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Nr. 50 Ministerrat, Wien, 24. Mai 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; RdA. Pipitz; VS. Pillersdorf; anw. Sommaruga, Krauß, Latour, Baumgartner, Lebzeltern; außerdem anw. Hoyos (nur bei XIX und XX); abw. Doblhoff; BdE. Pillersdorf (26. 5.), Franz Karl (30. 5.).

MRZ. 959 – KZ. –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates vom 24. Mai 1848 unter dem Vorsitze des interimistisch mit dem Präsidium des Ministerrates beauftragten Ministers des Inneren Freiherrn v. Pillersdorf.

I. Forderung der Munizipalkongregation von Zara

Der Justizminister eröffnete: Von der Munizipalkongregation in Zara sei das Begehren gestellt worden, daß vom Zeitpunkte der Publikation der Ah. verliehenen Konstitution an bei den Justizbehörden in Dalmatien nur geborne Dalmatiner angestellt werden mögen1.

Ein gleiches Begehren soll rücksichtlich der übrigen Verwaltungsbehörden in Dalmatien an den Minister des Inneren gestellt worden sein.

Auf die Versicherung des letztern, daß ihm hierwegen noch nichts zugekommen sei, wurde die Beratung über diesen Gegenstand auf den Zeitpunkt verschoben, wo dieses Begehren an den Minister des Inneren gelangt sein wird2.

II. Schreiben des Ministerrates an den Kaiser

Da der Hofrat v. Czillich bestimmt ist, sich zu Ew. Majestät und Sr. k. k. Hoheit dem Herrn Erzherzog Franz Karl zu begeben3, so wurde beschlossen, demselben ein u[ntertänigstes] Schreiben des Ministeriums an Se. k. k. Hoheit mitzugeben. Es enthält die Schilderung der dermaligen gedrückten Stimmung der Bevölkerung Wiens, die Versicherung, daß die Mehrzahl derselben die Ah. Entfernung Ew. Majestät als eine gerechte Strafe für die Vorgänge des 15. Mai ansehe und bereit sei, Garantien gegen || S. 310 PDF || künftige Übergriffe zu geben, aber zugleich den Zweifel, ob dieser gute Geist – unter den fortwährenden Einflüssen Übelgesinnter – von längerem Bestande sein werde, wenn der Ah. Hof die Absicht eines lange dauernden Ausbleibens und somit einer geringen Teilnahme an dem Schmerze der Bevölkerung, deren Gesinnung nicht mit jener der Urheber des Vorgangs vom 15. Mai verwechselt werden dürfte, an den Tag legen sollte; endlich die Bitte um die Mitwirkung Sr. k. k. Hoheit, daß Ew. Majestät dem Ministerium, welches sich nun seit acht Tagen ohne Ah. Auftrag von Ew. Majestät in der peinlichsten Lage befindet und welches, wenn andere Ratgeber außer ihm den Thron umgeben, in der einheitlichen Leitung der Geschäfte gelähmt ist, wieder Allerhöchstdero Vertrauen schenken, bald das Ah. Hoflager, wenn nicht nach Wien selbst, doch wenigstens in dessen Nähe verlegen, loyale Bitten der Untertanen Ag. annehmen und einen kaiserlichen Prinzen, als welchen der Ministerrat den künftigen Thronerben zu bezeichnen wagt, nach Wien absenden mögen.

Von diesem u[ntertänigen] Schreiben, welches durch das Geheime Kabinett übersendet werden mußte, da Hofrat Czillich die Reise wegen Kränklichkeit nicht sogleich antrat, wird auch Sr. k. k. Hoheit, dem Erzherzog Johann eine Abschrift mit der Bitte überreicht, daß Höchstderselbe auch seinerseits diese Vorstellung des Ministerrates unterstütze4.

