollendet, teils der Vollendung nahe. Da der verstärkte Reichsrat ohne Zweifel das Kommissionsbudget nach den Bestimmungen des Ah. Handschreibens vom 11. November v. J. und des Ah. Patents vom 5. März 1860, § 3.1, in Beratung ziehen wird, so scheint es dem Reichsrate v. Plener notwendig, || S. 166 PDF || daß sich die Minister über den in dieser Angelegenheit ihrerseits zu beobachtenden Vorgang einigen. Referent glaubt, daß vor allem dieses Budget, dann der Bericht und die Protokolle der Kommission zum Gebrauche der Minister sowohl als der sämtlichen Reichsräte in Druck zu legen wären. Die Minister hätten jeder den Kommissionsvoranschlag für sein Departement zu prüfen, mit dem eigenen detaillierten Voranschlage zu vergleichen und über die sich ergebenden Differenzen in der Konferenz zu referieren, welche dann über jene Budgetziffern beschließen würde, welche das Ministerium bei dem reichsrätlichen Referate über das Kommissionsbudget im verstärkten Reichsrate festhalten würde4.
Der Ministerpräsident glaubte vor allem gegen den erwähnten Vorgang des Freiherrn v. Bruck bei einseitiger Vorlegung des Kommissionsbudgets Verwahrung einlegen zu müssen. Dieser Vorgang stehe in geradem Widerspruche mit dem zur Ah. Kenntnis gebrachten und wiederholt ausgesprochenen Beschlusse der Ministerkonferenzb,5 das Operat der Budgetkommission, durch welches die Minister nicht gebunden sind, da die Kommissionsbeschlüsse keinen definitiven Charakter hatten, vorerst in Beratung zu ziehen und hierauf den Sr. Majestät zu unterbreitenden Voranschlag definitiv zusammenzustellen. Daß es nicht in der Ah. Absicht Sr. Majestät gelegen sein konnte, den Kommissionsvoranschlag ohne höhere Richtigstellung dem verstärkten Reichsrate zur Verhandlung zu übergeben, erhelle schon aus dem Umstande, daß das Patent über die Verstärkung des Reichsrates erst vier Monate nach dem Ah. Handschreiben vom 11. November 1859 erschien. Das Budget der Kommission sei nur eine Vorarbeit der delegierten Funktionäre, keineswegs aber eine zur Verhandlung im verstärkten Reichsrate geeignete ministerielle Vorlage. Dieses Budget enthalte überdies manche Positionen, welche von den Ministern nicht als haltbar anerkannt werden können. cEr müsse es für sehr bedenklich halten, dem verstärkten Reichsrat ein Budget vorzulegen, von welchem die Minister keine Einsicht erhalten haben und gegen dessen Positionen namentlich in betreff der für die Armee beantragten Bewilligungen sowie auch der für andere Zweige des Dienstes gestellten Ansätze die Minister sich genötigt sehen würden, entschieden Einsprache zu erheben. Zur Vorlage an den verstärkten Reichsrat könne nur das in der Ministerkonferenz vereinbarte und von Sr. Majestät sanktionierte Budget gemacht werden. Für dieses könnten in den mit dem verstärkten Reichsrate zu pflegenden Verhandlungen jeder einzelne Minister einstehen und sich seine Durchfechtung angelegen sein lassen. Werde in dieser Versammlung die Mitteilung der Arbeiten der Ersparungskommission verlangt, so könne dies bewilligt werden, aber man müsse sich auf Mitteilung des Berichtes und des Ergebnisses dieser Arbeiten beschränken. Die Protokolle der Kommission seien nicht zur Mitteilung bestimmt. Es bleibe, um sich aus der Verlegenheit, in der sich die Regierung infolge der von dem Herrn Reichsrat v. Plener gemachten Eröffnungen befinde, kein anderer Ausweg, als dem verstärkten Reichsrat zu erklären, daß infolge des im Finanzministerium eingetretenen Wechsels es unmöglich geworden sei, das ganze Budget auszuarbeiten, und die Budgets der Departements, die ausgearbeitet sind, wie die des Armeeoberkommandos, der Justiz, der auswärtigen Angelegenheiten, einstweilen vorzulegen, die Ausarbeitung der übrigen aber so zu beschleunigen, daß sie, ehe die Verhandlungen über jene Budgets beendet sein werden, eingebracht werden können.c Er müsse es für sehr bedenklich halten, dem verstärkten Reichsrat ein Budget vorzulegen, von welchem die Minister keine Einsicht erhalten haben und gegen dessen Positionen namentlich in betreff der für die Armee beantragten Bewilligungen sowie auch der für andere Zweige des Dienstes gestellten Ansätze die Minister sich genötigt sehen würden, entschieden Einsprache zu erheben. Zur Vorlage an den verstärkten Reichsrat könne nur das in der Ministerkonferenz vereinbarte und von Sr. Majestät sanktionierte Budget gemacht werden6. Für dieses könnten in den mit dem verstärkten Reichsrate zu pflegenden Verhandlungen jeder einzelne Minister einstehen und sich seine Durchfechtung angelegen sein lassen. Werde