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Nr. 142 Ministerkonferenz, Wien, 21. April 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 21. 4.), Thun 23. 4., Bruck [BdE. fehlt] a , Nádasdy 23. 4., Gołuchowski 23. 4., Thierry 24. 4., FML. Schmerling 24. 4.

MRZ. – KZ. 1375 –

Protokoll der zu Wien am 21. April 1860 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.

I. Titulatur des FZM. v. Benedek

Der Ministerpräsident setzte die Konferenz in die Kenntnis von der Eröffnung des Ersten Generaladjutanten Sr. Majestät über die Titulatur des mit der Leitung des ungrischen Gouvernements beauftragten FZM. Ritter v. Benedek1.

Hievon wird auch die schriftliche Mitteilung an die Minister erlassen.

II. Änderung der Bemessung der Branntweinsteuer

Der Finanzminister referierte über das Resultat der Beratungen der Enquêtekommission über die Branntweinsteuer und stellte nach dem einstimmigen Einraten der Kommission den Antrag, Se. Majestät geruhen zu genehmigen, daß von der Kampagne 1861/2 an in allen Kronländern, wo bisher die Steuer nach der Maische abgenommen worden, dieselbe nach dem durch den neuen Meßapparat ermittelten Zuckerinhalt berechnet, als Steuersatz 6 Kreuzer ohne Zuschlag angenommen, den kleinen Erzeugern die tunlichsten Erleichterungen gewährt und für 50gradigen Spiritus bei dessen Ausfuhr der volle Steuerbetrag rückvergütet werde. Nach Ah. Genehmigung dieser Grundsätze würden die entsprechenden Verordnungen hinausgegeben werden2.

Die Konferenz war mit diesen Anträgen einverstanden, der Minister des Inneren mit der Bemerkung, daß es vielleicht angemessen sein würde, den östlichen Kronländern den außerordentlichen Zuschlag nachzusehen, da sie nach dem neuen Steuersatze mehr zahlen werden als bisher, wogegen jedoch der Finanzminister erinnerte, daß nach der strengen Berechnung der Steuersatz mit 6 3⁄10 Kreuzer entfiele, mithin durch das Herabgehen auf 6 Kreuzer bereits die mögliche Berücksichtigung gewährt worden sei3.

III. Wiederwahl Baron Czoernigs zum Donaudampfschiffahrtsdirektor

Mit Rücksicht auf den Umstand, daß Se. Majestät sich die künftige Dienstesbestimmung des Sektionschefs Freiherrn v. Czoernig vom bestandenen Handelsministerium vorzubehalten geruht haben4, erbat sich der Finanzminister die Zustimmung der Konferenz, damit der Wiedererwählung des genannten Freiherrn zum Direktor der Donaudampfschiffahrtsgesellschaft kein Hindernis in den Weg gelegt werde, nachdem derselbe seit Jahren Mitglied der Direktion der gedachten Gesellschaft ist, als solches keine Bezüge erhält, und es im Interesse der Staatsverwaltung liegt, sich der Mitwirkung dieses Staatsmanns bei der Leitung dieser Gesellschaft fernerhin zu bedienen.

Die Konferenz erklärte sich mit diesem Antrage einverstanden, wobei übrigens der Minister des Inneren besonderen Nachdruck auf die Bedingung legte, daß mit der Direktorsstelle kein Bezug verbunden sei5.

IV. Sistierung des Strafvollzugs v. Zsedényis

Der Finanzminister brachte auf dringendes Ansuchen des Grafen Zichy zur Kenntnis der Konferenz, daß Hofrat v. Zsedényi nach Verwerfung seiner Berufungen gegen das wider ihn gefällte Urteil6 die Vorladung zum Antritte seiner Strafhaft erhalten habe, daß der Vollzug des Urteils den übelsten Eindruck in Ungern machen und die gute Wirkung der Ah. Verfügungen vom 19. April7 vollständig paralysieren würde.