III. Verlegung des diplomatischen Korps nach Innsbruck

Baron Lebzeltern verlas das an ihn gelangte Ah. Kabinettschreiben vom 20. Mai: „Da Ich gegenwärtig Mein Hoflager hierher nach Innsbruck versetzt habe, wünsche Ich, daß das diplomatische Korps sich hier bei Mir einfände. Ich beauftrage Sie, die entsprechenden Einladungen an dasselbe zu richten.“5

Da dieser Ah. Befehl nicht von Ew. Majestät verantwortlichen Ministern ausgegangen oder gegengezeichnet ist, die Ah. Absicht Ew. Majestät, noch lange von Wien entfernt bleiben zu wollen, erkennen läßt, und bei der Entfernung des diplomatischen Korps vom Sitze der verantwortlichen Organe der Regierung das verfassungsmäßige Mittel derselben, mit den auswärtigen Gesandten zu kommunizieren, wo nicht unmöglich macht, doch gewiß sehr erschwert, so hat sich der Ministerrat für verpflichtet gehalten, Ew. Majestät um die Zurücknahme dieses Ah. Befehls und falls Allerhöchstdieselben davon nicht abzugehen geruhen sollte, um sofortige Zusammensetzung eines neuen Ministeriums dringend zu bitten. Gleichzeitig wurde Baron Lebzeltern ersucht, den gedachten Ah. Auftrag bis zur Ah. Entscheidung über diese einhellig beschlossene au. Vorstellung nicht in Vollzug zu setzen, wozu sich derselbe mit dem Beisatze bereiterklärte, über die Sistierung des Vollzuges unmittelbar selbst die au. Meldung an Ew. Majestät zu erstatten.

Hiermit in Verbindung steht Nr. XXI dieses Protokolls6.

IV. Entsendung des Eugen Freiherrn v. Philippsberg nach Mailand

Baron Lebzeltern teilte mit, daß der infolge frühern Beschlusses des Ministerrates zum Versuch einer Negotiation mit der faktischen Regierung in Mailand bestimmte || S. 311 PDF || Legationsrat v. Philippsberg7 das Bedenken geäußert habe, dadurch mit dem Grafen Hartig in Kollision zu kommen, daher er glaube, vorerst zum Einvernehmen mit diesem angewiesen werden zu müssen.

Allein nachdem, wie der Minister des Inneren bemerkte, Graf Hartig in dem ihm übertragenen Pazifikationsgeschäfte zu formell und methodisch verfährt, bisher kein Resultat erzielt hat und seine Aufgabe mit jener eines Organisateurs zu verwechseln scheint, endlich aus seiner dermalig weiten Entfernung von Mailand dort unmöglich erfolgreich wirken kann, nachdem es ferner um eine möglichst schnelle Einwirkung auf den einflußreichen Casati8 in Mailand zu tun ist, übrigens Philippsberg sich gegen den Minister des Inneren vollkommen bereit erklärt hat, sich dieser Sendung zu unterziehen, glaubte der Ministerrat auf jenes Bedenken umso weniger Gewicht legen zu dürfen, als auch dem vorläufig nach England entsendeten Hofrat Hummelauer eine ähnliche Bestimmung zugedacht worden ist9. Es wurde also beschlossen, den v. Philippsberg auf dem kürzesten Wege, nämlich, nach dem Vorschlage des Grafen Latour, durch die Schweiz – zur Vermeidung des k. k. Heeres unter dem Feldmarschall Grafen Radetzky und des feindlichen sardinischen Heeres – nach Mailand abzusenden und ihm als Kreditiv ein Schreiben des Ministers des Inneren an Casati10 mitzugeben, worin als nächster Zweck seiner Sendung die Unterhandlung wegen Auswechslung der Geiseln bezeichnet, sohin die Anbahnung weiterer Einverständnisse wegen einer allfälligen Pazifikation angedeutet ist.

Baron Lebzeltern wurde angegangen, hiernach den v. Philippsberg anzuweisen, ihm als Instruktion dasjenige vorzuzeichnen, was früher für Hummelauer vorgeschrieben worden11, und zugleich dem Grafen Hartig von dieser Sendung die geeignete Mitteilung zu machen, was auch in Ansehung des Grafen Radetzky durch den Kriegsminister zu geschehen hätte12.

Bei diesem Anlasse brachte Baron Sommaruga den Umstand zur Sprache, daß die Mailänder die meisten der zurückgehaltenen Geiseln freigelassen haben, die sich nun bereits hier befinden, daß daher ein Reciprocum österreichischerseits angeordnet werden dürfte. Auf die Erwiderung des Ministers des Inneren aber, daß hierwegen eine offizielle Nachricht nicht vorliegt und daß jedenfalls vor gänzlicher Freigebung der || S. 312 PDF || Geiseln unsererseits die Freigebung des Vizepräsidenten Grafen O’Donell13 abzuwarten wäre, beschloß der Ministerrat lediglich, seinen frühern Beschluß wegen Konfinierung der italienischen Geiseln nach Olmütz14 dahin zu modifizieren, daß denselben die Wahl ihres Aufenthaltsorts außer Österreich unter der Enns (denn aus der Nähe Wiens müssen sie jedenfalls, mit Ausnahme des Fortis15, der in Handelsgeschäften hier ist, entfernt werden) freigelassen werde16.

