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Nr. 132 Ministerkonferenz, Wien, 27., 28. und 29. März 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • Sammelprotokoll; RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 29. 3./7. 4.), Thun 3. 4., Bruck 3. 4., Nádasdy 4. 4., Gołuchowski, Thierry 13. 4., FML. Schmerling 14. 4.

MRZ. – KZ. 1246 –

[Tagesordnungspunkte]

Protokoll der zu Wien am 27., 28. und 29. März 1860 abgehaltenen Ministerkonferenzen unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten und Ministers des kaiserlichen Hauses Grafen v. Rechberg.

[I.] Tiroler Landesstatut

Gegenstand der Beratung war der vom Minister des Inneren auf Grundlage des Operats Sr. k. k. Hoheit des Herrn Erzherzogs Statthalters in Tirol und des allgemeinen organischen Statuts in ein Gesetz zusammengefaßte Entwurf eines Statutes über die Landesvertretung in Tirola .1

Nach einem einleitenden Vortrage des Ministers des Inneren ward zuerst die Frage erörtert, ob Vorarlberg von dem Tirolischen Landesvertretungsstatut ausgeschlossen bleiben soll. Da dieses Land auch früher an der ständischen Verfassung Tirols nicht teilgenommen hat, so fand die Konferenz gegen den einstimmigen Antrag des Tiroler Landesausschusses, des Statthalters und des Ministers des Inneren, es auch gegenwärtig bei diesem geschichtlich begründeten Verhältnisse zu lassen, umso weniger etwas einzuwenden, als Vorarlberg eine eigene Vertretung erhalten kann2.

Das Statut für Tirol selbst belangend bwünscht der Kultusminister, daß die Form beibehalten werdeb wünscht der Kultusminister , daß die Form beibehalten werde, in welcher es von dem Landesausschusse und Sr. k. k. Hoheit vorgelegt worden, || S. 69 PDF || weil es dem Lande gegenüber besser ist, sich, wenn möglich, an dasjenige zu halten, was als der Ausdruck seiner eigenen Wünsche angesehen werden muß, und weil, nachdem Se. Majestät dem Statthalter und Landesausschusse die Ausarbeitung des Operats aufgetragen haben, es befremden würde, ein ganz anderes hinauszugeben. Allein, die Mehrheit der Konferenz teilte die Ansicht des Ministers des Inneren über die Zusammenfassung der meritorischen Bestimmungen der drei Vorlagen in ein Statut, das dann mit einem besonderen Einführungspatente (statt des „Verfassungspatents“) als ein Ganzes hinausgegeben werden würde3.

Es wurde auch gleich der § 1 des sogenannten „Verfassungspatents“, welcher die Unteilbarkeit Tirols aussprechen soll, sowohl vom Justizminister als vom Ministerpräsidenten beanständet, weil ein solcher Ausspruch für ein Kronland in einem „Verfassungspatente“ ein bedenkliches Präzedens für andere, namentlich für Ungern, sein würde, wogegen jedoch der Kultusminister bemerkte, daß, was auch immer bezüglich Ungerns beschlossen werden möge, dies nicht hindere, die Integrität Tirols oder eines anderen Kronlandes anzuerkennen und auszusprechen, indem man ja eben durch Verleihung einer Verfassung eine Bürgschaft des ungeschmälerten Fortbestands des Landes geben will. cDie Änderungen, die in den Grenzen Ungarns infolge der Revolution und des Bürgerkrieges geschehen sind, können rechtlich begründet werden, und auch den Ungarn dürfte nichts gefährlicher sein, als der Auffassung Recht zu geben, daß fortan die Integrität der Kronländer, die ein staatsrechtliches Fundament haben, ein Gegenstand administrativer Willkür sein solle. Überdies hat der § 1 der Vorlage des verstärkten Ausschusses eine besondere Bedeutung gegenüber den italienischen Bestrebungenc .4

Im übrigen erklärten noch der Finanz- und der Justizminister , daß sie die in den Entwurf übergegangenen Anträge Sr. k. k. Hoheit und des Landesausschusses der Hauptsache nach in der Voraussetzung annehmen, daß dieselben als der wahre und wirkliche Ausdruck der Wünsche des ganzen Landes angesehen werden können.

Bei Beratung der einzelnen Paragraphen des Statuts ergaben sich folgende Bemerkungen:

§ 3A wurde auf Antrag des Kultusministers der Fürsterzbischof von Salzburg, der als solcher nicht Landesmitglied ist, von der persönlichen Teilnahme an der Landstandschaft in Tirol ausgeschlossen und einstimmig diejenige Textierung gewählt, welche im § 4 des „Verfassungspatents“ vorkommt, wornach zuerst die beiden Landesbischöfe, dann der Delegat des Salzburger Erzbischofs aus den Pfarrern des Tiroler Diözesananteils aufgeführt erscheinen, denn nur diese, nicht der Salzburger Erzbischof, gehören zur tirolischen Geistlichkeit, um deren Vertretung als Stand es sich hier handelt5.

|| S. 70 PDF || B. Beim Adel beantragte der Finanzminister die Weglassung des Zensus, der mit 25 fr. unverhältnismäßig gering ist, im Vergleiche zur Durchschnittszahl des Zensus, der bei 235.000 Gutsbesitzern und einer Gesamtgrundsteuer von 987.000 fr. mit 4 fr. pro Kopf entfällt. Es sollte daher lieber der gesamte „immatrikulierte und besitzende Adel“ zur Landstandschaft berufen werden. Allein, dies würde – nach der Bemerkung des Ministers des Inneren – die Zahl der Mitglieder dieses Standes und die Schreiberei bei Einberufung der einzelnen zu sehr vermehren und, wie die übrigen Stimmen, insbesondere der Kultusminister, anerkannten, gegen den ausgesprochenen Wunsch des Landes sein, der nun einmal auf diesen Zensus gerichtet ist, dessen Ziffer, ohne genaue Kenntnis der Verhältnisse des begüterten Tiroler Adels hier nur nach einer willkürlichen Annahme geändert werden könnte. Die Mehrheit der Konferenz war daher mit dem Entwurfe einverstanden.