Ähnliche Vorstellungen haben der Justiz - und der Kultusminister (letzterer schriftlich)8 erhalten. Beide aber, so wie der Ministerpräsident, erklärten, es stehe dem Zsedényi der Weg zum Throne offen, um dort die Ah. Gnade in Anspruch zu nehmen; zu einem Antrage auf Begnadigung von Amts wegen, ohne Eingabe, ohne Ah. Aufforderung und ohne vorläufige Einsicht der Untersuchungsakten, liege keine Veranlassung vor.

Auch die übrigen Stimmen der Konferenz waren dafür, daß dem Gesetze der Lauf gelassen werde. Hiernach würde die Antwort auf jene Vorstellung nur dahin lauten können, daß in der Sache von Amts wegen nichts zu verfügen sei9.

V. Stimmungsberichte über Weinverzehrsteuer

Der Polizeiminister hielt sich für verpflichtet, der Konferenz die Mitteilung zu machen, daß bezüglich der mit 1. Mai 1860 bevorstehenden Durchführung der allgemeinen || S. 121 PDF || Weinverzehrungs­steuer besorgniserregende Berichte der Statthalter eingelaufen seien, worauf der Finanzminister erinnerte, daß bei der äußerst milden Form, in der diese Steuer zur Anwendung kommen wird, keine Klagen zu besorgen seien, was auch der Minister des Inneren bestätigte, vorausgesetzt, daß von Seite der Finanzorgane alle unnötigen Plackereien bei der Einkellerung und Besorgung der Weine vermieden werden10.

VI. Vereinigung der politischen Landesstellen von Galizien und Bukowina und Landtage betreffend

Auf Ah. Befehl Sr. Majestät brachte der Minister des Inneren seine Anträge über die Vereinigung der drei Landesstellen in Lemberg, Krakau und Czernowitz in eine zu Lemberg, dann über die Landtage für Galizien und die Bukowina bei der Konferenz in Vortrag11.

Er begründete den ersteren Antrag vornehmlich damit, daß der bisherige Verwaltungsapparat in den drei Gebieten zu kostspielig, zu schwerfällig und selbst in legislativer Beziehung der Einheit der Administration abträglich war; daß eine Haupteinwendung gegen die Vereinigung, „die bedenkliche Konsequenz für Ungern“, nunmehr durch die Ah. Verfügung vom 19. d. [M.] vollständig behoben worden12. Die Wahl Lembergs zum Sitze der vereinigten Statthalterei rechtfertige sich durch dessen zentrale Lage und frühere vieljährige Behauptung als Landeshauptstadt, Krakau gegenüber aber noch durch die Rücksicht, daß das vorzüglich dort zur Geltung kommende polnische Element gemäßigt werden soll, was nur geschehen kann, wenn man der Stadt selbst nicht eine höhere Bedeutung von Seite der Staatsverwaltung gewährt.

Die Landtage betreffend, so spricht für einen Landtag für Ost- und Westgalizien die historische Berechtigung13. Bezüglich der Bukowina ist zu bemerken, daß dem Lande von weiland Kaiser Leopold II. eine besondere Landesvertretung zugesichert war; im Jahre 1817 wurde sie zwar mit jener Galiziens vereinigt, allein, auf den seither abgehaltenen Landtagen erschien – mit Ausnahme eines einzigen – kein Bukowinaer, und nur drei haben sich in die galizische Landesmatrikel eintragen lassen14. Es dürfte also die Gewährung einer eigenen Landesvertretung für die Bukowina gerechtfertigt sein.