V. Deputation der Wiener Schriftsteller

Die Deputation der Wiener Schriftsteller, 20 Köpfe stark, welche Ew. Majestät eine Petition um baldige Rückkehr nach Wien überreichen will17, hat zu diesem Ende 1. um eine Legitimation, 2. um Verständigung des obderennsischen Regierungspräsidenten davon, 3. um Erleichterung der Transport- und Reisekosten von Seite der Regierung gebeten.

Da der Zweck löblich ist und die meisten dieser – freilich etwas zahlreichen – Deputation mittellos sind, so dürfte nach dem übereinstimmenden Gutachten des Ministers des Inneren und des Finanzministers die Bitte ad 3. in der Art gewährt werden, daß ihnen von Linz aus, wohin sie auf dem Dampfschiffe reisen, die erforderlichen Gratiseilwägen bis Innsbruck und retour bewilligt werden18.

VI. Schnellere Zustellung des Amtspaketes

Der Minister Baron Pillersdorf ersuchte den Finanzminister um die Einleitung, daß die Posten, namentlich das abends anlangende Amtspaket, welches ihm erst des andern Tags um 10 Uhr zukommt, früher ausgegeben werden, was der Finanzminister zusicherte.

VII. Publikation der Konstitution in Friaul

Baron Sommaruga stellte die Frage, ob nicht in Friaul, wo Graf Hartig bereits Justizbehörden und Studienanstalten organisiert19, so wie in Verona und Mantua, welches noch von unsern Truppen besetzt ist, die Ah. verliehene Konstitution zu publizieren sei.

Der Minister des Inneren glaubte jedoch hierauf nicht eingehen zu sollen, weil die Provinz Friaul zu klein und der übrige Teil des von unsern Truppen besetzen Landes dem Martialgesetze unterworfen ist20.

VIII. Maßnahmen bei studentischen Unruhen

Auf die Frage des Baron Sommaruga , ob nicht wegen der Universität, wo wieder Bewegung bemerkbar wird, Maßregeln getroffen werden sollen, erklärte sich der Kriegsminister bereit, die erforderlichen militärischen Maßregeln zu ergreifen, was jedoch von || S. 313 PDF || dem Minister des Inneren vorderhand nicht für nötig erkannt wurde, da besonders bedenkliche Erscheinungen nicht vorgekommen sind, die Polizei ohnehin den Auftrag hat, falls solche vorkämen, sogleich die Meldung davon dem Nationalgarde- und Militäroberkommando zu machen, und nach der Versicherung des Ministers der öffentlichen Arbeiten etwa 200 Studenten die Benützung der Staatseisenbahnen zur Heimreise in Anspruch zu nehmen gedenken, daher die Entfernung vieler von Wien zu hoffen ist21.

IX. Anwerbung von Freiwilligen für die Armee in Italien

Der Kriegsminister las vor: die vom Regierungsrate Ruthner und dem General Bredy entworfene Kundmachung wegen Anwerbung von Freiwilligen für die k. k. Armee in Italien22. Nach derselben erhalten sie 1. ein Handgeld von 3 fr. Konventionsmünze, 2. die freie Wahl des Eintritts in eines der 35 deutschen Regimenter, 3. die Verpflichtung zum Dienst auf die Dauer des Kriegs und 4. die Anrechnung dieser Dienstzeit bei etwaiger einstiger Berufung zum Militär nach dem Gesetze in die gesetzliche Kapitulation.