in dieser Versammlung die Mitteilung der Arbeiten der Ersparungskommission verlangt, so könne dies bewilligt werden, aber man müsse sich auf Mitteilung des Berichtes und des Ergebnisses dieser Arbeiten beschränken. || S. 167 PDF || Die Protokolle der Kommission seien nicht zur Mitteilung bestimmt. Es bleibe, um sich aus der Verlegenheit, in der sich die Regierung infolge der von dem Herrn Reichsrat v. Plener gemachten Eröffnungen befinde, kein anderer Ausweg, als dem verstärkten Reichsrat zu erklären, daß infolge des im Finanzministerium eingetretenen Wechsels es unmöglich geworden sei, das ganze Budget auszuarbeiten, und die Budgets der Departements, die ausgearbeitet sind, wie die des Armeeoberkommandos, der Justiz, der auswärtigen Angelegenheiten, einstweilen vorzulegen, die Ausarbeitung der übrigen aber so zu beschleunigen, daß sie, ehe die Verhandlungen über jene Budgets beendet sein werden, eingebracht werden können. Es [das Budget der Ersparungskommission] ist (wie der Minister des Inneren bemerkt hat)d zum Teil auf einer Basis gebaut, welche durch die neuesten organischen Veränderungen wesentlich modifiziert worden ist. Dadurch, daß man eine solche nicht völlig gereifte und zum Teil von einem einseitigen Gesichtspunkte verfaßte Arbeit dem Reichsrate als Substrat zur Festsetzung des Budgets übergibt, würde die Stellung der Minister bei Vertretung der Positionen ihrer Voranschläge sehr erschwert. Ihren Gegnern im Reichsrate würden Waffen geliefert, und die Minister wären nicht selten in die Lage versetzt, die Argumente ihrer Delegierten zu bekämpfen. Nur das von den Ministern einverständlich rektifizierte Budget sei zur Vorlage an den verstärkten Reichsrat geeignet; wenn aber der letztere die Arbeiten der Kommission einzusehen für nötig erachtet, wäre diesem Ansinnen zu entsprechen, so wie überhaupt die zur Prüfung des Voranschlages nötigen Behelfe nicht vorenthalten werden können.
Der Justizminister , mit der Vorstimme einverstanden, äußerte, er könne die Arbeit der Kommission nur als ein Material zur Zustandebringung eines dem Gleichgewichte zwischen Einnahme und Ausgabe sich nähernden Voranschlages betrachten. Als solches habe Graf Nádasdy diese Arbeit bereits benützt. Nachdem aber das Kommissionsbudget keineswegs als eine geeignete Vorlage für den Reichsrat gelten könne, so dürfte der Leiter des Finanzministeriums sich an Se. Majestät mit der Bitte wenden, das ganze Operat von dem Reichsrate wieder an die Ministerkonferenz zur definitiven Beratung des Budgets gelangen zu lassen. Ferner hielt es Graf Nádasdy für nötig, darauf aufmerksam zu machen, daß in den Kommissionsprotokollen auch leidenschaftliche Kritiken über die Gebarungen mit den Militärdotationen eu. dgl. mehre enthalten sind, welche er schlechterdings nicht geeignet halte, gedruckt und an 60f Reichsräte verteilt zu werden. Überhaupt scheine es ihm angezeigt, der Kommission, welche sich mit der Erstattung eines ganz kurzen Berichtes begnügt hat, aufzutragen, daß sie einen gausführlichen und erschöpfendeng Bericht vorlege, wobei die Einsicht in die voluminösen Protokolle entbehrlich werden würde. Die Minister des Inneren h und der Polizei vereinigten sich mit den Anträgen des Ministerpräsidenten und des Justizministers, ebenso FML. Ritter v. Schmerling , welcher insbesondere die Bedenken des Justizministers gegen die Drucklegung der Protokolle vollkommen teilte und auch darauf hinwies, || S. 168 PDF || daß der Abgeordnete des Armeeoberkommandos wiederholt in der Kommission erklärt habe, daß er dort nur seine persönliche Meinung ausspreche und zu keiner Erklärung namens des Armeeoberkommandos ermächtigt sei7. iDer Kultusminister war der Ansicht, daß, so bedauerlich auch der Gang sei, welchen diese Angelegenheit ohne Vorwissen und gegen die Meinung der Ministerkonferenz unter der Leitung des gewesenen Finanzministers genommen habe, gegenwärtig doch nichts erübrige, als die vorliegenden Tatsachen zu akzeptieren und die Elaborate der Ersparungskommission gleichzeitig mit dem von der Ministerkonferenz zu vereinbarenden Budget dem Reichsrate vorzulegen.i Der Kultusminister war der Ansicht, daß, so bedauerlich auch der Gang sei, welchen diese Angelegenheit ohne Vorwissen und gegen die Meinung der Ministerkonferenz unter der Leitung des gewesenen Finanzministers genommen habe, gegenwärtig doch nichts erübrige, als die vorliegenden Tatsachen zu akzeptieren und die Elaborate der Ersparungskommission gleichzeitig mit dem von der Ministerkonferenz zu vereinbarenden Budget dem Reichsrate vorzulegen.