C. Die Vertretung von 19 Städten und 9 Märkten, zusammen 28 Ortschaften, durch elf Stimmen erschien dem Finanzminister als ganz ungenügend. Eine Summe von fünf Millionen indirekter Steuern, 6 fr. pro Kopf, beweist, welch lebhaften Aufschwung der Bürgerstand in Tirol genommen hat, wie Industrie und Verkehr in seinen Städten und Märkten sich konzentriert. Diese so wichtigen Interessen sind mit elf Stimmen dem Klerus und dem Adel gegenüber so sehr im Nachteile, daß der Bürgerstand den darin liegenden Druck schwer empfinden wird. Da nun Druck bekanntlich Gegendruck erzeugt, so wäre mit dem fraglichen Verhältnisse der Keim einer Spaltung im Lande gelegt, der aus politischen Rücksichten vermieden werden sollte. Der Finanzminister würde daher beantragen, jeder der 28 Städte einen Vertreter, zusammen also 28 Vertreter zu geben, und dafür die Vertreter dreier Handelskammern aufzugeben, da dieselben ein besonderes Interesse auf dem Landtage nicht zu vertreten haben. Die Mehrheit der Konferenz war aber für den Entwurf, teils weil durch den Antrag des Finanzministers das Verhältnis zu den übrigen Ständen verrückt würde, teils weil es nicht billig wäre, großen und kleinen Städten ohne Unterschied einen Vertreter zu geben, und weil es schwer ist, von einem Antrage abzugehen, der vom Landesausschusse gemacht als der Ausdruck der Wünsche des Landes angesehen werden muß.

D. Auch den Bauernstand fand der Finanzminister nicht genügend berücksichtigt. 235.000 Grundbesitzer auf 413 Quadratmeilen steuerbarer Grundfläche, d. i. 200 Joch pro Kopf, dürften wohl ebenfalls mehr als 14 Stimmen auf dem Landtage beanspruchen.

Der Kultusminister entgegnete, es handle sich hier um die althergebrachte Vertretung der vier Stände des Landes, nicht aber um eine Volksvertretung, bei welcher das Prinzip der Vertretung nach der Volkszahl in Anwendung käme. Zwar beabsichtigt auch der Finanzminister nicht, hier diesem Prinzipe zu huldigen, er machte aber bemerklich, daß bei aller Anerkennung der historischen Berechtigung der Stände doch nicht jeder, durch die Zeitverhältnisse bedingte Fortschritt ausgeschlossen und nicht unbedingt an allen mittelalterlichen Beschränkungen festgehalten werden sollte. Er besorgt sonst – bei Verkennung der Zeitbedürfnisse – dieselben nachteiligen Folgen, welche er oben ad C angedeutet hat. Die übrigen, also mehreren Stimmen der Konferenz waren jedoch für den Entwurf, da sich dessen diesfällige Bestimmung auf die fast einstimmige Ansicht des Landesausschusses gründet.

|| S. 71 PDF || § 4. Der Kultusminister hätte das Präsidium des Landtages nicht einem von Sr. Majestät Ernannten, sondern nach dem Antrage des Entwurfs Sr. k. k. Hoheit dem „Landeshauptmann“ übertragen (§§ 14 und 15 des Verfassungspatents). Die Autonomie eines ständischen Körpers fordert es, daß ihr Präsident kein Regierungsbeamterd sei. Entgegen bemerkte der Minister des Inneren , es werde sehr oft zweckmäßig befunden werden, dem Statthalter das Landtagspräsidium zu übertragen, daher man dessen Bestellung Sr. Majestät vorbehalten müsse; ja, der Finanz- und Justizminister forderten geradezu, daß ein der Regele der Landeschef auch Präsident des Landtags sein müsse, damit durch eine womöglich einheitliche Leitung der politischen Landesstelle und des Landtags Konflikte zwischen beiden und jeder dem Dienste abträgliche Dualismus vermieden werde. Sonach stimmten auch die übrigen Votanten für den Text des Entwurfes § 4.

Dessen zweiter Absatz aber, dem Oberst-Erb-Landmarschall die beratende Stimme zu lassen, wurde beseitigt, weil es sich von selbst versteht, daß der Marschall, fwenn er zum Mitglied des Landtags gewählt wirdf, auch eine Stimme habe, gnach der Ansicht des Kultusministers, wenn er Landtagsmitglied werden wolle, seine Sache sei, sich des Vertrauens seiner Standesgenossen würdig zu machen und so unter die Zahl der Vertreter des Adelsstandes aufgenommen zu werdeng nach der Ansicht des Kultusministers , wenn er Landtagsmitglied werden wolle, seine Sache sei, sich des Vertrauens seiner Standesgenossen würdig zu machen und so unter die Zahl der Vertreter des Adelsstandes aufgenommen zu werden.

Im § 5 wurde statt „am Sitze der politischen Landesbehörde“ gesetzt „in der Landeshauptstadt Innsbruck“.

Im § 6 wurde das Erfordernis „b. männlichen Geschlechts“ weggelassen, dagegen das in der Vorlage Sr. k. k. Hoheit erscheinende „katholischer Religion“ durch Stimmenmehrheit der Konferenz wieder aufgenommen. Denn, obwohl es nach der Bemerkung des Ministers des Inneren in einem ausschließlich katholischen Lande von wenig praktischer Bedeutung sein und leicht von den wenigen Andersgläubigen als Beleidigung aufgenommen werden könnte, so scheint man doch von Seite des Landesausschusses besonderen Wert darauf zu legen, und es wäre, wie der Kultusminister hinzusetzte, zu besorgen, daß bei Weglassung dieses Erfordernisses hier oder da die Wahl eines Protestanten durchgesetzt werden könnte, was dann auf dem Landtage leicht große Unzukömmlichkeiten veranlassen wird. Der Finanzminister enthielt sich über diesen Punkt eines Votums, konnte jedoch nicht umhin, sein Bedauern darüber auszusprechen, daß obige Voraussetzung bezüglich der Protestanten hätte stattfinden können6.

Im Schlußsatz des § 6 haben die Worte „oder denen die Dispens etc.“ bis „wird“ zu entfallen, nachdem sie, nur für den Erzbischof von Salzburg berechnet, durch die seinetwegen ad § 3 beantragte Änderung entbehrlich geworden sind.

|| S. 72 PDF || Zum § 8 beantragte der Justizminister die Weglassung der Worte ad a) 7. Zeile: „wegen eines Verbrechens etc. [bis] Gewinnsucht begangenen Übertretung“, weil auch in dem Disziplinargesetze für die Beamten der Dienstverlust verhängt wird, wenn der Beamte wegen einer Übertretung gegen die öffentliche Sittlichkeit nur ab instantia absolviert worden ist. Wer nicht würdig ist, Staatsbeamter zu sein, soll auch nicht zur Landesvertretung zugelassen werden. Der Minister des Inneren hielt diese Bestimmung für zu streng, die Mehrheit der Konferenz aber trat dem Justizminister bei.