Der Minister der öffentlichen Arbeiten meinte, daß der Punkt 4 wegzulassen und es der eigenen Auslegung zu überlassen wäre, ob die Dienstzeit anrechenbar sei oder nicht, wogegen jedoch Graf Latour bemerkte, daß eine solche Zusicherung offenbar nur zur Beruhigung der Angeworbnen diene. Der Finanzminister wünschte dagegen bei dem Umstande, wo der Krieg in Italien nicht sehr populär ist, daß im Eingang der vom Bundestag ausgegangenen Aufforderung zur Stellung des Bundeskontingentes23 und dann erst der Ereignisse in Italien erwähnt, soweit auch, da in Deutschland ein Krieg nicht geführt wird, der Punkt 3 „auf die Dauer des Kriegs“ in die Bestimmung „auf drei Jahre“ abgeändert werden möchte, gegen welchletztere Andeutung wieder Graf Latour erinnerte, daß dies nur die Sache verwickeln würde, der Eingang der Kundmachung werde jedoch die gewünschte Modifikation erhalten24.

X. Unterordnung der Militärgrenze unter das ungarische Ministerium

Graf Latour teilte eine Vorstellung des Kommandierenden in Peterwardein, FML. Baron Hrabowsky25, gegen die Publikation des Ah. Kabinettschreibens vom 7. Mai26 || S. 314 PDF || mit, wodurch die Unterordnung der slawischen Militärgrenze unter das ungrische Ministerium anbefohlen worden ist.

Da der Ministerrat nach der Bemerkung des Vorsitzenden nicht kompetent ist, in dieser Sache ein Gutachten abzugeben, so behält sich Kriegsminister nach seiner Stellung zur Militärgrenze vor, hierwegen einen eigenen Vortrag an Ew. Majestät zu erstatten, wobei nur der Finanzminister bemerkte, daß der Gesetzartikel, auf welchen sich zur Begründung einer völligen Unterordnung der Partes annexae des Königreichs Ungarn auch unter dessen Verwaltung berufen wird27, keineswegs eine solche Unterordnung, sondern nur die Union und Reokkupation der abgerissenen Teile, nicht aber auch eine völlige administrative Verschmelzung oder Übertragung aller konstitutionellen Einrichtungen ausspricht28.

XI. Übernahme der Stelle des obersten deutschen Feldherrn durch Erzherzog Johann

Graf Latour verlas die Antwort Sr. k. k. Hoheit des Herrn Erzherzogs Johann auf das Höchstdemselben gemachte Anerbieten wegen Übernahme der Stelle eines Bundesfeldherrn29. Dieselbe enthält eine bedingte Annahme dieses Anerbietens und, hierauf gestützt, wird der Kriegsminister dem Minister des Äußern die entsprechende Mitteilung machen, damit von letzteren hiernach der Vorschlag gemacht werde30.

XII. Beförderung Leopold Edler v. Fischers zum Generalmajor

Derselbe übergab seinen Vortrag vom 23. Mai 1848, KZ. 201331, wegen Besetzung von fünf Brigaden, dann wegen Beförderung des Obersten Fischer zum General in seiner Anstellung als Katastralvermessungsdirektor in Galizien. In Ansehung dieses letztern stellte der Finanzminister die Frage, ob es notwendig sei, daß Fischer auch als General in seiner Zivilanstellung verbleibe, und machte auf den Nachteil aufmerksam, den solche Beförderungen den Finanzen und dem Dienste verursachen, indem er auf das Beispiel des Kommandanten des Gendarmeriekorps in Mailand hinwies, der als solcher Befehlshaber über nur 800 Mann zum Feldmarschalleutnant vorrückte.

|| S. 315 PDF || Da Graf Latour versicherte, daß er durchaus nicht darauf bestehe, daß Fischer in seiner Anstellung bleibe, sondern als General zur Truppe wieder einrücke, für welchen Fall ihm die Brigade in Linz zugedacht ist, so wird der Finanzminister, sobald ihm Fischers Beförderung zum General wird offiziell kundgeworden sein, wegen dessen Enthebung vom Katastraldienst das Erforderliche einleiten32.

XIII. Errichtung eines Freikorps aus der Wiener Nationalgarde

Wegen Errichtung eines eigenen Freikorps aus der Wiener Nationalgarde, angeregt von Mitgliedern derselben, wird der Kriegsminister das erforderliche Einvernehmen mit dem Oberkommando derselben und mit dem Generalkommando pflegen33.

XIV. Französische Nationalitätenpolitik

Baron Lebzeltern brachte Notizen aus Paris, daß man dort Sympathien für die Unabhängigkeit und Würde der Nationen ausspreche34, dann

XV. Ankunft Franz Graf v. Colloredo-Wallsees

die Nachricht, daß Graf Colloredo angekommen und bereit sei, das ihm übertragene Amt als Leiter der Kommission zur Sammlung der Materialien für die Verhandlungen des Deutschen Bundes anzunehmen35. Die nähere Bestimmung hierüber wurde bis zum Eintritt des neuen Ministers des Äußern verschoben36.