Der Kultusminister erklärte sich bezüglich der Landtage mit dem Antrage des Ministers des Inneren ganz einverstanden. Bezüglich der Vereinigung der beiden galizischen Landesgebiete in eines teilte er dessen Ansicht in finanzieller Beziehung ebenfalls, hielt jedoch die politischen Erfolge der Maßregel für zweifelhaft, indem für diese eigentlich nur die Richtung entscheidend ist, die man der Verwaltung zu geben versteht. Indessen stimmte er aus den vom Minister des Inneren geltend gemachten Gründen der Vereinigung des Krakauer und Lemberger Verwaltungsgebietes unter eine Statthalterei zu Lemberg mit dem Vorbehalte bei, daß für Krakau, das in historischer und sozieller Beziehung immer bedeutend bleiben wird, ein höherer Beamter mit der politischen Verwaltung betraut werde, was auch der Polizeiminister für nötig hielt und was der || S. 122 PDF || Minister des Inneren als ohnehin in seiner Absicht gelegen bezeichnete, indem er für Krakau vereint mit dem Bochniaer und Wadowiczer Kreise (so wie für die Bukowina) einen Hofrat als Kreischef beantragt. Belangend die Vereinigung der Bukowina mit der Statthalterei in Lemberg nahm der Kultusminister Anstand, derselben beizutreten, weil die Landesverhältnisse wesentlich verschieden von jenen Galiziens sind und das Gebiet ausgedehnt genug ist, um bei dem Bestande einer eigenen Landesvertretung auch eine eigene politische Landesstelle, allenfalls mit einigen Reduktionen in den Neben- und Hilfsbehörden, zu rechtfertigen. Ähnliche Bedenken erhob der Justizminister , bemerkend, daß ihm von mit den Verhältnissen bekannten Personen berichtet worden, wie sehr sich die Bukowina seit 1851 in materieller Beziehung gehoben habe und welchen Wert man dort auf die Beibehaltung der eigenen Landesverwaltung als der Beförderin des Wohlstandes lege, sowie daß es vielleicht schwer sein dürfte, der eigenen Landesvertretung der Bukowina einen mindern administrativen Beamten als einen wirklichen Landeschef gegenüberzustellen. Nachdem jedoch der Minister des Inneren entgegnet hatte, daß der materiellen Hebung des Landes aus dem Eingehen der Landesstelle kein Nachteil erwachse, als etwa der Stadt Czernowitz, welcher der indirekte Nutzen aus dem Aufenthalte mehrerer Beamten daselbst entgeht, und daß auch bezüglich des Landtags kein Bedenken bestehe, demselben einen Hofrat gegenüber oder an dessen Spitze zu stellen, da die Bukowina einen wenig zahlreichen und angesehenen Adel besitzt, so erklärte der Justizminister weiters keine Einwendung gegen diesen Antrag erheben zu sollen, wie er auch bezüglich der übrigen Anträge auf die Kenntnis des Ministers des Inneren von den Wünschen und Bedürfnissen Galiziens kompromittierte. FML. Ritter v . Schmerling war mit den Anträgen des Ministers des Inneren bis auf die Bewilligung einer eigenen Landesvertretung für die Bukowina einverstanden, indem ihm bes konsequent und auch anderweitig vorteilhaft erscheint, daß wenn nur eine Landesverwaltung [bestehe], auch nur eine Landesvertretung sei; daß wenn wegen Krakau von geschichtlichen Erinnerungen abgesehen wird, es auch bei der Bukowina umso mehr sein könne, als auch in früherer Zeit, unter Kaiser Josef, nur ein Landtag gewesen ist, und daß ohnehin bei der Kultur und Beschäftigungsweise der Bevölkerung und dem wenig zahlreichen Adel auch kaum geeignete Elemente für eine selbständige Vertretung vorhanden sein dürften.b Der Finanzminister und der Ministerpräsident endlich traten den Anträgen des Ministers des Inneren unbedingt bei15.

VII. Vortrag der Kandidaturen für außerordentliche Reichsräte in der Ministerkonferenz

Der Finanzminister stellte den Antrag, Se. Majestät zu bitten, es mögen die Anträge zur Ernennung der außerordentlichen Reichsräte zur Beratung in die Konferenz gelangen, indem es bei der Wichtigkeit der ihnen vorbehaltenen Stellung und Funktion es vielleicht erwünscht sein dürfte, von mehreren Seiten Aufklärungen über die Eigenschaften usw. der Kandidaten zu erhalten.

Der Ministerpräsident behielt sich vor, diesen Gegenstand bei Sr. Majestät au. in Anregung zu bringen16.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 2. Mai 1860.