Ad c) wurde über eben dessen Antrag statt „nach Beendigung der Konkursverhandlung“ gesetzt: „nach Beendigung dieser Verhandlungen“, indem es sich auf beide, Konkurs und Ausgleichsverfahren, bezieht.

Im § 10 muß bezüglich des Salzburger Erzbischofs die Änderung konform dem § 3 gemacht werden.

§ 11. Werden die Kreisämter aufgehoben, so dürften auch die Benennungen der Kreise entfallen7. Der Ministerpräsident deutete darauf hin, daß, nachdem zwei Adelsmatrikeln, für Süd- und Nordtirol, geführt werden, die Einberufung auf Grundlage derselben erfolgen dürfte, worüber der Minister des Inneren das Weitere zu verfügen sich vorbehielt, wenn hiergegen nicht etwa Anstände obwalten. hDa nun aber, nach der vom Minister des Inneren eingeholten Auskunft, gegenwärtig nur eine Matrikel geführt wird, so erübrigt wohl nichts anders, als die Beibehaltung der Kreisbenennungen.h

§ 12. Der Kultusminister würde hier die Bestimmungen der vom Landesausschusse und Sr. k. k. Hoheit vorgelegten Wahlordnung (§§ 5ff.) dem Entwurfe vorziehen und sich nicht getrauen, ohne wichtige politische Gründe eine Änderung in den ausgesprochenen Wünschen des Landes zu beantragen8. Der Minister des Inneren , dem die Majorität beitrat, rechtfertigte jedoch seinen Entwurf mit der größeren Einfachheit desselben und mit der Bemerkung, daß, nachdem das System der Urwahlen verworfen worden, es auch nicht angemessen erscheine, ein fremdes Element in das angenommene System einzuschieben.

Im § 13 werden mit Rücksicht auf das, was oben zu § 11 gesagt wurde, statt der „Kreise“ die betreffenden „Bezirke“ namentlich aufgeführt werden können.

§ 14, 1. u. 2. Absatz, muß gemäß § 3 entsprechend geändert werden. Auf die Anfrage des Justizministers , ob nicht außer den Bischöfen auch die anderen geistlichen Würdenträger in Verhinderungs- oder Sedisvakanzfällen sollten Stellvertreter aus der betreffenden geistlichen Korporation etc. senden können, wie dies im § 8 des „Verfassungspatents“ vorgeschlagen ist, bemerkte der Minister des Inneren , er habe solche nicht zugelassen, weil man in der Regel bei der Wahl von Stellvertretern laxer zu Werke geht, als recht ist, und weil auch beim dritten und vierten Stande eine Stellvertretung nicht zugestanden wurde.

|| S. 73 PDF || Die Konferenzmehrheit war jedoch mit dem Justizminister für die Annahme der Bestimmungen des § 8 des „Verfassungspatents“.

§ 15, 2. Absatz, hätte nach dem allseitig angenommenen Antrage des Kultusministers die Einladung zur Wahl nicht vom „Statthalter“, sondern vom „Ausschusse“ zu erfolgen. Den 6. Absatz, daß zur Gültigkeit einer Wahl wenigstens ein Drittel der Wahlzettel vorliegen müsse, würde der Justizminister weglassen, weil sonst das Zusammenkommen des Landtags von dem guten Willen der Wähler abhängig gemacht und dem Rechte der loyalen Minderheit der Wähler präjudiziert würde. Die Mehrheit der Konferenz trat diesem Antrage bei, wogegen jedoch die Minister des Inneren und des Kultus für die Beibehaltung dieser Bestimmung waren, da dieselbe auch im § 3 der vom Ausschusse entworfenen Wahlordnung enthalten ist.

§ 16. Daß keine Urwahlen stattfinden sollen, findet der Kultusminister recht. Gleichwohl hält er es für wünschenswert, daß auf die Größe der Städte diejenige Rücksicht genommen werde, welche der Ausschuß in seinem Operate (Wahlordnung § 5) dahin beantragt hat, daß in den vier größten Städten für je 500, in den übrigen für je 300 Einwohner ein Wahlmann ernannt werde. Die übrigen Stimmen waren mit diesem Antrage einverstanden; nicht so mit dem weiteren Antrage des Kultusministers, die Handelskammern im Sinne des § 7 der Wahlordnung des Auschusses durch Wahlmänner aus den betreffenden Städten zu verstärken, weil anzunehmen sein dürfte, daß diese Kammern in der Regel schon 20 Mitglieder zählen und es nicht angemessen erscheint, in dieselben ein fremdes Element einzuschieben.

§ 179. Hier, so wie überhaupt bei den von Wahlen handelnden Paragraphen hätten der Kultusminister und der Ministerpräsident vorgezogen, daß die Wahlordnung nach dem Muster des Ausschußoperats abgesondert abgefaßt worden wäre. In merito aber beanständete der Ministerpräsident die Wahl durch die Gemeindevorstände und Ausschüsse, weil diese letzteren selbst nach den gemachten Erfahrungen nicht immer die besten der Gemeinde sind. Wohlhabende, ihrer Wirtschaft mit Eifer obliegende Bauern lassen sich nicht gern zur Übernahme von Gemeindeämtern herbei, weil sie ihnen zu viel Zeit rauben. Will man also, daß tüchtige und verläßliche Wahlmänner gewählt werden, so überlasse man deren Wahl nicht dem Gemeindevorstande und Ausschusse, sondern dem guten Kern der Bauernschaft, etwa der höchstbesteuerten Hälfte der Gemeindeglieder. Die Mehrheit der Konferenz trat diesem Antrage bei. Die Minister des Inneren und des Kultus würden sehr beklagen, wenn obige Voraussetzung unbedingt und überall als richtig angesehen werden müßte, denn dann wäre es um das Gemeindewesen schlecht bestellt. Entzieht man dem Gemeindevorstande und Ausschusse dieses Wahlrecht, so ist, wie der Minister des Inneren bemerkte, zu besorgen, daß sich dann die Voraussetzung des Ministerpräsidenten erst recht verwirklichen werde. Diese beiden Minister beharrten daher bei der Bestimmung des Entwurfs, iund der Minister des Kultusi mit dem Zusatze, daß zur Verstärkung des wählenden Ausschusses etwa noch die abgetretenen Ausschüsse herangezogen werden könnten.

|| S. 74 PDF || Im § 18 entschied sich die Konferenz zur Vereinfachung und zur Vermeidung der wiederholten Wahlagitation einstimmig dafür, daß während der sechsjährigen Funktion der Gewählten kein Wechsel stattfinden möge. Hiernach wären die auf die Ausscheidung der Hälfte nach drei Jahren und die Teilerneuerung bezüglichen Bestimmungen dieses Paragraphes wegzulassen.