XVI. Judensteuer in Galizien

Der Finanzminister teilte mit einen Vorschlag in Ansehung der Judensteuern in Galizien37. Dieselben sind gegenwärtig so gut als aufgehoben; die Juden, aufgereizt durch Revolutionärs, zahlen nicht; es wäre indes bedenklich, die Auflassung derselben schon itzt gesetzlich auszusprechen, weil dadurch einerseits die Renitenz sanktioniert, andererseits die Staatsverwaltung in nicht unbedeutende Verwicklungen mit den Steuerpächtern geriete. Ein Ausweg würde sich darbieten in der Bestimmung, daß die im zweiten Halbjahr 1848 eingehenden Judensteuern für den jüdischen Schulfonds in Galizien gewidmet werden. Die Juden, überzeugt von dem Nutzen ihrer eigenen Schulen, deren dermal nur zwei in Galizien bestehen, würden sich mit Rücksicht auf eine solche Widmung der Judensteuern zu deren Bezahlung wohl verstehen und die Staatsverwaltung aus der Verlegenheit gerissen werden, in welche sie durch eine Unterbrechung in der kurrenten Einnahme und durch Verwicklungen mit den Steuerpächtern geriete.

Der Finanzminister gedenkt daher – mit Zustimmung des Ministerrates – dem Grafen Stadion die erforderlichen Andeutungen wegen Ausführung dieses Vorschlags zu geben38.

XVII. Handhabung freiwilliger Spenden an den Staat

Derselbe bemerkte: Von mehreren Seiten wurden bereits Anerbieten zu freiwilligen Beiträgen für allgemeine Staatsbedürfnisse gemacht mit der Andeutung, daß gewiß von vielen dasselbe getan würde, wenn man von Seite der Staatsverwaltung entgegenkommen und die Abgabe solcher freiwilligen Opfer erleichtern wollte39.

Zu diesem Ende gedenkt der Finanzminister eine Kundmachung und eine derselben entsprechende Weisung an die politischen und Kameralbehörden dahin zu erlassen, daß alle landesfürstlichen Kassen zur Annahme, Verrechnung und Abfuhr solcher freiwilligen Beiträge verpflichtet, auch städtische und Gemeindekassen dazu berechtigt, die Namen der Geber veröffentlicht und die in einzelnen Orten sich etwa bildenden Vereine zu Sammlungen für diesen Zweck von den Behörden werden unterstützt werden40.

XVIII. Verhandlungen mit dem ungarischen Ministerium über Verwaltung, Handel u. ä

Derselbe teilte mit eine Note des ungrischen Ministeriums41, worin es zum Behufe einer gemeinschaftlichen Verhandlung über Gegenstände der allgemeinen Verwaltung, Abrechnung der gegenseitigen Forderungen, Handelsinteressen etc. die Zusammensetzung einer Kommission vorschlägt und ungrischerseits den Staatssekretär v. Pulszky als Kommissionsbevollmächtigten in Antrag bringt.

Dieses Anerbieten kann nur höchst willkommen sein. Die Gegenstände solcher gemeinsamen Verhandlungen wären: rein finanzielle Abrechnungen bis zum 10. April (wo das ungrische Ministerium in Wirksamkeit trat) über Steuerreste, Besoldungen, Pensionen, die Regulierung der Zölle, die Frage wegen der Zwischenzollinien, die Maßregeln zur Belebung des Geldumlaufs und Kredits, des Postwesens etc., auch, wie der Finanzminister vermeinte, das Militare.

In dieser Beziehung bemerkte der Kriegsminister , bereits mit dem ungrischen Kriegsminister eine Punktation verabredet zu haben42, welche er dem ungrischen Ministerium annehmbar zu machen trachten werde, daher er allerdings für die Einbeziehung der Militargegenstände in die gemeinschaftliche Verhandlung wäre und eine Mitteilung des hierwegen an das ungrische Ministerium Erlassene ersuche.

