Nr. 72 Ministerkonferenz, Wien, 6. Dezember 1859 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Rechberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Rechberg 6./13. 12.), Thun 8. 12., Bruck 8. 12., Nádasdy 9. 12., Gołuchowski 10. 12., Thierry, Schmerling.
MRZ. – KZ. 4193 –
Protokoll der zu Wien am 6. Dezember 1859 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.
I. Erklärung des Hofrats v. Zsedényi betreffend
Der Ministerpräsident teilte mit, daß Hofrat v. Zsedényi erklärt habe, er könne die ihm und den Teilnehmern an den Käsmarker Konventsbeschlüssen proponierte, in der Konferenz vom 29. v. M. (Protokoll II ad I.) formulierte Erklärung nicht ausstellen, noch deren Ausstellung von anderen erwirken. Unter diesen Umständen erübrigt also nichts, als der bereits eingeleiteten Untersuchung ihren Lauf zu lassen1.
II. Steuerfreiheit des Ascher Gebietes
Der Finanzminister referierte über die Steuerfreiheit des Ascher Gebietes, Egerer Kreis in Böhmen.
Dieses Gebiet von ca. zwei Quadratmeilen, gegenwärtig von circa 20.000 Seelen bewohnt, ward im Jahre 1331 von seinen damaligen Besitzern freiwillig der Krone Böhmens zu Lehen aufgetragen und von denselben gegen immerwährende Steuerfreiheit zu Lehen genommen. Seitdem genießt dieses Gebiet vollkommene Steuerfreiheit. Nach der letzten Bestätigung des Lehenbriefs und bezüglich des Freiheitsprivilegiums im Jahre 1844 wurde in Erwägung der Unvereinbarlichkeit dieses Zustands mit den allgemeinen Staatsverhältnissen die Aufhebung desselben beantragt, jedoch bis zur Vollendung der Katastraloperationen in Böhmen vertagt, endlich nach deren Zustandekommen wieder aufgenommen und Sr. Majestät hierwegen vom Finanzminister im Einvernehmen mit dem Minister des Inneren Vortrag erstattet. Mit der darauf erteilten Ah. Entschließung vom [31.] Dezember 1857 wurde befohlen, das Einvernehmen mit dem Justizminister zu pflegen und zu erwägen, a) ob die Steuerfreiheit außer den Lehenbesitzern sich auch auf alle übrigen Grundbesitzer in diesem Gebiete, ob sie sich b) auf alle jetzt bestehenden Steuern erstrecke, und c) ob und welche Entschädigung für die Einziehung dieser Steuerfreiheit zu bewilligen sei2. Nach gepflogener Rücksprache haben sich die drei genannten Ministerien ad a und b geeiniget, ad c jedoch war das Justizministerium allein der Ansicht, daß eine Entschädigung gebühre, indem die Steuerfreiheit auf einem Vertrage beruhe, daher zwar nach § 369 ABGB. aus öffentlichen Rücksichten, jedoch nur gegen Entschädigung eingezogen werden könne. Der agewesene Minister des Inneren Baron Bach und der Minister dera gewesene Minister des Inneren Baron Bach || S. 279 PDF || und der Minister der Finanzen waren dagegen der Meinung, daß eine Entschädigung nicht gebühre, weil die Steuerfreiheit auf ein Privilegium sich gründe, welches gemäß Ah. E. vom 9. Jänner 1836 nur so lange Gültigkeit hat, als es von dem jeweiligen Landesfürsten bestätigt worden ist3. Nachdem dieses nun seit der letzten Bestätigung vom Jahre 1844 nicht geschehen, Se. Majestät auch im allgemeinen den Grundsatz der Gleichstellung aller Staatsangehörigen vor dem Gesetze ausgesprochen haben4, beharrte der Finanzminister auch heute bei seiner Ansicht.
Der Justizminister erbat sich die Verhandlungsakten zur vorläufigen Einsicht, um nach näherer Prüfung der, wie es scheint, neuerlich beigebrachten Urkunden über das Rechtsverhältnis seine Ansicht näher begründen oder modifizieren zu können5.
III. Judenrealitätenbesitz betreffend
Wurde die am 3. d. M. begonnene Beratung über die Befähigung der Juden zum Besitze unbeweglichen Eigentums fortgesetzt, worüber ein abgesondertes Protokoll ausgefertigt wird6.
IV. Auflösung der Kommission zur Beurteilung der Gesuche der politischen Flüchtlinge um Rückkehrbewilligung
bDer Minister des Inneren stellte den Antrag, damit die im Jahre 1857 mit Bewilligung Sr. Majestät aus Mitgliedern der Ministerien des Äußern, der Finanzen und der Obersten Polizeibehörde und des Inneren zusammengesetzte Kommission wegen Erörterung und Beurteilung der Bitten einzelner politischer Flüchtlinge, die um Rückkehrsbewilligung bitten, aufgelöst werde, weil derlei Gesuche nur äußerst selten vorkommen, daher ohne Beschwerde im Korrespondenzwege abgetan werden können. Die Konferenzmitglieder waren damit einverstandenb Der Minister des Inneren stellte den Antrag, damit die im Jahre 1857 mit Bewilligung Sr. Majestät aus Mitgliedern der Ministerien des Äußern, der Finanzen und der Obersten Polizeibehörde und des Inneren zusammengesetzte Kommission wegen Erörterung und Beurteilung der Bitten einzelner politischer Flüchtlinge, die um Rückkehrsbewilligung bitten, aufgelöst werde, weil derlei Gesuche nur äußerst selten vorkommen, daher ohne Beschwerde im Korrespondenzwege abgetan werden können. Die Konferenzmitglieder waren damit einverstanden.7
Wien, am 6./13. Dezember 1859. Rechberg.
Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 15. Dezember 1859.