Im § 20 erklärte sich der Ministerpräsident und mit ihm die Mehrheit der Konferenz gegen das Prinzip einer Besoldung der Landesvertreter. Der Minister des Inneren erinnerte dagegen, daß selbe in Tirol immer herkömmlich gewesen und daß nicht abzusehen wäre, wie ein Bauer, der 10 fr. Steuer zahlt, als Landstand in Innsbruck längere Zeit von eigenen Mitteln sollte leben können. Auch der Kultusminister nahm Anstand, eine Bestimmung zu streichen, welche auch in der Vorlage des Tiroler Ausschusses jund gewiß nicht ohne praktischen Grundj enthalten ist. Da darin eine Motivierung nicht vorkommt, wäre allenfallsk Se. k. k. Hoheit der Erzherzog Statthalter um die Angabe der Gründe dieser Bestimmung anzugehen; lmindestens dürfte die Gestattung auszusprechen sein, daß den Landtagsgliedern des dritten und vierten Standes angemessene Entschädigungen aus Landesmitteln bewilliget werden, damit nicht durch Verweigerung derselben vielleicht dazu gedrängt werde, die Wahl auf Personen zu leiten, die, ohne die profanen Interessen des Standes vor Augen zu haben, aus politischem Ehrgeiz ein pekuniäres Opfer nicht scheuen.l

§ 23. Nachdem der Landtagsausschuß das vollziehende Organ des Landtages sein soll, also von diesem über seine Gestion zur Rechenschaft gezogen werden kann, so ist es nach der Ansicht des Finanzministers unzulässig, die Präsidentschaft des Ausschusses dem Landeschef zu übertragen, zumal da derselbe (§ 4) zugleich Landtagspräsident sein soll oder nach der Ansicht der Konferenzmehrheit von Sr. Majestät dazu ernannt werden kann. Der Minister des Inneren legte dagegen gerade um dieses letzteren Umstandes willen, daß nämlich Se. Majestät auch einen anderen als den Landeschef zum Landtagspräsidenten ernennen könnten, einen besonderen Wert darauf, daß in einem solchen Falle der Landeschef Präsident des Ausschusses sei, um die Leitung dieses exekutiven Organs des Landtags in der Hand zu haben und zu verhindern, daß den allgemeinen Gesetzen widerstreitende Verfügungen erlassen werden. mDies sei umso notwendiger, als der Ausschuß bei seiner künftigen Gestaltung in sehr häufiger Berührung mit den lf. Behörden stehen wird, an welche Aufforderungen und teilweise Aufträge ergehen werden. Die Einflußnahme des Ausschusses auf die Verwaltung wird zu bedeutend sein, als es rätlich erscheinen sollte, den Landeschef beim Vorsitze im Ausschusse zu entbehren.m Auch der Justizminister , der zu § 4 für Bestimmung des Landeschefs zum Landtagspräsidenten stimmte, hofft von der Vereinigung beider Präsidien in der Person des Landeschefs die wirksamste einheitliche Leitung beider Körper, des Landtags und des Ausschusses, sowie die Vermeidung von Konflikten zwischen denselben und den lf. Behörden. Unter diesen Umständen würde der Ministerpräsident vorziehen, || S. 75 PDF || wenn die Ernennung des Ausschußpräsidenten ebenso wie die des Landtagspräsidenten Sr. Majestät vorbehalten bliebe, wornach also der § 23 in analoger Weise wie § 4 zu stilisieren wäre, was auch die Majorität der Konferenz annahm. Der Kultusminister war dagegen konsequent mit seiner Abstimmung zu § 4 der Meinung, daß für Tirol die Bestimmung des § 22 des „Verfassungspatents“ beizubehalten sei, wornach der Landeshauptmann auch Vorstand des Ausschusses sein soll.

Statt der §§ 24–27 beantragte der Kultusminister, daß sich auf dasjenige beschränkt werde, was diesfalls § 23 des „Verfassungspatents“ enthält. Die Bildung des ständischen Ausschusses, dessen Geschäftsführung, Bestellung der Beamten etc. gehören zu den inneren Angelegenheiten des Landtags, deren Entwicklung und Feststellung füglich ihm selbst, nach seinem besten Wissen und Gewissen anvertraut werden kann. Der Minister des Inneren machte geltend, daß für die Bildung eines so wichtigen Organs, wie der Landesausschuß ist, die Vorzeichnung gewisser Hauptgrundsätze notwendig sei, damit nicht Einrichtungen getroffen werden, welche, wenn vielleicht auch etwa für Tirol zulässig, doch in anderen Ländern unstatthaft sein und mit Berufung auf das Beispiel Tirols dann nicht wohl würden verweigert werden können. Hiernach erklärte sich die Mehrheit der Konferenz im wesentlichen für die Beibehaltung der §§ 24–27.

Bei den einzelnen Paragraphen, insbesondere bei § 24, könnte nach der Ansicht der Konferenzmehrheit dem Landtage überlassen werden, ob er gerade alle vier Stände im Ausschusse vertreten haben will oder nicht, wornach dann die hierauf bezügliche Stelle „in der Art“ und „daß jeder der vier Stände im ständigen Landtagsausschusse vertreten ist“ zu entfallen hätte. Auch kam die Frage in Anregung, ob der Schlußsatz des Paragraphes „daß die Wahlen der Ausschüsse oder Verordneten und ihrer Stellvertreter der Ah. Bestätigung vorbehalten bleiben“ beizubehalten sei oder nicht. In der Voraussetzung, daß die §§ 24–27 überhaupt angenommen werden, stimmte der Kultusminister jedenfalls für die Weglassung des obigen Schlußsatzes, weil kein entscheidender Grund vorliegt, den Ständen durch diesen Mißtrauen zeigenden Vorbehalt ihre Autonomie in inneren Angelegenheiten zu verkümmern. Diese Autonomie sollte im Sinne des ministeriellen Programms und nicht in jenem der alten ständischen Scheinverfassungen aufgefaßt werden. Die Majorität der Konferenz war jedoch für die Beibehaltung dieses Vorbehalts umso mehr, als dem Landtage zum II. Hauptstück ein „übertragener Wirkungskreis“ zugedacht wird, dessen Ausübung eine sorgfältigere Auswahl der unmittelbaren Vollziehungsorgane desselben erheischt.