Der Reichsrat v. Plener äußerte, er könne das Ah. Handschreiben vom 11. November v. J. nur dahin deuten, daß das Budget der Kommission, welche eine Art Immediatkommission bildete und von Sr. Majestät Ah. persönlich zur gewissenhaften Lösung ihrer Aufgabe angewiesen wurde, ohne weitere Modifikation durch die Minister an den Reichsrat zu leiten sei, welcher es mit Beiziehung zeitlicher Teilnehmer zu prüfen habe8. Die am 5. März d. J. Ah. angeordnete Verstärkung des Reichsrates (wobei die zeitlichen Teilnehmer entfallen) habe den Einfluß des verstärkten Reichsrates auf die Feststellung des Budgets nicht beschränkt, sondern das Patent habe diesen Einfluß neuerdings ausgesprochen. Solange daher keine weitere Ah. Bestimmung über diesen Punkt erfolgt, müsse v. Plener, obgleich die Schwierigkeiten, welche sich aus den zwei verschiedenen Budgets ergeben werden, nicht verkennend, an seiner eingangs entwickelten Ansicht, jwornach die Arbeiten der Budgetkommission als Beratungsgegenstand dem verstärkten Reichsrate nicht entzogen werden dürfen,j festhalten und ehrfurchtsvoll bitten, daß es ihm gestattet werden möge, dieselbe in einer Konferenz unter dem Ah. Vorsitze dem Majoritätsantrage gegenüber motivieren zu dürfen9.
II. Weitere Vorlagen an den verstärkten Reichsrat aus der finanziellen Sphäre
In bezug auf die weiteren Vorlagen, die dem verstärkten Reichsrate zu machen wären, referiert Reichsrat v. Plener, daß hiezu die Modifikationen der Branntweinbesteuerung sowie die des Gebührengesetzes geeignet sein würden. Letzteres Operat sei jedoch so schwierig und wegen der damit zu verbindenden neuen Redaktion des ganzen Gesetzes so umfassend, daß es der diesjährigen Versammlung des verstärkten Reichsrates unmöglich vorgelegt werden könne10.
Zu den Agenden des verstärkten Reichsrates gehören ferner nach § 3 [des Patents v. 5. 3. 1860, RGBL. Nr. 56/1860] die Vorlagen der Staatsschuldenkommission. || S. 169 PDF || Dieselben werden unmittelbar an Se. Majestät gerichtet und der diesfällige Bericht soll seiner Vollendung nahe sein11.
Der Prüfung des verstärkten Reichsrates sind weiters auch die Staatsrechnungsabschlüsse zu unterziehen. Diese Abschlüsse werden Sr. Majestät von der Obersten Rechnungskontrollbehörde erstattet und würden daher von dem Allerhöchsten Orte an den verstärkten Reichsrat zu leiten sein. Es frägt sich dabei nur, ob der verstärkte Reichsrat gleich wie bei dem Budget, so auch bei dem Staatsrechnungsabschlusse mit dem Jahre 1861 zu beginnen habe, oder ob auch die von nun an erst zusammenzustellenden Abschlüsse für die letzten Jahre vor 1861 an den Reichsrat zu leiten seien. Von dem Standpunkte des Finanzministeriums fände der Referent kgegen die Mitteilung der Abschlüsse, soweit sie pro praeterito vorliegen,k nichts zu erinnern. Ebensowenig dürfte es einem Anstande unterliegen, die summarischen jährlichen Ausweise über die Finanzgebarung, welche in der Wiener Zeitung publiziert zu werden pflegen, lfür das Verwaltungsjahr 1859l an den Reichsrat zu leiten, obgleich davon in dem Patente vom 5. März keine ausdrückliche Erwähnung geschieht, denn diese Ausweise stehen (ebenso wie die Rechnungsabschlüsse) mit der Feststellung des Budgets im nahen Zusammenhange12.
Gegen diese Anträge ergab sich von keiner Seite eine Erinnerung13.