Diesem gemäß würde der Finanzminister das Ansinnen des ungrischen Ministeriums beantworten und österreichischerseits als bevollmächtigtes Kommissionsglied den Vizepräsidenten Baron Münch bezeichnen43.

|| S. 317 PDF || In der Abendsitzung übergab

XIX. Bericht über die Mission Graf Hoyos' und Graf Wilzceks

der von der Reise ins Ah. Hoflager eben zurückgekommene Graf Hoyos die angeschlossene Relation über das Resultat seiner und des Grafen Wilczek Mission44.

Nach derselben ist ihnen zwar nicht gelungen, Ew. Majestät zur alsbaldigen Rückkehr nach Wien zu bewegen, allein sie sprechen die Hoffnung aus, daß Allerhöchstdieselben die ersehnte Rückkehr auf einen nicht allzu fernen Zeitpunkt hinauszurücken geneigt sein dürften, wenn die seither an den Tag gelegte loyale Gesinnung der Wiener sich befestigt und das Übergewicht über die schlimmen Elemente erhält und sonst keine besondern ungünstigen Umstände eintreten; denn weder Furcht noch Abneigung haben die durchlauchtigsten Glieder der Ah. Familie zu erkennen gegeben, sondern es war sichtlich das Bedürfnis einer durch die Ermüdung und Anstrengung vergangener Tage notwendig gewordene Erholung wahrzunehmen.

Der Ministerrat dankte dem Grafen Hoyos für seine bereitwillige Verwendung45 und übernahm noch aus seinen Händen

XX. Handschreiben Erzherzog Karls; Kabinettschreiben über die Gründe der Anreise des Kaisers

ein Handschreiben Sr. k. k. Hoheit der Herrn Erzherzogs Franz Karl vom 20.46, wornach es Höchstdemselben nicht gelungen ist, Ew. Majestät zur baldigen Rückkehr nach Wien zu bestimmen, dann folgende zwei Ah. Kabinettschreiben

1. vom 20. Mai47: „Lieber Freiherr v. Pillersdorf! Der FML. Graf Hoyos hat Mir das vom Ministerrate am 17. d. M. abends an Mich gerichtete Schreiben48 soeben eingehändigt. Ich erwidere Ihnen hierauf, daß die Stadt Wien in letzter Zeit zum großen Nachteile ihre früher gegen Mich und Meine Vorfahren stets bewiesene Treue so sehr verletzt hat, daß Ich Mich bestimmt finden mußte, sie auf eine Zeit zu verlassen und erst wieder dahin zurückzukommen, wenn Ich Mich von der Rückkehr zu ihren früheren Gesinnungen vollkommen überzeugt haben werde.

Der Ministerrat wird, wie Ich es bei Meiner Abreise vorausgesetzt habe, es in seiner Pflicht finden, einstweilen alles vorzukehren, was die Lage der Monarchie und die Wahrung des Throns von demselben fordert, indem der regelmäßige Gang der Geschäfte durch einen zeitweise geänderten Aufenthalt in Meinem Staate nicht gestört werden darf.“

2. vom 21. Mai49: “Ich glaube es Meinen Völkern schuldig zu sein, sie baldmöglichst von den Gründen in Kenntnis zu setzen, die Mich bestimmt haben, Meine Residenz zu verlassen. Das Außerordentliche der Umstände und ihre Dringlichkeit lassen es nicht zu, mich mit Ihnen vorläufig darüber zu beraten. Ich habe es daher für angemessen erachtet, beifolgendes Manifest zu erlassen, und indem Ich gleichzeitig Meinen Gouverneur von Tirol beauftrage, es in dieser Provinz bekanntzugeben, und diesen Auftrag für Mein Königreich Ungern an den dortigen Herrn Erzherzog Palatin richte, beauftrage Ich Sie, dasselbe in Meinen übrigen Staaten zur öffentlichen Kenntnis zu bringen.“

|| S. 318 PDF || In Gemäßheit dieser Ah. Kabinettschreiben hat der Ministerrat nicht nur sogleich die Einrückung ihres vollen Inhaltes sowie des Manifestes (das unter einem besonders abgedruckt und kundgetan wird) in die Wiener Zeitung veranlaßt50, sondern auch in Gemäßheit des Schlußabsatzes des ersten Ah. Kabinettschreibens vom 20. d. [M.] eine gedrängte Darstellung derjenigen Verfügungen, welche der Ministerrat seit der Abreise Ew. Majestät zu treffen sich verpflichtet gehalten hat, gewissermaßen als Rechenschaftsbericht auf demselben Wege zur öffentlichen Kunde gebracht.