Im § 27 könnte der Schluß über Gleichstellung der ständischen Beamten mit den lf. entfallen und die Regelung des diesfälligen Verhältnisses dem Landtage überlassen werden. nIm übrigen war die Konferenz nicht entgegen, die Feststellung der Einrichtung des Wirkungskreises des Ausschusses dem ersten Landtage unter Vorbehalt der Ah. Bestätigung zu überlassen.n

Zum II. Hauptstücke „Wirkungskreis“ bemerkte der Finanzminister : Bevor man den Wirkungskreis des Landtags bestimmt, muß man sich klar werden, wie weit der Grundsatz des Selfgovernment in der Verwaltung der Kronländer angewendet werden will10. || S. 76 PDF || Seiner Auffassung nach muß man die Selbsttätigkeit der in den Ländern gewählten Organe soviel als möglich in Anspruch nehmen, damit sie nützlich beschäftigt werden, die Sorgen und Mühen der Regierung kennen lernen und die Verantwortlichkeit zum größten Teile auf sich nehmen. Dabei muß die Regierung stark bleiben, leiten und jederzeit in der Lage sein, eingreifen und selbst handeln zu können. Demnach wäre die Wirksamkeit des Statthalters für gewöhnliche Zeitläufte auf wenige Angelegenheiten zu beschränken, als: höhere Polizei, Presse, Staatslehranstalten, Kultus, allgemeine Finanzangelegenheiten etc. etc., alle anderen Geschäfte aber dem Landtage zu übertragen, der solche durch den Landesausschuß gleich wie die eigenen Landesangelegenheiten ausüben läßt. Diese Einrichtung bedingt, daß der Statthalter grundsätzlich Präsident des Landtags ist, nicht aber Präsident des Ausschusses, damit er für die Handlungen desselben nicht angegriffen werden kann11. Der Landtagsausschuß hat zur Vollziehung der Geschäfte die Bezirks-(Kreis-, Komitats-)behörden, und diese müssen landesfürstlich sein, im unmittelbaren Dienstverbande zum Statthalter, denen übrigens gewählte Bezirksausschüsse zur Seite stehen. Die Bezirke zerfallen in Ortsgemeinden, die ihre Angelegenheiten innerhalb der festzustellenden Grenzen autonom verwalten. In jedem Kronlande gäbe es daher für die politische Verwaltung an lf. Beamten: a) einen Statthalter mit wenigen Personen, b) die Bezirks-(Kreis-, Komitats-)beamten. Da nun der Statthalter Präsident des Landtags wäre, so regelt er in oberster Linie die Wirksamkeit des Landtagsausschusses, und da dieser nur durch die Bezirksämter ausübend werden kann, diese aber landesfürstlich sind und zum Statthalter im Dienstverbande stehen, so vermag derselbe nach allen Richtungen jedem Übergriff zu begegnen und sogleich die Zügel der Regierung in die Hand zu nehmen. Nach dieser Auffassung könnte der Wirkungskreis der Landtage wie folgt festgesetzt werden: § 28. „Der Wirkungskreis der Landesvertretung ist zweifacher Art, und zwar a) ein natürlicher, insofern die Geschäfte lediglich besondere Landesangelegenheiten betreffen, oder b) ein übertragener, insofern dieselbe von der Staatsverwaltung zur Besorgung gewisser Geschäfte berufen wird.“ Vom natürlichen Wirkungskreise a) würden die §§ 29 bis 36 des Entwurfs handeln; der übertragene Wirkungskreis b) würde in einem besondern Paragraphen (37) mit folgendem festgesetzt werden: „Die Landesvertretung hat nach den bestehenden Gesetzen im Interesse des Staats und des Landes zu besorgen: a) die Subrepartition der Landesquote an direkten Steuern an die einzelnen Steuerbezirke, b) die Einhebung dieser Steuern, deren Fristungen und Abschreibungen, c) die ortspolizeilichen und strafgerichtlichen Angelegenheiten, d) die Volkszählung, e) die Gemeindeangelegenheiten, f) die Handhabung der Gewerbeordnung, g) die Baupolizei, h) das Volksschulwesen, Real- und andere Fachschulen, i) die Konkurrenzangelegenheiten für Kirchen, Pfarr- und Schulbaulichkeiten, || S. 77 PDF || k) die Armenpflege, l) die Waisen- und Kuratelangelegenheiten etc.“ ([Dann] § 38)12 „Die Landesvertretung wird ferner ihr Gutachten abgeben und ihre Vorschläge erstatten über jene Gegenstände, über welche sie von der Staatsverwaltung zu Rate gezogen oder zur Mitwirkung aufgefordert wird.“ Im wesentlichen übereinstimmend mit diesem äußerte sich auch der Justizminister. Was den Gemeinden in unterster Instanz von der bisherigen Gestion der lf. Organe zur autonomen Besorgung übertragen werden kann, soll omit wenigen Ausnahmen, wie z. B. die Bestrafung von Übertretungen eine Ausnahme wäreo, auch in höherer Instanz der Bezirks- und der Landesgemeinde, also der Landesvertretung zugewiesen werden. Nur auf diese Art wird es möglich sein, die angestrebten Ersparungen in dem Aufwande für die Verwaltung zu erreichen. Es wird, wie natürlich, mit der Besorgung des übertragenen Wirkungskreises für die Gemeinden und Landesvertretungen zwar ebenfalls eine Auslage erwachsen, sie werden es aber verstehen, dieselbe auf das Maß des strengsten Bedarfes zu reduzieren und jedenfalls wohlfeiler administrieren, als der Staat mit seinen vielen Förmlichkeiten und Kontrollen. Auch wird die dafür von dem Kontribuenten in Anspruch genommene Auflage weniger empfindlich fallen, weil sie eine von den Gemeinde- und Landesvertretungen selbst aufgeteilte ist. Eine Gefahr aus der Übertragung der angeführten Geschäfte auf die Gemeinden und Landesvertretungen ist nicht zu besorgen, weil sie, und zwar namentlich die Bezirksgemeinden und Landesvertretungen, nach dem Antrage des Finanzministers unter der Leitung der von der Regierung selbst ernannten Vorsteher stehen werden.

