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Nr. 113 Ministerkonferenz, Wien, 18. Februar 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 18. 2.), Thun 20. 2., Bruck 21. 2., Nádasdy 20. 2., Gołuchowski 22. 2., Thierry, Schmerling 24. 2.

MRZ. – KZ. 635 –

Protokoll der zu Wien am 18. Februar 1860 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.

I. Kaiserliche Verordnung wegen Bestellung der Realinstanzen in einigen Kronländern

Der Justizminister referierte den Entwurf einer kaiserlichen Verordnunga, wirksam für Österreich ob und unter der Enns, Kärnten, Krain, Steiermark, Böhmen, Mähren und Schlesien, womit bestimmt wird, daß dasjenige Gericht, welchem die Führung des öffentlichen Buchs über eine unbewegliche Sache zusteht, für dieselbe auch als Realinstanz einzuschreiten habe.

Die Konferenz war mit dem Entwurfe einverstanden1.

II. Unterstützung für die Notleidenden in Istrien

Der Minister des Inneren referierte über das Einschreiten des Statthalters im Küstenlande um Bewilligung einer Unterstützung von 25.000 fr. aus dem Staatsschatze zum Ankaufe von Mais für die von einer Hungersnot heimgesuchte arme Bevölkerung Istriens, allenfalls gegen einstigen Rückersatz mittelst Umlage auf den Landesfonds.

Nachdem das dringende Bedürfnis nachgewiesen und bei der Armut der Bevölkerung der Rückersatz des angesprochenen Betrags selbst im Wege der Umlage kaum hereinzubringen sein dürfte, so erklärte sich der Finanzminister mit dem Antrage in der Art einverstanden, daß die 25.000 fr. als ein kaiserliches Gnadengeschenk von Sr. Majestät zu erbitten wären.

Die übrigen Stimmen fanden dagegen nichts einzuwenden, und der Ministerpräsident , bdem sich auch der Vertreter des Armeeoberkommandos anschloßb, deutete darauf hin, daß vielleicht bei der Beteilung der Bedürftigen von den Arbeitsfähigen eine entsprechende Arbeitsleistung in Anspruch zu nehmen wäre2.

III. Koscherfleischaufschlag für die jüdischen Schulen in Lemberg

Zur Erhaltung der jüdischen Schulen in Lemberg war von Sr. Majestät eine Erhöhung des Koscherfleischaufschlags auf drei Jahre bewilligt worden3. Diese sind nun abgelaufen und die Judengemeinde bittet, in Ermangelung anderer Mittel zur ferneren Bestreitung der vermehrten Schulunterhaltungskosten eine abermalige Erhöhung jenes Aufschlags auf unbestimmte Zeit eintreten zu lassen. Das Finanzministerium war gegen die Gewährung dieser Bitte, weil es einen verminderten Konsum und hiermit eine Verminderung des lf. Verzehrungssteuerertrags besorgt. Allein, nach den dem Unterrichtsminister vorliegenden Daten hat sich ungeachtet der früher bewilligt gewesenen Aufschlagserhöhung die Fleischkonsumtion gehoben. Es wird auch nachgewiesen, daß andere Hilfsquellen zur Deckung des Unterrichtsbedürfnisses nicht vorhanden sind, was auch vom Minister des Inneren mit dem Beisatze bestätigt ward, daß im Ver­weigerungsfalle eine oder die andere der neu errichteten Schulen geschlossen werden müßte.

Unter diesen Umständen erklärte der Finanzminister , auf der früheren Einsprache nicht bestehen und gleich den übrigen Stimmen der Konferenz seine Zustimmung zu dem bei Sr. Majestät zu stellenden Bewilligungsantrage geben zu sollen4.

IV. Eingefrorne venezianische Internierte betreffend

Nach einer soeben an den Polizeiminister gelangten telegraphischen Nachricht ist ein Dampfer mit venezianischen Internierten bei Tolna eingefroren5. Auf die Anfrage, was mit diesen Leuten anzufangen sei, gab der Finanzminister die Andeutung, man möge sie unter gehöriger Bedeckung zu Wagen nach der nächsten Eisenbahnstation und von da nach Temesvár schaffen lassen, falls sie nicht inzwischen flott geworden6.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 27. Februar 1860.