Er hält sich aber auch für verpflichtet, all dieses Ew. Majestät in einem besonderen Vortrage anzuzeigen und behält es der morgigen Beratung vor, sich auch über dasjenige zu vereinigen, was von Allerhöchstdenselben in Ansehung der Bedingungen, an welche die Ah. Rückkehr nach Wien zu knüpfen sei, zu erbitten oder Allerhöchstdenselben in Antrag zu bringen wäre51.

XXI. Verlegung des diplomatischen Korps nach Innsbruck

Mit Rücksicht auf die vorbelobten Ah. Kabinettschreiben ward die sub Nr. III der Mittagssitzung vom heutigen Tage beschlossene au. Vorstellung gegen die Ah. angeordnete Einladung des diplomatischen Korps, sich nach Innsbruck zu begeben, wieder in Frage gestellt. Während einerseits nicht verhindert werden kann, daß einzelne Botschafter oder Gesandte sich für ihre Person zum Ah. Hoflager begeben, erkennt der Ministerrat andererseits eben in dem Schlußsatze des Ah. Kabinettschreibens vom 20. d. [M.]52: „daß der regelmäßige Gang der Geschäfte durch einen zeitweise geänderten Aufenthalt in Meinem Staate nicht gestört werden darf“ ein Motiv mehr, auf dem Beschlusse einer au. Vorstellung gegen jene Einladung zu beharren. Denn die amtliche Kommunikation mit den fremden Gesandten ist nur durch den Weg des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten gesetzlich möglich; die Entfernung der Diplomaten vom Sitze des Ministeriums würde nur zu Verzögerungen Anlaß geben, die unter den jetzigen dringenden und wichtigen Verhältnissen und Beziehungen zum Auslande vermieden werden müssen; den fremden Diplomaten und dem nun wohl auch am Ah. Hoflager Ew. Majestät befindlichen hierortigen Minister endlich, wenn ihn Ew. Majestät mit der Unterhaltung der ämtlichen Verbindung mit der Diplomatie beauftragen wollten, würden jedenfalls die erforderlichen Behelfe fehlen, um sich einer solchen Aufgabe mit Erfolg unterziehen zu können.

Der Ministerrat erachtete daher, von seiner sub Nr. III dieses Protokolls beschlossenen au. Vorstellung gegen den Vollzug des Ah. Befehls zur Einladung der fremden Diplomaten nach Innsbruck nicht abgehen zu können53.

XXII. Publizierung der kaiserlichen Antwort an die Wiener Deputation

Auch die nach Graf Hoyos an Ew. Majestät abgegangene Deputation von Wienern hat von Allerhöchstdenselben eine Ah. schriftliche Antwort erhalten54. Sie fragte sich durch Graf Montecuccoli an, ob sie selbe öffentlich bekanntmachen und vielleicht einige, durch Rücksichten für Vermeidung von Anlässen zur Aufregung gebotene, Änderungen vornehmen dürfe.

In dieser Beziehung schien wirklich die darin vorkommende Stelle: „daß Ew. Majestät die am 15. März versprochene Konstitution halten, aber keines Ihrer Rechte, womit die Ausübung der Regentenpflichten verwebt ist, aufgeben oder verletzen lassen werden“ zu einigen Bedenken Anlaß zu geben.

Allein weder der Ministerrat noch die Deputation wäre befugt, irgendeine Änderung oder Hinweglassung an dieser Ah. Erledigung vorzunehmen; daher erklärte der Ministerrat, sie müsse, wenn sie bekanntgemacht werden will, ganz und unverfälscht wiedergegeben werden. Nachdem indessen durch die ämtliche Kundmachung der beiden Ah. Kabinettschreiben vom 20. und 21. und des Ah. Manifestes55 eine weitere Verlautbarung jener speziellen Ah. Antwort entbehrlich geworden sein dürfte, so ließ der Ministerrat der Deputation durch Graf Montecuccoli bedeuten, daß er, seines Orts die Veröffentlichung dieser Antwort nicht mehr angezeigt fände – ohne jedoch hiermit der Absicht der Deputation vorgreifen zu wollen56.

Ges. 30. Mai. Franz Karl. Vidi. Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Wissenschaft. Ferdinand. Innsbruck, am 31. Mai 1848.