Die Minister des Kultus und des Inneren bekämpften zwar diese Anträge, indem sie, wie letzterer hervorhob, zu einer beinahe vollständigen Auflösung der lf. Verwaltung führen würde. Gegenwärtig, wo nicht einmal noch die Anträge vorliegen, welche Angelegenheiten der bisherigen lf. Verwaltung in die Hände der Orts- oder Bezirksgemeinden gelegt werden sollen, könnte auf eine Übertragung des Wirkungskreises der Statthaltereien an die Landesvertretungen wohl nicht eingegangen werden13. Wenn man übrigens davon eine Vereinfachung der Geschäfte und eine Verminderung der Kosten erwartet, warum verzweifelt man daran, selbe auch bei lf. Behörden durchzuführen? Was den Gemeinden oder Landesvertretungen zu bewirken möglich ist, wird wohl auch der Staatsverwaltung gelingen. Der Kultusminister pglaubt von dem Grundgedanken ausgehen zu sollen, daß den Landtagen und deren ständigen Ausschüssen in administrativer Beziehung die Kommunalange­legenheiten des Landes, diese aber mit Gestattung voller Autonomie und ohne Regierungskontrolle zu übertragen seien. Damit könne zu wesentlicher Erleichterung der Regierung eine Tutel der minderen Gemeinden verbunden werden. Beschwerden von Parteien gegen ungerechte Behandlung von Seite der Kommunalorgane können aber nicht zur Kompetenz der Landtage gezählt werden, denn Rechtsschutz zu gewähren sei die wesentlichste Aufgabe der Regierung. Ebenso unzulässig erachte er es, den Landtagen und Ausschüssen einen administrativen Wirkungskreis in solchen Angelegenheiten zu übertragen, bezüglich welcher die Regierung sich unmöglich einer Einwirkung entschlagen könnte, wenn schlecht administriert würde. Die Übertragung solcher Funktionen würde die Notwendigkeit fortgesetzter Kontrolle zur Folge haben und dadurch die Schwerfälligkeit und den Formalismus der Administration nur noch vermehren. Sie würde übrigens in dem Maße, als in den verschiedenen Kronländern politisch bedenkliche Bestrebungen zu finden sind, für die Regierung die Gefahr enthalten, einfach bei Seite gesetzt zu werden und jene Tendenzen zu tatsächlicher Herrschaft gelangen zu sehen. Die Vorstimmen, welche einen übertragenen Wirkungskreis auch für die Landtage und deren Ausschüsse vor Augen haben, suchen eben deshalb Kautelen in Beziehung auf das Präsidium, Vorbehalte bezüglich der Zusammensetzung und freien Bewegung der Ausschüsse etc. Dadurch werde aber auch die Autonomie bezüglich dessen, was als natürlicher Wirkungskreis gedacht wird, zerstört, und unter solchen Umständen werden die beabsichtigten Einrichtungen gewiß gar keine Befriedigung gewähren und gar keinen politischen Vorteil bringenp glaubt von dem Grundgedanken ausgehen zu sollen, daß den Landtagen und deren ständigen Ausschüssen in administrativer Beziehung die Kommunalange­legenheiten des Landes, diese aber mit Gestattung voller Autonomie und ohne Regierungskontrolle zu übertragen seien. || S. 78 PDF || Damit könne zu wesentlicher Erleichterung der Regierung eine Tutel der minderen Gemeinden verbunden werden. Beschwerden von Parteien gegen ungerechte Behandlung von Seite der Kommunalorgane können aber nicht zur Kompetenz der Landtage gezählt werden, denn Rechtsschutz zu gewähren sei die wesentlichste Aufgabe der Regierung. Ebenso unzulässig erachte er es, den Landtagen und Ausschüssen einen administrativen Wirkungskreis in solchen Angelegenheiten zu übertragen, bezüglich welcher die Regierung sich unmöglich einer Einwirkung entschlagen könnte, wenn schlecht administriert würde. Die Übertragung solcher Funktionen würde die Notwendigkeit fortgesetzter Kontrolle zur Folge haben und dadurch die Schwerfälligkeit und den Formalismus der Administration nur noch vermehren. Sie würde übrigens in dem Maße, als in den verschiedenen Kronländern politisch bedenkliche Bestrebungen zu finden sind, für die Regierung die Gefahr enthalten, einfach bei Seite gesetzt zu werden und jene Tendenzen zu tatsächlicher Herrschaft gelangen zu sehen. Die Vorstimmen, welche einen übertragenen Wirkungskreis auch für die Landtage und deren Ausschüsse vor Augen haben, suchen eben deshalb Kautelen in Beziehung auf das Präsidium, Vorbehalte bezüglich der Zusammensetzung und freien Bewegung der Ausschüsse etc. Dadurch werde aber auch die Autonomie bezüglich dessen, was als natürlicher Wirkungskreis gedacht wird, zerstört, und unter solchen Umständen werden die beabsichtigten Einrichtungen gewiß gar keine Befriedigung gewähren und gar keinen politischen Vorteil bringen.

Die übrigen, also mehreren Stimmen, waren aber für den Grundsatz, daß den autonomen Landesorganen von den Agenden der lf. Behörden so viel übertragen werde, als ohne Gefährdung des Dienstes geschehen kann; sie vereinigten sich also mit der Ansicht der Minister der Finanzen und der Justiz.

Bezüglich der Textierung des § 28 und der folgenden würde der Kultusminister die Fassung nach dem ständischen Operate §§ 17 und 18 des „Verfassungspatents“ vorziehen.

Die Worte des ersten Absatzes des § 17 sind feierlich und eindringend, der zweite Absatz wahrt den Ständen das Petitionsrecht deutlicher als der Entwurf, und § 18 enthält sub a) und b) zwei wesentliche Punkte, auf deren Beibehaltung ein besonderer Wert gelegt wird. qNamentlich ad a) scheine ihm gegenüber der unbestreitbaren Notwendigkeit, der Regierung das Recht allgemeiner, d. i. das ganze Reich umfassender Gesetzgebung zu wahren, unbedenklich und durchaus zweckmäßig, den Landtagen zu gestatten, daß sie über die Rückwirkung solcher Gesetze auf die einzelnen Länder beraten und au. Vorstellungen machen. Die Möglichkeit, durch solche Gesetze unabsichtlich und unbewußt Interessen einzelner Länder in einer Weise zu verletzen, die eine Abhilfe zuläßt, kann nicht verkannt werden, und es kann nur heilsam sein, einen Weg zu zeigen, auf welchem solche Abhilfe legal angestrebt werden kann. In der „Begründung“ des verstärkten Ausschusses sei ausdrücklich hervorgehoben, was auch in dem Ausdruck „Rückwirkung“ offenbar liegt, daß es sich keineswegs darum handeln könne, solche allgemeinen Gesetze vorerst mit allen Landtagen zu beraten.q Im übrigen bedarf es rücksichtlich derjenigen Anstalten und Verfügungen, die aus Landesmitteln bestritten werden, einer besonderen Aufzählung nicht, sondern es genügt, im allgemeinen dieses als zur ständischen Befugnis gehörig anzuführen. || S. 79 PDF || Endlich unterliegt die Frage über die Landesverteidigung und das Schießstandwesen (§ 18 ad c) noch einer besonderen Beachtung. Der Minister des Inneren bemerkte bezüglich des § 17, daß dessen Fassung im 1. Teile auf der von dem Ausschusse gewählten Form eines „Verfassungspatents“ beruhe, in das von dem Minister des Inneren bearbeitete Statut also nicht passe; das Petitionsrecht der Stände sei im § 38 gewahrt; und gegen die Punkte a) und b) des § 18 müsse sich der Minister des Inneren mit Sr. k. k. Hoheit verwahren, weil bei deren unbedingter Annahme jede Gesetzgebung unmöglich gemacht würde. Dieses bestritt jedoch der Kultusminister . Denn ad a) was die allgemeinen Gesetzte betrifft, so werden diese ohne vorläufige Vernehmung der Stände nach wie vor entworfen und bloß vom verstärkten Reichsrate begutachtet werden. Sind sie aber einmal erlassen, so soll es doch den Ständen eines Landes freistehen, über deren besondere Rückwirkung auf das Wohl desselben zu beraten und Anträge zu machen. Der Ausdruck „Rückwirkung“ deutet schon an, daß eine vorausgehende Mitwirkung der Stände für allgemeine Anordnungen etc. nicht beansprucht wird; daß ad b) dieses aber bei Gesetzen geschehe, die in Absicht auf die besondern Verhältnisse des Kronlands beabsichtigt werden, ist wohl eine sehr natürliche Forderung.

Die übrigen Stimmen der Konferenz vereinigten sich mit der Ansicht des Ministers des Inneren gegen die Textierung nach den §§ 17 und 18 des „Verfassungspatents“. Nur bezüglich der im § 18 sub c), Absatz 5, beanspruchten altverfassungsmäßigen Mitwirkung bei der Landsverteidigung, Leitung des Schießstandwesens und Aufsicht über die Waffenvorräte war die Mehrheit der Konferenz – unter Weglassung des Epithetons „altverfassungsmäßigen“ – mit dem Kultusminister für die Beibehaltung dieser Bestimmung im Landesstatute, weil, so gewichtig auch die von Sr. k. k. Hoheit in Höchstdessen Vortrage dagegen angeführten Rücksichten sein mögen, doch die nachstehende Betrachtung überwog, welche der Kultusminister dafür gelten machte. Er bemerkte: Die Tiroler Landesverteidigung ist ein ganz abnormes, in keinem anderen Kronlande vorkommendes Institut. Sie ist ein freiwilliges Zusammentreten der Wehrkräfte der Bevölkerung zur gemeinsamen Verteidigung des eigenen Landes und hat nur dann einen Wert, wenn sie mit Begeisterung geleistet wird. Sie stand mit dem damit verbundenen Schießstandwesen von jeher unter ständischer Leitung; würde sie dieser entzogen und lediglich unter die Staatsgewalt gestellt, so wäre zu besorgen, daß diese Maßregel einen üblen Eindruck im Lande verursachen und die Teilnahme für das Institut vollends abschwächen würde. Es möge also bei dem Hergebrachten verbleiben. Dem Landeschef ist ja eine Einwirkung auf das Institutr, wenn auch allerdings mehr eine mittelbare, dadurch keineswegs abgeschnittenr . FML. Ritter v. Schmerling war dagegen der Meinung, daß zur Wahrung der einheitlichen Leitung dieser Einrichtung und um die von Sr. k. k. Hoheit dem Herrn Erzherzog Statthalter in derselben beabsichtigten Reformen nicht zu stören, der Antrag Höchstdesselben genehmigt, also die in Rede stehende Bestimmung dem ständischen Wirkungskreise entzogen werde.

Im § 33 muß es statt „Die in den verschiedenen Kronländern bestehenden Landesfonds“ – was aus dem allgemeinen Statute durch Versehen hier aufgenommen ward – || S. 80 PDF || heißen „Der dermal bestehende Landesfonds“ etc., und im Schlußsatze wurde statt „Wirksamkeit“ das Wort „Verwaltung“ für angemessener erkannt.

§ 39. Da Beschlüsse des Landtags, welche der kaiserlichen Genehmigung bedürfen, unter die Landtagsvorlagen gehören, die dem verstärkten Reichsrate überwiesen werden, so bedarf es nach der einstimmig angenommenen Bemerkung des Finanzministers im 2. Absatze des § 39 der auf „kaiserliche Genehmigung“ folgenden Worte so wenig, als des 3. Absatzes „wegen der Landesumlagen“.

§ 41. Nach der einstimmigen Ansicht des Kultusministers und des Ministerpräsidenten kann es nicht Aufgabe des ständischen Ausschusses sein, „aus eigenem Antriebe Vorschläge in Landes­angelegenheiten an die Regierungsbehörden zu leiten“. Dies steht wohl nur dem Landtage selbst zu. Es wäre also die hierauf bezügliche Stelle des letzten Absatzes, ja, nach dem Erachten des Kultusministers , der ganze Absatz zu streichen, weil auch die Abgabe von Gutachten, welche die Regierung dem Ausschusse abverlangen sollte, nicht zu dessen eigentlichem Berufe gehört und endlich es sich von selbst versteht, daß der Ausschuß, falls er von der Regierung über etwas gefragt werden sollte, antworten werde.

Die Mehrheit der Konferenz war jedoch für die Beibehaltung der Bestimmungen dieses Absatzes, indem es nach der Bemerkung des Ministers des Inneren wünschenswert ist, in Zeiten, wo der Landtag nicht versammelt ist, ein ständisches Organ zu bezeichnen, bei dem die Regierung, wenn sie es nötig findet, Rats erholen kann.

§§ 45–49. Die Bestimmungen dieser Paragraphen würden mit Rücksicht auf die Schlußandeutung der Konferenz zu §§ 24–27, wornach dem ersten Landtage die Organisierung und Feststellung des Wirkungskreises des Ausschusses vorbehaltlich der Ah. Genehmigung überlassen werden könnte, entsprechend zu ändern sein.

III. Hauptstück: Geschäftsordnung

Zu § 53 wünschte der Ministerpräsident , daß die Beschränkung des Landtags, Petitionen von Parteien etc. anzunehmen, so aufgenommen werde, wie dies in der Geschäftsordnung für den verstärkten Reichsrat (Konferenzprotokoll v. 17. März 1860)14 vorgeschlagen worden. Der Kultusminister gab dieses zu, so weit es sich um Petitionen über legislative Gegenstände handelt, die zu Agitationen Anlaß geben können. Allein, der Landtag und sein Ausschuß haben auch eine administrative Wirksamkeit, und bei dieser ist der Verkehr mit Parteien, also die Annahme und Erledigung von Eingaben, Petitionen unvermeidlich. Diese nun wären nach der Ansicht des Ministers des Inneren an den Ausschuß als das Vollzugsorgan des Landtags zu weisen, von dem Landtage selbst aber sollten sie nicht übernommen werden können.

Die Mehrheit der Konferenz glaubte daher, diese Beschränkung aufrecht erhalten und ihr einen verstärkten Ausdruck dadurch geben zu sollen, daß im Eingange des § 53 gesagt werde: „Die einzelnen Beratungsgegenstände gelangen an den Landtag nur: a) entweder“ wie im Entwurfe.

Am Schlusse des Absatzes: III. Hauptstück, [Teil] A, über die Geschäftsbehandlung beim Landtag, brachte der Kultusminister den Antrag des Tirolischen Ausschusses, || S. 81 PDF || § 20 des „Verfassungspatents“, über die „Öffentlichkeit der Landtagsverhandlungen“ in Anregung. sDie in den Vorlagen dafür vorgebrachten Gründe scheinen ihm triftig und entscheidend;s doch werde dabei zu beachten sein, daß nicht alles Publikum, namentlich nicht das Proletariat und die Jugend, Zutritt erhalte. Hierzu böte sich, wie der Justizminister bemerkte, eine Analogie aus den Bestimmungen über den Zulaß des Publikums zu den Senioral- etc. Konventen in Ungern dar, nämlich eine Auswahl derjenigen Personen, die ein wahrhaftes Interesse daran haben können, zu hören, was ihre Vertreter sagen. Dieses sind nun im ganzen alle diejenigen, welche entweder aktiv oder passiv wahlfähig sind. Alle zuzulassen, schien nicht angemessen.

Die mehreren (vier) Stimmen: die Minister der Finanzen, Justiz und des Inneren t(stante concluso, daß ein Zensus zur Wahlberechtigung angenommen werden will)t, dann der Ministerpräsident, uder übrigens überhaupt gegen die Öffentlichkeit wäre,u entschieden sich für die beschränktere Zahl, nämlich bloß für „die Wahlmänner der Landtagsabgeordneten“, indem diese Wahlmänner eigentlich das nächste Interesse an der Tätigkeit ihrer Erkorenen nehmen. Der Kultusminister, der Polizeiminister und FML. Ritter v. Schmerling (drei Stimmen) sprachen sich aber für die Zulassung aller passiv wählbaren (§§ 6, 11, 12 und 13) aus, weil auch damit die Abhaltung der Jugend und des Proletariats bewirkt ist, und es sich dann nur um das Mehr oder Weniger der Zugelassenen handelt, was von keinem entscheidenden Gewichte ist.

Einem weiteren Antrage des Kultusministers , die vom Komitee des Tiroler Ausschusses vorgeschlagene Reaktivierung des halben oder sogenannten engeren Landtags zu befürworten, da dessen Wirksamkeit für gewöhnliche Zeiten ausreichen und (da vihm die Gestattung einer Entschädigung der Landtagsmitglieder, oben ad § 20, unvermeidlich scheine) zur Erleichterung des Landesfondsv gereichen würde, fand die Konferenz nicht beizutreten, da dieser Antrag schon in dem Operate des Ausschusses und Sr. k. k. Hoheit fallengelassen worden ist15.

Zur Geschäftsordnung des Landtagsausschusses ergab sich nur bei § 64 die von der Konferenz auch angenommene, vom Ministerpräsidenten vorgeschlagene Modifikation, daß, wenn der Ausschußpräsident nicht zugleich Landeschef ist, die von ihm sistierte Verhandlung durch diesen letzteren an den Minister des Inneren zu leiten sei.

Zum Einführungspatente beantragte der Justizminister ad § 5, konform der bestehenden Jurisdiktionsnorm folgenden Text: „Klagen gegen die Landesvertretung oder den ständigen Landtagsausschuß sind bei dem Gerichtshofe erster Instanz in Innsbruck anzubringen“, denn die Fassung des Entwurfs würde der Landesvertretung auch dann, || S. 82 PDF || wenn sie als Kläger auftritt, das Forum des Innsbrucker Landesgerichts gewähren, ein Privilegium, welches dermal nicht einmal mehr dem kaiserlichen Fiskus eingeräumt ist.

Die Konferenz war hiermit [ein]verstanden, doch fand sie, daß diese Bestimmung lieber in das Statut selbst, etwa nach § 49, aufgenommen werden sollte.

Im § 6 würde der Kultusminister und der Ministerpräsident das Recht, ständische Uniform und Ehrenzeichen zu tragen, nicht bloß auf die zur Landesvertretung Berufenen beschränken, sondern allen begüterten Adeligen, die bisher dazu berechtigt waren, lassen. Die Mehrheit der Konferenz war jedoch für Beibehaltung des Textes des Entwurfs.

Zu § 7. Da die Subvention für den ständischen Haushalt aus dem Staatsschatze auf einer traktatenmäßigen Bestimmung beruht, so kann der Finanzminister in thesi dagegen nichts einwenden; er wünschte aber, daß – zur Abhaltung von ähnlichen Forderungen der Stände anderer Kronländer – das Motiv in das Patent aufgenommen und gesagt werde, „Da in Anbetracht dessen, daß die einheimischen Domestikaleinkünfte eingezogen worden, seither eine Dotation aus dem Staatsschatze bezahlt worden; so“ etc., dann, daß diese Dotation auf die Ziffer von 50.000 f. beschränkt bleibe.

Mit der Aufnahme der Motivierung war die ganze Konferenz einverstanden, mit der Beschränkung der Ziffer die überwiegende Stimmenmehrheit. Nur der Kultusminister stimmte mit dem Minister des Inneren für 60.000 f., weil das ständische Budget nach des letzteren Bemerkung zwischen 50 und 62.000 f. CM. schwankt, also 60.000 f. (noch dazu in ö. W.) nicht zu hoch gegriffen sein dürften.

Der Kultusminister behielt sich schließlich vor, ein nach seinen Ansichten abgeändertes Exemplar wdes von dem verstärkten Ausschusse vorgelegten Elaborats dem Protokolle beizulegen, nachdem er sich nicht von der Überzeugung trennen könne, daß es ein großer Fehler wäre, von dieser seines Erachtens sehr zweckmäßigen Vorlage mehr als absolut notwendig abzuweichenw,x .16

Ah. E. Ich haben den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, 20. Oktober 1860.